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Neuntes Capitel.

Sie kommen nach Quintanar, wo sich etwas Merkwürdiges ereignet. Antonio findet seine Eltern wieder, er und Ricla, seine Frau, bleiben bei diesen; aber der junge Antonio und Constanza setzen die Wallfahrt mit Periander und Auristela fort.


Die heimathliche Luft erquickte Antonio's Seele, und alle Pilger fühlten ihr Gemüth gestärkt, als sie bei unserer lieben Frau von der Hoffnung gebetet hatten. Ricla und ihre Kinder waren in großer Spannung, weil sie nun bald die Schwiegereltern und Großeltern sehen sollten; denn Antonio hatte erfahren, daß sie noch lebten, trotz des Kummers, den sie über den Verlust ihres Sohnes so lange Jahre getragen. Antonio hatte auch Nachrichten über seinen Gegner eingezogen. Dieser war, nachdem er seinen Vater beerbt, in vollkommener Freundschaft mit Antonio's Vater gestorben, denn nach umständlichen Untersuchungen über die verwickelten Gesetze des Zweikampfes war entschieden worden, daß Antonio seinem Gegner keine Beschimpfung anthat; indem der Streit bei entblößten Schwertern geführt wurde; der Glanz der Waffen nimmt aber den Worten ihre Kraft, und was bei entblößten Schwertern gesprochen wird, kann beleidigen, aber nicht beschimpfen, und wer Genugthuung dafür fordert, kann nicht sagen, daß er eine Beschimpfung austilgen, sondern muß eingestehen, daß er eine Beleidigung rächen will, wie folgendes Beispiel erklären wird.

Setzen wir den Fall, daß ich Etwas sage, was eine ausgemachte Wahrheit ist; Einer, der falsch berichtet ist, sagt mir, ich lüge, und werde lügen so oft ich Dasselbe wiederhole; dabei legt er aber die Hand an das Schwert, indem er mich der Lüge zeiht. In diesem Falle habe ich, dem er die Lüge zugeschoben, nicht nöthig, zu den Waffen zu greifen, um die Wahrheit meiner Aussage zu vertheidigen, da ich durchaus nicht annehmen darf, Jener habe mich der Lüge geziehen. Aber ich bin verpflichtet, ihn zu strafen, weil er die Achtung gegen mich aus den Augen gesetzt. So kann Der, welcher der Lüge geziehen ist, einen Andern zum Kampfe fordern, und dieser darf ihn nicht unter dem Vorwande zurückweisen, als sei er beschimpft und könne deshalb nicht verlangen, daß irgend Einer sich ihm stelle, bis er sich Genugthuung verschafft habe. Denn, wie gesagt, es ist ein großer Unterschied zwischen einer Beleidigung und einer Beschimpfung.

Kurz, Antonio erfuhr, daß sein Vater und sein Gegner sich versöhnt hatten, und daß seine Sache untersucht worden war. Diese guten Nachrichten machten, daß er sich des andern Tages ruhig und zufrieden mit seinen Gefährten auf den Weg begab, denen er Alles erzählte, was er über seine Angelegenheiten erfahren hatte; auch daß ein Bruder Desjenigen, den er so lange für seinen Feind gehalten, dessen Vermögen geerbt habe, und in derselben Freundschaft mit Antonio's Vater lebe, wie sein verstorbener Bruder.

Antonio bat Alle, sich nicht zu verrathen, weil er sich nicht sogleich seinem Vater zu erkennen geben wollte, sondern nach und nach; sowol um die Freude des Wiedersehens zu erhöhen, als um den Vater vorzubereiten, denn eine zu plötzliche Freude kann tödtlich sein, ebensowol wie ein unvorhergesehener Schmerz.

