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XX.
Über Paris und Wien nach Prag

Die spanische Goldledertapete. – Fälschungen nach den Bildern von Josef Navrátil, nach den Zeichnungen von Josef Manes, Mikuláš Aleš und Max Švabinský. – Pariser »italienische« Majoliken, falsche Limoges-Emailles u. s. w.


In Paris, wo die Louis XIII – Emailleuhren imitiert werden, versucht man sich auf fast allen Gebieten der Kunst. Seit den ersten Tagen der hohen Preise für die großen französischen Impressionisten fälscht man an der Seine, wo eine Unzahl hochbegabter Künstler lebt, die nichts Eigenes schaffen, sondern die bloß »reproduzieren« können, Corot und Courbet, Delacroix und Daumier, Manet und Monet, aber man fälscht dort auch »in« den meisten Kapiteln des alten Kunstgewerbes. Eine von den amüsantesten Arten von Fälschungen schilderte der Schwede F. W. Sandberg, als er der Jury der Pariser Weltausstellung von den Kniffen der Altertumsfälscher erzählte. Eines Tages entdeckte er nämlich in einem alten Viertel von Paris, in der Nähe der Bastille, eine Fabrik »alter Meister«, »Antiquitäten« und »Reliquien«. Als er die Fabrik betrat, spürte er einen brenzligen Geruch und bekam schließlich heraus, daß man gerade an einer »alten« spanischen Goldledertapete »arbeite«. Die Tapete stellte Szenen aus den Kämpfen der Kreuzritter reliefartig dar. Bis in die kleinsten Einzelheiten war alles so »echt«, daß jeder, der die Fabrikation nicht kannte, glauben mußte, daß er eine, viele hundert Jahre alte Tapete vor sich habe. Kostbar aber war die Art, wie man die kleinen Erhöhungen und Tüpfel, die altem Leder das eigentümliche Aussehen zu geben pflegen, herstellte. Zuerst strich man Syrup auf die Stellen, wo die Tüpfel sitzen sollten, und dann ließ man ein Heer von Schwaben über den Syrup laufen. Diese machten sich eifrig an den Leckerbissen und setzten gleichzeitig die kleinen Tüpfel ab, die das beste Zeichen für das hohe Alter und den antiken Wert bilden.

Paris ist die Hochburg der Fälscher, und immer verfallen sie auf andere Dinge. 1935 war es. In Prag. Im Spätsommer. Ich hatte mich gerade von einer schweren Krankheit erholt, als ein elegant gekleideter Herr bei mir erschien, seine Visitenkarte abgab und mich dann bat, ihm zu sagen, was ich von den paar Bildern halte, die er mir zeigen wollte. Drei Stücke waren es: ein kleiner italienischer » Corot« in Öl, ein Pastell von » Degas« und ein winziger, »im Geschmack« der französischen Impressionisten gemalter » Josef Navrátil« (1798–1865). Ich merkte sofort, daß es Fälschungen waren und riet dem Herrn, der mir gesagt hat, er würde »eventuell« diese ihm zu »passablen« Preisen angebotenen Bilder »erwerben«, er möge doch die Finger davon lassen. »Aber glauben Sie denn«, warf er, der vielleicht mit der Fälscherbande selbst zu tun hatte, naiv ein, »daß auch der Navrátil falsch ist?« – Worauf ich antwortete: »Gehen Sie zu Dr. Prokop Toman, dem anerkannten Biographen dieses frühesten tschechischen Impressionisten, und er wird Ihnen sicher das gleiche sagen. Übrigens hängt die »Vorstudie« zu Ihrem Bildchen in der Galerie des 19. Jahrhunderts in Wien. Es ist die reizende »Tänzerin in der silberweißen Toilette«. Ihr Exemplar ist dort wahrscheinlich von einem Routinier skizziert und in Paris sozusagen »fertiggemalt« worden.« – »Wieso in Paris?« – »Das vermute ich bloß,« antwortete ich. »Das Bildchen wurde nämlich, – sehen Sie doch hier die ganz frische Stampiglie! –, in Paris gerahmt.«

