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Nachdem die Jüdin den Zauber vernichtet hat, wird Auristela wieder gesund. Sie eröffnet Periander ihren Entschluß, unvermählt zu bleiben.
Höchst erfreut war Hippolita, da sie erfuhr, wie verderblich die Künste der grausamen Jüdin sich an Auristela bewährten; denn in acht Tagen hatte sie sich so verändert, daß sie nur noch am Ton der Stimme zu erkennen war, was sowol die Ärzte als alle Freunde der Kranken nicht begreifen konnten. Die französischen Damen pflegten sie mit einer Sorgfalt, als wäre sie ihre geliebte Schwester, vorzüglich Feliz Flora bezeigte ihr die größte Anhänglichkeit.
Auristela's Krankheit wurde endlich so mächtig, daß sie sich nicht mit ihrem Verderben begnügte, sondern auch Die, welche sie umgaben, ergriff; da aber Keiner der Kranken näher stand als Periander, so überfiel das Übel ihn zuerst. Nicht als ob das Gift und die Zaubersprüche der verworfenen Jüdin unmittelbar und absichtlich auf ihn eingewirkt hätten, wie auf Auristela, sondern weil sein Schmerz über ihre Krankheit gewaltig war, wurden dieselben Erscheinungen auch an ihm sichtbar, die sie verschmachten ließen, und seine Kräfte nahmen dergestalt ab, daß Alle sowol an seinem wie an Auristela's Leben verzweifelten.
Hippolita sah nun, daß sie sich mit der Schärfe ihres eignen Schwertes selbst tödtete; denn sie errieth sogleich, woher Perianders Krankheit entsprang, und wollte nun ihm durch Auristela's Herstellung Genesung bereiten. Diese war so schwach und abgezehrt, daß es schien, als wenn der Tod im nächsten Augenblick das Leben abrufen werde, und deshalb wünschte sie, um das Heil ihrer Seele zu sichern, die heiligen Sacramente empfangen. Bekannt mit der katholischen Lehre, machte sie die nöthigen Vorbereitungen, und ihre glühende Andacht gab ein Zeugniß von ihrer frommen Gesinnung. Die Reinheit ihres Lebens bewährte sich hier, und der feste Glaube, in dem sie Alles aufgenommen, was sie in Rom gelernt hatte. Sie empfahl sich in die Hände Gottes, beruhigte ihren Geist, und gedachte nicht mehr ihrer Hoheit und ihres Königreichs.
Hippolita erkannte, wie wir schon sagten, daß Auristela's Tod auch Periander tödten würde. Sie nahm deshalb ihre Zuflucht zu der Jüdin, und bat sie, die Kraft des Zaubers, der Auristela zerstörte, zu mäßigen oder gänzlich zu vernichten. Sie wollte nicht mit einem Schlage drei Leben dahinopfern, da, wenn Auristela starb, ihr Periander folgte, und sie, das fühlte sie, würde ihn nicht überleben.
Die Jüdin versprach nach ihrem Gebot zu thun, als ob Gesundheit oder Krankheit anderer Menschen in ihrer Hand liege, und als ob nicht alle Übel der Strafe von Gott kämen, wenn wir sie uns nicht durch eigne Schuld zugezogen haben. Aber Gott, gezwungen, wenn wir so sagen dürfen, durch unsere Sünden uns zu strafen, gestattet mitunter dieser Kunst, die Hexerei genannt wird, auf unser Schicksal einzuwirken durch Das, was diese Hexen beginnen, die allerlei Ingredienzen vermischen, durch die das Leben Desjenigen, für den sie bereitet sind, in einer bestimmten Zeit verzehrt wird, ohne daß irgend ein Mittel dies Unheil abzuwenden vermag, da Keiner die Ursache der tödtlichen Krankheit erkennt, und nur die Gnade Gottes der Arzt für diese Übel sein und sie heilen kann.
Auristela's Zustand verschlimmerte sich also nicht, und dies war der Anfang der Besserung. Die Sonne der Schönheit begann einen schwachen Widerschein über ihr Angesicht zu verbreiten, wie wenn lichte Streifen den Anbruch des Tages verkünden. Die Rosen ihrer Wangen fingen wieder an zu erblühen, und der vorige Glanz kehrte in die Augen zurück und verscheuchte die schwarzen Schatten der Traurigkeit. Der süße Ton ihrer Stimme ließ seine Melodien wieder vernehmen, und das feine Roth der Lippen leuchtete frischer, durchschimmert von den Perlenreihen der schönsten Zähne. Kurz, in geringem Zeitraum war Auristela wieder ganz Schönheit, Lieblichkeit, Anmuth und Freude.
Gleichen Schrittes mit der ihrigen ging auch Perianders Genesung, und Freude verbreitete sich über die Gesichter der französischen Damen und aller Freunde.
Croriano und Ruperta, Antonio und seine Schwester hatten mit Auristela getrauert, und freuten sich nun ihrer Genesung.. Sie aber dankte dem Himmel inbrünstig für seine Gnade, die er ihr, sowol in der Krankheit, wie durch die Wiederherstellung erwiesen.