Nach drei Tagen erreichten sie in der Abenddämmerung die Stadt und das Haus des Vaters. Er saß mit der Mutter vor der Thür, um die Kühlung zu genießen, denn es war ein heißer Tag gewesen, in der schon vorgerückten Jahreszeit. Alle nahten dem Alten, und Antonio nahm das Wort und sprach zu seinem Vater:

»Gibt es vielleicht, Sennor, in diesem Orte ein Haus, wo Pilger. beherbergt werden?«

»Diese Stadt,« entgegnete der Vater, »ist von Christen bewohnt, und deshalb jedes Haus eine Herberge für Pilger. Wäre dies nicht der Fall, so kann mein Haus, da es geräumig ist, leicht diese Pflicht für alle andern mit übernehmen. Ein geliebtes Wesen, das mir angehört, irrt in der Welt umher, und muß vielleicht Fremde um Erbarmen anflehen, um sein Haupt zu bergen.«

»Heißt dieser Ort,« fragte Antonio weiter, »nicht vielleicht Quintanar? und lebt nicht hier eine Familie, die den Namen Villasennor führt? Ich frage danach, weil ich einst in einem weit entlegenen Lande einen gewissen Villasennor gekannt habe, und wäre er hier, so würde es mir und meinen Gefährten nicht an einer Herberge fehlen.«

»Und wie hieß dieser Villasennor mit Vornamen, mein Sohn?« fragte die Mutter. »Er hieß Antonio,« antwortete Antonio, »und sein Vater hieß Diego, wenn ich mich recht erinnere.«

»Ach, Sennor!« rief die Mutter, indem sie aufstand, »dieser Antonio ist mein Sohn, und nun sind es beinah siebzehn Jahre, daß er fort ist. Möchte doch Gott meine Thränen, Seufzer und Gebete gnädig aufgenommen haben, und mir die Freude schenken, daß meine alten Augen ihn noch einmal sehen, ehe die Nacht des ewigen Schlafes sie bedeckt! Sagt mir doch,« fuhr sie fort, »ist es lange her, da Ihr ihn sahet und Euch von ihm trenntet? Ist er gesund? wird er in sein Vaterland zurückkehren? und denkt er noch an seine Eltern, die er jetzt wiedersehen könnte? Denn kein Feind verfolgt ihn mehr, und Alle sind seine Freunde geworden, die ihn damals aus seinem Vaterlande vertrieben.«

Der alte Vater Antonio's hörte diese Rede mit an, dann rief er laut nach seinen Dienern, denen er befahl, Lichter anzuzünden und für die willkommenen Gäste Alles im Hause zu bereiten. Darauf nahte er sich seinem unbekannten Sohne, schloß ihn fest in seine Arme und sprach:

»Um Euer selbst willen, Sennor, und hättet Ihr mir diese Botschaft auch nicht gebracht, würde ich Euch in meinem Hause aufnehmen; denn es ist meine Gewohnheit, alle Pilger, die hier durchkommen, zu bewirthen. Aber jetzt, da mir durch Euch so große Freude geworden, erweitert sich mein Herz; und um Euch zu dienen, würde ich mehr thun, als in meinen Kräften steht.

Die Diener hatten unterdessen Kerzen angezündet und führten die Pilger in einen großen Hof, der in der Mitte des Hauses lag; zwei schöne Jungfrauen kamen ihnen entgegen, sie waren Antonio's Schwestern, und erst nach seiner Abreise geboren. Diese, über Auristela's Schönheit erfreut, so wie über ihre liebliche Nichte und stattliche Schwägerin, begrüßten und küßten die fremden Frauen.

Als die Eltern die neuen Gäste in ihre Wohnung führen wollten, stürmte ein Haufen Volks in das Haus. Sie trugen einen Mann auf den Schultern, der in einem Armstuhl saß, und halbtodt zu sein schien; es war der Graf, Erbe und Bruder des Mannes, der einst Antonio's Feind gewesen. Das Geschrei der Menschen und der Schreck der alten Leute, die zugleich für ihre Gäste sorgen wollten, brachte Alle so in Verwirrung, daß sie nicht wußten, was sie zuerst thun, und wen sie nach der Ursache dieses Getümmels fragen sollten.

Antonio's Eltern eilten aber doch zuerst zu dem Grafen, der durch einen Schuß im Rücken verwundet war. Zwei Compagnien Soldaten, die im Orte lagen, waren nämlich mit den Einwohnern in Streit gerathen. Der Graf war bei dieser Gelegenheit verwundet worden, und hatte seinen Leuten befohlen, ihn in das Haus seines Freundes Diego Villasennor zu tragen. So kamen sie gerade in dem Augenblicke, als dieser seinen Sohn mit Frau und Kindern nebst Periander und Auristela in seinem Hause aufnahm.

