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Durchschnittsfälschungen von Terrakotten. – Die Tonplastik der Robbia-Familie. – Neue italienische Majoliken. – Die Marktpreise der echten Majolika. – Die Herkunft der berühmten »Eulen«. – Unechtes Delft.
Durch die Terrakotta, die nichts anderes bedeutet als Ton, der durch das Feuer gegangen ist und dank dem Feuer wetterbeständig wird, kommen wir über die hohe Kunst des Majolika-Reliefs der Robbia-Familie zu einem neuen großen Gebiet der Kunstfälschung, zu dem des alten Kunstgewerbes. Dieses Gebiet aber gehört, trotz seinem Umfang und wohl gerade deshalb, unstreitig zu dem des von mir geprägten Begriffes der Durchschnittsfälschung, weil es sich hier, in der Hauptsache, um eine mehr oder weniger reproduzierende Arbeit dreht, die in den seltensten Fällen von phantasiebegabten Künstler-Fälschern durchgeführt worden ist und kaum jemals anders als durchschnittsmäßig durchgeführt werden wird.
Die Terrakotta, der gebrannte Ton, war schon im alten Ägypten beliebt, – von den Flachbildern, die nach den Echnaton-Reliefs gefälscht worden sind, habe ich schon gesprochen –, man kannte sich in der höchsten künstlerischen Verarbeitung des gebrannten Tons auch im alten Babylon aus, in Griechenland blühte dann die Terrakotta von neuem auf, und daß die gebrannten Tonplastiken Etruriens nachgeahmt wurden, sahen wir an dem Cerveteri-Sarkophag des Britischen Museums in London. (Abb. 18). Es ist hier nicht meine Aufgabe, eine Geschichte der Terrakotta zu geben, aber ich möchte doch, ehe ich von den Fälschungen der gebrannten Tonwaren innerhalb des alten Kunstgewerbes sprechen will, nur kurz auf die hohe Kunst der Robbia-Familie hinzeigen, auf ihre Tonplastiken, in denen sich auch ein Künstler-Fälscher, wie es Giovanni Bastianini war, versucht hat. Ich habe in meiner »Psychologie des Kunstsammelns« (Berlin 1911, 4. vermehrte Auflage 1923) mit Genehmigung des Victoria and Albert Museums in London außer der Savonarola-Büste (s. Seite 63) ein Madonnenrelief Bastianinis publiziert, das in Majolika gebrannt ist. A. D. Bastianini ist dies freilich weniger geglückt als seine gleichsam unbewußte Nachahmung der Tonarbeiten von Donatello und anderen Renaissance-Meistern.
Die farbig glasierten Reliefs der della Robbia waren Höhepunkte der künstlerischen Vollendung des glasierten Tons. Glasur und Farbe sind hier eins geworden. Als der Vater der berühmten Robbia-Familie, Lucca della Robia, seine ersten weißblauen, mit gelbgrünen Ranken und Kränzen gezierten Madonnen, diese Plastiken im reinsten Sinne des Wortes, die absolut nichts mit kunstgewerblichen Arbeiten zu tun haben, von Florenz aus in die italienischen Palazzi sandte, ging gerade von Faënza der Ruhm der Fayence aus, dieses porösen, weißglasierten oder gefärbten, zinnglasierten Tons, dessen Urheimat der Orient ist und dessen Produktion übrigens im Italien des Quattrocento gesammelt wurde.
Seit Jahrzehnten nun liegen falsche Robbia-Reliefs sowie falsche italienische Fayencen, deren Begriff sich mit dem der italienischen Majolika deckt, auf dem Markt. Diese neuen Majoliken sind aber von den richtigen alten nicht schwer zu unterscheiden. Die Farbe hat einen anderen Glanz, sie ist thranig, ölig, ist stumpf, im Vergleich zu der Glut und Leuchtkraft der alten Exemplare. In Bologna sitzen die Hauptfälscher der Urbino- und Gubbio-Majoliken, in Florenz die der Robbia-Reliefs, die umso einfacher umzusetzen sind, als sehr viele glatte Kopien nach den Original-Reliefs existieren, welche im Handel virtuos aufgearbeitet werden. Und falsche della Robbias sahen wir in den privaten Sammlungen nicht weniger häufig als z. B. die französischen Fayencen aus Rouen und Moustiers. Für die Fälschung gerade dieser Materie waren aber durchaus nicht die hohen Marktpreise maßgebend; die Fälscher bestrebten sich vielmehr, die französischen Töpferwaren allen Volksschichten zugänglich zu machen. Jene Sammler freilich, die sich für die »besseren« Stücke interessieren, riechen zu den Tellern und Saucièren, aus dem einfachen Grunde, weil sie, ehe sie Rouen oder Moustiers kaufen, erst feststellen wollen, ob die betreffenden Exemplare nicht künstliche Risse haben, deren Fettigkeit deutlich zu merken ist.
