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Das Ende der Volksbeauftragten

Drei Kundgebungen zum Austritt der Unabhängigen aus der Regierung. 30.-31.12.1918

I.

Arbeiter! Soldaten! Bürger! Bürgerinnen! Die Unabhängigen sind aus der Regierung ausgeschieden. Die verbleibenden Mitglieder des Kabinetts haben dem Zentralrat ihre Mandate zur Verfügung gestellt, um ihm vollkommen freie Hand zu lassen. Einstimmig sind sie von ihm aufs neue bestätigt worden. Die lähmende Zwiespältigkeit ist überwunden. Die Reichsregierung ist neu und einheitlich gebildet. Sie kennt nur ein Gesetz des Handelns: Über jede Partei das Wohl, der Bestand, die Unteilbarkeit der Deutschen Republik, Zwei Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei sind auf einstimmigen Beschluß des Zentralrates an Stelle der ausgeschiedenen drei Unabhängigen getreten: Noske und Wissell. Alle Mitglieder des Kabinetts sind gleichberechtigt. Vorsitzende sind Ebert und Scheidemann. Und nun an die Arbeit! Im Innern gilt es: Die Nationalversammlung vorzubereiten und ihre ungestörte Tagung sicherzustellen, für die Ernährung ernstlich Sorge zu tragen, die Sozialisierung im Sinne des Rätekongresses in die Hand zu nehmen, die Kriegsgewinne in der schärfsten Form zu erfassen, Arbeit zu schaffen und Arbeitslose zu unterstützen, die Hinterbliebenenfürsorge auszubauen, die Volkswehr mit allen Mitteln zu fördern, die Entwaffnung Unbefugter durchzusetzen. Nach außen: Den Frieden so schnell und so günstig wie möglich herbeizuführen und die Vertretungen der Deutschen Republik im Ausland mit neuen, von neuem Geist erfüllten Männern zu ersetzen. Das ist in großen Zügen unser Programm bis zur Nationalversammlung. In enger Fühlung mit den deutschen Freistaaten soll es verwirklicht werden. Seine Ausführung im einzelnen wird nicht in Kundgebungen, sondern in Taten zum Ausdruck kommen. Jetzt haben wir Arbeitsmöglichkeit! Es wäre unsere Schuld allein, wenn wir sie nicht zur Arbeit benützen würden! Uns die Arbeit! Euch allen aber die Mitarbeit! Der neue Freistaat ist unser aller Besitz. Helft ihn sichern! Auch an Euch ist die Frage des Zentralrats gerichtet: »Seid Ihr bereit, die öffentliche Ruhe und Sicherheit gegen gewaltsame Eingriffe zu schützen und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Arbeitsmöglichkeit der Regierung gegen Gewalttätigkeiten, ganz gleich von welcher Seite, zu gewährleisten?« Ihr müßt diese Frage mit einem Ja! beantworten. Die Reichsregierung bekennt sich ohne Einschränkung zu diesem Ja. Ohne dieses Ja bleibt jedes Programm Papier und Worte! Wir aber wollen über den Aufruf zum Aufbau! Wir gehen ans Werk! Wir glauben an Euch und an uns! Wir kommen durch!

Die Reichsregierung:
Ebert. Scheidemann. Landsberg. Noske. Wisseil.

II.

Arbeiter, Bürger, Soldaten!

Die Regierungskrise hat die Lösung gefunden, die das deutsche Volk erwartet hat. Die Unabhängigen sind ausgeschieden, die Reichsregierung wird aus den Reihen der Mehrheitssozialisten ergänzt werden und, von inneren Hemmungen frei, an die Lösung ihrer großen Aufgaben gehen: Die Wahlen zur Nationalversammlung und den Frieden vorzubereiten und bis dahin die Aufrechterhaltung einer freiheitlichen Ordnung sicherzustellen.