Auristela faßte Antonio's Schwestern bei der Hand und bat sie, sich mit ihr aus dem Tumult zu entfernen, und sie in ein entlegenes Zimmer zu führen. Die Mädchen erfüllten ihre Bitte, immer noch verwundert über ihre unvergleichliche Schönheit. Constanza, der das verwandte Blut in den Adern wallte, konnte und wollte sich nicht von ihren Basen trennen, die in gleichem Alter mit ihr waren, und fast eben so schön. So erging es auch dem jungen Antonio, welcher, der Achtung und guten Lebensart, so wie der Pflichten der Gastfreundschaft vergessend, es wagte, eine seiner Basen zu umarmen. Ein Diener des Hauses, der es sah, rief ihm zu:

»Der Herr Pilger möge so gut sein, sich ruhig zu verhalten und die Hände weg thun; denn unser Gebieter ist nicht ein Mann, der mit sich spaßen läßt, und wird ihn zur Ruhe verweisen, trotz seiner unverschämten Dreistigkeit.«

»Bei Gott! mein Freund,« antwortete Antonio, »was ich gethan habe, ist noch nichts gegen Das, was ich zu thun denke, wenn der Himmel mir gnädig ist; denn ich widme diesen Damen und den Bewohnern dieses Hauses alle meine Dienste.«

Der verwundete Graf war zu Bette gebracht worden, und zwei Chirurgen wurden geholt, die seine Wunde untersuchten und ihm den ersten Verband anlegten. Sie erklärten seinen Zustand für lebensgefährlich, und sagten, keine menschliche Kunst könne ihn retten.

Der ganze Ort hatte die Waffen gegen die Soldaten ergriffen, die in geordneter Schaar auf das Feld hinausgezogen waren, und es erwarteten, ob die Einwohner sie angreifen würden, um sich zur Wehr zu setzen. Das Zureden der verständigen Hauptleute vermochte nichts über sie; eben so wenig fruchteten die christlichen Ermahnungen der Priester und Mönche bei den Bürgern. Der Zwist war, wie es oft geschieht, aus unbedeutenden Veranlassungen entstanden und immer mehr gewachsen. So erheben sich die Wogen des Meeres, die erst nur ein leiser Hauch bewegte, bis der Nordwind mit dem sanften Westwind kämpfend einen schrecklichen Orkan erregt und das Meer gegen die Wolken erhebt. Aus Vorsicht ordneten die Hauptleute es an, daß die Truppen diese Gegend ganz verlassen sollten, und die Bürger mußten sich beruhigen, trotz der Wuth und Erbitterung, die sie gegen die Soldaten hatten.

Endlich, nachdem Antonio seine Eltern vorsichtig und nach und nach darauf vorbereitet hatte, gab er sich ihnen zu erkennen, und stellte ihnen Schwiegertochter und Enkel vor, deren Anblick Thränen der Freude aus den Augen der Alten lockte. Auristela's und Perianders Schönheit machte sie staunen, indem sie sie mit Entzücken betrachteten.

Die große, unverhoffte Freude, das Wiederfinden des geliebten Sohnes, wurde den Eltern durch das Unglück des Grafen verbittert und fast zerstört, mit dem es von Stunde zu Stunde schlechter ging. Demungeachtet stellte der Alte ihm seine Kinder vor, und bot ihm von Neuem sein Haus, und Alles was sein war an, um es zu seiner Bequemlichkeit zu benutzen; denn obgleich der Graf sich nach seinem Hause wollte tragen lassen, gestattete dies doch sein Zustand nicht, und es war wenig Hoffnung für sein Leben. Auristela und Constanza, von natürlichem Mitleiden gerührt, wichen nicht von dem Lager des Grafen, und waren mit christlicher Liebe und möglichster Sorgfalt seine Pflegerinnen, gegen den Willen der Ärzte, welche verlangten, er solle allein bleiben, oder wenigstens keine Frauen um sich haben.

