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Arnaldo erzählt, was ihm begegnet ist, seit er sich auf der Eremiteninsel von Periander und Auristela trennte.
Mehr beschämt als reuevoll kehrte Hippolita in ihre Wohnung zurück; vielfach sinnend, und immer noch heftig in Liebe. Denn obwol im Beginn der Liebe gewöhnlich die Verschmähung sie zu tödten pflegt, so hatte doch Perianders Verfahren die Flamme der verliebten Dame nur noch mehr angefacht. Sie bildete sich ein, dieser Pilger könne nicht so von Stahl und Eisen sein, daß die Mittel, die sie anzuwenden gedachte, ihn nicht gewinnen sollten. »Aber,« so sprach sie zu sich selbst, »wäre dieser Pilger arm, so würde er nicht ein so kostbares Kreuz bei sich führen; denn so ausgezeichnete Diamanten legen ein deutliches Zeugniß für seinen Reichthum ab. Diese Festung kann also nicht ausgehungert oder durch Bestechung gewonnen werden, und andere Künste, als ich dachte sind nothwendig, sie zu überwinden. Wäre es nicht möglich, daß dieses Jünglings Seele von einer andern Huld beherrscht würde? Ist es denn so gewiß, daß diese Auristela seine Schwester ist? Und könnte er nicht vielleicht, um Jene nicht zu verletzen, mir diese Härte und Verschmähung zeigen? So wahr Gott lebt! Dies wird es sein, und auf dieser Seite werde ich die Heilung meiner Seele finden. Wohlan! Auristela muß sterben, und so wird der Zauber gelöst; oder wir wollen uns mindestens an den Leiden dieses verhärteten Herzens erfreuen. Sogleich zum Werk geschritten! Auristela erkranke, und den Augen Perianders werde ihre Sonne entzogen! Laßt doch sehen, ob, wenn die Schönheit, dieser erste Beweggrund der Liebe, schwindet, nicht auch die Liebe erkalten wird. Vielleicht wenn ich ihm in mir Das wiedergeben kann, was ich ihm in Auristela raubte, wird dies harte Gemüth sich erweichen. Erproben will ich es mindestens, und mich von dem Grundsatz leiten lassen, daß es nicht schaden kann, ein Mittel zu versuchen, das uns einige Hoffnung verspricht.«
Etwas getröstet durch diese Gedanken betrat Hippolita ihr Haus, wo sie Zabulon noch fand, dem sie ihren Plan mittheilte. Sie verließ sich nämlich ganz auf seine Frau, die als die geschickteste Zauberin in Rom bekannt war. Die Schöne bat nun den Juden, und begleitete ihre Worte mit reichen Gaben und Verheißung noch reicheren Lohns, nicht etwa Perianders Sinn zu verändern, denn sie wußte, daß dies unmöglich ist, sondern Auristela's Gesundheit anzugreifen, und, wenn es nöthig sein sollte, nach und nach ihre Lebenskraft zu verzehren.
Zabulon sagte, der Wissenschaft und Kunst seiner Frau sei dies ein Leichtes. Er empfing, ich weiß nicht wie viel, als erste Zahlung, und versprach, schon den nächsten Tag solle Auristela's Gesundheit abnehmen. Hippolita suchte nicht allein den Zabulon durch Geschenke zu gewinnen, sondern ihn auch durch Drohungen zu schrecken, und diese beiden Mittel vereint, können einen Juden dahin bringen, nicht nur das Unmögliche zu versprechen, sondern es auch auszuführen.
Periander erzählte Croriano und Ruperta, Auristela und den drei französischen Damen, Constanza und Antonio von seiner Gefangenschaft und Hippolita's Liebe, auch daß er Auristela's Bildniß dem Gouverneur geschenkt habe.
