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Maximino läßt sich nach Rom bringen, wo er stirbt, nachdem er in Perianders und Auristela's Vermählung eingewilligt, die nun Persiles und Sigismunda heißen.
Alles irdische Glück hat so wenig Bestand und Sicherheit, daß Keiner wissen kann, ob es ihm der nächste Augenblick nicht rauben wird.
Auristela bereute es, Periander ihre Gesinnung eröffnet zu haben, sie suchte ihn auf, und war mit Freude erfüllt, da sie ihn fand, denn sie wußte, sobald sie ihre Übereilung wieder zurücknahm, lag es in ihrer Hand, den Sinn Perianders ganz nach ihrem Willen zu lenken.
Sie glaubte das Rad seines Glückes hemmen zu können, und die Sphäre zu sein, welche alle seine Wünsche in Bewegung setzte. Sie täuschte sich auch nicht; denn ihr Bild herrschte einzig und allein in Perianders Seele. Aber so betrügt uns das veränderliche Glück. Ein Augenblick war hinreichend, um Auristela's beglückten Zustand in Leid zu verwandeln. Sie hoffte sich zu freuen, und weint; sie hoffte zu leben, und stirbt. Sie dachte Periander zu sehen, und erblickt nun den Prinzen Maximino, der mit vielen Wagen und großem Gefolge nach Rom kommt, auch auf jener Straße, von Terracina her, und da er so viele Menschen versammelt sieht, die den verwundeten Periander umgeben, läßt er seine Kutsche halten, und fragt, was vorgefallen sei. Seraphido ging ihm entgegen und sprach:
»O Prinz Maximino! welche traurige Nachricht muß ich Dir bringen! Dieser Verwundete, der in den Armen der schönen Jungfrau liegt, ist Dein Bruder Persiles, und sie ist die edle Sigismunda, die Deine Nachforschungen hier endlich finden, in einem so schwarzen Augenblick, in einer so betrübten Stunde, daß Du sie nicht in Deine brüderlichen Arme schließen kannst, sondern sie dem Grabe übergeben mußt.«
»Sie werden diesen Weg nicht allein gehen,« erwiederte Maximino; »denn mein Zustand ist so hoffnungslos, daß ich sie wol begleiten muß.«
Er erhob sich jetzt mit dem Haupt aus dem Wagen, und erkannte sogleich seinen Bruder, obwol dieser ganz mit Blut bedeckt war; auch Sigismunda erkannte er. Der Schreck hatte ihr zwar alle Farbe genommen, aber doch die Züge des schönen Angesichts nicht entstellt oder verändert. Schön war Sigismunda vor diesem Unglück; aber noch schöner nachdem es sie getroffen hatte; denn zuweilen erhöht der Schmerz die Schönheit des Angesichts.
Aus der Kutsche sank Maximino in die Arme der Königin von Friesland, die nun nicht mehr Auristela, sondern Sigismunda hieß, und die in seinen Gedanken auch schon Königin von Tile war. Alle diese seltsamen Veränderungen leitet die Macht, die gemeinhin von der Menge Fortuna genannt wird, aber nichts Anderes ist, als eine Vorherbestimmung des Himmels.
Maximino war nach Rom gekommen, um bessere Ärzte als die von Terracina zu Rathe zu ziehen; denn diese hatten ihm verkündigt, der Tod würde ihn ereilen, ehe er Rom erreichte, und sie schienen in dergleichen Vorhersagungen geschickter zu sein, als in der Heilkunde. Zwar ist es wahr, daß Wenige dies Wechselfieber zu curiren wissen.
So geschah es, daß vor der Kirche des heiligen Paulus, auf dem freien Felde, es der grimme Tod wagte, den tapfern Persiles mörderisch anzufallen, und den Prinzen Maximino besiegt zu Boden zu stürzen. Als Dieser fühlte, daß sein letzter Augenblick nahe, ergriff er mit der rechten Hand die linke seines Bruders, und legte sie auf seine Augen, mit der linken aber faßte er des Bruders rechte, die er mit der Hand Sigismunda's vereinigte, indem er mit gebrochener Stimme sprach:
»Euer edles Gemüth, ihr meine wahren Kinder und Geschwister, wird meine Meinung verstehen. Drücke mir die Augen zu, o geliebter Bruder! und verschließe sie zum ewigen Schlaf, und mit der andern Hand fasse die der schönen Sigismunda, besiegle den Bund mit Deinem Ja, und Dein vergossenes Blut, so wie die gegenwärtigen Freunde, mögen Zeugen dieser Verbindung sein. Das Reich Deiner Väter ist Dein, und Sigismunda bringt Dir das ihrige als Brautschatz. Möge Dir Gott das Leben erhalten, und ein dauerndes Glück gewähren.«
Diese liebevollen, brüderlichen Worte, die zugleich so erfreulich und so schmerzlich waren, belebten Persiles Geist. Er gehorchte dem Befehl seines Bruders, den jetzt der Schatten des Todes bedeckte; er drückte ihm die Augen zu, und sprach das Ja aus, halb freudig und halb betrübt, indem er die Hand Sigismunda's ergriff.
