Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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190. An Großmann

den 27ten Aprill 1793

Werthgeschätzter Herr Gevatter!

Sie werden verzeihen daß ich Ihnen so lange die Antwort auf zwey Briefe schuldig geblieben bin – doch liegt meine Entschuldigung in den gegenwärtigen Zeitläuften – seit dem 22ten October 1792 hatten wir andere Dinge zu betreiben und zu besorgen als Briefe zu schreiben, die erfordern |:wenigstens bey mir:| ein ruhigs Gemüth, wer aber bey zwey Milionen Brandschatzung – bey der starcken Einquartirung |:da ich eine Stube vor mich vor Eßen – Trincken – Schlafen und Visiten guter Freunde nur übrig behalten habe:| wer bey Einnahme der Stadt in Gefahr war sein Hauß und Vermögen in die Luft fahren zu sehen – wer aus Christlichem Mitleid den armen Blesirten und Gefangenen – Nahrung und Kleidung Stücke in die Spiethäler und Gefängniße zu schicken hatte – wer bey allem diesem wirr warr sich ruhig hinsetzen und Briefe schreiben konte der war geschickter wie ich – und noch biß auf den heutigen Tag sind sind und können wir nicht ruhig seyn – so lange das beklagungs würdige Maintz nicht wieder in Deuschen Händen ist, dürfen wir noch nicht gantz ohne Furcht seyn. Aus allem diesen erhelt nun zur Gnüge daß uns die Lebendigen so viele Arbeit – Mühe, und Kosten verursachen daß wir an die Toden nicht dencken können – Überhaubt mögte ich mein Hertz |:über verewigung – großer Menschen – durch Obelisken – Urnen u.d.g.:| wohl einmahl ausschütten – aber nur nicht gegen Ihnen – denn da Sie alle Briefe dieser art drucken laßen; so könte mir diese Ehre ebenfals wiederfahren – welches mir dann keinen kleinen ärger verursachen würde. Vor die Übersendung der Tramatugischen Blätter dancke ergebens – ich leße so was mit Vergnügen – da das Theater noch biß dato mein liebstes Steckenpferd ist. Ich habe im Jorick gelesen, daß das ein bößer Wind wäre, der niemand was gutes zuwehete – das gielt von unserm hiesigen Theater – das hat durch den Krieg diesen Winter erstaunlich gewonnen – Der König von Preußen – die Printzen – Genährle – kurtz alles war alle Abend im Schauspiel worüber ich denn eine hertzinnigliche Freude hatte und in denen Stunden alles übrige Leyd so zimlich vergaße. Der guten Viala bin ich auch noch eine Antwort schuldig!! Grüßen Sie Sie auf schönste und beste von mir und versichern derselben die Fortdauer von meiner Freundschaft – Dieses nehmliche sagen Sie Ihrer Lieben Ehehälfte der Frau Gevatterin – und zum beschluß Sich selbst. Ich bin wie vor Olim

Dero
Gute Freundin
Goethe.


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