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XVI.
Das Thema von der Signatur

Der künstlerische Charakter der Schrift. – Deutung des Rein-Graphologischen der Signatur. – Vom Aussehen der alten Signaturen: Dürers »laufende« Unterschrift, sein Monogramm, seine Malerinschrift. – Lucas Cranachs Briefschrift und bildliche Signatur. – Das redende Monogramm Schäufelins, Palma Vecchios, der Judith Leyster. – Rembrandts Signaturen. – Der graphische Charakter der Unterschriften moderner Meister: Delacroix, Manet, Israels, Leibi, Hans v. Marees, van Gogh, Cezanne, Ury. – Die Signatur des Max Švabinský auf seinem Masaryk-Bildnis von 1919. – Von der Unterschrift Kokoschkas.


Um bei der Unterschrift des Künstlers, bei der Signatur zu bleiben, möchte ich über dieses Thema, das zur »Arbeit« der Fälscher wichtig ist und über das sich jeder Kunstfreund orientieren müßte, einige Worte sagen. Auszuschöpfen ist das Thema überhaupt nicht, und darum dürften einige Hinweise genügen, um den Kreis der Kunstliebhaber anzuregen.

Die Künstler signieren ihre Werke seit altersher. Immer haben sie es zwar nicht getan, aber in den meisten Fällen war es so. Die Maler »bezeichnen« ihre Werke, die Bildhauer »bezeichnen« ihre Werke, sie unterschreiben sie. Die eigenhändige Signatur bedeutete und bedeutet den Beweis der Echtheit eines Bildes. Wurde die Signatur aber schon zu Lebzeiten der Meister oder späterhin gefälscht, so galt dies noch nicht als Beweis, daß das Bild selbst oder die Plastik selbst falsch sein mußten. Daß man eben Gemälde, die echt, doch nicht »bezeichnet« waren, mit »Signaturen« versah, das geschah, um den Wert der Werke zu erhöhen. Die Forschung kennt eine Unzahl von Bildern, die nicht das Signum des betreffenden Meisters tragen, deren Echtheit aber durch Dokumente (Inschriften, Briefstellen aus Künstlerhandschriften, zeitgenössische Urteile) verbürgt ist.

Diese Dokumente will ich hier bloß streifen. Sie gehören aber, im Grunde genommen, in das Gebiet der Autographen, deren tiefster Kenner heute wohl Stefan Zweig ist. Der Dichter Stefan Zweig, der auch die große Gabe hat, über die bildenden Künste so ernst zu sprechen, als wäre er von Haus aus Kunstforscher, kam einmal dadurch zum Sammeln von Autographen, daß ihn facsimilierte Handschriften der Dichter, Musiker und Maler sehr interessierten. Und da sein Interesse immer stärker wurde, entschloß er sich eines Tages, die Originale zu erwerben. Dies aber ist in erster Linie zu beachten: die Briefstelle einer Künstlerhandschrift darf für ein genau so sicheres Dokument für einen Namen gelten wie eine Originalzeichnung desselben Künstlers, auch wenn sie nicht signiert wäre. Die Originalzeichnung allerdings ist die Ur-Handschrift des Künstlers. Und was uns an der Signatur »an sich« reizt, ist nicht das Rein-Graphologische, sondern der künstlerische Charakter der Schrift, die Deutung der Zeichen mit Rücksicht auf ihre, sagen wir, architektonisch-ornamentalen Züge.

