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Erzählt, was den Pilgern an einem Orte begegnete, der von Morisken bewohnt war.
Des folgenden Tages dankten die Reisenden ihrem Wirthe für die freundliche Aufnahme und begaben sich wieder auf den Weg. Vor der Stadt begegneten ihnen die vorgeblichen Sklaven, die ihnen erzählten: in Allem, was Algier betreffe, habe der Alcalde sie so gut unterrichtet, daß sie nun auf keiner Lüge mehr ertappt werden könnten.
»Ich habe immer behauptet,« fuhr Der, welcher am meisten sprach, fort, »daß oft mit Genehmigung und Erlaubniß der Justiz gestohlen wird. Ich will damit sagen, daß die schlechten Diener der Gerechtigkeit nicht selten mit dem Übelthäter unter einer Decke stecken, und so Jeder sein Fortkommen findet.«
Als sie an eine Stelle kamen, wo der Weg sich theilte, wählten die Sklaven den, der nach Carthagena, und die Pilger den, der nach Valencia führte.
Da am andern Morgen Aurora auf dem Altan des Ostens erschien, die Sterne vom Himmel trieb und den Weg bereitete, auf dem der Sonnenwagen seine tägliche Fahrt beginnen sollte, die Sonne dann klar und erheiternd aufstieg, und die Wolken mit bunten Farben säumte, so daß es nichts gab, was das Auge mehr ergötzen konnte, sprach mit bäuerischem Scharfsinn Bartholomeo, denn so glaube ich hieß der Führer des Lastthieres:
»Der Priester muß doch Recht haben, der neulich in unserm Orte predigte, wie er sprach, daß Himmel und Erde die Herrlichkeit des Herrn verkündigen. Mein Seel! wenn ich den lieben Gott nicht schon kennte aus Dem, was mich meine Eltern und die Priester und alten Leute in unserm Ort gelehrt haben, so würde ich anfangen, ihn zu erkennen und zu begreifen, indem ich die unendliche Größe dieser Himmel ansehe, die, wie ich mir habe sagen lassen, viele sind, oder wenigstens eilf; und die Herrlichkeit dieser Sonne, die uns erleuchtet, und obgleich sie nicht größer aussieht als ein kleiner Schild, doch weit größer ist als die ganze Erde; und doch sagen sie, daß sie, trotz ihrer Größe so geschwind laufen kann, daß sie in vierundzwanzig Stunden mehr als dreimalhunderttausend Meilen macht. Mag es wahr sein, wenn es will; ich glaube von dem Allen nichts; aber es sagen's so viele ehrbare Leute, daß ich es doch glauben muß, so sauer es mir auch wird. Worüber ich mich aber am allermeisten wundern muß, ist, daß es unter unsern Füßen andere Menschen geben soll, die sie Antipoden nennen, auf deren Köpfe wir die Füße setzen, wenn wir hier herumgehen. Das scheint mir aber doch unmöglich, denn so schwer wie wir sind, müßten sie ja eiserne Köpfe haben.«
Periander lachte über die bäuerische Astronomie des Burschen und sprach:
»Ich wollte, ich könnte verständliche Worte finden, Bartholomeo, um Deinen Irrthum aufzuklären und Dir die Verhältnisse der Gestirne zu unserer Erde deutlich zu machen, da müßte ich aber sehr von vorn anfangen. Dennoch will ich versuchen, mich Deinen Begriffen anzufügen, und meine Erklärung darnach einzurichten. Eins will ich Dir für's Erste nur sagen: Du mußt es als eine ausgemachte Wahrheit annehmen, daß die Erde der Mittelpunkt des Himmels ist; Mittelpunkt nenne ich nämlich einen untheilbaren Punkt, in dem alle Linien des Umkreises zusammenlaufen. Aber Dies, glaube ich, wirst Du gar nicht verstehen, darum wollen wir uns diese Erklärung ersparen, und Du mußt nur zu begreifen suchen, daß überall der Himmel über der Erde ist, und auf jedem Theil derselben, wo Menschen leben, sind sie vom Himmel bedeckt. So wie Du nun den Himmel über uns siehst, ist er ebensowol über den Antipoden, wie sie genannt werden, und dies ist nicht unmöglich, denn die Natur hat es so eingerichtet, die eine Hausverwalterin des wahren Gottes ist, der Himmel und Erde erschaffen hat.«
Der Bursche hörte Perianders Reden gern, die auch Auristela und der Gräfin nebst ihrem Bruder Vergnügen machten.
