Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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87. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Was dem müden Wanderer ein ruhe plätzgen, Dem Durstigen eine klahre Quelle und alles was sich nun noch dahin zählen läßt; was die armen Sterblichen stärckt und erlabt, war das gnädige Andencken unserer Besten Fürstin! Du bist also noch nicht in Vergeßenheit gerathen – Die Theureste Fürstin denckt noch an Dich – fragt nach Deinem Befinden – Tausend facher Danck sey Ihro Durchlaucht davor dargebracht! Ihro Durchlaucht haben die Gnade zu fragen was ich mache? O beym Jupiter so wenig als möglich! und das wenige noch obendrauf von Hertzen schlecht – Wie ists aber auch anders möglich! Einsam, gantz allein mir selbst überlaßen – wen die Quellen abgeleitet oder verstopt sind, wird der tiefste Brunnen lehr – ich grabe zwar als nach frischen – aber entweder geben sie gar kein Wasser – oder sind gar trübe, und beydes ist dann freylich sehr schlimm. Die Noble allgerorie könte ich nun biß ins Unendliche fortführen – könte sagen, daß um nicht Durst zu sterben ich jetzt Mineralisch Wasser träncke – welches sonst eigentlich nur vor Krancke gehört u.s.w. Gewiß viele schöne sachen ließen sich hir noch anbringen – aber der Witz, der Witz! den habe ich imer vor Zugluft gehalten – er kühlt wohl – aber man bekommt einen steifen Hals davon. Also ohne alle den schnick schnack – Alle Freuden die ich jetzt genüßen will, muß ich bey Fremden, muß ich außer meinem Hauß suchen – Den da ists so still und öde, wie auf dem Kirchhoff – sonst wars freylich gantz umgekehrt – Doch da in der gantzen Natur nichts an seiner stelle bleibt, sondern sich in ewigem Kreislauf herum dreht – wie könte ich mich da zur Ausnahme machen – nein so absurd denck Frau Aja nicht – Wer wird sich grämen daß nicht imer Vollmond ist, und daß die Sonne jetzt nicht so warm macht wie im Julius – nur das gegenwärtige gut gebraucht und gar nicht dran gedacht daß es anders seyn könte; so komt mann am besten durch die Welt – und das durchkommen ist doch |:alles wohl überlegt:| die Hauptsache. Ihro Durchlaucht könen nun so ohngefähr aus obigem ersehen, daß Frau Aja imer noch – so ohngefähr Frau Aja ist, ihren guten Houmor beybehält, und alles thut, um bey guter Laune zu bleiben – auch das mittel das weiland König Saul gegen den bößen Feind so probat fand, fleißig gebraucht; und so hats menschlichem Ansehn nach noch lange keine Noth mit der guten Frau. Zumahl da Herr Tabor |:den Ihro Durchlaucht wenigstens dem Nahmen nach kennen:| vor unser Vergnügen so stattlich gesorgt hat. Den gantzen Winter Schauspiel! Da wird gegeigt, da wird trompett – Ha! den Teufel mögte ich sehen, ders Currage hätte einem mit schwartzem Blut zu Incomodiren – Ein einziger Sir John Fallstaff treibt ihn zu paaren – das war ein gaudium mit dem dicken Kerl – Christen und Juden alles lachte sich die Galle vom Hertzen. Diese Woche sehen wir auch Clavigo – da geht gantz Franckfurth hinein, alle Logen sind schon bestelt – Das ist vor so eine Reichsstadt, allemahl ein großer spaß. Ich habe nun Ihro Durchlaucht befehl in Unterthanigkeit befolgt – von meinem Seyn oder nicht Seyn wahrhaften und aufrichtigen Bericht erstattet – Empfehle mich nun zur fernrer Huld und Gnade, und bin ewig

Durchlauchdigste Fürstin
Dero
unterthänigste treugehorsambste
Dienerin Goethe

Franckfurth d 22 October 1782


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