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I.
Künstler-Fälscher im Altertum und in der Renaissance

Drei Arten von Kunstfälschern: Künstler-Fälscher, Durchschnittsfälscher, Stümper. – Ein Schaffen »im Gebiet des Unmöglichen«. – Ägypten. – Nachahmungen der Tell-el Amarna-Plastik. – Von Phidias und Apelles bis zu Michelangelo: Fälschungen aus Edelmut, Geldsucht und anderen Motiven.


Wie die Kunstfälscher arbeiten? Gut und schlecht. Das heißt im gleichen Sinne: so, wie es eine gute und eine schlechte Kunst gibt.

Ich möchte drei Arten von Kunstfälschern unterscheiden: Künstler-Fälscher, Durchschnittsfälscher, Stümper. Die Künstler-Fälscher zerfallen in zwei Gruppen: in Künstler, die gefälscht haben und fälschen, in Kunstfälscher, die Künstler waren oder sind. Dafür haben wir Beispiele. Die Geschichte zeichnet sie auf. Und auch die Durchschnittsfälscher teilen sich in zwei Gruppen: in die berufsmäßigen Fälscher und in die Verfälscher. Die Stümper endlich bleiben Stümper.

Auch eine Kunstfälschung kann nämlich ein Kunstwerk sein. Wäre dem nicht so, dann würde man Fälschungen oft genug nicht für echte Kunst halten. Was ist denn das: »nicht echte« Kunst? Eine Arbeit, die, gleichgültig, ob sie ein Kunstwerk ist oder nicht, in betrügerischer Absicht auf den Kunstmarkt kommt, nennen wir »nicht echt« oder eine Fälschung. Eine bloße Nachahmung nach einer bestimmten Plastik oder einem bestimmten Bilde fällt nicht unter diesen Begriff. Die Imitation stempelt sich erst dann zur Fälschung, wenn sie eigens für den Verkauf » auf echt« präpariert ist, also dazu dienen soll, einen besonderen Geldwert zu repräsentieren.

Der Begriff der Imitation ist auch, obgleich das sehr selten vorkommt, in jenen Fällen denkbar, in denen Künstler versuchen, » im Geiste« längst vergangener Epochen und in deren künstlerischer Handschrift zu arbeiten, und es passiert häufig, daß schon der Nachahmungstrieb eines Bildhauers oder Malers Dinge erstehen läßt, die künstlerisch-graphologisch überraschend wirken. So ein Schaffen »im Gebiet des Unmöglichen«, von dem Aristoteles spricht, erscheint bisweilen wie ein Erlebnis. Aber ich möchte vorläufig nicht an bestimmte Kunstwerke herangehen, die dank der Begabung und Fertigkeit eines Künstlers gleichsam die Schönheit in sich tragen, sondern ich will bloß, um zu dem Begriff der Imitation »hoher Kunst« zu führen, an etliche Eventualitäten denken.

Wäre das Fälschung, wenn es einem Bildhauer glückte, eine Statue zu meißeln, die dem ägyptischen »Pavian« des Berliner Museums, dieser Aragonitstatue der Zeit 3200 v. Chr., an lebenssatter Kraftfülle nahekäme, oder wenn ein Plastiker die große Reife hätte, ein Sandsteinrelief von ähnlicher impressionistischer Ergriffenheit zu schaffen, wie sie sich von der assyrischen »Sterbenden Löwin« des Britischen Museums in London (7. Jahrhundert, v. Chr.) förmlich auf uns überträgt? Oder wenn ein Meister die Hand besäße, einen ähnlichen Pferdekopf zu formen, wie ihn das Goethe'sche »Urpferd« vom Ostgiebel des Parthenon (Mitte 5. Jahrh. v. Chr., Brit. Museum, London) hat? Das Goethe'sche? So nennt der Dichter dieses griechische Monument.

Stünden also derlei Bildwerke da, die man »nach berühmten Mustern« ausgehauen hat, dann müssten wir schon sagen: gewiß, wir merken die Vorbilder, aber – was können diese Bildhauer! Und in solchen Augenblicken hätten wir sofort auch die Vorstellung von den Begriffen Können und Kunst. Denn das ist keine Frage: Kunst kommt nicht allein von »Können«. Kunst ist Seele. Das Wiedergeben der äußeren Erscheinung ist bloß das Sprungbrett zur Kunst.

