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39. Kapitel

Warum ich schlechter als Karla abschneide – Herr Kalübbe als Tyrann – Onkel Eduard versagt als Prophet – Aufgebesserte Bezüge

 

Ich sitze gerade noch recht gemütlich auf meiner Steinbank; neben mir kakelt Frau Kalübbe endlos über die Frage, soll man Gardinen ›cremen‹ oder nicht, und wenn ja, wie stark soll man sie cremen? Vor mir auf dem Rasen spielen Mückchen und Isi mit einem Gummiball. August Böök, der dritte Getreue meiner Gattin, ist eben nicht in Sicht – denn wer zweifelt daran, daß der jähzornige Herr Kalübbe nach diesem Zusammenstoß zum erstenmal in seinem Leben gerne dasselbe tat, wie seine Frau: nämlich Karlas Getreuer zu werden?

Also, wie gesagt, ich sitze hier noch recht gemütlich, und dies ist vielleicht der passende Augenblick, von meinem Zusammenstoß mit Herrn Kalübbe zu erzählen. Liebe Nachkommenschaft, habe nur keine Angst: es geht ganz schnell, und nur der eine Gedanke fängt an, mich sachte zu quälen: schneide ich nicht gar zu schlecht, mit Karla verglichen, ab? Bekommt ihr, die ihr dieses lest, nicht vom Vater, Großvater und Ahn eine gar zu schlechte Meinung? Sitzet ihr nicht schon, zornig die Blätter umwerfend, vor diesem Heft und flucht: Die Mutter, Großmutter und Ahne ist goldrichtig, und hätte sie nicht einen solchen Schlappjeh zum Mann gehabt, wir säßen heute alle noch in unserem Fett, will sagen, in Gaugarten, hätten etwas Erkleckliches auszugeben und stellten in den Augen der Welt viel vor!

Und ich selbst – wird mir nicht himmelangst, wenn ich bedenke, daß ich erst in der Mitte meiner Geständnisse stehe und daß hier, wie meistens, das dicke Ende hintennach kommt?! Tue ich nicht ein wenig zu viel des Guten – nämlich in der Offenheit? Gar zu jämmerlich möchte ich doch auch nicht vor meiner Nachkommenschaft dastehen. Wie leicht wäre es für mich, hier und da ein wenig fortzulassen, zu mildern, wie leicht hätte ich im vorigen achtunddreißigsten Kapitel der Karla hilfreich beispringen und dem Kalübbe meine Fäuste unter die Nase halten können?!

Nur, es geht nicht, liebe Kinder, es geht beim besten Willen nicht! Weil nämlich diese ganzen Aufzeichnungen sinnlos sind, sobald ich schwindle. Wirklich, hätte ich im vorigen Kapitel mit Kalübbe einen Boxkampf begonnen, so hätte Ich wohl drei Minuten später knockout auf dem Rasen gelegen, aber sicherlich säße ich dann noch heute auf Gaugarten als richtiger Millionär und – schriebe keine Zeile!

Und das wäre eigentlich schade. Denn ich denke immer, die Erinnerungen der Millionäre (nicht, wie sie ihre Millionen erwarben, sondern wie sie auf ihnen fest saßen) müssen völlig uninteressant sein. Über ein Millionärdasein gibt es nichts zu schreiben.

Aber erbaulich, denke ich wenigstens, muß zu erfahren sein, wie ein armer Mensch, ein kleiner Mann versuchte, Millionär zu sein, und es gelang ihm nicht. Ich bin ohne Eitelkeit der Überzeugung, daß ich an sich ein recht uninteressanter Mensch bin. Wäre ich zeitlebens Angestellter der Vira geblieben, es wäre nicht mit einer Zeile über mich zu berichten. Und wäre ich als Sohn von Onkel Eduard in die Millionen hinein geboren worden, so hätte wiederum die Feder Ruhe gehabt. Was beschreibenswert an meinem Leben ist, das sind meine vergeblichen Versuche, eine Rolle zu spielen, zu der ich nicht geboren war, die Rolle eines Mannes, den die Menge für groß hält, weil er viel Geld besitzt. Aber diese Schilderung hat nur dann Sinn, wenn sie wahrhaftig ist, soweit etwas, was Menschen über sich selbst sagen, wahr sein kann. Darum versuche ich, nicht zu schwindeln, mich nicht besser zu machen, als ich bin.

Und warum komme ich so schlecht weg?

