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Die Last Gaugarten fällt – August Böök revoltiert und gefährdet mein Leben – Unter Whisky auf Fahrt
Ich wußte es schon, der Zug war nicht mehr zu kriegen. Sobald ich außer Sicht von Karla war, ging ich langsamer. Ich würde mich von August Böök nach Radebusch fahren lassen müssen, denn den Wagen mußte ich unbedingt noch heute zurück haben, ob er nun fertig war oder nicht.
Ein wenig fürchtete ich mich vor den scharfen Augen August Bööks und auch vor der Schimpferei des Meisters, dem ich den Wagen schon ein halbes dutzendmal hingefahren und immer wieder nach ein paar Stunden weggeholt hatte. Aber was sollte ich machen? Einerseits ging es mir gegen das Gefühl, mit dem verbeulten Wagen umherzufahren, andererseits brauchte ich ihn alle Tage dringend ...
Nun war er gestern so weit gewesen, daß sie ihn ausgebeult und gespachtelt hatten, als ich ihn mir wieder holte. Schon am Abend hatte ich ihn zurückgebracht: sie mußten doch bis heute mittag das bißchen Lackieren fertigbringen, wenn auch der Meister behauptet hatte, es dauere zwei Tage.
August, sagte ich, Sie müssen mich schnell nach Radebusch fahren!
Und das jetzt gleich? fragte Böök. Will die Chefin denn heute nicht fahren?
Nein, sagte ich, schon wieder ärgerlich. Alle hatten sie bloß ewig Widerworte! Ich will fahren – und zwar sofort! Und zwar nach Radebusch!
Na schön, Chef, sagte August. Ich sage Ihnen aber gleich, Ihr Wagen ist doch noch nicht lackiert!
Gott, hatte ich eine Wut auf das schlaue Aas! Der sah und wußte wahrhaftig alles! Aber ich durfte mir nichts merken lassen, ich war in seiner Hand. (Eigentlich war ich jetzt in jedermanns Hand oder genauer in jedermanns Munde, was noch schlimmer war.) So sagte ich nur: Sie sind aber mächtig helle, Böök! Daß die jetzt Lacke haben, die in einer Stunde trocken sind, davon haben Sie natürlich noch nichts gehört?!
Doch! antwortete er ganz frech. Manche können jetzt wunderbar lackieren, Chef!
Ich wußte genau, wen er mit ›manche‹ meinte. Aber ich stritt mich nicht mit meinem Chauffeur, ich sagte nur: Bringen Sie den Wagen heraus. Ich gehe nur noch mal schnell ins Schloß!
Ist recht, Chef, sagte August und machte sich an seinen Wagen.
Im Schloß fing ich mir den Fitz und schickte ihn in den Park zu Karla mit der Nachricht, ich habe den Zug versäumt und sei mit Böök gefahren. Es war schon besser, sie wußte Bescheid, daß aus ihrer Ausfahrt heute nichts werden konnte. Der Böök war imstande und fing einen Krach mit mir an, wenn er merkte, ich hatte ihn beschwindelt.
Dann fuhren wir durch das Gaugartener Tor, und wie immer jetzt wurde mir leichter zumute, wenn ich nur erst Gaugarten mit all seinen bekannten, zum Überdruß gesehenen Gesichtern hinter mir hatte. Noch saß der August neben mir, aber nicht lange, dann schickte ich ihn nach Hause und fuhr allein in meinem schönen, roten, neu lackierten Wagen durchs Land. Aber nicht lange allein ...
Ich sah, von der schweren Last, mich zu verstellen, befreit, auf die sonnenglitzernde Landstraße, brannte mir eine Zigarette an und fuhr Radebusch entgegen. Leise pfiff ich vor mich hin, so vergnügt war ich, und dann brach ich ab mit Pfeifen und sagte: Na, Böök, das haben Sie sich auch nicht träumen lassen, daß Sie über ein halbes Jahr an einer Stelle aushalten würden!
Und Sie erst, Chef! sagte August gemächlich. Aber wenn Sie's tröstet: ich bin nicht Ihretwegen geblieben, Chef!
Ich mußte lachen, so gut war mir zumute. Sagen Sie, Böök, fragte ich, warum sind Sie eigentlich immer so kratzbürstig zu mir? Ich habe Ihnen doch nichts getan! Oder –?
Der August sah geradeaus vor sich hin. Er fuhr jetzt ein bißchen schneller, aber er antwortete mir nicht.
Das machte mich sicherer. Daß Sie nicht meinetwegen aushalten, das weiß ich lange, sagte ich spöttisch. Und daß es Sie gewaltig ärgert, weil Sie heute mich fahren müssen und nicht meine verehrte Frau –
Ich redete nicht weiter. Der August hatte so plötzlich an der Bremse gerissen, daß es den Wagen halb herumriß. Er schlenkerte über die Straße, stieß gegen einen Schotterhaufen ...
Was machen Sie denn, Böök?!! schrie ich in zorniger Angst.
Steigen Sie aus, Chef! sagte August Böök ganz leise, aber in furchtbarer Wut. Sein dunkles Gesicht hatte die Farbe von schmutzigem Grau angenommen. Steigen Sie aus, wenn Sie so mit mir reden wollen! Daß Sie ein Schwein werden mögen, ist Ihre Sache, aber mich lassen Sie raus aus Ihren Schweinereien, verstanden?!