Und jetzt wieder zu Ägypten! 1800 Jahre nach jenem König Menes, aus dessen Epoche der heilige »Pavian« alswie ein Wunder herausgewachsen schien, – und das geschah wohl zu Nageda, wo sich des Herrschers Grabbau mit seinen fünf Kammern befand –, verstand es ein anderer König, Amenophis IV., sein Amarna zu planen. Die Stadt breitete sich zwischen Theben und Memphis aus, zu Ehren des Lichtgottes »Sonne«, zu Ehren des Atôn, und Amenophis, – was, nach Heinrich Schäfer, soviel heißt wie »Amon ist zufrieden« –, wohnte dort mit seiner schönen Nofretete und mit den sechs Königstöchtern. Als aber Ludwig Borchardt die Kunst von Tell-el Amarna, die er dank dem einzigartigen Mäzenatentum des James Simon, des Freundes von Wilhelm von Bode, hatte ausgraben können, in unserem Jahrhundert nach Berlin brachte, fing bald ein eifriges Kopieren der ägyptischen Reliefs an. Das war schon sehr verdächtig. Und nach allem, was man sah, »lagen« die Reliefs den Nachahmern.

So dauerte es auch nicht lange, da tauchte, »außer der Reihe«, irgendwo im Handel ein Amarna-Flachbild auf. Die Bemalung war beträchtlich abgerieben und darum matt, die Darstellung selbst (Echnatôn) durch Abbröckelungen ein wenig entstellt. Immerhin konnte man die Gesichtszüge des Echnatôn, wie sich Amenophis nannte, studieren. Echnatôn heißt: »Es gefällt dem Atôn«. Die Gesichtszüge des Königs waren nicht ganz so naturalistisch, nicht ganz so häßlich, wie sie der Amarna-Künstler gezeichnet hatte. Dünnköpfig sah ja der originale Echnatôn aus. Er hatte ein hängendes Kinn. Er hatte eine eingefallene Brust, einen aufgetriebenen Bauch. Er hatte dünne Waden. In dem neuen Relief war er, im Grunde genommen, »getroffen«. Aber während die Relieffigur von 1370 v. Chr. in ihren Formen und in ihrem Reichtum an Parallelfalten ganz bewegt und frei und locker anmutet, gab sich der Echnatôn von 1923 n. Chr. kalt und steif und hart. Sonst aber war der etwas brüchig »gewordene« Kalkstein nicht ungeschickt »im« Amarna-Stil gearbeitet.

Dieses » im Stil«-Bleiben läßt sich schon bei der ersten Gruppe unserer ersten Abteilung beobachten: bei den Künstler-Fälschern, die Künstler waren oder sind. Phidias (geboren um 500 v. Chr.) fälschte, eine Ausnahme unter den Ausnahmen, aus Edelmut. Indem der Hauptmeister der attischen Schule, der die Athene des Parthenon geschaffen hat und den Zeus von Olympia, eine Venus seines Lieblingsschülers Agoracritus mit seinem eigenen Namen signierte, um auf die Statue aufmerksam zu machen, blieb er ebenso »im Stil«, wie es zwei Jahrtausende später Michelangelo tat, der aber seine eigene Cupido-Figur »auf antik« herrichtete, weil er – Geld haben wollte. Der Cupido des 21jährigen (1496) landete zwar bei dem Kardinal Raffael Sansoni-Riario in Rom, doch der Käufer schöpfte Verdacht. Und als ein Vertrauensmann nach Florenz gesandt wurde, wohin die Spur führte, gestand Michelangelo den Betrug ohne weiteres ein.