Weil ich von mir selbst schreibe, und nur von mir selbst! Sicher hat auch Karla ihre schwachen Stunden gehabt, aber davon weiß ich nichts, kann also auch nichts davon schreiben. Darum sieht alles ein bißchen schief aus, Licht und Schatten sind ein wenig ungerecht verteilt. Aber tröste dich, liebe Nachkommenschaft, wie ich mich tröste. Ich habe nur einen etwas zähen Kopf im Lernen. Der gute Lehrer Leben hat mir erst eine ganze Reihe Backpfeifen versetzen müssen, ehe ich lernte, daß Max Schreyvogel und Millionen nichts miteinander zu tun haben. Dann aber, als ich endlich diese Lektion gelernt hatte, rappelte ich mich auf und wurde recht tüchtig. Auf diese Periode hoffe ich wenigstens noch einen Ausblick geben zu können.

Dieses behalte im Auge, liebe lesende Nachkommenschaft, und verliere bis dahin nicht die Geduld. Weder ich noch Karla haben sie verloren, und wir haben doch alle diese Dinge richtig erleben müssen, von denen ihr nur lest! –

Nun aber zurück zu meiner Auseinandersetzung mit Administrator Kalübbe!

Wenn ich es auch vor mir nicht recht wahrhaben wollte, jener Mißtrauen säende Brief von Onkel Eduard war mit allen Einzelheiten in mir lebendig geblieben. Wenn ich mit Herrn Kalübbe über die Felder ging und hörte, wie er die Leute anpfiff, wie sicher er seiner selbst war, wie er jede Arbeit tatsächlich besser verstand als die anderen, dann sah ich diesen selbstbewußten, sicheren Kalübbe von der Seite an und überlegte: Ist es denn wohl möglich, daß auch bei ihm diese Sicherheit nur gespielt ist und daß er innen ebenso unsicher ist wie – ich? Denn wenn Onkel Eduard die Wahrheit geschrieben hat, so stiehlt er, und wenn er stiehlt, so muß er ein schlechtes Gewissen haben, und wenn er ein schlechtes Gewissen hat, so ist er auch unsicher ...

Ich hätte es zu gerne gewußt, ob der böse Onkel Eduard in seiner Menschenfeindschaft auch hierin recht gehabt hatte, und wenn ich dann beim Rendanten Schwöger auf dem Gutsbüro saß und sah mir die mancherlei Geschäftsbücher an, die der vierschrötige, rotgesichtige Mann mit einer liebevollen Sorgfalt führte: die Boden- und Futterbücher, die lebenden und toten Inventarienverzeichnisse, die Kassenkladde und das Kontokorrent, den Vieh- und Kornbestand, die Aussaat- und Düngelisten, und ich geriet dann auf ein Buch: Deputatausgabe –

So las ich sorgenvoll darin, und nach einer Weile klappte ich das Buch wieder zu und sagte: Wenn ich alles verstehe – aber wie es eigentlich mit dem Deputat für Herrn Kalübbe ist, werde ich nie begreifen. Den einen Monat zieht er sechzig Liter Milch und dreißig Pfund Butter, und im nächsten Monat sind's nur dreißig Liter und acht Pfund. Er bekommt doch etwas Festes?

Natürlich bekommt er das – eigentlich, Herr Schreyvogel! Nur daß kein Mensch außer ihm sich darin zurechtfindet! Er hat so viel Verträge gemacht mit dem alten Herrn, und die sind immer wieder abgeändert worden, daß kein Mensch Bescheid weiß – außer ihm. Und wenn ich ihm was sage, so zeigt er mir so einen Vertrag, und da steht es dann auch ganz richtig drin, wie er's entnimmt. Nur weiß ich nicht, ob es noch gilt oder später wieder geändert ist.

Aber wenn er in einem Monat dreißig Pfund Butter holt und in anderen acht, muß es einmal falsch gewesen sein!

Nicht unbedingt, Herr Schreyvogel. Da sind einmal die Leistungszulagen, die mit dem Umsatz steigen und fallen; und dann ist er ja auch nicht verpflichtet, sein Deputat voll abzunehmen, sondern kann sich den Rest bar auszahlen lassen. Und dann –

Was dann, Herr Schwöger?

Nun, er erkennt unsere Buchführung überhaupt nicht an. Er sagt, wir verlassen uns nur auf das, was uns die Leute angeben, die Meieristin oder der Bodenvogt oder der Wiegemeister. Er sagt, er verläßt sich nur auf sich selbst und führt sich selbst Buch. Über unsere Bücher lacht er bloß! Es hat schon beim alten Herrn deswegen manchen schrecklichen Krach mit ihm gegeben.