Um Gottes willen, Böök! bat ich angstvoll, denn die Folgen eines solchen Böökschen Zornes waren nicht abzusehen. Was haben Sie denn? Ich habe Sie doch nicht beleidigen wollen! Ich schwöre Ihnen, ich habe kein Wort gesagt ...
Also sagen Sie besser nichts mehr, wenn Sie heute noch nach Radebusch wollen, Chef! sagte Böök drohend, aber nicht mehr zornig.
Einen Augenblick schien er sich noch zu besinnen, dann setzte er den Wagen aus dem Schotter zurück und fuhr wieder an. Schweigend saßen wir nebeneinander, schweigend fuhren wir auf Radebusch zu ...
In mir wich die Angst langsam einer tiefen, schweren Verzweiflung.
So kann es nicht weitergehen, dachte es in mir. Du gerätst immer tiefer hinein. Erst hat es langsam angefangen mit all dem Geld, aber in den letzten beiden Wochen geht es immer schneller ... Er hat ja recht, ich werde noch ein Schwein. Ich halte diese Heimlichkeiten nicht aus, vor allen muß ich mich demütigen ... Ach, hätte ich nur vorhin Karla alles gestanden! Sie hätte mir verziehen, ich wäre schon durch damit und könnte von neuem anfangen ... Wieder als Mensch unter Menschen leben, nicht lügen müssen, nicht kriechen ...
So dachte es in mir. Aber dazwischen flammte immer wieder die Wut auf, jetzt, da Böök still und wortlos neben mir saß.
Was für ein Trottel bist du gewesen, schalt es in mir, dir so etwas von deinem Chauffeur gefallen zu lassen! Er ist doch bloß dein Chauffeur! Kein Mensch außer dir würde sich so etwas bieten lassen! Daß du auch nicht die Spur geistesgegenwärtig bist! Es war doch ganz einfach! Er hätte aus dem Wagen heraus gemußt, und du wärest eben alleine weitergefahren! Auf der Stelle hättest du ihn für seine Frechheit rausschmeißen müssen –!
Und die feige, kriecherische Stimme der Angst: Aber das geht ja alles nicht! Das kannst du nicht! Dann würde Karla alles erfahren – und lieber erträgst du die größte Demütigung, ehe es dazu kommt!
So ging es in mir zu – und dazwischen warf ich immer wieder einen verstohlenen Seitenblick auf das verschlossene Gesicht August Bööks und fühlte, daß er mich verachtete, und es erschien mir unerträglich, daß Menschen mich verachten konnten und ich wußte es und war noch freundlich zu ihnen ...
Wir kamen nach Radebusch hinein. August fuhr mich direkt zur Werkstatt. Ich stieg aus und sagte: Also, Sie können dann nach Haus fahren, Böök. Auf Wiedersehen.
Er antwortete nicht. Ich wartete noch einen Augenblick und ging dann in die Werkstatt.
Natürlich war mein Wagen noch nicht fertig, der Lack sei noch zu weich, auch müsse er nachpoliert werden. Der Meister wollte mir den Wagen nicht herausgeben. Nach einer endlosen Streiterei mit ihm, bei der mir die Nerven fast geplatzt wären, erreichte ich, daß ich doch meinen Wagen bekam.
Aber kommen Sie mir nicht wieder mit ihm, Herr Schreyvogel! rief der Meister mir zornig nach. Lassen Sie Ihren Wagen reparieren, wo Sie wollen! Ich sch... auf Ihre Kundschaft!
Als ich aus der Werkstatt fuhr, hielt August Böök noch immer auf der Straße. Wollte er mir nachspionieren?! Ich hätte ihm gerne Bescheid gesagt, wie ich meine Anordnungen ausgeführt wünschte! Und wiederum konnte ich es nicht!
Verärgert fuhr ich nach dem Palasthotel. Aber erst, als ich dort ein paar Whisky getrunken hatte, fiel mir ein, daß August ganz richtig gehandelt hatte. Es war richtig gewesen, auf mich zu warten; wäre mein Wagen nicht fertig gewesen, hätte er mich doch nach Hause fahren müssen. Mit Rührung fast dachte ich an August Böök, der so wenig übelnehmerisch war. Schließlich war es auch richtig gewesen, wie er für Karla eingetreten war. Mein Gott, wir hätten ebensogut wie in den Schotter gegen einen Baum fahren können! Ein schneidiger Mann, zuverlässig bis zum äußersten ...
Ich trank noch einen Whisky und spähte vorsichtig aus der Hoteltür, ob August mit seinem Wagen nicht irgendwo hielt. Aber es war genau, wie ich gedacht hatte: August war in Ordnung, August war fort. Kein Gedanke an Spionage – anständige Menschen spionieren nicht, und August Böök war eben ein anständiger Mensch!
Da es durch all diese Zwischenfälle heute doch ein wenig spät geworden war, kam es auf zehn Minuten nicht mehr an. Ich setzte mich noch einmal an die Bar und trank weitere Whiskys; sie räumten auf in meinem trüben Kopf, es wurde immer heller und freundlicher in ihm!
Als ich mich dann ans Steuer meines Wagens setzte, merkte ich, daß ich einen ganz Kleinen sitzen hatte. Es war das erstemal, daß ich unter Alkohol am Steuer saß. Aber das machte nichts. Karla hatte keine Ahnung von Alkohol – ich fühlte mich wunderbar frei!
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