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XXIII.
Methoden der »schwarzen Händler«

»Verpachtung« der Trajanssäule in Rom. – Der Kopf des heil. Martin. – Wiener Stümperarbeiten zweier Altäre »im Stil« der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. – »Dokumente« von Julius Caesar – Das »heilige Gerät« – Die 10.200 Pfund von 1936 für das Jean Foucquet-Blatt. – Aufdeckung von Handzeichnungsfälschungen durch das »Rijksbureau voor kunsthistorische en ikonografische documentatie« im Haag.


Fälschungen, wie es die »Phantasiemünzen« von Palästina sind, gehören zu den plumpsten ihrer Art. Wenn die Kunstfreunde nur etwas mehr »Phantasie« hätten als jene Stümper, die sich skrupellos mit dem Vertrieb derartiger Dinge abgeben, dann würden diese »Industrieen« überhaupt nicht lange existieren. Was stellt sich denn eigentlich der Käufer eines solchen Schekels vor? Er glaubt am Ende eine ähnliche Kostbarkeit zu erwerben, wie das jener Amerikaner empfunden hat, der im Jahre 1934 in Rom einem von den sogenannten »schwarzen Händlern« aufgesessen war. Die »schwarzen Händler« sind zwar keine Fälscher, stehen aber in der Regel in Verbindung mit den Fälschern und ihren Hintermännern. Und sie fühlen sich auch dort zu Hause, wo echte Kunst zu finden ist, die eventuell, unter der »Vorspiegelung falscher Tatsachen«, für ihre Zwecke nutzbar gemacht werden könnte.

Es ging damals in Rom um nichts anderes als um den Kauf oder die Verpachtung der Trajanssäule. Der Fall ist wahr und amüsant. Die Trajanssäule des Trajans-Forums kennt jeder Italienfahrer: sie hat eine Höhe von 27 Metern, ein marmornes Reliefband windet sich empor und zeigt Szenen aus den Dacierfeldzügen des Kaisers (98–117). Jener Amerikaner saß im Hotel einem eleganten Herrn gegenüber und erzählte von Italien und seiner »großen Sehnsucht« nach der Trajanssäule. Der Italiener horchte auf, lächelte und meinte dann, die gehöre eigentlich, was man so »gehören« nenne, ihm, aber er sei durch Verträge gebunden, die er mit der Stadt Rom abgeschlossen habe. Der Amerikaner nannte eine große Dollarsumme, die er eventuell zahlen würde, wenn er, statt des Italieners, der Partner der Stadt Rom werden könnte.

Der Italiener lehnte ab. Als der Amerikaner aber immer leidenschaftlicher drängte, versprach der »Pächter« der Trajanssäule, mit ihm die Behörde aufzusuchen. Das geschah auch. Der Amerikaner verstand keine Silbe von den »Unterhandlungen«. Als ihm der Italiener schließlich ein Aktenstück einhändigte, das ihn angeblich nach Ablauf eines Jahres zum »Pächter« des Monuments machen sollte, gab er ein paar tausend Dollar als Anzahlung. Und erst nach seiner Wiederkehr erfuhr er in Rom, daß »sein Mann« einer von den berüchtigten »schwarzen Händlern« gewesen war.

Natürlich gibt es sehr viele derartige, auch unkontrollierbare Raritätengeschichten. Ich möchte hier aber, trotz allem und zur Warnung der Kunstfreunde, noch drei »Episoden« mitteilen, die, wie die Sache mit der Trajanssäule, gleichfalls den Vorzug haben, wahr zu sein. Es ist schon etliche Jahre her, da sprach man in den Kunstkreisen von Paris Tag für Tag vom » Kopf des heiligen Martin«. Es handelte sich jedoch weder um die bekannte Darstellung vom Mantelwunder, die nach Dürers Vorbild Martin Schongauer gestochen hat, noch um die Steinstatue des Meisters Hartmann vom Ulmer Münster, sondern um einen Kopf aus vergoldetem Silber, der als Goldschmiedewerk des 11. Jahrhunderts gepriesen wurde. Ein Brüsseler Antiquar besaß diesen Martinskopf und wollte gerade mit einem Engländer abschließen. Der Kauf kam auch zustande. 40.000 francs in Gold waren der Preis. Als aber der Engländer nach London kam, bedeutete man ihm in den Museen, der Kopf sei eine Kopie. »Wo ist denn das Original?« fragte er. Das konnte man ihm nicht sagen, und darum setzte er sämtliche Herren der Museen in Bewegung. Der Enderfolg war, daß nicht mehr als elf Köpfe des hl. Martin zum Vorschein kamen. Und selbst der französische Staatssekretär Dujardin-Beaumetz zweifelte daran, ob sein Martinskopf, den er »unter Verschluß« gegeben hatte, » das« Original sei.