Die Erklärung des Rein-Graphologischen, das auf die Analyse des inneren Wesens der Künstlerpersönlichkeit abzielt, überlasse ich den Graphologen von Beruf. Der allzufrüh verstorbene Koliner Robert Saudek konnte das, Rudolf Strauß, der um die moderne österreichische Literatur hochverdiente Gründer der »Wiener Rundschau« und der »Wage« kann das, und ein Kopf wie Raffael Schermann kann das. Schermann untersucht, ob manche Handschrift, um mit Klages zu sprechen, ein »Übergewicht des sinnlichen Vorstellens über das begriffliche Denken« verrät. Mit Schermann hatte ich übrigens ein merkwürdiges Erlebnis. Es war im Berliner Hause des größten modernen deutschen Malers, Lovis Corinth. Wir saßen um einen Tisch herum und debattierten über Kunst. Da sagte plötzlich Schermann, der gerade von Corinths Frau, Charlotte Berend, portraitiert worden war, – dieses Bildnis ist eins ihrer fascinierendsten – er könne intuitiv, den Strich einer Malerei, ebensowie den eines Briefes, also die Unterschrift des betreffenden Malers usw. nachschreiben. Ich zog augenblicks eine Reihe von Briefen und Karten aus meiner Rocktasche. Und Schermann fragte: »Was soll ich damit?« – »Da habe ich,« erwiderte ich, »eine Karte vor mir. Wie sieht die Unterschrift aus?« – Schermann konnte unmöglich die Schrift sehen, denn er saß etwa 1½ m entfernt von mir. – »Bitte,« sagte er nervös. – »Ist die Karte lateinisch oder sonstwie geschrieben?« – »Lateinisch.« – »Bitte,« sagte er, sehen Sie mich an!« Und – im Nu hatte er die Schriftzüge jener Unterschrift, die von einem mit mir befreundeten Kunsthistoriker stammte, mit unverkennbarer Ähnlichkeit hingesetzt.

Mir geht es natürlich nicht darum, zu erforschen, wie ein derartiges Experiment glücken kann, sondern einfach um die Feststellung, daß die Unterschrift eines Künstlers mit der Handschrift des Malers, bezw. mit seinem künstlerischem Charakter verwachsen sein kann. Heute braucht man, da die Forschung ziemlich weit ist, nicht mehr darüber zu lachen wie einst, als die Graphologin Dolphine Popée erklärte, sie könnte aus der Künstlerhandschrift »sogar«, den »Farbensinn« des Malers deuten. Sie sprach damals u. a. davon, daß in jenen Fällen, in denen sich die »Tinten« kräftig vom Hintergrund abheben, auch die Unterschrift des Künstlers leuchtend wäre.

Wie haben aber die Signaturen »an sich« ausgesehen, und wie sehen sie aus? Hat der gleiche Meister seinen Bildern immer die gleiche »Bezeichnung« gegeben, oder hat er im Laufe der Jahre seine Schrift wesentlich verändert? Mancher Fälscher ist mit dieser Wandlung wohl vertraut, mancher wieder, – und dieser »Fall« ist ein Gewinn für den Kunstbetrachter –, übersieht die Veränderung innerhalb der Signatur. Doch eins ist noch einmal zu betonen: die Unterschrift der Künstlerbriefe eines und desselben Künstlers differiert oft sehr von dem »Strich« seiner Bildsignaturen. Nehmen wir Albrecht Dürer (Abb. 3). Gerade Dürer ist das auffallendste Exempel dafür, daß die »laufende« Unterschrift, die der Meister unter einen seiner Briefe setzt, gleichsam von anderer Hand zu stammen scheint, als die seiner Bildsignatur, des Monogramms (Abb. 4). Der populäre »Hieronymus Holzschuher« des Deutschen Museums in Berlin, der mit der Gesamtheit der sieben Dürer-Bilder erst in der Aera Wilhelm Bode nach Berlin gekommen ist, trägt unten das aus dem mittelalterlichen Ductus in den der Renaissance gleitende Monogramm. Und rechts oben steht: »Hieronimi Holtzschuer. Anno Dom. 1526. Etatis sue. 57.« Doch auf der zwanzig Jahre vorher, 1506, in Venedig gemalten Berliner »Madonna mit dem Zeisig« steht (auf der Holzwand) innerhalb eines Zettels die eigenhändige Malerinschrift Dürers, diese Abart der vollständigen Künstlersignatur oder des Monogramms (Abb. 5). Die »Madonna mit dem Zeisig« (1506) verrät uns übrigens, wie die Madonna des berühmten Gemäldes »Das Rosenkranzfest« (Galerie, Prag) vor der Übermalung, die um 1840 in Prag erfolgte, ausgesehen hat. Die Madonna mit dem Zeisig wirkt, sagt Max J. Friedländer, »wie ein Ableger« des Rosenkranzfestes (1506), das der große Berliner Kenner »Dürers glücklichstes Bild« nennt. Aber auch die Signatur des »Rosenkranzfestes« ist eine Malerinschrift. Dürer, der sich auf seinem Gemälde, zusammen mit seinem Freunde Willibald Pirckheimer, unter einem Baume stehend, »abkonterfeit« hat, trägt einen offenen Brief in den Händen, der die Worte enthält: »Exegit quinque mestri spatio Albertus Durer Germanus MDVI AD.«

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Abb. 29. »Musterkollektion« von farbig emaillierten »alten« Gläsern.
Die »Arbeitsstätte« des Fälschers war vielleicht in München, und zwar in der Zeit von 1880.