Die Vorsehung, die nach geheimen, uns verborgenen Gesetzen die irdischen Dinge leitet, wollte es, daß der Graf sein Ziel erreichte. Einen Tag vor seinem Tode, überzeugt, daß seine letzte Stunde nahe, ließ er Diego de Villasennor rufen, und da Beide allein waren, sprach er folgendermaßen zu ihm:

»Ich hatte mein Haus in der Absicht verlassen, in diesem Jahre nach Rom zu gehen; da der Papst die Schätze der Kirche öffnet, um sie uns auszuspenden, als wäre es ein Jubeljahr, und die Gnaden, die wir gewinnen können, sind unendlich. Ich reiste ohne Aufwand, mehr wie ein Pilger als wie ein Vornehmer. So kam ich in diesen Ort, wo ich, wie Ihr wißt, Sennor, die Bürger und die Soldaten, welche hier im Quartier lagen, im Kampfe fand; ich mischte mich unter sie, um Frieden zu stiften, und weil ich Andern das Leben retten wollte, muß ich nun selbst sterben; denn diese Wunde, die mir, ich kann es wol sagen, verrätherischer Weise beigebracht ist, gibt mir den Tod. Ich weiß nicht, wer mich verwundet hat, da ein Kampf des Pöbels immer die höchste Verwirrung ist. Mein Tod macht mir weniger Unruhe als die Folgen desselben, wenn Andere vielleicht aus Gerechtigkeitsliebe oder Rachsucht den Thäter bestrafen wollen. Deshalb, um Alles zu thun, was bei mir steht und was mir möglich ist, erkläre ich als Christ und als Ritter, daß ich meinem Mörder verzeihe, und allen Denen, die an meinem Tode schuld sein mögen. Ebenfalls ist es mein Wille, mich für die Wohlthaten dankbar zu bezeigen, die ich in Eurem Hause genossen habe, und die Beweise meiner Dankbarkeit sollen nicht die gewöhnlichen sein, sondern so bedeutend, wie sie in meinen Kräften stehen. In diesen beiden Koffern, die meine Kleider enthalten, werdet Ihr nebst diesen, zwanzigtausend Dukaten finden, theils in Gold, theils in Juwelen, die nicht vielen Raum einnehmen. Wäre aber auch dieser geringe Reichthum so viel als Potosi in sich faßt, würde ich es jedenfalls nur so anwenden, wie ich mir vorgesetzt. Nehmt es, Freund, so lange Ihr lebt, für Euch, und gebt es alsdann oder jetzt gleich der Donna Constanza, Eurer Enkelin, als Mitgift schenke ich es ihr, auch einen Gemahl soll sie von meiner Hand empfangen; und obwol sie bald Witwe sein wird, so ist sie doch alsdann eine geehrte Witwe, und bleibt zugleich eine unbescholtene Jungfrau. Ruft sie her, und ebenfalls einen Priester, der sie mir antraut; denn ihr hoher Sinn, ihre Frömmigkeit und Schönheit machen, daß sie es verdiente, Königin der ganzen Welt zu sein. Wundert Euch nicht, Sennor, über Das, was ich Euch sage, denn es ist nichts Unerhörtes, daß ein Grande sich mit der Tochter eines Edelmannes verheirathe, wenn sie alle Tugenden besitzt, die sie dieser Ehre würdig machen können. Es ist der Wille des Himmels und mein Herz treibt mich dazu. Da Ihr Ein verständiger Mann seid, so wendet nichts dagegen ein, sondern geht sogleich, ohne mir Etwas zu erwiedern, und holt den Priester und einen Rechtsgelehrten, der den Contract verfassen soll, damit ihr Niemand mein Vermögen und den Namen meiner Gemahlin streitig machen könne, und keine üble Nachrede sie treffe«

Villasennor war ganz erschrocken über diese Reden und fest überzeugt, der Graf habe den Verstand verloren, und werde bald den Geist aufgeben; denn in den letzten Augenblicken spricht der Mensch mit großer Weisheit oder unternimmt große Thorheiten. Er antwortete ihm deshalb:

»Ich hoffe zu Gott, Sennor, daß er Euch das Leben erhalten wird, und dann könnt Ihr mit helleren Augen und ohne daß der Schmerz Euren Sinn betäube, sehen und erwägen, welche Reichthümer Ihr weggebe, und welche Gemahlin Ihr wählt. Meine Enkelin ist nicht Eures Gleichen, oder wenigstens nicht Eurer Würde so nah, daß sie Ansprüche darauf machen kann, Eure Gemahlin zu heißen. Und ich bin nicht so geldgierig, daß ich diese Ehre, die Ihr mit erzeigt, mit der übeln Nachrede der Menge erkaufen möchte, die fast immer das Schlechteste denkt. Es ist mir, als hörte ich es schon, wie sie mir nachsagen, ich hätte Euch in meinem Hause behalten und Eure Krankheit benutzt, um Euch aus Habsucht zu diesem Schritte zu bereden.«