Die erwähnten Marktpreise für die echten italienischen Majoliken sind tatsächlich sehr hoch gewesen. Schon 1910, vier Jahre vor dem Weltkrieg, kauften die Duveens einen alten Sieneser Majolikateller (Durchmesser 42½ cm), den ich in der ersten Auflage meiner »Psychologie des Kunstsammelns« zuerst publiziert habe, in der Auktion Coope bei Christies in London für 3.700 Pfd., – das waren damals 74.000 Mark! –, in der zweiten Auktion der weltberühmten Prager Sammlungen Adalbert von Lanna (Lepke, Berlin, 1911) brachte ein Sieneser Teller 41.000 Mark, in der Auktion John Eduard Taylor in London (1912) erhielt eine Majolika-Schüssel aus Gubbio (1524) den Preis von 2.800 Guineas, die 57.000 Mark gleichkamen. Und als man 1921 bei George Petit in Paris die Orientsammlung Engel-Gros mit ihrer persischen Keramik ausbot, die einen der ältesten Vorläufer der italienischen Majolika bildet, hat eine blauglasierte persische Schale (mit Reliefmuster) die Summe von 102.000 Francs erreicht.
Neben jenen italienischen Majoliken hat sich im Laufe des letzten halben Jahrhunderts auch die deutsche Fayence durchgesetzt. Deutsche Fayence? Sie ist Ton, ebenso wie die italienische Majolika, poröser, undurchlässiger Ton. Das Steinzeug wieder ist weicher, aber es erscheint nicht minder stahlhart als der Porzellanscherben, mit dem ich mich noch ausführlicher beschäftigen werde. Also deutsche Fayence: auch sie wird heute gefälscht, und auch hier ist der Grund zum Fälschen die Ziffernreihe, deren fünfstellige Zahlen für die »Inkunabeln« dieses keramischen Stoffgebietes ausgegeben worden sind. Ja, auch für die Materie der Fayence wende ich das Wort »Inkunabel« an, was umso mehr einleuchten dürfte, als die primitiven Exemplare der deutschen Töpferei Darstellungen tragen, die den frühen Drucken, den Wiegendrucken des deutschen Buchdrucks (Inkunabeln) entnommen sind.
Abb. 26.
Pseudo-de Keyser, offenbar in der Zeit 1840–1860 gemalt.
Zusammengesetzt aus einem Kinderbildnis des Govaert Flinck und einer Dame des Ferdinand Bol (siehe Abb. 27/28).
Abb. 27. Govaert
Flinck, Kinderbildnis, 1641.
Kgl. Gemäldegalerie (Mauritshuis), den Haag.
Abb. 28. Ferdinand
Bol, Damenbildnis.
Collection Captain Holford, London.
So besitzt gerade die älteste deutsche Fayence, die wir kennen, eine Schale, das Germanische Museum in Nürnberg. Ihre Ursprungsstätte ist Tirol. Sie trägt das Datum 1526 und zeigt die Simson- und Delila-Scene eines Holzschnittes von Hans Burgkmair, dem Augsburger Graphiker und Maler, dessen Selbstporträt (von 1528) sich in der Gemäldegalerie in Wien befindet. Und Tirol, und zwar das deutsche Südtirol, das Italien gehört, ist die Heimat der » Eule«, die das Schloßmuseum Berlin im Jahre 1925 erworben hat. Die »Eule« ist als Gefäß gedacht. Auf der Vorderseite sieht man –, ich schildere das Stück, weil ähnliche falsche Exemplare im Umlauf sind –, ein Liebespärchen, auf der Rückseite die blaugoldgelbe Darstellung der Apfelschußszene aus der Tellsage. Und Tells wegen dachte und denkt wohl mancher Spezialist im ersten Moment an eine schweizerische Herkunft der »Eule«, so wie es auch August Stoehr heraussagte, der früh verstorbene Fayenceforscher des Würzburger Museums. Und Stoehr war es auch, der als Erster auf die Fälscherindustrie der » schweizer Eulen« aufmerksam machte.
