Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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169. An Unzelmann

Werthgeschätzter Herr Gevatter!

Da ich aus Erfahrung weiß, daß das so Ihre Medote Art und Weiße ist, die Haut feil zu bieten, ehe Sie den Bären haben; so halte ich mich aus Freundschaft verpflichtet Ihnen unsere hiesige Lage so klar und deutlich vor Augen zu legen, damit Sie im Stande sind die Sache reiflich zu überlegen um Sich nicht auf Neue in Schaden, Verdruß und Unlust zu bringen. Koch bleibt von dem heutigen Dato an noch 11 sage Eilf Jahre – junge Rollen spielt er nicht mehr sondern hat sie an Porsch und Ziegler abgegeben in Väter, Pedanten, Helden die gerade nicht jung zu seyn bedürfen gefält er – und steht |:welches das Beste ist:| bey Herrn von Dahlberg in Gnaden – wird also wohl schwerlich wegkomen. An ein Nationahl Theater ist hir nicht zu denken – so lange von der Obrigkeit die Advents und Fastenzeit das Schauspiel untersagt, ist so was ein frommer Wunsch – der nicht in Erfüllung gehen kan. Das größte Hindernüß |:alle die eben erzählten abgerechnet:| Ihnen jemahls wieder hir zu sehen, ist wohl, daß Dahlberg immer noch sehr über Ihnen aufgebracht ist – und ich weiß von sicherer Hand daß Sie mögten wieder kommen über lang oder kurtz Ihnen die Strafe noch bevor steht – Wie ist es also glaublich, daß Er Ihnen wieder herberufen wird! Setzen Sie Sich also nicht wieder zwischen zwey Stüle, und fangen doch einmahl an zu überlegen, ehe Sie handlen. Aber in aller Welt sagen Sie nur wies zugeht daß Sie wieder weg wollen? Ihre ersten Briefe, auch die von der Frau Gevatterin, waren ja alle so voll Entzücken, Jubel, Freudengeschrei, Königlicher Gnade u.s.w. Wir arme Schelmen kommen ja mit all unserer erwißenen Freundschaft, Dinstleistungen und gutem Willen; als gantz unbedeutende Figuren in den Hindergrund, daß das beste Auge uns nicht gewahr werden konte! Sie hätten wenigsten aus Delicateße Ihr Paradieß nicht so Vortreflich ausmahlen sollen – und die Entschädigung vor die 3 Jahre Elend |:wie sich die Frau Gevatterin in einem Brief ausdruckte:| lieber verschweigen sollen. Glauben Sie, daß dieser Posaunen-thon Ihre Freunde recht gekränkt hat – Nun das alles bey seite – Gott schenke Ihnen noch viele glückliche Tage, ists gleich nicht bey uns, so ist die Welt groß und Gottes Himmel überall und Ihre beyderseitige Talente machen überall ihr Glück. Grüßen Sie Ihre Liebe Frau – den kleinen Sänger Carl – das kleine Mädelein von

Ihrer
es aufrichtig meinenden Gevatterin
Elisabeth

den 11ten May 1790.

N. S. Das arme organ hat gerade zur Unzeit die Anterprieße an D. abgegeben – Die Krönung hätte ihn aus aller Noth heraus reißen können – Im Juli ist die erste Auffahrt zur Wahl – das gibt ein groß Spectakel – Mein Hauß wird von oben bis unten voll gepropft.


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