Der junge Meister hatte aber die Figur, deren Urheber er war, sicher nicht »aufgerissen«, um sie, wie manche Chronisten sagen, als verstümmelt und verwittert gelten zu lassen, er hatte vielmehr, – und Karl Frey hat schon recht –, dem Marmor eine gelblich-dunkle, doch fleckige Tönung »appliziert«, als wäre der Cupido von der Bodenfeuchtigkeit »angegriffen« worden. Und dann ließ der Künstler-Fälscher auch wohl »an vertieften Stellen Erde haften«, wie man dies überhaupt bei ausgegrabenen Stücken beobachten kann. Nach einem derartigen Rezept verfuhren und verfahren immer noch die meisten Antiken-Fälscher.

Aber noch eine zweite Michelangelo-Fälschung vermerkt die Geschichte, und auch bei dieser Affaire blieb Michelangelo »im Stil«. Das heißt: die Außenwelt erkannte die Hand des Meisters in der »Auferweckung des Lazarus« von Fra Sebastiano del Piombo. Und diese Hilfe gewährte der große Michelangelo seinem Maler-Kollegen rein nur aus – Eifersucht und Neid gegenüber Raffael, mit dessen »Verklärung Christi« Fra Sebastiano für die Kathedrale von Narbonne konkurrierte. Der Lazarus ist »fast im Wetteifer mit Raffael«, wie Vasari sich ausdrückt, 1519 vollendet worden. Heute zählt das Gemälde zu den Hauptstücken der National Gallery in London. Dorthin kam es 1824 mit der Kollektion Angerstein, die den Grundstock dieses im gleichen Jahre errichteten Museums bildet. Vom Bankier John Julius Angerstein wurde der »Lazarus«, – ich unternehme jetzt einen kleinen Ausflug ins Marktliche, dessen Kenntnis für die Kenntnis der Fälschungen von entscheidender Wichtigkeit ist –, in den Verkäufen der Galerie d'Orleans (1798–1800) für 3.500 Guineas erworben, während der Herzog von Orleans das Bild einst nur mit 24.000 Frs. bezahlt hatte. Der Bankier aber, der von Sir Thomas Lawrence gemalt ist, wäre schon gewillt gewesen, den »Lazarus« noch vor dem Abschluß mit der National Gallery zu verkaufen, würde nicht Mr. Beckford, der sich für den Italiener interessiert hat, »nicht mehr« als 20.000 Pfd. geboten haben. Darum wurde der Kauf nicht perfekt.

Bei dem erwähnten Signum des Phidias handelte es sich, wie ich sagte, um eine Fälschung aus Edelmut. Juristisch wäre der Fall eine Urkundenfälschung zu nennen. Aber der Meister der Perikles-Epoche mag, – das wissen wir freilich, trotz Plinius und Pausanias, nicht genau –, die Bildwerke seines Schülers für so gut gehalten haben, wie seine eigenen, denn daß er sein »Merkzeichen« an den Venus-Statuen des Agoracritus angebracht hat, besagt schon, daß sie ihm dieser Ehre für würdig schienen. Daß aber Agoracritus nicht der Phidias selber war, sondern dessen Schüler, konnte für das Publikum kein genügender Grund sein, günstiger gestimmt zu werden. Es gab nämlich damals Künstlerwettbewerbe, und Phidias wollte, indem er den Agoracritus mit seinen von ihm, dem Meister, signierten Schülerarbeiten vorstellte, heraussagen: »Ich schätze sie nicht minder ein als meine eigenen Bildwerke«. Aber sein Edelmut, der ihn zum ideellen Kunstfälscher werden ließ, verfehlte seine Wirkung. Als der Parier Agoracritus mit dem Athener Alcamenes, der gleichfalls bei Phidias arbeitete, in den Wettkampf eintrat, bei dem es um eine Venus-Statue ging, sprach das Volk von Athen dem Parier, trotz Phidias, nicht den Preis zu. Aus Kränkung taufte der Künstler seine »Venus« in eine »Nemesis« um. Die Statue sollte »sich selbst«, so erklärte er, »für die Schmach rächen«. Der »Nemesis« wegen hatte der große Winckelmann über 2¼ Tausend Jahre später einen wissenschaftlichen Streit. Dies gehört allerdings in ein anderes Kapitel.