Auristela war nicht im mindesten erfreut über diese Liebesgeschichte mit der Courtisane. Sie hatte schon von ihr gehört, wie sie nicht nur eine der schönsten Frauen in Rom sei, sondern auch die ausschweifendste, reichste und klügste; der geringste Schatten der Eifersucht aber, sei er auch kleiner als eine Fliege, wird durch die Furcht des Liebenden so vergrößert, daß er zu einem Berge anwächst, höher als der Olymp. Bindet nun zugleich die Sittsamkeit die Zunge und gestattet ihr nicht den Schmerz zu klagen, so leidet die Seele unaussprechliche Qual in diesem Kerker des Schweigens, und sucht dem Körper zu entfliehen, den sie belebt. Wie ich schon früher sagte, gibt es keine andere Heilung für die Krankheit der Eifersucht, als Entschuldigungen zu hören, und werden diese nicht angenommen, so bringt sie das Leben in große Gefahr, und Auristela hätte lieber tausend Mal das ihrige hingegeben, als sich ein einziges Mal gegen Periander wegen verletzter Treue beklagt.
Den Abend kamen Bartholomeo und die Talavererin zuerst wieder zu ihren Gebietern. Sie waren nicht frei, obwol aus dem Gefängniß erlöst, sondern mit einer weit härteren Fessel, der Ehe nämlich, gebunden. Sie hatten sich trauen lassen, da der Tod des Polen Luisa ihre Freiheit wiedergab, ihn hatte sein Geschick als Pilger nach Rom geführt, und hier in Rom fand er, ehe er sein Vaterland erreichen konnte, was er nicht gesucht; denn es war seine Absicht gewesen, den Rath zu befolgen, den Periander ihm noch in Spanien gegeben; aber er konnte dennoch seinem Schicksal nicht entfliehen, das ihn dies Mal ohne seine Schuld ereilte.
Auch Arnaldo besuchte diesen Abend seine Freunde, und erzählte ihnen Einiges von Dem, was er erlebt, nachdem er den Frieden in seinem Reiche wiederhergestellt hatte und dann ausgezogen war, um Periander und Auristela aufzusuchen.
Er war, wie er sagte, zur Eremiteninsel zurückgekehrt, hatte aber dort nicht Rutilio, sondern einen andern Einsiedler angetroffen, der ihm sagte, Rutilio sei nach Rom gegangen. Er war auch auf der Fischerinsel gewesen, und hatte dort die Verlobten frei, glücklich und vermählt gefunden, auch alle Jene wiedergesehen, welche die Seereise mit Periander gemacht. Er hatte durch das Gerücht vernommen, daß Polykarpa gestorben sei, und Sinforosa sich entschlossen habe, unvermählt zu bleiben. Er erzählte, daß die Insel der Barbaren wieder bevölkert sei, und die neuen Einwohner den Glauben an die falsche Prophezeihung von den alten geerbt hätten. Auch daß Mauricio mit seinem Eidam Ladislao und seiner Tochter Transila seine Heimath verlassen hatte, und nach England gezogen war, wo sie jetzt glücklich lebten. Er berichtete auch, wie er nach geschlossenem Frieden Leopoldis, den König der Danaer, besucht habe, der, um seinem Reiche einen Erben zu geben, von Neuem vermählt sei, und wie er den beiden Verräthern verziehen habe, die er gefesselt mit sich führte, als Periander und seine Fischer ihm begegneten, deren er noch mit Dankbarkeit gedachte wegen der an ihm geübten Großmuth und Milde.
In seiner Erzählung traf es sich öfter, daß Arnaldo die Namen von Perianders und Auristela's Eltern nannte, wobei die Herzen der Kinder heftiger schlugen, und sie sowol ihrer Hoheit als ihrer Leiden von Neuem gedachten.