Um die gleiche Zeit gingen in Prag Zeichnungen um, die angeblich von Mikuláš Aleš stammen sollten (1852-1913), Bilder, die angeblich Josef Má nes (1820-1871) gemalt hat, dieser Klassiker der modernen tschechischen Malerei und einstige Freund des größten Prager Kunstsammlers Adalbert von Lanna (siehe das Kapitel »Der Typus Lanna« in Donaths »Psychologie des Kunstsammelns«, 4. vermehrte Auflage, Berlin, 1923), sowie auch Bilder und Zeichnungen »nach« Max Švabinsky. Diese Fälschungen sind aus Wien nach Prag gebracht worden, und die Anregung zu ihrer »Verarbeitung« gaben wohl die oft für Prag »exorbitanten« Summen, die von den passionierten Sammlern der Hauptmeister der Tschechoslowakischen Republik bezahlt werden konnten. Man darf nicht übersehen, daß Švabinsky in Paris ausgestellt und daß ein Kopf wie Camille Mauclair wiederholt über seine Kunst geschrieben hat. Und viele Pariser haben eine gute Nase, namentlich die Pariser aus Wien, denn diese »bewähren« sich nicht nur als »Könner« der modernen Malerei, sondern auch des »alten« Kunstgewerbes. Zahlreiche von den Fälschungen »nach« Monet, Renoir, Cézanne, die sich durch den Kunsthandel hindurchwanden, waren Wienerische Produkte, nahmen aber von Paris ihren Ausgang. Selbst Paul Cassirer ließ sich einmal durch einen »Manet« täuschen, der, wie ich glaube, in Wien geboren wurde und in Paris »die Taufe« empfing. »Ist es aber nicht doch ein echter Manet?«, fragte damals dieser unvergeßliche Propagandist der modernen Kunst.

Von Paris aus hat Mr. Sanson italienische Majoliken und »Alt«-Delfter Fayencen engros verkauft, von Paris aus Mr. Soyez alte Limoges-Emailles. Aber Soyez schrieb wenigstens seinen Käufern die Bedingung vor, Name und Original, nach denen die Emailles kopiert worden sind, zu nennen. Die »Signaturen« verschwanden natürlich bald. Aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts stand, wie Stefan Beissel mitteilt, in Köln eine Fälscherfabrik, in der man Emailles und Elfenbeinschnitzereien für Paris fabrizierte. In Raeren bei Aachen »machte« man rheinisches Steinzeug, zu dessen Ausführung man alte Scherben und altes Handwerkszeug benutzte. Überhaupt arbeitete und arbeitet man die Dinge, wie schon mehrfach erwähnt wurde, aus altem Material »auf«, wobei wieder hauptsächlich auf das Porzellan von Meißen, Sèvres, Wien, Berlin verwiesen sei, das Händler in bald unbemaltem, bald zerbrochenem Zustand aufkauften und dann »sach- und fachgemäß« dekorieren ließen.

Doch nicht allein Paris und Wien, Köln und Aachen sind die Hauptorte, in denen die Fälscher, Verfälscher und Stümper »arbeiten«, sondern auch Italien ist seit langem schon, – ich sehe von Bastianini und Dossena, den Künstler-Fälschern, ab –, der Hauptsitz der »Fabrikation« von »alten« Majoliken, Möbeln, Rahmen. 1910 besagte ein Schriftstück des Deutschen Konsuls in Florenz: »Altes, wurmstichiges Holz ist ein gesuchter, gutbezahlter Handelsartikel geworden«. Der Verkäufer von »meisterlich imitierten alten Gegenständen«, – es waren und sind aber unter den »Fabrikaten« auch glatte Stümperarbeiten –, beruft sich in allen vorgekommenen Fällen darauf, daß auf der Rechnung nichts von »garantiert alt« oder »antik« bemerkt worden sei, daß der Preis den Liebhaberpreis eines Kunstgegenstandes vorstelle usw. Mündlich ist jedoch die Echtheit mit allen Beteuerungen versichert worden«.


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