»Laßt sie reden was sie wollen,« erwiederte der Graf; »denn da die Menge nie das Rechte trifft, so wird sie auch Euch falsch beurtheilen.«

»Nun wohl,« sagte Villasennor, »ich will nicht so thöricht sein, dem Glücke nicht aufzumachen, wenn es an meine Thüre klopft.«

Er verließ das Krankenzimmer und eröffnete seiner Frau, Kindern und Enkeln, so wie Periander und Auristela, was ihm der Graf angetragen. Alle waren der Meinung, er solle, ohne einen Augenblick zu verlieren, die Gelegenheit ergreifen und den Vertrag sogleich in Ordnung bringen.

Die Anstalten wurden gemacht, und in weniger als zwei Stunden war Constanza mit dem Grafen vermählt, Gold und Juwelen in ihren Händen und alle gerichtlichen Versicherungen, welche nöthig waren, fertig. Nicht Musik ertönte auf dieser Hochzeit, sondern Seufzer und Klagen, denn das Leben des Grafen war dem Ende nahe. Den Tag nach der Vermählung starb er, mit den heiligen Sacramenten versehen, in den Armen seiner Gemahlin, der Gräfin Constanza. Diese bedeckte ihr Gesicht mit einem schwarzen Schleier, fiel auf die Knie, erhob die Hände zum Himmel und sprach:

»Ich thue ein Gelübde –«

Kaum aber hatte sie Dies gesagt, so fiel Auristela ihr ins Wort und fragte:

»Welch ein Gelübde wollt Ihr thun, Sennora?«

»Ins Kloster zu gehen,« erwiederte Jene.

»Thut es, aber gelobt es nicht,« rieth Auristela; »denn der Vorsatz, Gott zu dienen, muß nicht ein übereilter sein, noch müssen Zufälle ihn hervorbringen. Der Tod Eures Gatten veranlaßt Euch vielleicht, jetzt Etwas zu geloben, was Ihr nicht erfüllen könnt oder wollt. Laßt Gott und Eurer eignen Freiheit Euer Schicksal bestimmen; denn Eure Klugheit sowol, als der Rath Eurer Eltern und Verwandten, wird Euch zu Dem leiten, was für Euch das Beste ist. Laßt uns jetzt Anstalten machen zur Beerdigung Eures Gatten, und vertraut auf Gott, der Euch so unverhofft zur Gräfin erhob, er wird Euch in eine Lage versetzen, die Euch Glück und Ehre bringen wird von längerer Dauer als diese Vermählung.«

Die Gräfin fügte sich diesem Rathe, und indem Alles zur Beerdigung vorbereitet wurde, kam ein jüngerer Bruder des Grafen an, der die Trauerbotschaft schon in Salamanca vernommen hatte, wo er studirte. Er beweinte den Tod seines Bruders, aber die Freude über die große Erbschaft trocknete bald seine Thränen. Als er erfuhr, was vorgefallen war, umarmte er seine Schwägerin, ohne gegen den letzten Willen seines Bruders Etwas einzuwenden.

Die Leiche wurde beigesetzt, und sollte später in das Erbbegräbniß gebracht werden. Der junge Graf ging an den Hof, um Gerechtigkeit gegen die Mörder seines Bruders zu suchen. Der Proceß wurde geführt, den Hauptleuten der Kopf abgeschlagen und mehrere der Einwohner bestraft. Constanza behielt den Namen und die Mitgift einer Gräfin.

Periander machte nun Anstalten, seine Reise fortzusetzen; Antonio der Vater und Ricla seine Frau erklärten aber, sie wollten nicht weiter mitgehen und seien des Wanderns überdrüssig. Der junge Antonio und die neue Gräfin waren nicht ihrer Meinung und wünschten Auristela und Periander zu begleiten.