Auf diese und ähnliche Art ergötzte und belehrte Periander seine Gefährten während der Wanderung. Da hörten sie hinter sich einen Wagen. Er war von sechs Soldaten zu Fuße begleitet, und von einem Reiter, der eine Flinte am vorderen Sattelknopf hängen hatte; dieser näherte sich Periander und sprach:
»Wenn ihr vielleicht, meine Herren Pilger, auf diesem Lastthier einige eingemachte Früchte mit euch führt, was mir nicht unwahrscheinlich ist, da euer stattliches Ansehen euch eher als wohlhabende Edelleute, wie als arme Pilger verkündigt, wenn ihr also dergleichen bei euch habt, so gebt mir davon, um einen jungen Menschen damit zu erquicken, der auf jenem Wagen in Ohnmacht liegt. Er und zwölf andere Soldaten sind auf zwei Jahre zu den Galeeren verdammt, weil sie dabei waren, als vor einiger Zeit ein gewisser Graf ums Leben kam. Sie müssen an das Ruder, und die Hauptleute sind, als noch strafbarer, wie ich glaube, durch die Regierung zur Enthauptung verurtheilt worden.«
Die Thränen der schönen Constanza brachen bei diesen Reden hervor; denn sie erinnerte sich ihres verstorbenen Gemahls und ihres kurzen Ehestandes. Da aber die christliche Liebe mehr über sie vermochte als die Begier der Rache, suchte sie eine Büchse mit eingemachten Früchten aus dem Gepäck hervor, und lief zu dem Wagen, indem sie fragte:
»Wo ist der Kranke?«
»Dort liegt er in der Ecke,« antwortete einer der Soldaten. »Er hat sich an der Deichsel das Gesicht mit Wagentheer bestrichen; denn der Tod, sagt er, soll nicht schön aussehen, wenn er stirbt. Und Das wird sehr bald geschehen, das er aus Halsstarrigkeit keinen Bissen essen will.«
Bei diesen Warten hob der verunstaltete Jüngling den Kopf in die Höhe, nahm einen zerrissenen alten Hut ab, den er sich in die Stirn gedrückt hatte, und zeigte Constanza ein von Schmutz entstelltes Gesicht. Er streckte die Hand aus und sprach, indem er die Büchse ergriff:
»Gott lohne es Euch, Sennora.«
Darauf setzte er seinen Hut wieder auf und überließ sich von Neuem seiner Schwermuth, indem er sich wieder in die Ecke des Wagens drückte, wo er den Tod erwartete.
Die Pilger sprachen noch Einiges mit den Wachen und trennten sich dann auf verschiedenen Wegen.
Nach einigen Tagen kamen unsere schönen Pilger in einen von Morisken bewohnten Ort, der im Königreich Valencia, einige Meilen vom Meere lag. Sie fanden hier zwar kein Gasthaus, aber in jedem Hause wurde ihnen mit großer Freundlichkeit eine Herberge angeboten, so daß Antonio sagte:
»Ich weiß nicht, warum Böses von diesen Leuten gesprochen wird, mir scheinen sie alle Heilige zu sein.«
»Mit Palmzweigen,« erwiederte Periander, »empfingen die Juden den Herrn in Jerusalem, und dieselben schlugen ihn nach wenig Tagen an das Kreuz. Doch, wohlgemuth! danken wir Gott und unserm guten Glück, und nehmen wir die Einladung dieses guten Alten an, der uns in sein Haus nöthigt.«
In der That hatte ein alter Moriske sie schon bei ihren Pilgermänteln gefaßt, und zog sie fast mit Gewalt in sein Haus, wo er mit der größten Freundlichkeit alle Anstalten machte, sie wahrhaft christlich zu pflegen. Ein junges Mädchen, seine Tochter, erschien, um die Gäste zu bedienen, sie trug die Tracht der Morisken und war darin so schön, daß die lieblichsten Christinnen sich glücklich gepriesen hätten, ihr zu gleichen. Denn was die Anmuth betrifft, die die Natur schenkt, so begünstigt sie nicht minder die barbarischen Frauen der Scythen als die Bürgerinnen von Toledo.