Der plötzliche, schmerzliche Tod Maximino's machte auf Alle einen tiefen Eindruck. Seufzer tönten in der Luft, und die Erde ward mit Thränen befeuchtet. Marimino's Leichnam ward in die Kirche des heiligen Paulus getragen, und der halb entseelte Persiles in der Kutsche des Verstorbenen nach Rom gebracht, um seine Wunden zu verbinden.
Belarminia und Deleasir waren mit dem Herzog nach Frankreich zurückgekehrt. Arnaldo erfüllte die seltsame Vermählung Sigismunda's mit tiefer Trauer, und es war ihm ein bittrer Schmerz, so viele Jahre einer treuen Liebe und eifrigen Bewerbung verloren zu haben, da er stets gehofft, die schönste unter allen Frauen dereinst die Seinige zu nennen. Was ihm aber am meisten zu Herzen ging, waren die Reden des boshaften Clodio, denen er damals nicht glauben wollte, und die er nun zu seinem größten Unglück bestätigt fand. Beschämt, gekränkt und kummervoll wollte er abreisen, ohne Persiles und Sigismunda wiederzusehen; da er aber überlegte, daß sie jetzt regierende Könige waren, wie Vieles zu ihren Gunsten sprach, und daß ihm doch nicht mehr zu helfen war, entschloß er sich ihnen seinen Besuch zu machen.
Er wurde mit großer Liebe von ihnen empfangen, und um ihn in seinem Schmerz zu trösten, versprachen sie, ihm die Prinzessin Eusebia, Sigismunda's Schwester, zur Gemahlin zu geben. Er nahm diesen Antrag willig an, und hätte die Neuvermählten gern auf ihrer Reise begleitet; aber er wollte seinen Vater erst um seine Einwilligung bitten; denn bei ehelichen Verbindungen und allen wichtigen Unternehmungen ist es billig, daß der Wille der Eltern mit dem der Kinder übereinstimme. Er pflegte seinen Bruder Persiles, und sobald er ihn hergestellt sah, begab er sich in sein Königreich, um glänzende Feste zum Empfange seiner Braut zu veranstalten.
Feliz Flora vermählte sich mit dem Barbaren Antonio; denn sie wagte nicht, in der Nähe der Verwandten Desjenigen zu leben, den Antonio umgebracht hatte.
Nachdem Croriano und Ruperta ihre Pilgerschaft vollendet hatten, kehrten sie nach Frankreich zurück, und konnten noch lange von den Begebenheiten der vorgeblichen Auristela erzählen.
Der Manchaner Bartholomeo und Luisa, die Castilianerin, begaben sich nach Neapel, wo sie, wie man sagt, ein schlechtes Ende nahmen, weil ihr Leben nichtswürdig war.
Persiles ließ die Leiche seines Bruders in der Kirche des heiligen Paulus beisetzen. Er nahm alle Diener desselben zu sich, und besuchte noch einmal alle heiligen Örter in Rom.
Constanza ward wie eine Schwester von dem Fürstenpaar geliebt, und Sigismunda schenkte ihr zum Andenken das Kreuz von Diamanten. Sie begleiteten dann die Freundin nach Spanien, wo diese als Gemahlin des Grafen, ihres Schwagers, blieb.
Nachdem also die Pilger, Persiles und Sigismunda, den Fuß des heiligen Vaters geküßt, ihr Gelübde erfüllt und ihre Seele erquickt hatten, kehrten sie in ihr Königreich zurück, und verlebten lange, beglückte Jahre miteinander. In Enkeln und Urenkeln sahen sie im Alter ihre Jugend wieder erblühen, und erfreuten sich einer edlen, zahlreichen Nachkommenschaft.
Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.