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Abb. 30. Wilhelm Leibl. Zwei Hände auf einem Buche, Fragment.

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Abb. 31. Leibl-Nachahmer, Händepaar.
Nach E. Waldmann: »Über Leibl-Fälschungen (in A. Donath »Jahrbuch für Kunstsammler«, Bd. IV/V, Frankfurt a. M. 1924/25).

Das Gebiet der Malerinschrift, die natürlich auch wiederholt die Fälscher gelockt hat, ist ungemein verästelt, ungemein kompliziert, und es ist nicht einfach, darüber zu sprechen, ohne in eine allzu trockene, rein wissenschaftliche Darstellungsweise zu geraten. Darum möchte ich mich lieber mit dem » Monogramm« beschäftigen, dessen Art auch vielen geläufiger ist. »Mόνος« heißt im Griechischen einzig, allein, »γραμμα« kommt von γραφεὶν = schreiben. Das Dürer-Monogramm nun ist das bekannteste unter sämtlichen Künstler-Monogrammen, die sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen zusammensetzen. Aber der Nürnberger Großmeister ging zunächst von der gotischen Mönchsschrift aus, von der Fraktur, welche die runde Form der italienischen Buchstaben gebrochen hat (frangere = brechen) und griff dann auf die Antiqua zurück. Das Dürersche D ist das D der italienischen Renaissance. Es hat, wie ich schon erwähnte, etwas Architektonisch-Ornamentales. Und auch bei Hans Baldung, bei dessen Buchstaben-Monogramm, findet sich eine ähnliche Neigung für das Architektonische, dagegen hat die Signatur Lucas Cranachs durchaus andere Formen. Cranachs Briefschrift (Abb. 6) ähnelt zwar der Kurrentschrift der Dürer-Briefe, doch seine Bild-Signatur ist die sogenannte bildliche Signatur. Er bezeichnete nämlich die Bilder seiner mittleren und seiner späten Zeit mit der geflügelten Schlange (Abb. 7), in mehreren Varianten, während seine Frühwerke, die, wie z. B. die von Bode aus dem Besitz von Konrad Fiedler, dem Freund der Adolf v. Hildebrandt und Hans v. Marées, erworbenen »Ruhe auf der Flucht«, noch das Monogramm des Lucas Cranach tragen. Die »Ruhe auf der Flucht« ist der früheste »durch Inschrift beglaubigte« Cranach.

Neben der bildlichen Signatur gibt es die » redenden Monogramme«, deren Begriff von dem unvergeßlichen Wiener Privatgelehrten Theodor von Frimmel geprägt worden ist. Das redende Monogramm besagt so viel, daß der Künstler unter die Anfangsbuchstaben seines Namens noch die Darstellung jenes Gegenstandes hinschreibt, der dem Sinn des Familiennamens entspricht. So »liegt« unter dem Monogramm des Dürer-Schülers Hans Leonhard Schäufelin die Schaufel (Abb. 8), so sieht man unter dem Namenszug von Dürers venezianischem Zeitgenossen Giocomo Palma, gen. d. Ae., Palma Vecchio zwei ineinanderverschlungene Palmenzweige (Abb. 9), und so verbindet die Haarlemerin Judith Leyster, die Schülerin des Frans Hals, unter dessen Namen zahlreiche Arbeiten der Schülerin »gehen«, ihren Familiennamen mit einem Stern, dem Leitstern, holländisch: Leijster (Abb. 13).