Der Prinz sagte, daß in Portugal, vorzüglich in Lissabon, Auristela's Bildnisse hoch gehalten würden, und wie der Ruhm von Constanza's Schönheit und der drei französischen Damen durch ganz Frankreich verbreitet sei, und Croriano als verständig und großmüthig gepriesen werde, weil er die edle Ruperta zu seiner Gemahlin erkoren. In Lucca, erzählte er, habe er viel von der List der Isabella Castrucho reden hören, und der schnell entstandenen Liebe des Andrea Marulo, dem der vorgebliche Teufel zu einer Seligkeit der Engel verholfen hatte. Er sprach davon, daß Perianders Fall vom Thurm für ein Wunder gehalten werde; und wie er auf dem Wege hieher einen jungen Pilger angetroffen, der zugleich Poet sei, und der ihn nicht habe begleiten wollen, weil er langsam reiste, und unterwegs an einer Komödie arbeitete, die Perianders und Auristela's Schicksale darstellen sollte Tatsächlich wurde dieser Stoff mehr als einmal zu einem Schauspiel verarbeitet; siehe hierzu die betreffenden Bemerkungen in Tiecks Vorrede. ( Anm.d.Hrsg.), welche er alle durch ein Gemälde kennen gelernt, das er in Portugal gesehen hatte, wo es verfertigt wurde. Dieser Poet hatte auch den festen Vorsatz gefaßt, sich mit Auristela zu verheirathen, wenn sie nämlich einwillige.
Auristela dankte ihm für seine gute Meinung, und nahm sich vor, wenn sie ihn anträfe und in abgerissenen Kleidern fände, ihm einen neuen Anzug zu schenken, da die wohlmeinende Absicht eines Dichters doch allezeit eine Belohnung verdient.
Arnaldo war auch in Antonio's und Constanza's Heimath gewesen, und brachte ihnen die freudige Nachricht, daß Eltern und Großeltern sich wohl befänden, und nur bekümmert wären, weil sie so lange nichts von ihren Kindern gehört hatten. Sie wünschten Constanza möge zurückkehren, um sich mit dem Grafen, ihrem Schwager, zu vermählen, der seinem Bruder in seiner verständigen Wahl nachahmen wollte, sei es nun, um die zwanzigtausend Ducaten nicht fahren zu lassen, oder von Constanza's Schönheit gerührt; aber Letzteres war das Wahrscheinlichste. Alle waren nicht wenig vergnügt über diese Nachricht, vorzüglich Periander und Auristela, da sie ihre Gefährten gleich Geschwistern liebten.
Diese Erzählungen Arnaldo's bestätigten alle Zuhörer von Neuem in der Meinung, Periander und Auristela müßten von hoher Abkunft sein, denn die Verbindung mit einem Grafen und eine so reiche Ausstattung konnten wol dergleichen Vermuthungen erzeugen.
Der Prinz theilte seinen Freunden auch mit, daß er in Frankreich mit Renato zusammengekommen sei, jenem französischen Ritter, der widerrechtlich von seinem Gegner im Zweikampf besiegt ward, und hernach durch das reuige Bekenntniß desselben den Sieg errang. In der That, fast Alles, was in dem ergötzlichen Verlauf dieser Geschichte erzählt worden ist, wurde von Neuem erwähnt, und dem Gedächtniß zurückgerufen.
Der Prinz äußerte endlich noch seinen Schmerz darüber, daß er Auristela's Bild nicht besitze, das gegen seinen, so wie des Herzogs Willen, in Perianders Händen geblieben war. Arnaldo versprach aber doch dem Freunde, seinen Zorn zu mäßigen.
»Gern,« sagte Periander, »hätte ich jede Ursache dazu aus dem Wege geräumt, und Euch, edler Prinz, das Gemälde übergeben, wenn es zuvor Euch gehörte; aber das Schicksal und eigne Bemühung gaben es dem Herzog, Ihr entrisset es ihm gewaltsam, und habt also keine Ursach, Euch zu beklagen. Denn Liebende dürfen ihre Rechte nicht nach dem Maaße ihrer Wünsche messen, da sie diese oft nicht befriedigen können, um nicht auf der andern Seite eine Ungerechtigkeit zu begehen. Ich werde es aber so einrichten, daß Ihr, theurer Arnaldo, zufrieden sein, und auch der Herzog nicht zu klagen haben soll. Ich werde nämlich das Bildniß meiner Schwester Auristela übergeben, da Keiner ein näheres Recht daran hat, als sie.«
Arnaldo war mit diesem Vorschlag einverstanden, und Auristela ebensowol. So endigte diese Unterredung, und schon am andern Morgen begannen die Herxenkünste, Gifte und Zaubersprüche der Jüdin auf Auristela zu wirken.