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Siebentes Capitel.

Der Pole erzählt seine Geschichte zu Ende.


Aufmerksam hörten die Pilger dem Reisenden zu, und hätten gern erfahren, welchen Schmerz er im Herzen hatte; denn daß er Schmerzen am Körper habe, konnten sie sich denken. Periander sprach deshalb:

»Erzählt was Ihr wollt und so umständlich Ihr mögt, denn die Ausführlichkeit ist oft die Würze einer Geschichte. Setzt man doch bei einem Gastmahl neben einen gut gebratenen Fasan eine Schüssel mit grünem, frischem, wohlschmeckendem Salat. Die Eigenthümlichkeit des Vortrags ist die Zierde jeder Erzählung; deshalb bitten wir Euch, in Eurer Geschichte fortzufahren und uns noch Etwas von Alonso und Martina mitzutheilen. Ihr mögt nun Luisa prügeln lassen, sie verheirathen oder nicht verheirathen; mag sie ungebunden und leichtfertig sein wie ein wilder Falke; denn uns kommt es nicht darauf an, ob sie ausschweifend war, sondern was ihr begegnet ist, das ist der Hauptpunkt, wie meine Philosophie es mir verkündigt.«

»Dann versichre ich euch, meine Herrn,« fuhr der Pole fort, »daß ich diese Erlaubniß benutzen, und nichts verschweigen werde, was ich nicht eurem Verständniß zur Prüfung übergebe.

So verständig als ich nur damals irgend war, welches nicht viel sein mochte, sann ich die ganze Nacht hin und her, und dachte unaufhörlich nach über die Anmuth, Leichtigkeit und Munterkeit dieser herrlichen, ich weiß nicht, soll ich sie Nachbarin nennen, oder Freundin meiner Wirthin. Ich machte tausend Entwürfe, baute tausend Luftschlösser, verheirathete mich, hatte Kinder und schlug Jedem ein Schnippchen, der Etwas daran auszusetzen fand. Endlich entschloß ich mich, kurz und gut meine Reise aufzugeben, in Talavera zu bleiben und die Göttin Venus zu heirathen; denn das Mädchen schien mir nicht weniger schön, wurde sie auch von dem Aufwärter im Gasthof mit Füßen getreten.

Die Nacht verging, und als ich den andern Morgen meiner Leidenschaft an den Puls fühlte, fand ich sie in einem solchen Zustande, daß ich überzeugt war, wenn ich mich nicht bald mit der Bäurin verheirathe, würde es mir mein Leben kosten, das sich in ihre Augen versenkt hatte. Ich war entschlossen, alle Hindernisse zu überwinden, und sogleich bei dem Vater um sie anzuhalten. Ich zeigte ihm meine Perlen, erzählte ihm von meinem Reichthum und sagte ihm Wunderdinge von meiner Betriebsamkeit und meinem Geschick, mein Besitzthum nicht allein zu bewahren, sondern auch zu vermehren. Durch meine Worte und die prächtige Schaustellung meiner Schätze machte ich ihn geschmeidig wie einen Handschuh, und er willigte in Alles, vorzüglich da er sah, daß es mir auf eine Mitgift nicht ankam, und er war zufrieden und vergnügt, als ich sagte, die Schönheit seiner Tochter sei für mich die reichste Ausstattung.

So war nun Alonso der verschmähte Liebhaber und Luisa eine mißvergnügte Gemahlin, wie aus Dem erhellt, was sich nach vierzehn Tagen, zu meinem großen Leidwesen und ihrer Schande zutrug. Meine Gemahlin eignete sich nämlich einiges von meinem Gelde und meinen Edelsteinen zu, und machte sich mit Alonso's Hülfe, der ihrem Entschluß wie ihren Füßen Flügel gegeben hatte, davon; ich aber blieb verspottet und reuevoll zurück, und in der ganzen Stadt Talavera wurde noch lange bei allen Zusammenkünften von nichts gesprochen, als von Luisa's Flatterhaftigkeit und Schelmerei.