Diese schöne Mohrin ergriff Auristela und Constanza bei den Händen und führte sie in einen Saal im untern Raum des Hauses. Sie schloß sorgfältig hinter sich zu, sah ängstlich nach allen Seiten um, und redete in halb mohrischer Sprache also zu den beiden Frauen, ohne ihre Hände loszulassen, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Niemand sie hören könne:
»Ach, ihr Damen! ach! wie seid ihr doch als sanfte unschuldige Lämmer zum Schlächter gekommen! Ihr seht diesen alten Mann, den ich mit Beschämung meinen Vater nenne, ihr seht, wie liebevoll er euch aufnimmt und beherbergt. So wißt denn, daß er nichts so sehr verlangt, als euer Henker zu werden. In dieser Nacht landen sechzehn Corsarenschiffe, die alle Leute aus diesem Ort, sammt allen ihren Habseligkeiten wegbringen wollen, ohne irgend Etwas zurückzulassen, was sie jemals bewegen könnte, wieder hieherzukommen. Die Unglücklichen bilden sich ein, in der Barbarei alle Lust des Leibes und das Heil der Seele zu finden, und bedenken nicht, daß von allen den Menschen, die aus vielen Ortschaften hinübergegangen sind, kein einziger etwas Anderes von sich hören läßt als Klagen, und daß sie es Alle bitter bereuen, ihren Wohnort verändert zu haben. Die Mohren in der Barbarei preisen unaufhörlich die Herrlichkeiten des Landes, diesem Geschrei laufen die hiesigen Morisken nach und fallen so in die Netze des Verderbens. Wollt ihr das eurige verhüten und die Freiheit bewahren, die ihr von euren Vätern geerbt, so verlaßt dies Haus sogleich, und sucht Schutz in der Kirche, dort werdet ihr Jemand finden, der sich eurer annimmt: den Pfarrer nämlich, denn er und der Schreiber sind die einzigen alten Christen hier im Orte. Ihr werdet auch meinen Oheim Xadraque Xarifa dort treffen, der nur dem Namen nach ein Mohr, in der That aber ein Christ ist. Erzählt ihnen, was vorgefallen, und fügt hinzu, Rafala habe es euch gesagt, darauf wird er euch glauben und helfen. Nehmt meine Worte nicht leicht, ihr möchtet sonst schwer dafür büßen; denn es gibt keine größere Täuschung, als wenn die Enttäuschung zu spät kommt.«
Die lebhafte Angst, mit der Rafala ihnen diese Eröffnung machte, ging in Auristela's und Constanza's Seele über, so daß sie ihr Alles glaubten und nur durch die innigsten Danksagungen antworteten. Sie riefen schnell Periander und Antonio, erzählten ihnen, was sie vernommen, und Alle verließen, ohne irgend eine Ursache anzugeben, sogleich das Haus, mit Allem, was sie bei sich hatten. Bartholomeo, der lieber ausgeruht hätte, als eine neue Herberge zu suchen, war mit dieser Veränderung sehr unzufrieden, mußte aber gehorchen.
Sie gingen nach der Kirche, wo sie von dem Pfarrer und von Xadraque freundlich begrüßt wurden, denen sie Alles erzählten, was Rafala ihnen gesagt hatte. Der Pfarrer sprach:
»Schon seit lange leben wir in beständiger Furcht vor diesen Schiffen aus der Barbarei, und obgleich die Corsaren oft von der Küste her das Land beunruhigen, war ich doch jetzt ohne Sorgen, da sie sich seit längerer Zeit nicht hatten sehen lassen. Kommt, meine Kinder, unser Thurm ist fest, und die Kirche hat starke, eiserne Thüren, die nicht verbrannt, und ohne große Anstrengung nicht zerschlagen werden können.«
»Ach!« rief Xadraque, »werden meine Augen, ehe sie sich schließen, dies Land nicht gereinigt sehen von den Disteln und Dornen, die es zur Wüste machen! Ach! wann wird die Zeit kommen, die einer meiner Vorfahren verkündigt hat, der ein berühmter Astrologe war, die Zeit, wo ganz Spanien in allen seinen Provinzen fest und ungetheilt dem Christenthume anhängen wird! Denn Spanien ist jene Ecke der Welt, wohin sich die wahre Lehre Christi geflüchtet hat, und wo sie wahrhaft verehrt wird. Ich bin ein Mohr, meine Herren, und wollte Gott, daß ich es leugnen könnte! Deshalb bin ich aber doch ein Christ; denn