Die Affaire scheint bis heute nicht geklärt zu sein. Ein anderer Kunstbetrug wieder, der »in ganz großem« Stil ausgeführt worden ist, aber doch nichts anderes vorstellt als eine Stümperarbeit, weist nach ». Die Staatsanwaltschaft der Donaustadt hatte sich, wie der Strafrechtslehrer Dr. Hans Gross erzählt, mit dem »Fall« beschäftigt. Von einem Wiener Händler waren 60.000 Kronen (der Vorkriegszeit) aufgewendet worden, um zwei Altäre im Stil der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus Gold, Silber, Edelsteinen und Bronze herstellen zu lassen. Die »Arbeiter« waren Kunsthandwerker. Und nachdem die zwei Altäre vollendet worden waren, bot sie der Wiener einem Händler in London zum Preise von 30.000 Pfund an. Der Engländer sah die Photos samt allen Detailaufnahmen und erklärte, die Altäre für einen etwas billigeren Preis, für 20.000 Pfund, erwerben zu wollen, falls der Nachweis ihrer Provenienz (Herkunft) erbracht würde.

Der Wiener Händler schoß nun einem verschuldeten Aristokraten 120.000 Vorkriegs-Kronen vor, und der Graf tat das seinige, indem er niederschrieb, daß sich die Altäre seit dem 17. Jahrhundert im Besitz seiner Familie befänden, und indem er genau mitteilte, wie sich die Werke von einem Sohn auf den andern vererbt hätten. Jetzt schloß der Engländer ab. Es kam jedoch bald zum Prozeß, als die Altäre in London eintrafen und der Betrug aufgedeckt wurde. Das Wiener Gericht bezifferte den Schaden des Engländers mit 448.000 Kronen. Er hatte zwar effektiv 508.000 Kronen ausgegeben, aber die Differenz von 60.000 Kronen war eben jene Summe, die von dem Wiener »schwarzen Händler« für die Anfertigung der Altäre » in bar« ausgegeben worden ist.

Die »Differenz« von 60.000 Kronen, die das Gericht von der »inkriminierten« Summe abgezogen hat, dürfte wohl das Interessanteste an dieser typischen Stümperfälscher-Affaire sein. Dem Fälscher, bzw. »schwarzen Händler« wurden die Barauslagen zurückerstattet. Sonst aber ist ihm nichts geschehen. Wenn sich derartige Gerichtsurteile häuften, dann könnten sich schließlich auch auf den Gebieten der Fälschung des alten Buches und der Handschrift, – und das sind Gebiete, die nicht in unser »Ressort« fallen –, die sonderbarsten Dinge ereignen. Man stelle sich vor, daß plötzlich »bisher unbekannte« Exemplare der berühmten englischen Caxton-Drucke von 1469-1471 im Handel auftauchen würden, für deren »Morte d'Arthur« (Thomas Malory) allein ein Pierpont Morgan 8.560 Pfund gezahlt hatte, oder daß plötzlich ein Manuskript von Julius Caesar auf den Markt käme!

Ein Julius Caesar-Fall ist aber schon dagewesen, als der Mathematiker Michel Chasles der Pariser Akademie im Jahre 1867 eine Auswahl seiner 27.000 (von Lucas gefälschten) Autographen vorlegte. Paul Eudel hatte sich damit zwar in seiner Schrift »Le Truquage«, die Bruno Bucher vom Österreichischen Museum für Kunst und Gewerbe in Wien 1885 in deutscher Sprache veröffentlichte und Artur Roessler 1909 in neuer Ausgabe herausbrachte, ausführlich beschäftigt, es ist aber immerhin notwendig zu vermerken, daß ein geschätzter Mathematiker in seinen »Mußestunden« so naiv war, sich in einzigartiger Weise betrügen zu lassen. Von Julius Caesar besaß er nämlich nicht weniger als 200 Schriftstücke, von Karl dem Großen 135, von Dante 75 Gedichte, von Luther 32 Briefe, und sehr unterhaltend ist, daß die Briefe aus dem Altertum in altfranzösischer Sprache abgefaßt waren. Die Fälschungen selbst waren in ziemlich grober Weise in einer Bibliothek durchgeführt worden, wo Vrain Lucas verschiedentliche Vorlagen hatte. Er erhielt schließlich blos zwei Jahre Gefängnis und wurde außerdem zu 500 francs Schadenersatz verurteilt. Der Mathematiker aber hatte das Nachsehen: »Ganze Pakete« von Autographen hatte er abgenommen. Er hatte sie mit 100 bis zu 200 francs bezahlt. Dabei war er so kindlich – fanatisch, daß er seinem »Vertrauensmann« gegenüber eines Tages den Wunsch äußerte, er müßte ihm »100 Briefe von Galilei« verschaffen.