Aha! dachte ich bei mir. Das sind also die Bücher, nach denen ich ihn fragen soll. Vielleicht müßte ich wirklich einmal tun, was Onkel Eduard geschrieben hat.

Denn es wurmt einen ja doch, wenn man das Gefühl hat, man wird bestohlen. Von mir aus hatte ich dieses Gefühl eigentlich nicht, der Onkel Eduard hatte es mir bloß suggeriert. Soweit ich es jetzt beurteilen konnte, machte Herr Kalübbe in puncto Ehrlichkeit einen zuverlässigen Eindruck. Aber darum gerade hätte es mich besonders geärgert, wenn er mich doch bestohlen hätte. Und weiter ärgerte mich der Gedanke, daß der Onkel Eduard mich in seinem Grabe auslachen könnte.

Weil ich mich aber nicht bloß mit ein paar Worten abfertigen lassen wollte, so machte ich es gründlich. Manche Stunde saß ich auf dem Gutsbüro und sah die alten Verträge Punkt für Punkt durch. Ich machte Auszüge und Zusammenstellungen, stöberte in alten Briefordnern, durchblätterte die Notizkalender des Onkels, und als ich dann schließlich alles Material zusammen hatte, tat ich – gar nichts. Sondern ich konnte mich nicht entschließen, ich redete mir ein, ich müßte eine günstige Stunde abwarten ...

Als ich schon schließlich selber nicht mehr an diese günstige Stunde glaubte, stand ich einmal auf dem Hof und sah zu, wie Herr Kalübbe die angetretenen Leute zur Arbeit einteilte. Ich muß sagen, das geschah bei ihm mit einer ganz militärischen Genauigkeit und Schnelligkeit. Die Leute standen in Kolonnen: die sensenfähigen Männer für sich und die jungen Mädchen für sich und die Frauen – alles in Ordnung, und jede Kolonne mit ihrem Vorarbeiter oder ihrem Vogt an der Seite. Beim Kalübbe aber standen der junge Geld- und der alte Hofinspektor, jeder mit seinem Buch in der Hand, und schrieben die Arbeitseinteilung auf. Kalübbe rief scharf und klar seine Weisungen über den Hof, daß sie in jeder Ecke und von jedem Kopf gut zu verstehen waren.

An diesem Tage aber gab es ein Hindernis, das Herrn Kalübbe gewaltig erzürnte, wenn es mir auch klein schien. Es fehlte ihm nämlich an seinen sechsundzwanzig Weibern eines; es war so, daß er derartiges sofort merkte.

Wo ist die Witwe Köpke? schrie er.

Aus den Reihen der Mädchen trat ein junges Ding vor und meldete, daß ihre Mutter zum Zahnarzt gegangen sei. Sie habe die ganze Nacht vor Zahnschmerzen nur so gewimmert ...

Halt's Maul! schrie Kalübbe, kirschrot vor Zorn. Ich weiß schon, welcher Zahn deiner Mutter wehtut! Nach Bomst ist sie, zum Schäfergehilfen. Sie will dir ja durchaus zu den zwei Vätern, die sie schon begraben hat, noch einen dritten schaffen, Anna!

Und nun erging sich Herr Kalübbe in einem wütenden Vortrag über die Liebesleidenschaft der alten Weiber, der mich schamrot machte, wenn ich bedachte, was für junges Gemüse alles dabei stand, vierzehnjährige Mädchen und Burschen!

Denen schien es aber eher Spaß zu machen. Sie kicherten und stießen sich an, manche wurden auch blutrot, aber nicht vor Scham, sondern vom gewaltsam unterdrückten Lachen. Kalübbe merkte auch, daß seine Zorn- und Brandrede nicht die rechte Wirkung tat, so schrie er noch lauter: Wer hier aber nicht arbeiten will, der soll hier auch nicht bleiben dürfen! Wrede, nehmen Sie sich zwei Mann und setzen Sie alle Sachen von der Köpken auf die Dorfstraße. Schließen Sie die Wohnung gut ab und bringen Sie mir den Schlüssel, du Anna, geh aufs Büro und laß dir euren Restlohn auszahlen. Ich habe auch für dich keine Arbeit mehr!

Oh, wie schnell war da allen Gesichtern das Lachen vergangen! Jetzt sahen sie alle so böse auf den Administrator, und die Anna weinte laut auf ...

Ich mochte es mir nicht länger ansehen, ich drehte mich um und ging vom Hof. Es war so, daß ich kein Einspruchsrecht hatte. Der Kalübbe hatte es in seinem Vertrage, daß er die Wirtschaft selbständig und verantwortlich führte – und er hätte von diesem Recht nie ein Titelchen aufgegeben. Aber einen gewaltigen Zorn hatte ich doch im Bauch. Es erschien mir wieder einmal ganz unmöglich, einen so rohen Tyrannen und Leuteschinder auf dem Hofe zu dulden.