Was uns aber interessiert, ist noch ein zweiter, sehr charakteristischer Fall einer Fälschung aus Edelmut. Ein Jahrhundert nach Phidias sprang Apelles dem Maler Protogenes bei, indem er dessen Bilder als seine eigenen verkaufte, um dem Kollegen »bessere Preise« zu verschaffen. Apelles (4. Jahrh. v. Chr.), der Alexander den Großen »mit dem Blitz in der Hand« für den Diana-Tempel in Ephesus porträtiert und dafür 20 Talente in Gold = 5500 engl. Pfd. (von heute) erhalten hat, galt für den Maler der Maler des Altertums. Man erzählt, daß er »sogar« seinen Vorgänger Polygnotus übertraf, der als Erster gewagt hatte, die Frauen »in durchsichtigen Gewändern« zu malen, oder den Zeuxis und dessen Gegner Parrhasius. Zeuxis verstand es, Trauben so naturalistisch wiederzugeben, daß die Vögel auf sie zuflogen. Als der Künstler den Saal betrat, wo er einen Wettstreit mit Parrhasius ausfocht, sah er einen Vorhang, der den Vögeln den Anblick der von ihm gemalten Trauben entzog. Er verlangte, daß der Vorhang entfernt werde. Da stellte sich aber heraus, daß der Vorhang gemalt und daß es Parrhasius sei, dem diese Täuschung gelungen war. Und der berühmte Naturalist Zeuxis gab sich zufrieden. Goethe würde hier wohl sein Wort wiederholt haben: »Die höchste Aufgabe jeder Kunst ist es, durch den Schein die Täuschung einer höheren Wirklichkeit zu geben«. Von Parrhasius ist die »Aufgabe« gelöst worden.

Zeuxis und Parrhasius hatte nur Apelles überragt. Seine Bekanntschaft mit Protogenes, der auf Rhodos zu Hause war, datierte von einer Linie, die er, gleichsam als Visitenkarte, in Abwesenheit des Kollegen, auf eine Bildtafel zu einer von Protogenes fixierten Linie hinzugefügt hatte. Apelles liebte nämlich das »Ziehen« von Linien, und jeden Tag, der dem andern folgte, fanden sie seine Verehrer zauberhafter. Von dieser Eigenschaft des bedeutendsten Malers des Altertums rührt vielleicht, – so meinen die alten Chronisten –, der Satz her: nulla dies sine linea (kein Tag ohne Linie). Doch daß Apelles seine Linien auch zugunsten seiner Kollegen zog, indem er ihnen, wie der Fall Protogenes beweist, gewissermaßen marktlich aufhelfen wollte, stellt seine Fälschungsarbeit in hellstem Lichte dar. Er war bestimmt einer von jenen wenigen großen Malern, die als Menschen uneigennützig und neidlos zu nennen sind.

Während Apelles, dem man schon hatte nachrühmen dürfen, daß er selbst Dinge malte, die nicht malbar sind, wie Donner, Blitz und Wetterschlag, für seinen Protogenes aus reiner Humanität eingetreten ist, kopierte Andrea del Sarto (1487 bis 1531), der um vier Jahre jünger war als Raffael, das von dem Urbinaten geschaffene Bildnis Leo X. auf – Bestellung. Clemens VII. wollte diesen Raffael, von dem es hieß, daß er der Wirklichkeit so täuschend nahestand, daß der Kanzler Baldassare Turini niedergekniet sei, um dem Papst Feder und Tinte zu reichen, dem Herzog Federigo II. von Mantua zum Geschenk machen. Ottaviano de'Medici gab darauf dem Andrea del Sarto den Auftrag, das Porträt Strich für Strich zu kopieren, um dem Herzog die Kopie anstelle des Originals zu senden. Und die Kopie war so vollendet, daß selbst Giulio Romano, der Mitarbeiter und spätere Erbe Raffaels, dupiert wurde. Erst Vasari, der selbst eine Kopie des Raffaelschen Porträts für Ottaviano ausgeführt hatte, zeigte dem Giulio ein Zeichen, das auf der Rückseite des Bildnisses angebracht war, damit man es als die Kopie feststellen könnte.


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