Gott gibt seine Gnade wem er will, läßt seine Sonne, wie ihr besser wissen werdet als ich, über die Guten und Bösen aufgehen, und regnen über Gerechte und Ungerechte. Doch ich muß euch noch erzählen, daß mein Ältervater verkündet hat, ungefähr in dieser Zeit würde in Spanien ein König regieren aus dem Hause Östreich, dessen Seele würde die schwierige Entschließung fassen, die Mohren aus dem Lande zu verbannen. Er würde handeln wie Der, welcher eine Schlange von sich wirft, die seinem Busen droht; oder wie Einer, der den Waizen von der Spreu sichtet und das Unkraut aus dem Acker jätet. O bleibe nicht länger aus, beglückter Jüngling! verständiger König! Führe ihn aus, den edlen Entschluß dieser Verbannung! Laß Dich die Furcht nicht schrecken, als könne dies Land wüst und menschenleer werden, und als dürftest Du Die nicht verbannen, die hier getauft sind; denn obgleich dies Rücksichten scheinen, die wohl zu beachten wären, so wird der Erfolg des großen Werkes doch zeigen, daß sie unnütz waren, und die Erfahrung in kurzer Zeit beweisen, wie dies Land, mit alten Christen neu bevölkert, seine Fruchtbarkeit und Blüthe bald wieder erlangen, und in einen besseren Zustand gerathen wird, als es jemals war. Wenn die Großen des Reiches auch nicht so viele und nicht so demüthige Vasallen haben werden, so werden diese dafür doch alle katholisch sein. Die Straßen können alsdann ihre Sicherheit wieder erlangen, und der Friede wird den Reichthum mit vollen Händen ausstreuen, ohne daß er durch Räuber gefährdet werde.«
Nachdem Xadraque seine Rede geendigt, verschlossen sie die Thüren der Kirche und stellten die Bänke alle davor. Dann stiegen sie auf den Thurm und zogen eine bewegliche Treppe in die Höhe. Der Pfarrer nahm das heilige Sacrament im Speisekelch mit. Auch mit Steinen und zwei geladenen Flinten hatten sie sich versehen.
Das Thier ließ Bartholomeo frei und seiner Last entledigt vor der Thür der Kirche und begleitete seine Gebieter in ihren Zufluchtsort, wo Alle mit geschärften Blicken, gerüsteten Händen und fester Entschlossenheit den Überfall erwarteten, der ihnen durch die Tochter des Mohren verrathen war.
Die halbe Nacht verging ruhig. Der Pfarrer berechnete die Stunden nach dem Stand der Sterne und beobachtete das Meer, das von der Höhe des Thurmes weit übersehen werden konnte. Kein Wölkchen stieg im Glanz des Mondes am Horizont herauf, das er nicht für das Segel eines türkischen Schiffes gehalten hätte. Er zog alsdann den Glockenstrang und ließ die Glocken so gewaltig ertönen, daß alle Thäler und Ufer wiederhallten, und die Wächter der Küsten sich versammelten und alle Buchten des Meeres durchstreiften.
Die Wachsamkeit des Geistlichen konnte es aber dennoch nicht verhindern, daß die Schiffe herbeikamen und die Leute ans Land stiegen. Die Bewohner des Ortes gingen ihnen entgegen, mit ihren besten und kostbarsten Habseligkeiten beladen, und wurden von den Türken mit Jubel und Freudengeschrei empfangen, wozu Trompeten und andere Instrumente ertönten, die, obwol sie kriegerisch waren, doch hier nur Freude verkündeten. Die Verblendeten zündeten nun ihren eignen Wohnort an allen Ecken an, und legten auch Feuer an die Thüren der Kirche, nicht als hätten sie gehofft hineindringen zu können, sonders nur um so viel Unheil zu stiften als ihnen möglich war. Bartholomeo wurde durch sie zum Fußgänger gemacht, denn sie nahmen sein Thier mit, darauf zerschlugen sie ein steinernes Kreuz, das am Eingang des Ortes stand, indem sie den Namen Mahomeds ausriefen, und übergaben sich den Türken, diesen nichtswürdigen Räubern und Zerstörern des Friedens. Kaum aber hatten sie das Ufer erreicht, so fingen sie schon an, den Druck der Armuth zu fühlen, mit dem ihre Veränderlichkeit sie bedrohte, und die Schmach, in die sie selbst ihre Weiber und Kinder hinabstießen.