Die Beleidigung spornte mich zur Rache, ich wußte aber nicht, an wem ich sie nehmen sollte, als an mir selbst, und hatte schon oft den Strick in der Hand, um mich aufzuhängen. Aber das Schicksal, das mich vielleicht aufgespart hat, um mir das Unrecht zu vergüten, was es mir gethan, richtete es so ein, daß meine Feinde in Madrid ins Gefängniß gebracht wurden. Man hat mich benachrichtigt, daß ich kommen möge, um sie zur Verantwortung zu ziehen.

So reise ich denn nun hin, fest entschlossen, mit ihrem Blute meine Ehre wieder rein zu waschen, und mit ihrem Leben auch von meinen Schultern die schwere Last ihrer Treulosigkeit abzuwerfen, die mich zu Boden drückt. Ja, so wahr Gott lebt, sie sollen sterben! So wahr Gott lebt, ich will mich rächen! und die Welt soll sehen, daß ich keine Beschimpfung ertrage; am wenigsten eine solche, die bis ins Mark der Seele dringt. Ich fliege nach Madrid, schon fühle ich meinen Sturz nicht mehr, und kann gleich zu Pferde steigen. Und bin ich dort, so hüte sich Jeder vor mir, ja, die Fliegen will ich umbringen, wenn sie mir in die Ohren summen. Nichts soll mich erweichen. Weder die Bitten der Priester, noch die Thränen der andächtigen Weiber, nicht Verheißungen der Mitleidigen, noch Geschenke der Reichen. Ja, selbst die Befehle und Drohungen der Gewalthaber achte ich nicht, noch die ganze Schaar, die bei solchen Vorfällen sich ins Mittel schlägt; denn meine Ehre soll über der Nichtswürdigkeit der Verräther schwimmen, wie das Öl über dem Wasser.«

Kaum hatte er seine Rede geendigt, so sprang er vom Boden auf und wollte sogleich fort. Periander hielt ihn aber am Arme fest und sprach:

»Von Zorn verblendet bemerkt Ihr nicht, Sennor, daß Ihr auf dem Wege seid, Eure Schande auszubreiten. Bis jetzt waret Ihr nur bei Denen, die Euch in Talavera kannten, verunehrt, und diese sind nur Wenige. Jetzt aber wollt Ihr Eure Kränkung allen Denen bekannt machen, die Euch in Madrid sehen werden. Ihr gleicht jenem Bauer, der den Winter hindurch eine Viper, an seinem Busen ernährte. Der Himmel war ihm so gnädig, als der Frühling kam, und sie ihm verderblich werden konnte, daß er sie nicht mehr fühlte, denn sie war entschlüpft. Er aber, statt dem Himmel für seinen besondern Schutz zu danken, wollte gehen und sie suchen, um ihr wieder einen Platz in seinem Hause und an seinem Herzen zu geben. Er bedachte nicht, daß die größte Klugheit des Menschen darin besteht, Das nicht aufzusuchen, was ihm schädlich werden kann, wenn er es findet. Darum sagt das Sprichwort: Dem fliehenden Feinde baue eine silberne Brücke, und: Des Menschen größter Feind ist sein eignes Weib. Dies kann aber nur bei Völkern gelten, die keine Christen sind, und bei denen die Ehe nichts ist als ein Vertrag und eine Übereinkunft, wie die Miethe eines Hauses oder die Pachtung eines Ackers. Aber in der katholischen Kirche ist die Ehe ein Sacrament und nur der Tod kann sie lösen, oder Hindernisse, die schlimmer sind als der Tod, und auch diese können nur das Beisammensein der Verehelichten trennen, aber von dem Gelübde nicht entbinden, durch das sie vereinigt sind.

