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Reichspräsident und Genosse

Rede. Kiel, 4.9.1922

Genossinnen und Genossen! Als vor einigen Wochen vom Genossen Kürbis das Ersuchen an mich gerichtet wurde, gelegentlich die Nordmark zu besuchen, hat man mir gleich in Aussicht gestellt, daß damit auch eine Begrüßung unserer Kieler Parteifreunde verbunden werden könnte. Wenn mir in dieser Zeit, die an sich nicht zum Reisen reizt, die Reise in die Nordmark erleichtert worden ist, so war es die Möglichkeit, der Kieler Parteigenossenschaft bei dieser Gelegenheit meinen Gruß entbieten zu können. Ich habe sie früher aus nächster Nähe beobachten können. Wenn ich auch nicht in Ihrer Provinz tätig war, so war ich doch öfter auf Ihren Bezirkstagen und hatte im übrigen in der Zentrale die Parteibewegung dieser Provinz zu betreuen. Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, Bebel, Singer, daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden. So war es möglich, daß in all den Stürmen, die der Krieg der Partei brachte, und in den nicht minder schweren letzten Jahren, die Parteiorganisation in Schleswig-Holstein immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine ganze Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden. Deshalb ist es mir eine besondere Freude, Ihnen heute herzlichst meinen Gruß entbieten zu können.

Glauben Sie nicht, daß es mir an Fühlung mit Parteikreisen fehlt. Ich habe heute so wie an den Tagen, wo ich Ihre Reihen verließ, die engste persönliche und freundschaftlichste Beziehung zu den maßgebenden Kreisen der Partei. Und wenn mir etwas mein Amt leicht gemacht hat, so war es immer die Überzeugung und Gewißheit, daß ich mich bei allen meinen Handlungen in Übereinstimmung und Einklang befinde mit den maßgebenden Kreisen unserer Partei und Parteileitung. Das schließt nicht aus, daß manches draußen nicht immer gleich richtig beurteilt worden ist, weil die Beweggründe, die schließlich maßgebend sind, nicht gleich klar genug erkannt wurden. Aber das müssen wir uns zur Richtschnur machen: Wenn wir als Partei der stärkste Träger unseres staatlichen Lebens geworden sind, wenn eine ganze Anzahl unserer Leute in staatlicher Verantwortung, auf exponiertem Posten steht, so müssen sie eben den staatlichen Notwendigkeiten Rechnung tragen und müssen die Verantwortung auch übernehmen, selbst auf die Gefahr hin, daß sie in den ersten Stunden und Tagen nicht in der Partei verstanden werden. Aber ich glaube, im großen und ganzen mein Amt so geführt zu haben, wie es das Interesse der Arbeiterschaft gebietet, das in diesen Jahren in Übereinstimmung war mit den Interessen und Notwendigkeiten unseres ganzen Volkes.

Und nun unsere Aufgaben heute: Ich sagte, wir sind heute der stärkste Träger unseres Staatsgebäudes. Wir haben die Demokratie zum Siege geführt, wir haben die Republik zum Siege geführt und tragen sie heute. Das ist ein Erfolg, dessen müssen wir uns alle täglich und stündlich bewußt sein. Nicht nur die Älteren unter uns, die unter dem Sozialistengesetz gekämpft haben, auch der Nachwuchs muß erkennen, was für ein gewaltiger und riesiger Erfolg es für uns in den Tagen war, einen neuen Staat zu zimmern, die Demokratie unserer alten Ideale. Die Republik zum Siege zu führen, sie zu festigen, zu verankern, das ist unsere historische Mission, die wir unter keinen Umständen im Stiche lassen dürfen. Wir sind es uns selbst und der Arbeiterklasse, unserer Partei, schuldig, für die wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten unseres Staates das Letzte und Beste einzusetzen. Dabei dürfen wir unsere Bestrebungen auf Herbeiführung der sozialistischen Gesellschaft nicht aufgeben, sondern sie müssen als Ideal unserer Klasse aufrecht erhalten und als erstrebenswertes Ziel in unserem Hirn bleiben. Der Weg über die Republik ist der sicherste Weg auch zum Sozialismus. So habe ich meine Aufgabe immer aufgefaßt und das, was in meinen Kräften stand, in diesem Sinne getan.

Es war mir eine aufrichtige und innerliche Freude, von Ihrem Vertreter zu hören, daß ich bei dieser Tätigkeit im vollen Vertrauen und im Einklang mit Ihnen bin. Mein innigster Wunsch ist, daß ich, solange ich gezwungen bin, dieses Amt weiterzuführen, das Vertrauen meiner alten Kameraden, mit denen ich ein Lebensalter Schulter an Schulter gestanden habe, auch behalte. Treue um Treue, dessen können Sie sicher sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihrer Kieler Parteigenossenschaft, wünsche ich der Parteibewegung in Schleswig-Holstein auch in Zukunft glückliche Erfolge.


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