Vielemale, und vielleicht nicht immer vergeblich, schossen Antonio und Periander die Flinten ab, Bartholomeo schleuderte Steinen hinunter, und zwar alle nach der Seite, wo er sein Thier gelassen, und mancher Pfeil flog von Xadraques Bogen. Weit mehr Thränen vergossen aber Constanza und Auristela, und flehten zu dem Gotte, der sie in diesen Zufluchtsort begleitet hatte, sie zu befreien und seinen Tempel vor dem Feuer zu schützen, das auch der Kirche keinen Schaden that; nicht durch ein Wunder, sondern weil die Thüren von Eisen waren, und das daran gelegte Feuer bald erlosch.
Kurz vor Anbruch des Tages stachen die mit Beute beladenen Schiffe wieder in See, indem die Türken abermals ein lautes Freudengeschrei erhoben, und Pauken und Trompeten ertönen ließen.
In dem Augenblick sahen die Pilger zwei Personen der Kirche zueilen, eine von der Seite des Meeres und die andere von der Landseite her; als diese näher kam, erkannte Xadraque seine Nichte Rafala, die, ein Kreuz von Rohrstäben in die Höhe hebend, laut rief:
»Eine Christin! eine Christin! Freiheit! Freiheit! durch die Gnade und Barmherzigkeit Gottes!«
In dem andern Flüchtling erkannten sie den Schreiber, der zufällig die Nacht außerhalb des Ortes zugebracht hatte, beim Geklirr der Waffen und Geläute der Glocken zurückgeeilt war, und nun sein Unglück beweinte; zwar nicht den Verlust von Weib und Kind, denn er war unverheirathet, sondern den seines Hauses, das ausgeplündert und niedergebrannt war.
Sie warteten bis es Tag ward, die Schiffe sich entfernt und die Wächter der Küsten die Ufer sicher gemacht hatten; dann stiegen sie von dem Thurm herab und öffneten die Thüren der Kirche, wo Rafala ihnen entgegenkam, das Gesicht in Freudenthränen gebadet, und noch schöner in der heftigen Gemüthsbewegung. Sie betete vor den heiligen Bildern und umarmte dann ihren Oheim, nachdem sie dem Pfarrer die Hände geküßt hatte. Der Schreiber dachte weder an Gebet, noch irgend Jemand die Hände zu küssen; denn der Schmerz über den Verlust seines Vermögens erfüllte seine ganze Seele.
Der Schrecken verlor sich nach und nach, und die Gemüther der Geflüchteten beruhigten sich. Xadraque athmete tief, die Prophezeihung seines Ahnherrn schwebte wieder seinem Geiste vor, und er sprach, wie von himmlischer Glut entzündet:
»Wohlauf, edler Jüngling! Wohlauf, mächtigster König! Überwinde jeden Widerstand und stürze jeden Feind darnieder, auf daß Spanien gereinigt und gesäubert werde von diesem meinem verderbten Volke, das ihm so viel Unheil und Jammer bringt. Wohlan! Du weiser und verständiger Rathgeber, der Du als ein neuer Atlas die Bürde dieses Staates trägst! Befördere und beschleunige durch Deinen Beistand diese unvermeidliche Auswanderung! Das Meer bedecke sich mit Galeeren, die diese unnütze Last von Hagars Stamm hinwegtragen. Auf das jenseitige Ufer müssen diese Dornen und Disteln geworfen werden, und alle das Unkraut, das die Fruchtbarkeit und das Wachsthum der Christenheit unterdrückt. Denn wenn die wenigen Hebräer, die nach Egypten kamen, sich so vermehrten, daß sie bei ihrer Auswanderung mehr, als sechsmalhunderttausend Familien zählten, was läßt sich da nicht von diesen fürchten, die weit mehr sind, und in größerer Bequemlichkeit leben? Denn weder durch den geistlichen Stand, noch durch Kriegsdienste und Auswanderungen nach Indien werden sie vermindert. Alle verheirathen sich und Alle, oder doch die meisten, haben Kinder, und müssen sich also bis ins Unendliche vermehren. Deshalb rufe ich noch einmal zu Dir, Erretter! laß sie ziehen und reinige Dein schönes Reich, so wird es glänzen wie die Sonne und strahlen wie der erste Stern, unter allen Ländern.«
Zwei Tage blieben die Pilger noch an diesem Ort, um sich wieder mit Allem zu versorgen, was ihnen auf der Reise ausgegangen war. Auch für Bartholomeo wurde wieder ein Thier gekauft. Sie dankten darauf dem Pfarrer für seinen Schutz und priesen Xadraque's fromme Gedanken und Worte. Nachdem sie Rafala umarmt und Allen Lebewohl gesagt hatten, setzten sie ihren Weg fort.