Eines Tages ließ Auristela Periander zu sich rufen, und nachdem sie dafür gesorgt hatte, daß sie nicht gestört werden konnten, sprach sie also zu ihm:
»Geliebter Bruder, da es des Himmels Wille gewesen, daß ich Dich seit zwei Jahren nur mit diesem süßen und unschuldigen Namen nannte, und da er es nicht zugelassen, daß ich Dir aus Sorglosigkeit oder Leidenschaft einen andern Namen gegeben, der mir nicht so lieblich und nicht so schuldlos gewesen wäre, so ist es mein Wunsch, daß diese Glückseligkeit fortdauern und nur durch den Tod beschlossen werden möchte. Denn ein Glück ist nur Glück, wenn es dauernd ist, und kann nur dauernd sein, so lange es schuldlos bleibt. Unsre Seelen, so hat man mich hier belehrt, sind in beständiger Bewegung, und können nur in Gott, ihrem Mittelpunkte, ruhen. So lange dies Leben währt, hören die Wünsche nicht auf, einer reiht sich an den andern; so verschlungen bilden sie eine Kette, die zuweilen in den Himmel reicht, und zuweilen uns in den Abgrund zieht. Wenn Dir diese Sprache, theurer Bruder, fremd dünkt, und es Dir scheint, meine wenigen Jahre und schwachen Kenntnisse hätten mir nicht so Vieles lehren können, so erwäge, daß auf die leere Tafel meines Geistes die Erfahrung Großes und Mannichfaches aufgezeichnet hat, vorzüglich aber die Wahrheit: daß die Erkenntniß und Anschauung Gottes unser höchstes Ziel ist, und folglich Alles, was uns dahinführt, gut, heilig und lieblich sein muß, vor allen Dingen christliche Liebe, Tugend und ein jungfräuliches Leben. Ich verstehe es mindestens so, und dies Verständniß lehrt mich auch, daß Deine Liebe zu mir so groß ist, daß Du Alles wünschen wirst, was ich wünsche. Ich bin die Erbin eines Königreiches, und Du weißt, daß meine geliebte Mutter mich in den Palast Deiner Eltern sandte, um mich vor einem schrecklichen Kriege zu sichern, den man fürchtete. So sah ich Dich, und mein Wille unterwarf sich dem Deinigen und ist seitdem niemals von Dir gewichen. Du warst mir Vater, Bruder, Schirmer und Führer. Ja, Du wurdest mein Schutzengel, mein Lehrer und Meister; denn Du hast mich nach dieser Stadt geführt, wo ich erst eine wahrhaftige Christin geworden bin. Jetzt möchte ich nun, wenn es möglich wäre, meinen Lauf nach dem himmlischen Vaterlande richten; und zwar ohne Umwege, ohne Hindernisse und Beschwerden. Dies kann aber nicht geschehen, wenn Du mir nicht zurückgibst, was ich Dir gab; ich meine das Wort und Versprechen, Deine Gemahlin zu werden. Entlaß mich, o mein Gebieter, dieses Versprechens, so will auch ich versuchen, meinen Willen, und würde mir Dies noch so schwer, in eine andere Bahn zu lenken; denn um den Himmel zu erringen, sollen wir Alles verlassen, was die Erde uns bietet, ja, selbst Eltern und Gemahl. Ich will Dich ja nicht wegen eines Andern verlassen, nur Gott will ich Dir vorziehen, und Er wird sich auch Dir zum Lohn geben, und Du wirst ein unendlich höheres Gut gewinnen, als Du mit mir verlierst. Ich habe eine jüngere Schwester, die eben so schön ist wie ich, wenn eine irdische Schönheit je wahrhaft schön sein kann. Mit ihr magst Du Dich vermählen, und das Land dadurch erwerben, was mir anstammt. So werden alle meine Wünsche erfüllt sein, und auch die Deinigen nicht getäuscht werden. Weshalb senkst Du das Haupt, mein Bruder, und heftest die Blicke auf den Boden? Mißfällt Dir meine Rede? Betrüben Dich meine Wünsche? Sage es mir, antworte mir. Laß mich wenigstens Deine Meinung vernehmen, vielleicht läßt sie sich mit der meinigen verbinden, und wir finden einen Ausweg, der Dich beglückt, und auf dem auch ich mein Ziel erreichen kann.«
Im tiefsten Schweigen hatte Periander Auristela's Rede angehört, und tausend Gedanken bestürmten seine Seele; aber alle wollten ihn zu der Überzeugung bereden, die für ihn die schrecklichste war, nämlich daß Auristela ihn hasse; denn die Wahl eines andern Lebens mußte ihm den Tod geben, das wußte sie ja; kannte sie doch seine Liebe, und konnte nicht daran zweifeln, daß er sterben würde, wenn sie ihn verschmähte. Diese Vorstellung überwältigte ihn dergestalt, daß er nicht fähig war, ein Wort zu erwiedern und sich von seinem Sitz erhob, als wolle er Feliz Flora und Constanza entgegengehen, die so eben in das Zimmer traten. So ging er fort; Auristela sah ihm nach, und es ist ungewiß, zu sagen, ob sie ihre Reden bereute, gewiß aber war sie traurig und in tiefen Gedanken.