Die Vertreter der Unabhängigen sind ausgetreten, weil der Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik gegen sie entschieden hat. Der Zentralrat hat erklärt: »Die Volksbeauftragten Ebert, Landsberg und Scheidemann haben lediglich den Auftrag erteilt, das Nötige zur Befreiung des Genossen Wels zu veranlassen. Das ist aber auch erst geschehen, nachdem den drei Volksbeauftragten von dem Führer der Volksmarinedivision telephonisch mitgeteilt worden ist, daß er für das Leben des Genossen Wels nicht mehr garantieren könne. Das billigt der Zentralrat.« Nach diesem Schiedsspruch von der höchsten Instanz, von den Vertrauensleuten sämtlicher A.- und S.-Räte Deutschlands, sind die Unabhängigen aus der Regierung geschieden. Sie haben sie in einem Augenblick verlassen, wo alles in Frage gestellt ist: Waffenstillstand, Frieden, Ernährung, Bestand des Reiches. Wo zum erstenmal vom französischen Bevollmächtigten General Foch die unzweideutige Äußerung vorliegt: »Mit einer bolschewistischen Regierung verhandeln wir nicht!« Wo keiner sich der Pflicht entziehen darf, den völligen Untergang abzuwehren! Obwohl viele Stunden lang die Berechtigung der Notwehr bewiesen wurde, in der Ebert, Landsberg und Scheidemann gehandelt haben, und diese vom Zentralrat anerkannt wurde, haben die Unabhängigen ihren Austritt wieder mit der angeblichen »Schuld« der sozialdemokratischen Volksbeauftragten begründet. Auf die Frage des Zentralrats, ob die Volksbeauftragten bereit seien, die öffentliche Ruhe und Sicherheit, insbesondere auch das private und öffentliche Eigentum gegen gewaltsame Eingriffe zu schützen, und mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln ihre eigene Arbeitsmöglichkeit und die ihrer Organe gegen Gewalttätigkeiten, ganz gleich von welcher Seite, zu gewährleisten – auf diese Frage haben die Unabhängigen geschwiegen! Vor der Beantwortung dieser Lebensfrage des deutschen Volkes haben sie sich gedrückt! Damit haben sie bewiesen, daß sie die erste Pflicht jeder Regierung nicht erfüllen wollen: Die Sicherheit innerhalb des Staates zu gewährleisten!

Die Revolution ist nicht Anarchie, sondern erhöhte Sicherheit, gestützt auf den freien Willen gleichberechtigter Staatsbürger! Indem die Unabhängigen die Mittel zur staatlichen Sicherung ablehnten, haben sie sich als regierungsunfähig erwiesen. Für uns ist die Revolution keine Parteiparole, sondern das kostbarste Gut des ganzen schaffenden Volkes. Wir übernehmen ihre Aufgaben als Beauftragte des Volkes mit dem Schwur: Alles für die Revolution, alles durch die Revolution! Aber auch mit der festesten Absicht, jedem unerbittlich entgegenzutreten, der aus der Revolution des Volkes den Terror einer Minderheit machen will. Hunderttausende demonstrieren heute für die neue Regierung, um den skrupellosen Mißbrauchern der Straße zu beweisen, wo die Mehrheit steht. Auf ihrer Solidarität beruht unser Auftrag und unser Amt. Die Massen sind unsere Rechtfertigung, ihr Wille gibt uns die Kraft zu der Riesenaufgabe! Arbeiter, Bürger, Soldaten! Mit einer Demonstration allein ist es nicht getan! Habt einen Willen und zeigt einen Willen! Dann ist der Abzug der Unabhängigen weiter nichts als die langersehnte Handlungsfreiheit einer einheitlich gebildeten Regierung. Keine unfruchtbare Parteizänkerei mehr, sondern einheitliche Arbeit in Eurem Sinn, im republikanischen, sozialistischen, demokratischen Sinn! Hoch die deutsche Volksrepublik!

III.

