Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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113. An Großmann

Franckfurth d 9ten Juli 1785

Lieber Herr Gevatter!

Wer soll, Wer kan in der Wichtigsten Sache Ihres Lebes Richter seyn als Sie selbst. Salomon mit aller seiner Weißheit könte das ohne die Acten gelesen zu haben nicht, und würde um vernünfig zu handlen sein urtheil suspendiren. Das Publicum, Ihre Freunde |:worunter ich mich wie billig setze:| und Feinde sind in dem nehmlichen Fall – Unser Resonemant muß und kan Ihnen nicht anders als schief vorkommen weil unser Augenglaß anders geschlieffen ist – und also gantz nathürlich auch anders sieht, und aus eben dem Grund auch anders urtheilt.

Sie glauben an Demoiselle Schrott ein gutes braves Weib – eine treue Mutter – eine Sparsame Haußfrau theils schon zu finden – theils Sie noch |:wo es etwa fehlen solte:| dazu zu finden. Eben dießes bezweifelt nun Jedermann und eben deßwegen ist Jedermann dagegen, weil mann glaubt, daß Sie Lieber Freund! eines beßerns Glücks würdig wären. Das sind die Gründe, das ist die Ursach. Sie sehen aus diesem allen daß Sie Sich selbst der beste Rathgeber seyn müßen – und das kan Ihnen Lieber Herr Gevatter! doch auch ohnmoglich schwer fallen. Die Demoiselle Schrott ist schon verschiedne Jahre gleichsam unter Ihrer Aufsicht – Ihr gutes und Ihre Fehler müßen und können Ihnen nicht im minsteten verborgen seyn – zumahl einem Mann von Ihrer Welt und Menschen kentnüß – dazu komt noch daß das Mädgen wie Sie selbst schreiben – gut, gerade und bieder ist bey solchen Umständen, ist das prüffen eben keine sehr schwere Sache – noch mehr – die Demoiselle Fritze ist ja auch beständig um und bey der Demoiselle Schrott – was sagt denn die? ich hoffe die Wahrheit – voraus gesetzt daß Ihnen die Fritze noch eben so liebt und ehrt wie sonst. Das ist nun alles was ich Ihnen Lieber Herr Gevatter über diesen punct schreiben oder sagen kan. Ein altes Sprüchwort sagt: Bette dich gut, so schläft du gut – Dieses gebe Gott! Amen.

Aber Lieber Herr Gevatter! Ich bin böße auf Ihnen recht böße – was haben wir Franckfurther den gesündigt, daß wir bey Meister Böhm und Consorten ins Schauspiel gehen müßen um unser Abonement von dem vortragirt zu kriegen??? Geben Sie dann dadurch nicht zu erkennen, daß Ihre und Böhms Leute einerley Schrot und Korn sind – den schlechteres werden Sie uns doch nicht zumuthen zu sehen. und nur den kitzel von des Hanßwurst Freunden mitanzusehn könte einem wieder Gichtbrüchig machen. Spielen könte er so lang er wolte, nur Ihr Abonement sollten Sie absolut nicht an ihn abgeben. Ihre Freunde zumahl die, die bey dem letzten Unglück sich so viele mühe um Sie gegeben haben – sind Fuchs wild – und wenn sich der Vorhang hebt und es erscheint so ein Christel, Distel Petrübi N. B. vor mein Großmännisches abonement; so ärgere ich mich abscheulich – und das haben Sie doch warhafftig auf Ihrem Gewißen. Vorjetzt Leben Sie wohl! Gedencken zu weilen an den großen Hirschgraben und an diejenige die unverändert ist

Ihre
wahre Freundin
Elisabetha Goethe.

N. S. Bitte die Inlage an Herrn Schmidt gefälligst abzugeben.


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