Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Capitel.

Auristela's Krankheit, [die] durch die Hexerei der Jüdin, der Frau des Zabulon, entstanden war.


Die Krankheit wagte es nicht, Auristela Stirn an Stirn anzugreifen, da sie fürchtete, eine solche Schönheit möchte ihre Häßlichkeit beschämen; deshalb fiel sie sie unsichtbar an, und schüttelte sie den Morgen mit einem solchen Fieberfroste, der es ihr unmöglich machte, das Bett zu verlassen; dann nahm sie ihr die Lust Etwas zu essen. Der Glanz ihrer Augen trübte sich, und eine Mattigkeit beschlich ihre Glieder, die sich sonst nach längerem Krankenlager einzustellen pflegt.

Constanza war fast eben so leidend, und Periander muthlos, der aus Angst in die tiefste Betrübniß verfiel, und sogleich das Schlimmste fürchtete, eine Eigenschaft Derer, die viel Unglück erlebt haben.

Auristela war noch nicht zwei Stunden krank, und schon schienen den Freunden die Rosen ihrer Wangen verwelkt, die rubinrothen Lippen erblaßt und die Perlen der Zähne in Topase verwandelt. Selbst die Farbe der Haare kam ihnen verändert vor, die Hände magerer und die Züge des Angesichts eingefallen, welches demungeachtet Periander nicht weniger schön erschien ; denn er sah ihre Schönheit nicht, wie sie im Krankenbette vor ihm lag, sondern in seiner Seele, wo sie abgebildet lebte.

Schon nach zwei Tagen war Auristela's Stimme kaum hörbar, und die Worte erklangen schwach auf den bebenden Lippen. Auch die französischen Damen waren äußerst bestürzt, und die Sorge wirkte nachtheilig auf die Gesundheit aller Derer, die die Leidende umgaben. Es wurden Ärzte herbeigerufen, und zwar die besten, man wählte nämlich die berühmtesten, weil ein weitverbreiteter Ruf stets die Kunst des Arztes bewährt. Es gibt glückliche Ärzte, so gut wie glückliche Soldaten. Glücklicher Zufall und gutes Glück, welches Beides Eins ist, kann ebensowol in einem groben Sack, wie in einem silbernen Schrein vor die Thür des Elenden getragen werden; aber zu Auristela kam es nicht, weder in Sackleinwand noch in Silber, und die Geschwister Constanza und Antonie waren deshalb in Verzweiflung.

Anders wirkte dies Leiden auf den Herzog; da nur Auristela's Schönheit seinem Herzen die Liebe eingeflößt harte, so nahm diese immer mehr ab, je mehr die Schönheit der Geliebten schwand. Wahrlich, die Liebe muß tiefe Wurzel in der Seele gefaßt haben, wenn sie ausdauern soll bis an den Rand des Grabes. Scheußlich ist das Bild des Todes, und nichts sieht ihm ähnlicher als die Krankheit; etwas Häßliches zu lieben scheint aber unnatürlich, und grenzt an das Wunder.

Kurz, Auristela wurde schwächer und schwächer, und benahm allen Freunden die Hoffnung auf ihr Leben. Periander war der Einzige, der fest, standhaft und unerschüttert blieb; der Einzige, der mit liebevoller, unerschrockner Seele dem feindlichen Schicksal und dem Tode entgegen kämpfte, der ihn selbst in Auristela's Leben bedrohte.

Vierzehn Tage wartete der Herzog von Nemours es ab, ob Auristela genesen würde, und befragte täglich die Ärzte über ihren Zustand; diese konnten ihm aber keine genügende Auskunft geben; denn der Grund der Krankheit war ihnen selbst verborgen. Da die französischen Damen das Benehmen des Herzogs bemerkten, sank er sehr in ihrer Meinung; und er, der seinen Engel des Lichts von Finsterniß umhüllt sah, ersann einen Vorwand, der ihn zum Theil, wenn auch nicht völlig entschuldigte, und besuchte eines Tages Auristela an ihrem Krankenbette, wo er ihr in Gegenwart Perianders sagte:

»Da das Schicksal mir feindlich gewesen ist, schöne Fremde, und meinen Wunsch, Dich als meine Gemahlin heim zu führen, nicht erfüllen will, so gedenke ich auf anderm Wege mein Glück zu versuchen, damit die Verzweiflung mich nicht so weit bringe, die Seele zu verlieren, da sie mich schon dazu verleitet hat, mein Leben zu wagen. Ich bin überzeugt, daß mir das Geschick stets feindlich sein wird, und mich, trotz aller Vorsicht, das Unglück ereilen muß. Deshalb will ich als ein Unglücklicher, aber nicht als ein Verzweifelter sterben. Meine Mutter begehrt, daß ich heimkehren soll, sie hat mir eine Gemahlin erwählt; ich will ihr gehorchen, gedenke aber die Reise so zu verlängern, daß der Tod Zeit findet, mich zu ereilen; denn die Erinnerung an Deine Schönheit, so wie an Deine Krankheit, wird nur er in meiner Seele verlöschen können, und gebe Gott, daß ich nicht hinzufügen muß, den Schmerz über Dein Verscheiden.«

Seine Augen zeigten nach dieser Rede einige rinnende Thränen. Auristela konnte oder wollte ihm nicht antworten, um nichts zu sagen, was Periander mißfallen könnte. Das Einzige, was sie that, war, daß sie das Bildniß unter ihrem Kopfkissen hervorzog, und es dem Herzog zurückgab, der für diese Gunst ihre Hand küßte; Periander streckte aber die seinige nach dem Bilde aus, und sprach:

»Wenn Ihr, edler Herzog, mir nicht zürnen wollt, so möchte ich Euch ersuchen, um alles Dessen willen, was Euch theuer ist, mir das Bild noch zu lassen; damit ich ein gegebenes Wort erfüllen könne, das Euch nicht zum Nachtheil gereichen wird, mich aber beschimpft, wenn ich es breche.«

Der Herzog gab das Bild zurück und betheuerte, er wolle Vermögen, Ehre und Leben, ja, wenn es ihm möglich wäre, noch mehr dafür wagen. So schied er von den Geschwistern, mit dem Vorsatz, sie, so lange er noch in Rom verweilte, nicht wieder zu sehen. Er war ein vorsichtiger Liebhaber, und vielleicht der Erste, welcher die Gelegenheit auf diese Weise zu benutzen verstand.

Alle diese Vorfälle erweckten ernste Betrachtungen in Arnaldo's Brust. Er sah, wie seine Hoffnungen dahin schwanden, und das Gebäude, das seine Bemühungen und langen Wallfahrten aufgerichtet hatten, dem Einsturz nahe war; denn der Tod trat schon auf den Saum von Auristela's Gewand. Beinah hätte der Prinz den Entschluß gefaßt, den Herzog zu begleiten und nach Dänemark zurückzukehren; aber seine großmüthige Seele kämpfte gegen einen solchen Gedanken und gestattete ihm nicht, Periander ohne Trost, und seine Schwester Auristela am Rande des Grabes zu verlassen. Er besuchte sie häufig mit unveränderter Freundschaft und beschloß, abzuwarten, ob die Zeit nicht seinem Geschick eine günstigere Wendung geben würde, trotz der Zweifel, die oft in seiner Seele aufstiegen.

 


 << zurück weiter >>