Mit dem Zutritt meiner zwei Freunde Noske und Wissell hat Deutschland zum erstenmal eine reine Parteiregierung. Wir sind uns bewußt, was das bedeutet, sowohl nach der Seite der anderen Parteien, als auch der Verantwortung unserer eigenen Partei gegenüber. Aber Sie werden aus fast allen Blättern ersehen haben, wie sympathisch die Kabinettsumbildung begrüßt wurde. Das bedeutet natürlich keine Zustimmung zu unserm Parteiprogramm, wohl aber zu unserm Regierungsprogramm, welches die Einheitlichkeit des Wollens und Handelns an erste Stelle setzt. Damit wollen wir bis zur Nationalversammlung das Reich vor Erschütterungen bewahren, und dann wird die Abstimmung zeigen, ob die Mehrheit des Volkes eine andere Regierung wünscht oder hinter uns steht.

Wir sind der Überzeugung, daß nur eine Regierung, die in sich keinerlei Reibungen zu überwinden hat, also aus einem Holz geschnitzt ist, jetzt durchhelfen kann, und diese Regierung glauben wir zu sein. Dabei fühlen wir uns keineswegs als ein Ausschuß unserer Partei, sondern als Beauftragte des ganzen Volkes, ebenso wie wir keine Berliner Regierung sein wollen und können, sondern eine deutsche. Es ist viel darüber geschrieben worden, ob und welcher Süddeutsche in das Kabinett zu berufen sei. Das erste, was ich noch in der Nacht tat, nachdem die Unabhängigen ihren Austritt erklärt hatten, war, daß ich an verschiedene Parteifreunde in Süddeutschland telegraphierte, um ihre etwaige Bereitwilligkeit zum Eintritt in die Regierung festzustellen. Aber die Erscheinung, unter der leider unsere ganze Parteiarbeit leidet, zeigte sich auch hier: Fast alle führenden Männer sind schon in irgendeiner Weise an den Regierungsgeschäften beteiligt, so daß wir mit unseren Bemühungen bis jetzt noch keinen Erfolg hatten. Wir hoffen aber, daß es uns noch gelingen wird. Wie es überhaupt unser Bestreben sein wird, in engster Fühlung mit den deutschen Freistaaten die Reichsgeschäfte zu führen, um auch durch diese ständige Zusammenarbeit die Reichseinheit klar zum Ausdruck kommen zu lassen. Darin stimmen wir mit den Regierungen Süddeutschlands vollständig überein. Unsere nächste und dringendste Aufgabe wird sein, der Regierung einen Rückhalt in der neu zu schaffenden Volkswehr zu geben. Das wird sich hauptsächlich der Staatssekretär Noske angelegen sein lassen. Sodann wird Scheidemanns Aufgabe sein, seine Arbeit der Friedenskonferenz zu widmen, welche diplomatischpolitisch vorzubereiten uns jetzt eine so vorzügliche Kraft wie der neue Staatssekretär Graf Rantzau zur Verfügung steht. Wissell hat dafür zu sorgen, daß das Schlagwort von der sozialistischen Republik Deutschland aus einem Schlagwort zur Tatsache werde, d. h. daß neben den politischen Rechten auch die wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen des arbeitenden Volkes erfüllt werden. Ich selbst sehe meine hauptsächlichste Aufgabe in der Vorbereitung der Nationalversammlung, von der für uns die drei wichtigsten Errungenschaften abhängen: Frieden, Freiheit, Brot! Es muß mit allen Mitteln durchgesetzt werden, daß sowohl die Wahlen wie nachher die Nationalversammlung selbst absolut ungestört und unbeeinflußt verlaufen können. Aber auch der gewaltige Stoff, welcher der Beratung und der Beschlußfassung unterliegen soll, muß gesichtet werden, wenn es der Konstituante mit Erfolg gelingen soll, ihr Ziel zu erreichen: Die verfassungsrechtliche Grundlage für die junge Deutsche Republik zu schaffen. In diesem Willen und mit diesen Kräften gehen wir ins neue Jahr!


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