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Unser Verbundensein mit Österreich

Begrüßung des Deutschen Volksgesangvereins Wien. Berlin, 26.5.1923

Aufrichtig und herzlich heiße ich Sie hier willkommen und gebe meiner großen Freude Ausdruck, daß Sie sich zu dieser Sängerfahrt entschlossen haben. Sie werden schon jetzt gefühlt haben, daß ebenso wie im vorigen Jahre den Herren vom Wiener Männergesangverein, die ich an dieser selben Stelle begrüßen konnte, Ihnen überall in Deutschland wärmster Empfang und herzlichste Aufnahme gewiß sind. Sie bringen uns edelste deutsche Kunst, die Kunst, die tief im Volk wurzelt und aus ihm sich immerfort erneut. Sie haben, wie der Name Ihres Vereins besagt, sich die Pflege des deutschen Volksliedes zur Aufgabe gemacht und durch liebevolles Forschen und Nachspüren manche noch unbekannten Schätze dieser lauteren Volkskunst gehoben. Der Ruf, der Ihren Leistungen vorangeht, verbürgt Ihnen künstlerischen Erfolg; alte vertraute und neuere Weisen, die Sie hier zu Gehör bringen wollen, werden dankbar und mit Verständnis aufgenommen werden.

Wenn Sie als deutscher Gesangverein diese Deutschlandfahrt unternehmen, so sehen wir darin das Bekenntnis, daß Sie uns keine Fremde, sondern vertraute Freunde sein wollen, daß Sie sich mit uns aufs engste verbunden fühlen durch gemeinsame Geschichte und Kultur, die gerade in unserer Muttersprache, unserem Lied und unserer Musik mit ihrem uns allen teuren Namen schönsten Ausdruck gefunden hat. Zu diesem Bekenntnis stehen auch wir im Reiche aus tiefinnerster Überzeugung in dem unerschütterlichen Entschluß, daß wir uns diese Gemeinsamkeit nie und nimmer nehmen lassen wollen. Wir sind stolz auf sie und bewahren und pflegen sie als ein hohes Gut. Leiden und Bedrückungen aber, die uns in dieser schweren Zeit auch gemeinsam geworden sind, werden uns nur noch fester zusammenschmieden. Je mehr man uns nimmt, je mehr man uns trennen will, desto mehr schauen wir auf das, was uns bleibt, was uns eint und stärkt. Im gegenseitigen Nehmen und Geben wollen wir einander stützen und helfen auf dem Wege, den wir in entsagungsvoller Arbeit des Wiederaufbaus gehen müssen, aber doch in der freudigen Hoffnung, für eine glücklichere Zukunft den Grund legen zu können. Ihr Besuch trägt in hohem Maße dazu bei, dieses Gefühl engsten Verbundenseins zu kräftigen, und erfüllt somit eine bedeutsame Aufgabe. Sie beschenken uns dabei mit den Gaben Ihrer Kunst und führen uns auf Stunden heraus aus den Mühen und Sorgen dieser Tage, an denen, wie ich weiß, Sie warmen Anteil nehmen. Dafür sage ich Ihnen herzlichen Dank. Ich bitte Sie, nach Ihrem schönen Wien das Bewußtsein mitzunehmen, daß Sie Ihren Brüdern im Reich mit dieser Sängerfahrt eine große Freude bereitet haben und daß die Herzen aller Deutschen zusammenklingen in dem, was ihnen lieb und teuer ist.


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