Da ich aber gerade bei den Holländern bin, will ich in erster Linie den ersten Weltnamen der Kunst, Rembrandt, mit seinen verschiedentlichen Bezeichnungen zeigen. Der großartigste unter den Rembrandts, die Bode erworben hat, »Der Mennonitenprediger Anslo« (Preis von 1894: 20,000 Pfund, Collektion Asburnham, London), hat in der Signatur von 1641 eine ähnliche Haltung wie das Bild der Bilder, »Die Nachtwache« von 1642 (Rijksmuseum, Amsterdam). In dieser Epoche des Rembrandtschen Schaffens haben die Schriftzüge des Großmeisters, die immer in liegender Kursive gehalten sind (Abb. 11), eine gewisse Festigkeit, während gegen Ende der 50er Jahre, nach den Tagen des Zusammenbruchs, in mancher von den Signaturen etwas Zittriges ist. Als Beispiel nehme ich das Berliner Bild »Moses zerschmettert die Gesetzestafeln«, das schon in der Galerie von Sanssouci 1764 von M. Oesterreich, dem Kunsthistoriker Friedrichs des Großen beschrieben worden ist (Abb. 12). Albert Heppner, der Amsterdamer Kunsthistoriker, hat übrigens im April-Heft 1937 meiner Zeitschrift »Internationale Kunstrevue« (Prag) die richtige Deutung von Rembrandts Berliner Moses-Gemälde klargestellt. Heppner nennt das Bild: »Moses als Bringer des Gesetzes«.

Die lateinische Kursive, wie sie Rembrandt schrieb, – und in den Bildern vom Ende der 50er Jahre wirkt ihr Charakter mitunter rein-graphologisch –, ist eine Erfindung des Venezianers Aldus Manutius(† 1515). Diese Kursive, die von vielen Malern für das Signieren der Bilder angewendet wurde, kommt manchmal verschränkt vor, manchmal verschnörkelt, und sie hat mitunter auch etwas durchaus Kaligraphisches. Während aber Rembrandt seine Kursive mit dem Pinsel, bezw. dem Pinselstiel, in die Farbe setzte, schrieben zahlreiche von seinen holländischen Kollegen aus dem 17. Jahrhundert ihre Signaturen kaligraphisch mit der Feder hin. Ein typisches Muster ist die Signatur des Rembrandt-Schülers Barent Fabritius, wie sie uns an seinem Familienbildnis des Leidener Architekten Willem van der Helm (Rijksmuseum, Amsterdam, siehe Abb. 14) fesselt.

Wir haben die Signaturen des Rembrandt gesehen, die der »Nachtwache« von 1642 und die des »Moses« von 1657 und konnten aus den Unterschriften des Meisters die unvergleichliche Wucht seiner Malerei herauslesen. Aber auch bei Rembrandt überrascht es, daß die Briefe, die er geschrieben und unterzeichnet hat, in ihren Unterschriften nicht den Signaturen ihrer Bilder gleichen. Dies läßt sich auch gut bei Rubens verfolgen, der 1628 als »Diplomat« nach Madrid geht und von dort mitteilt, er beschäftige sich auch dort mit der Malerei, wie er es überall tue. Und von dem großen Flamen Rubens schlängelt sich die Reihe bis zu den Namen der modernen Malerei, bis zu Constable und Delacroix, Manet und Israels, Leibl und Hans von Marées, bis zu van Gogh und Cézanne, Liebermann und Ury. In ihren Briefen ist, vielleicht mit Ausnahme der von Lovis Corinth, die Signatur von gewissermaßen graphischem Charakter, und es besteht auch kein Zweifel, daß die Unterschriften, die die Zeichnungen oder Radierungen tragen, anders gestaltet sind als die der Bilder von gleicher Hand.

Vertiefen wir uns z. B. in die Zeichnungsstudie des führenden tschechoslovakischen Malers Max Švabinský) zu seinem Masaryk-Bildnis (1919), so finden wir links unten, fast unsichtbar, die Unterschrift des Künstlers, wie wenn es, um mit Klages zu sprechen, um eine »graphisch fixierte Äußerung der Seelenregung« ginge. Doch auch in der Graphik des Oskar Kokoschka können wir Ähnliches merken. Der Künstler unterschreibt z. B. ein Selbstbildnis: »im 34. Jahr Oskar Kokoschka, Wien, Okt. 1920«. Und mit dieser Unterschrift füllt er einen Teil des Bildraumes. Drei Jahre vorher, in dem koloristisch belebten Selbstporträt von 1917, war seine Signatur O.K. mit den Farbflecken seiner Malhandschrift zusammengeschlossen. Und erst 1923 tritt in der »Elblandschaft« von 1923 das O. K. stärker hervor. (Paul Westheim »Oskar Kokoschka«, Abb. 94, 2. Aufl., Berlin, 1925). Ob damit Kokoschka etwas Besonderes beabsichtigt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls aber gehört, allgemein gesprochen, das Problem der Maler-Unterschrift zu den interessantesten Phasen des gesamten Kunstschaffens und auch zu jenen der – Kunstfälschung.


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