Diese Gelehrtentragödie aus der Sammlergeschichte ist weitaus ernster als die Geschichte mit dem »antiken« Automaten, die vor rund 30 Jahren zwischen Moskau und Paris spielte, und die ich eigentlich nur deshalb erwähne, weil sie beweist, wie leichtgläubig oft die Sammler sind, und was für Stümper es auch unter ihnen gibt. Und wieder war es ein Amerikaner, der in Moskau auf Antiquitäten »Jagd« machte. Dabei kann man heute ohne weiteres sagen, daß gerade der moderne Amerikaner fast 100 %ig in ernster Weise Kunst sucht und kauft. Jener »Sonntagsjäger« nun fand eines Tages ein kleines, säulen- und kuppelverziertes Möbelstück aus Eisen, dessen »Patina« ihm nicht minder zu gefallen schien als der winzige »Bau«, von dem der Händler sagte, der sei in der Zeit der Renaissance, während einer Judenverfolgung, ein »heiliges Gerät« gewesen. 10.000 Rubel sollte das Ding kosten. Der Amerikaner zahlte etwas weniger. Aber seine Freude war nicht gerade groß, als er kurz nachher in der Untergrundbahn von Paris sein »heiliges Gerät« in den – Chokoladenautomaten mehrfach wiedersah.

Derlei »Fälschungen« haben selbstredend mit der »Kunstfälschung« nur das gemeinsam, daß sie, ebenso wie diese, in betrügerischer Absicht in die Welt gesetzt werden. Das sind aber wirklich bloß »Fälle«, über die, um ein Wort der gerissenen »schwarzen Händler« zu gebrauchen, die »grünen« Sammler »stolpern«. Der Strafrechtslehrer Groß, aus dessen Abhandlung über den Raritätenbetrug (Berlin, 1901) mancher Sammler eine gewisse Vorsicht gewonnen haben dürfte, fiel bei solchen Verkäufen immer »jener Scharfrichter ein, der vom Strick des von ihm Gehängten an abergläubische Leute nach und nach 200 Ellen verkauft hat«.

Das aber wäre nicht auszudenken, wenn jetzt, nach dem Riesenerfolg des Verkaufes der Handzeichnungen der Collektion Henry Oppenheimer (Christie's, London 1936) eine Fälscherbande sich etablierte, die sich in erster Linie jenen Jean Foucquet vornehmen würde, von dem eine Silberstiftzeichnung »Portrait of an Ecclesiastic« (19,5: 13 cm, from the Lankrink and I. P. Heseltine Collections) für 10.200 Guineas versteigert wurde. Niemals noch und nirgends ist eine Handzeichnung so hoch bezahlt worden, und wenn man früher den Preis ausgegeben hätte, dann würde man es – vielleicht – im Falle der höchsten Qualitäten von Leonardo, Raffael oder Correggio, Michelangelo und Tizian, Dürer, Grünewald und Holbein, Rembrandt und Rubens gewagt haben! Aber bei Foucquet? Die Kunstgeschichte zwar kennt den Künstler. Sie weiß, daß er einer der gesuchtesten französischen Primitiven ist, daß er zwischen 1420 und 1480 »Köpfe« mit dem Silberstift gezeichnet und sie ein wenig mit Farbe »übergangen« hat. Und der Kunsthistoriker weiß, daß das eine von den gemalten Hauptwerken des Foucquet, der »Etienne Chevalier mit dem heiligen Stephan«, in Berlin hängt, das andere, die »Maria mit dem Kind«, in Antwerpen, und man weiß dann auch, daß Jean Foucquet für seinen Chevalier, der ein Günstling von Agnes Sorel, der Geliebten Karls VII., gewesen war, ein Gebetbuch illuminiert hat, und daß dieses Gebetbuch (heute im Museum von Chantilly) derselben Familie Brentano in Frankfurt a. Main gehörte, aus der Bode 1896 das Chevalier-Gemälde erwarb.

Jene Riesensumme von 10.200 Guineas für eine winzige Handzeichnung eines seltenen Meisters könnte die Fälscher verführen! Wir haben schon ähnliche Fälle erlebt. Allerdings sitzt heute unter den ersten Kennern der künstlerischen Handschrift, – und das ist die Handzeichnung ebenso wie es die Meistergraphik ist –, ein Kopf wie der Holländer Frits Lugt, dem die Sammler das Werk »Les marques de collections de dessins et d'estampes« (Amsterdam, 1921) verdanken. Lugt kennt jedes bedeutungsvolle Blatt, das durch die Sammlungen der Welt gegangen ist. Und da er seinen Besitz an 22.000 Sammlungskatalogen, vielen Tausenden an Abbildungen u. s. w. für das »Rijksbureau voor kunsthistorische en ikonografische documentatie« im Haag gestiftet hat, steht heute dieser große Apparat jedem Gelehrten und Forscher offen. Das »Rijksbureau«, dessen Leiter der Kunsthistoriker und Holländer-Kenner Professor Dr. Hans Schneider ist, wurde aus den fast unvergleichlichen vergleichungswissenschaftlichen Hilfsmitteln des Nachlasses von Dr. Cornelis Hofstede de Groot († 1930) gegründet. Und dank dem holländischen Kunstinstitut und seinen riesigen Materialsammlungen aus fast allen Gebieten der Malerei, Zeichnung und Graphik, läßt sich heute auch jegliche Handzeichnungsfälschung aufdecken, und mag sie selbst von dem routiniertesten Nachahmer des so »begehrten« Jean Foucquet stammen.

 


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