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Aus einer Parteitagsrede. Würzburg 1917.
Die Verhandlungen unseres Parteitages sind mit Ernst und Sachlichkeit geführt. Sie standen auf erfreulicher Höhe und haben uns alle voll befriedigt. Die Gesamttätigkeit der Partei während der letzten vier Jahre haben wir offen und vor aller Welt verhandelt. Wir hatten nichts zu verbergen, wir brauchten keiner Entscheidung auszuweichen. In allen großen Fragen sind klare, unzweideutige Entscheidungen herbeigeführt. Die Richtlinien für die künftige Politik der Partei sind klar und fest umrissen. Unsere feste Überzeugung ist, daß unsere Verhandlungen bei der Arbeiterschaft in der Heimat und an den Fronten freudigen Widerhall gefunden haben. Das wichtigste Merkmal unserer Würzburger Tagung, der Grundzug aller Verhandlungen, war die starke innere Geschlossenheit der Partei; eine feste Geschlossenheit, die uns alle mit Zuversicht, Begeisterung und Siegessicherheit erfüllt. Niemand in der Partei hat den Parteitag so sehr herbeigesehnt wie die Parteileitung. Die lange Dauer des Krieges, die Unmöglichkeit, einen Parteitag abhalten zu können, zwang uns, das uns übertragene Vertrauensamt weit über den festgesetzten Zeitpunkt hinaus auszuüben. Auf eigene Verantwortung hin mußten wir vielfach schwierige Entscheidungen treffen, die in normaler Zeit dem Parteitag vorbehalten waren. Um so mehr erfüllt es uns mit Genugtuung, nun für unsere Tätigkeit die volle Zustimmung des Parteitages gefunden zu haben.
Noch einmal haben wir hier die Stellung der Partei zu den Kriegsfragen gründlich erörtert, noch einmal ist das Für und Wider ernst und sachlich erwogen worden. Wenn in der Presse, besonders in der alldeutschen, der Beschluß des Parteitages in dem Sinne ausgelegt wird, er verlange die Kreditbewilligung unter allen Umständen, so ist diese Auslegung durchaus falsch. Die Partei wird auch in Zukunft bei jeder Kreditforderung prüfen, ob die Voraussetzungen der Bewilligung gegeben sind.
Parteigenossen! Die Entscheidung des Parteitages über die so sehr umstrittene Stellung zum Kriege ist mit überwältigender Mehrheit erfolgt. Nun ist die bisherige Haltung der Reichstagsfraktion in der Partei fest verankert. Jetzt gilt es, die bisher geführten Meinungskämpfe zurücktreten zu lassen, den Blick vorwärts zu richten. Will Deutschland seine Stellung in der Weltwirtschaft wieder erringen, dann muß seine Volkswirtschaft neu aufgebaut werden. Dieser Aufbau muß getragen und gefestigt werden von großzügiger, tiefgreifender Sozialpolitik. Was hier zur Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiter geschehen muß, hat der Parteitag entschieden zum Ausdruck gebracht. Die ungeheuerlichen finanziellen Lasten des Krieges sind nur zu tragen, wenn sie zunächst jenen aufgebürdet werden, für die der Krieg Gewinn brachte. Aber auch der Besitz, den der Krieg erhalten, der durch den Krieg geschützt worden ist, muß im stärksten Maße zu den Lasten herangezogen werden.
Vor allem aber muß das neue Deutschland ein freies Deutschland sein! Frei von allen Klassenprivilegien, frei von allen politischen und geistigen Hemmungen und Bevormundungen. Freie Entfaltung unserer vollen Volkskraft auf allen Gebieten ist für die Arbeiterklasse und das Reich Lebensnotwendigkeit.
Mit ernstem Nachdruck hat der Parteitag mehrfach auf die große Verantwortung hingewiesen, die hier auf der Regierung lastet. Man soll sich nicht täuschen über die große Gefahr, wenn es hier zu Enttäuschungen kommen sollte. Auch das, was der Parteitag nicht ausgesprochen hat, ist charakteristisch für die Haltung der Partei.
Parteigenossen! Rückhaltlos haben wir unsere Beziehungen zur proletarischen Internationale besprochen. Der Haß, der allenthalben in der Welt Orgien feiert, hat Zugang zu unseren Herzen nicht gefunden. Seiner Unfruchtbarkeit setzen wir die Liebe und Achtung entgegen, die allein imstande ist, aufzubauen den Bund der freien Völker, die allein imstande ist, aufzubauen die Macht, die der Welt den Frieden erkämpfen und sichern kann! Verblendung hat zur Spaltung der Sozialdemokratie Deutschlands geführt. Möge das klare Auge der deutschen Arbeiter sich nicht trüben lassen durch den Nebel unwahrer Phrasen! Die Arbeiterbewegung muß ein einziger Strom sein, auf dem unser Schiff stolz in das Meer der Zukunft hinausgleitet. Mit dem festen und entschlossenen Willen, dafür unser Bestes einzusetzen, wollen wir uns trennen mit dem alten Ruf: Die völkerbefreiende Sozialdemokratie, sie lebe hoch!