Der alte Diego hatte das Gemälde noch nicht gesehen, worauf Perianders Geschichte abgebildet war, und der junge Antonio erklärte es eines Tages dem Großvater, bemerkte aber dabei, daß jene Begebenheiten nicht dargestellt wären, welche Auristela auf die Insel der Barbaren geführt hätten, wo sie und Periander nicht zuerst in entgegengesetzter Tracht standen, sie als Mann und er als Frau gekleidet, in wunderlicher Verwandlung. Auristela sagte, sie könne diesen Umstand mit wenigen Worten erzählen:

›Als die Piraten sie mit Clelia und den beiden Fischerinnen an der Küste von Dänemark geraubt, seien sie auf eine wüste Insel gefahren, um den Raub zu theilen.‹ »Da sie nun. bei der Theilung nicht einig werden konnten,« fuhr sie fort, »so begnügte sich der Vornehmste unter ihnen damit, daß er mich allein bekam, ja, er zahlte den Anderen noch Etwas, um die Theilung ins Gleiche zu bringen. So gerieth ich ganz allein in seine Gewalt, ohne eine menschliche Seele zu meinem Troste bei mir zu haben; denn Gesellschaft ist die größte Erleichterung des Elends. Mein Herr ließ mir männliche Kleidung geben, weil er so eifersüchtig war, daß er mich selbst vor Luft und Licht verbergen wollte.

Lange zog ich in verschiedenen Gegenden mit ihm umher, und leistete ihm alle Dienste, welche die Ehrbarkeit gestattet. Endlich kamen wir eines Tages auf die Insel der Barbaren, wo wir plötzlich von den Wilden umringt wurden. Er verlor das Leben im Kampfe, und ich wurde in das Gefängniß gebracht, wo ich meine geliebte Clelia wiederfand, die durch andere, nicht minder unglückliche Vorfälle auch hieher gerathen war. Sie erzählte mir von der Lebensweise der Barbaren, ihrem unvernünftigen Aberglauben und ihrer aberwitzigen Prophezeihung; entdeckte mir auch, sie habe Spuren, daß Periander ebenfalls in dieser Grube gewesen sei; sie hatte aber nicht mit ihm reden können, so eilig waren die Barbaren gewesen, ihn heraufzuziehen, um ihn zu opfern.

Ich wünschte nichts mehr, als meinem Bruder nachfolgen zu können, um mich zu überzeugen, was mit ihm geschehen sei. Da ich als Mann gekleidet war, ließ ich mich nicht durch Clelia's Bitten zurückhalten, und erreichte meine Absicht, indem ich mich selbst den Barbaren als Opfer anbot; denn ich wollte lieber mein Leben auf einmal verlieren, als den Tod tausendmal erleiden, indem ich in beständiger Furcht davor erbebte. Und mehr habe ich nicht zu sagen; denn was mir später begegnet ist, wißt ihr Alle.«

Der alte Villasennor wünschte, diese Begebenheiten möchten auf dem Bilde noch hinzugefügt werden; alle Andere waren aber nicht seiner Meinung, und hielten es für angemessener, das schon Gemalte auszulöschen; denn so merkwürdige, nie vorher gesehene Dinge sollten nicht auf einer elenden Leinwand aufbewahrt, sondern in Tafeln von Erz eingegraben werden und ewig im Angedenken der Menschen leben. Villasennor wünschte bei alle dem das Gemälde zu behalten, schon um die sehr gut gelungenen Bildnisse seiner Enkel, sowie die unvergleichliche Schönheit Auristela's und Perianders oft zu bewundern.

Einige Tage blieben die Pilger noch an dem Orte, und bereiteten Alles vor für die Reise nach Rom, denn ihre Sehnsucht wuchs immer mehr, ihr Gelübde erfüllt zu sehen. Antonio der Vater begleitete sie nicht weiter; der junge Antonio wollte aber nicht zurückbleiben, und die neue Gräfin eben so wenig; denn aus Liebe zu Auristela wäre sie nicht nur nach Rom, sondern auch in die andere Welt mitgegangen, wenn es möglich wäre, in Gesellschaft dorthin zu reisen.

Der Tag der Abreise war gekommen und kostete Allen viele heiße Thränen und schmerzliche Seufzer, vorzüglich Ricla, die, als sie sich von ihren Kindern trennte, meinte, ihre Seele würde sie verlassen. Sie gab ihnen ihren Segen, und der Großvater segnete Alle; denn der Segen eines Greises hat große Kraft und schützt vor Gefahren.

Ein Diener des Hauses begleitete sie, um ihnen unterwegs behülflich zu sein. So ließen sie denn die Eltern und das ruhige Leben dahinten, und setzten halb fröhlich und halb betrübt ihre Reise fort.

 


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