Ich müßte ihn wegschicken, dachte ich bei mir, aber gerade das konnte ich nicht tun, denn kein Mensch vermochte wie Herr Kalübbe für die Steuern und Hypothekenzinsen zu disponieren und zusammenzuraffen. So war es am Ende wieder einmal das Geld, das mich unfrei machte.

Am Nachmittag saß ich auf dem Gutsbüro, und Herr Schwöger erzählte mir gerade, er habe die Sachen von der Köpke, da es zu regnen angefangen habe, auf seine eigene Verantwortung in eine Scheune setzen lassen ... Die Köpke sei noch nicht zurück, beim Zahnarzt sei sie nach telefonischer Auskunft nicht gewesen, und die Anna sei weggelaufen, keiner wisse, wohin ...

Da kam der Herr Kalübbe herein, sah strahlend vergnügt aus und sagte, nach den Fenstern zeigend: Es regnet! Beten Sie alle mit mir, daß es noch recht lange regnet! Die Saaten hatten es bitter nötig, und jede Minute, die der Regen länger dauert, bringt uns einen Hundertmarkschein, Herr Schreyvogel!

Er warf sich in einen Stuhl, brannte sich eine Zigarre an und sagte: Sie hätten es auch nicht so eilig zu haben brauchen mit den Sachen der Köpke, Herr Schwöger! Die Köpke selbst hat es gar nicht eilig damit, und ihre Anna auch nicht!

Die paar Sachen sind der einzige Besitz der Frau, Herr Kalübbe! sprach Herr Schwöger mißbilligend.

So sollen sich die beiden Weiber ein bißchen um ihren einzigen Besitz kümmern! antwortete Kalübbe und lachte. Aber es ist Ihnen, Schwöger, gar nicht so um die paar Klamotten zu tun gewesen, als öffentlich vor dem ganzen Dorf zu zeigen, daß Sie mit mir nicht einverstanden sind.

Ich bin auch nicht einverstanden, Herr Kalübbe.

Natürlich nicht. Und unser Chef ist auch nicht einverstanden. Das habe ich schon Ihrem Gesicht heute früh auf dem Hof angesehen, Herr Schreyvogel.

So war Kalübbe immer, er fackelte nie lange. Er ging auf jede Sache los, in dieser Hinsicht machte er keinen Unterschied zwischen den Leuten und mir.

Ich aber ärgerte mich gewaltig und sagte: Wenn die Frau wirklich nicht zum Zahnarzt gegangen ist, so gibt Ihnen das noch kein Recht –

Er fiel mir ungestüm ins Wort und schrie: Meinethalben soll sie sich mit dem ganzen Dorf amüsieren, danach frage ich gar nichts, ich bin nicht so! Aber erst soll sie arbeiten! Sie hat sich verpflichtet, zwanzig Tage im Monat für das Gut zu arbeiten, dafür kriegt sie ihre Wohnung und ihr Deputat und ihr Geld! Wenn ich Liederlichkeit einreißen lasse, ich möchte sehen, wer Ihre Rüben hackt und Ihre Steuern zahlt, Herr Schreyvogel! Nachsicht haben mit der Mannstollheit der alten Weiber – da kämen wir schön weit, mein lieber Herr Schreyvogel! Die Köpke ist liederlich und faul, und ihre Anna ist nicht besser. Und mit Liederlichkeit und Faulheit habe ich noch nie Nachsicht in meinem Leben gehabt, das habe ich mir nämlich nicht leisten dürfen ...

Es ist schon gut, sagte ich auch sehr ärgerlich. Ich weiß schon, wenn Sie so schreien, haben Sie immer immer recht, Herr Kalübbe! Ich rede Ihnen auch nicht hinein –

Natürlich reden Sie mir rein, gerade jetzt! Und wenn Sie mir nicht reinreden, so ziehen Sie öffentlich ein Gesicht, damit alle Leute wissen: der Chef ist auch nicht mit dem Kalübbe einverstanden! Dann hat es freilich keinen Zweck, daß ich die Sachen auf die Straße setze, dann ist es mit der Wirkung auf die anderen vorbei!

Er sah mich zornig an. Darauf schaute er wieder zum Fenster, und als er den Regen so schön gleichmäßig die Scheiben waschen sah, hellte sich seine Miene auf.