Was kann es Euch helfen, wenn die Gerechtigkeit Euch Eure Feinde zeigt, gefesselt und gedemüthigt, als ein öffentliches Schauspiel; wenn Ihr das Beil blinken seht auf dem Schaffot, und nach ihren Kehlen zielen? Wird dann ihr Blut, wie Ihr meint, Eure Ehre rein waschen? Was kann es Euch anders nützen, als daß Eure Schande allgemein bekannt wird? Denn die Rache kann wol strafen, aber die Schuld nicht tilgen; und die Beleidigungen, welche wir in diesem Verhältniß leiden, bleiben, wenn der freie Wille sie nicht wieder gut macht, immer unversöhnt und leben im Angedenken der Menschen, so lange die Kränkung lebt. Geht in Euch, gebt der Barmherzigkeit Raum und begehrt nicht die Gerechtigkeit. Ich rathe Euch deshalb nicht, Eurer Frau so gänzlich zu verzeihen, daß Ihr sie wieder zu Euch nehmt; dazu kann kein Gesetz Euch verbinden. Mein Rath ist nur, daß Ihr Euch nicht mehr um sie kümmert, denn dies ist die größte Strafe, die ihr werden kann. Lebt entfernt von ihr, und Ihr werdet leben, was Ihr nicht könnt, wenn Ihr Euch wieder mit Ihr vereinigt, weil Euer Leben alsdann ein beständiger Tod sein würde. Der Gebrauch der Verstoßung war sehr üblich bei den Römern. Und obwol es christlicher ist, der Frau vergeben, sie wieder zu sich nehmen, sie erdulden und bessern, so muß man zu diesem Verfahren doch erst seine Geduld ermessen, und, mit der größten Klugheit handeln, worauf sehr Wenige in diesem Leben sich verlassen können, vorzüglich wenn Geduld und Klugheit auf so harte Proben gestellt werden. Endlich und zuletzt bitte ich Euch noch, zu bedenken, daß Ihr, indem Ihr den Beiden das Leben nehmen wollt, im Begriff seid, eine Todsünde zu begehen, die wir ja um alle Ehre, die die Welt uns geben kann, nie verüben sollen.«

Sehr aufmerksam war der ergrimmte Pole bei Perianders Rede, er betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen und sprach endlich:

»Herr, Du hast gesprochen, wie sich von Deiner Jugend nicht erwarten ließ. Dein Verstand geht Deinen Jahren voraus, und die Reife Deines Geistes überrascht bei so jugendlicher Blüthe. Ein Engel legte Dir die Worte in den Mund, die meinen harten Sinn gemildert haben. Ich bin nun entschlossen, nach meiner Heimath zu reisen, und dem Himmel für die Gnade zu danken, die er mir erzeigt hat. Helft mir auf; denn wenn der Zorn mir die Kräfte wiedergab, so wäre es nicht gut, wenn eine aus Überlegung entsprungene Milde sie mir nehmen sollte.«

»Wir Alle wollen Dir helfen,« sprach Antonio, der Vater.

Sie setzten ihn nun auf sein großes Pferd, nachdem er Alle zärtlich umarmt hatte, und er sagte, er wolle erst nach Talavera zurückkehren, um sein Vermögen in Sicherheit zu bringen, und von Lissabon zur See in sein Vaterland zurück schiffen. Er nannte ihnen noch seinen Namen, Ortel Banedre, auf spanisch Martin Banedre, und indem er sich noch einmal ihrem Andenken empfahl, wendete er sich wieder nach Talavera, und die Zurückbleibenden staunten noch über seine seltsamen Begebenheiten und die Anmuth, mit der er sie vorgetragen.

Die Nacht blieben die Pilger auf der kleinen Wiese, und nach zwei Tagen erreichten sie, in Begleitung der Alten, Toledo; sie erblickten den gepriesenen Tajo, berühmt durch seinen goldenen Sand und seine krystallenen Gewässer.

 


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