Charles de Coster
Uilenspiegel und Lamme Goedzak
Charles de Coster

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XV

Soetkin trug unter dem Gürtel das Zeichen einer neuen Mutterschaft. Auch Katelijne war schwanger; doch getraute sie sich vor Angst nicht aus dem Hause. Wann Soetkin sie besuchen kam, sagte Katelijne ganz traurig: »Ach, was werde ich mit der armen Frucht meiner Lenden anfangen? Soll ich sie ersticken? Lieber möchte ich sterben. Wenn mich aber die Schergen greifen, weil ich als Ledige ein Kind habe, werde ich wie eine Hübscherin zwanzig Gulden zahlen müssen und werde gestäupt werden auf dem Großen Markte.«

Nun sagte ihr Soetkin, um sie zu trösten, ein paar liebe Worte; sie verließ sie und kam versonnen heim. Endlich sagte sie eines Tages zu Klaas: »Mann, wenn ich so anstatt eines Kindes zwei hätte, würdest du mich schlagen?«

»Ich weiß nicht,« antwortete Klaas.

»Aber,« sagte sie, »wenn das zweite nicht von mir käme, sondern so wie das Katelijnens das Werk eines Unbekannten wäre, vielleicht des Teufels?«

Klaas antwortete: »Die Teufel erzeugen Feuer, Mord und Rauch, aber Kinder, nein. Ich werde Katelijnens Kind als meines annehmen.«

»Das würdest du tun?«

»Ich habe es gesagt.«

Soetkin ging zu Katelijne, um ihr diese Neuigkeit zu berichten. Die konnte sich auf diese Botschaft hin kaum halten vor Freude und rief in Verzückung: »Er hat gesprochen, der Biedermann, gesprochen für das Heil meines Leibes. Er wird gesegnet sein von Gott und wird gesegnet sein vom Teufel, wenn es«, sagte sie erschauernd, »ein Teufel war, der dich gezeugt hat, dich armes Ding, das sich unter meinem Herzen rührt.«

Soetkin brachte einen Sohn zur Welt, Katelijne eine Tochter. Beide wurden als Kinder Klaasens zur Taufe gebracht. Der Sohn Soetkins, der Hans genannt worden war, blieb nicht am Leben; die Tochter Katelijnens, Nele geheißen, geriet gut.

Nele trank den Lebenssaft aus vier Flaschen, das waren die zwei Katelijnens und die zwei Soetkins. Und die beiden Frauen stritten liebreich, wer dem Kinde zu trinken geben solle. Ihrem Herzenswunsche zum Trotze war aber Katelijne gezwungen, ihre Milch versiegen zu lassen, damit man sie nicht einmal frage, woher sie sie habe, ohne Mutter zu sein.

Als ihre Tochter, die kleine Nele, entwöhnt war, nahm sie sie zu sich und ließ sie nicht zu Soetkin gehn, bevor sie sie Mutter genannt hatte. Die Nachbarn sagten, von Katelijne, die vermögend war, sei es schön, daß sie das Kind von Klaas erziehe, der mit seiner Familie ärmlich wie stets sein dürftiges Leben führte.


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