Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XLIII

Auf dem Fischmarkt von Lüttich ging Uilenspiegel einem dicken jungen Kerl nach, der ein Netz mit allerlei Geflügel unterm Arme hatte und ein andres mit Stockfischen, Forellen, Aalen und Hechten anfüllte. Uilenspiegel erkannte Lamme Goedzak. »Was machst du hier, Lamme?« sagte er.

»Du weißt,« sagte der, »wie willkommen die von Flandern im schönen Lande zu Lüttich sind; ich, ich gehe meiner Liebe nach. Und du?«

»Ich suche einen Herrn, um ihm fürs Brot zu dienen.«

»Das ist eine gar trockene Kost,« sagte Lamme. »Besser wäre es, du ließest einen Rosenkranz von der Schüssel zum Munde laufen, einen Rosenkranz von Fettammern mit einer Drossel als Credo.«

»Du bist reich?« fragte Uilenspiegel.

»Ich habe meine Eltern verloren und meine Schwester, die mich so verprügelt hat; ich habe sie beerbt und lebe mit einer einäugigen Magd, einer Gelehrten im Kochen.«

»Soll ich dir«, fragte Uilenspiegel, »deine Fische und dein Geflügel tragen?« »Ja.« Und sie schlenderten miteinander über den Markt. Plötzlich sagte Lamme: »Weißt du, warum du ein Narr bist?« »Nein.« »Weil du deine Fische und dein Geflügel in den Händen schleppst statt im Magen.« »Du hast recht, Lamme,« antwortete Uilenspiegel; »seitdem ich aber kein Brot mehr habe, wollen mich die Fettammern nicht mehr ansehn.« »Du wirst davon bekommen, Uilenspiegel,« sagte Lamme, »und mir dienen, wenn du meiner Köchin recht bist.«

Während sie gingen, zeigte Lamme Uilenspiegel ein hübsches, artiges und liebes Mädchen, die in Seide gekleidet über den Markt schritt und Lamme mit ihren süßen Augen ansah. Ein alter Mann, ihr Vater, ging hinter ihr, beladen mit zwei Netzen, einem mit Fischen und einem mit Wildbret. »Die da«, sagte Lamme, »werde ich heiraten.«

»Ich kenne sie,« sagte Uilenspiegel, »sie ist eine Vlämische aus Zottegem und wohnt in der Rue Vinave-d'Isle. Ihre Nachbarn sagen, daß die Mutter an ihrer Statt die Straße vor dem Hause kehrt und daß ihr der Vater die Hemden plättet.« Aber Lamme antwortete nichts darauf und sagte ganz selig: »Sie hat mich angesehn!«

Sie kamen zu Lammes Hause beim Pont-des-Arches und klopften an die Tür. Eine einäugige Magd kam ihnen öffnen. Uilenspiegel sah, daß sie alt, lang, platt und mürrisch war. »Sanginne,« sagte Lamme zu ihr, »willst du den da zum Helfen?«

»Ich nehme ihn einstweilen auf Probe,« sagte sie. »Nimm ihn nur«, sagte er, »und laß ihn die Herrlichkeiten deiner Küche versuchen.«

Sanginne setzte drei Blutwürste, eine Kanne Bier und einen großen Laib Brot auf den Tisch. Während Uilenspiegel aß, knapperte auch Lamme eine Wurst. »Weißt du,« sagte er, »wo unsere Seele wohnt?« »Nein, Lamme,« sagte Uilenspiegel.

»Im Magen,« sprach Lamme, »um ihn ohne Unterlaß auszutiefen und im Körper stets die Lebenskraft zu erneuern. Und was sind die besten Gesellen? Das sind die guten und leckern Gerichte und darauf ein Schluck Maaswein.«

»Ja,« sagte Uilenspiegel, »die Würste sind eine angenehme Gesellschaft für eine einsame Seele.«

»Er will noch; gib ihm, Sanginne,« sagte Lamme. Diesmal gab ihm Sanginne Weißwürste.

Während er sie hineinstopfte, sagte Lamme sinnend: »Wann ich sterbe, stirbt mein Bauch mit mir, und nachher, im Fegefeuer, wird man mich fasten lassen, und ich kann meinen Wanst schlapp und matt spazieren führen.« »Die Blutwürste waren besser,« sagte Uilenspiegel. »Du hast jetzt sechs gegessen«, antwortete Sanginne, »und hast genug.«

»Du siehst,« sagte Lamme, »du wirst hier wohlaufgehoben sein und wirst essen wie ich.«

»Das soll ein Wort sein,« antwortete Uilenspiegel.

Uilenspiegel war vergnügt, als er sah, daß er aß wie er. Die verschlungenen Würste gaben ihm einen solchen Mut, daß er an diesem Tage alle Kessel, Pfannen und Geschirre blank wie die Sonne putzte.

Er lebte gut in diesem Hause und werkte gern in Küche und Keller; den Boden ließ er den Katzen. Eines Tages hatte Sanginne zwei Hühnchen zu braten und hieß Uilenspiegel so lange den Spieß drehn, bis sie vom Markte, wo sie einige Würzkräuter zur Zutat besorgen wollte, zurück sei. Die zwei Hühnchen waren gar, und Uilenspiegel aß eines. Bei ihrer Heimkunft sagte Sanginne: »Es waren doch zwei Hühnchen da; ich sehe aber nur noch eines.« Uilenspiegel antwortete: »Tu auch das andere Auge auf, so wirst du sie alle beide sehn.«

Ganz zornig ging sie die Geschichte Lamme Goedzak erzählen; der kam in die Küche herab und sagte zu Uilenspiegel: »Warum machst du dich über meine Magd lustig? Es waren zwei Hühnchen da.«

»Richtig, Lamme,« sagte Uilenspiegel; »aber als ich hier eingetreten bin, hast du mir gesagt, ich würde essen und trinken wie du. Zwei Hühnchen waren da, eins hab ich gegessen, das andere ißt du; meine Freude ist vorbei, deine kommt erst, bist du nicht glücklicher als ich?«

»O ja,« sagte Lamme lachend, »aber tu nur das, was dir Sanginne befiehlt, und du hast nur die halbe Arbeit.« »Ich werde achtgeben, Lamme,« antwortete Uilenspiegel.

Sooft ihm nun Sanginne irgendetwas befahl, tat er nur die Hälfte: sagte sie ihm, er solle zwei Eimer Wasser schöpfen, schöpfte er nur einen; wenn sie ihm sagte, er solle einen Krug Bier abzapfen, goß er auf dem Wege die Hälfte in seinen Schlund. Und so weiter. Endlich wurde es Sanginne zu viel, und sie sagte zu Lamme, wenn der Taugenichts im Hause bleibe, so gehe sie auf der Stelle.

Lamme stieg zu Uilenspiegel herunter und sagte: »Es heißt scheiden, mein Sohn, obwohl du dich hier tüchtig herausgefüttert hast. Höre den Hahn krähen; es ist zwei Stunden nach Mittag, und da ist es ein Zeichen, daß es regnen wird. Ich möchte dich ja lieber nicht bei so einem schlechten Wetter, wie es kommen wird, hinausstoßen; aber bedenke, mein Sohn, daß Sanginne mit ihren Braten die Hüterin meines Lebens ist: ich kann sie nicht weglassen, ohne einen baldigen Tod gewärtigen zu müssen. Geh also mit Gott, mein Sohn, und nimm diese drei Gulden und diesen Kranz Würste zu deiner Erheiterung mit auf den Weg.«

Und verdutzt zog Uilenspiegel davon, in Trauer über Lamme und seine Küche.


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