Als sich nämlich die Wissenschaft mit dem Dutzend der bekanntgewordenen Fayence-Eulen, von denen der Eulen-Krug des Kunstgewerbemuseums Köln die Jahreszahl 1540 freilegt, intensiver zu beschäftigen begann, und als ich 1925 die »Eulen« der Privatsammlung Hermann Temmler in meiner »Technik des Kunstsammelns« publizierte, von denen man hörte, daß eins ihrer Exemplare an 20.000 Mark gekostet hatte, suchten die Fälscher die »Konjunktur« rasch auszunützen. Zwei von den »Eulen«, über die Justus Brinckmanns Nachfolger im Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe, der allzufrüh verstorbene Max Sauerlandt, einer der vortrefflichsten Kenner des alten Kunstgewerbes, wichtiges Material veröffentlicht hat, standen in den größten österreichischen Privatsammlungen, nämlich in der des Dr. Albert Figdor in Wien und in der des Grafen Wilczek auf Schloß Kreutzenstein. Bei diesen Eulen aber hat die Forschung noch manche Aufgabe. Sauerlandt neigte, soviel mir bekannt ist, mehr der Ansicht zu, daß »die rätselhafte Eulenwerkstätte«, die erst in unserem Jahrhundert die Veranlassung zur Gründung von Eulen-Fälscherwerkstätten gab, in Tirol gewesen ist, daß aber auch Franken, Nürnberg oder Thüringen als »Ursprungsorte« in Frage kommen könnten.
Otto v. Falke, unter dessen musealer Leitung jene »Eule« des Schloßmuseums in Berlin erworben worden ist, die sich an die Serie der aus Schloß Gehren stammenden Temmler'schen »Eulen« anschließt, sagte einmal ganz richtig, daß sich » Gattungsmerkmale« überhaupt erst feststellen lassen, wenn »mehrere Dubiosa verwandter Art in Umlauf gekommen sind«. Natürlich muß man auch dabei das Glück haben, »die Quellen« aufzuspüren und zu – verstopfen. »Ist man so weit, so beginnt sich auch schon die Erkenntnis unter den Interessenten ziemlich schnell zu verbreiten, und in gleichem Maße nimmt die Betrugskraft der Fälschungen wieder ab«.
Ähnliche Fälle sah man bei der deutschen Hafnerkeramik des 16. und 17. Jahrhunderts, und dann auch bei Delft, aus dessen künstlerisch hoher Produktion die Krüge Adrian Pynackers gut imitiert werden konnten. Pynacker ist übrigens schon zu seinen Lebzeiten gefälscht worden. Bei dem Verkauf der glasierten deutschen Hafner-Keramiken, der sich innerhalb der Lanna-Auktion vollzogen hat, bezahlte man für zwei Salzburger Kacheln den Riesenpreis von 18.000 Mark, und das war –, man muß leider sagen: natürlich –, der Beginn des Fälschens von Hafner-Keramik, in deren Reihe auch die sogenannten Hirschvogel-Krüge und die Krüge aus Preunings Werkstatt stehen. Krüge von Preuning gingen bei Lanna bis auf 11.000 Mark, sechs Jahre später, in der Auktion des Kölnischen Besitzes Baron Alfred von Oppenheim (Lepke, Berlin 1917) sogar bis auf 41.000 Mark. Diese 41.000 Mark waren im Jahre 1917 Kriegsmark. Und da dies eben schwächere Mark waren, merkte man in den Jahren, die darauf folgten, nichts von Preuning-Fälschungen. Das Fallen der Mark scheint die Fälscher abgeschreckt zu haben.