Ein Goldregen, sagte er zufrieden. Ein Gottesgeschenk. Der Hafer war schon ganz gelb – morgen früh wird er wieder grün sein. Schwöger, wenn die olle Köpke hier angeheult kommt, lassen Sie mich holen. Ich werde ihr den Magen rein machen und sie wieder in Gnaden annehmen.

Nicht meinetwegen! sagte ich ärgerlich.

Ihretwegen? fragte er erstaunt. Nee, Herr Schreyvogel, sondern weil's so schön regnet. Weil ich mich über den Regen freue.

Und er wollte aus dem Büro.

Einen Augenblick bitte noch, Herr Kalübbe, sagte ich. In den letzten Tagen habe ich mir mal Ihre Verträge angesehen und Ihre Deputatliste auch. Ich muß gestehen, ich finde mich darin nicht zurecht, und Herr Schwöger auch nicht. Nun habe ich gehört, Sie haben Ihre eigene Buchführung. Wenn Sie also Ihre Bücher einmal holen wollten, so könnten wir sie gemeinsam durchgehen.

Herr Kalübbe runzelte die Stirn und rieb sich die Nase, ganz wie es der Onkel Eduard beschrieben hatte – war also augenblicklich im Besitz eines schlechten Gewissens.

Dann aber sah er mich nachdenklich an, sein Gesicht verzog sich, und er sagte grob: Für solchen Quatsch habe ich jetzt keine Zeit! Wenn Sie mir mißtrauen, so bestellen Sie einen Bücherrevisor und rutschen mir den Buckel herunter!

– Was nach Onkel Eduard ein reines Gewissen bedeutete.

Nun hatte er gleich alle beide Prophezeiungen erfüllt, ich aber stand da wie der Ochse am Berge und war nicht klüger als zuvor!

Der Herr Kalübbe aber ging nun nicht etwa nach diesen Grobheiten, sondern betrachtete mich weiter, erst grimmig, dann ernst, dann mit aufklärender Stirne, dann lachte er! Lachend schlug er sich auf die Schenkel und schrie: Der Onkel Eduard! Sieh da, der alte Fuchs! Das haben Sie aber von ihm, Herr Schreyvogel! Das muß er Ihnen geschrieben haben, der alte Heimtücker ...

Ich muß doch sehr bitten, Herr Kalübbe! sagte ich ärgerlich, schämte mich aber.

Natürlich! Das war doch ganz sein Dreh, wenn ihm sein Mißtrauen keine Ruhe ließ. Manchmal habe ich ihm ja auch den Gefallen getan und habe ihn stöbern lassen. War ich sehr guter Laune und er schon ganz krank vor Geiz, habe ich ihn sogar was finden lassen – streiten kann man immer bei so einem Vertrag, wie ich ihn habe! Meistens aber habe ihn angegrobst, und ich denke, Sie werde ich überhaupt nur angrobsen, Herr Schreyvogel. Denn Sie tun es ja nicht, weil der Geiz Sie quält, sondern bloß so ... wegen der Köpke ... und überhaupt, weil Sie denken, Ihr Onkel ...

Er sah mich mit einem ganz infamen Grinsen an, mir war, als sei ich Glas für ihn.

Um so ärgerlicher sagte ich: Sie irren sich vollkommen, Herr Kalübbe. Mein Onkel hat gar nichts mit der Sache zu tun, und Ihre Grobheiten verbitte ich mir. Sie werden doch zugeben, daß Ihr Vertrag höchst unübersichtlich ist. Ich habe mir da eine Zusammenstellung gemacht ...

Heiliger Himmel! seufzte Herr Kalübbe. Nun, weil heute ein so schöner Regennachmittag ist, werde ich auch nicht so sein. Machen wir also einen neuen Vertrag, einen Vertrag, in dem alles klar, übersichtlich, unzweideutig ist – trotzdem wir beide als kluge Geschäftsleute natürlich wissen, daß es solch ein Muster von Vertrag noch nie auf der Welt gegeben hat und auch nie geben wird. – Los Schwöger, setzen Sie sich an die Maschine! – Aber ich warne Sie, Herr Schreyvogel! Dieser Vertrag wird Sie eine Kleinigkeit kosten, meine Bezüge sind nämlich höchst aufbesserungsbedürftig –

Auch ich habe meinen Leser gewarnt, daß ich bei meiner Auseinandersetzung mit Herrn Kalübbe schlechter als Karla abschneiden würde. Ich erwarb mir keinen Getreuen, obwohl ich ihn tatsächlich recht erheblich in seinen Bezügen aufbesserte!

*

 


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