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Auch die allzu ausführlichen Liebesepisteln Lassalles müssen immerhin als Seelendokumente gewertet werden. Die romanhaften Verwicklungen und Konflikte seiner Liebe zu Helene von Dönniges sind bekannt, ebenso ihr tragischer Ausgang. Nur Eitelkeit, Trotz und Eigensinn ließen den unselig Erschütterten um die Hand des exzentrischen, schließlich doch von jedem Einfluß gebogenen Mädchens ringen. Es war das Schicksal des bedeutenden Mannes, nicht verzichten zu können. S. Bernstein, Intime Briefe, Berlin 1905, u. Sophia Adrianowna, Eine Liebesepisode aus dem Leben Ferdinand Lassalles. Leipzig 1878.
Aachen, Sonnabend, August oder September 1860 abend.
Sie steht vor mir wie meine eigene Geschichte, meine eigene Entwicklung, mein eigener Charakter. Sie ist mein eigenes, noch einmal verkörpertes Ich. Sie ist identisch mit allen Gefahren und allen Triumphen, allen Ängsten und allen schweißtriefenden Arbeiten, allen Leiden, Anstrengungen und Siegesgenüssen, kurz mit allen Emotionen, die meine Seele je durchgemacht hat .
Sie ist so identisch mit meiner Seele selbst. Was ist Seele? Das in eine Einheit zusammengefaßte Ganze, der Brennpunkt der gesamten Masse von Eindrücken, die man je erfahren. Nun siehst Du, das ist sie also mir!
Sie ist also die erste und unerläßlichste Bedingung meines Glücks. Ja noch mehr, sie ist Bedingung der Integrität meines Ichs. Man könnte mir Arm und Beine abschneiden, und ich würde mich nicht so in der Integrität meiner Person verstümmelt fühlen, als wenn ich die Gräfin verlöre.
...
Enfin, nachdem dies alles so ist und nachdem ich Dir dies hundertmal gesagt habe, kommst Du und sagst, daß diese Frau, die vielmehr eine positive und die unerläßlichste Bedingung meines Glückes ist, Fleisch von meinem Fleische und Bein von meinem Beine – und wie äußerlich sind noch diese Worte der Bibel und die Verwandtschaft des Naturzufalls gegen die innere geistige Identität – nur »ein Hindernis sei, mich harmlos und friedlich zu sehen«.
Aukontraire, sie ist gerade das unentbehrliche Requisit dafür!
...
Nun aber will ich Dir sagen, wie ich die Liebe verstehe. Wenn mich ein Weib lieben will, so gibt es sich mir ganz hin, geht ganz in mich auf, und erhält dafür – nur eine Stelle in meinem Wesen, erhält mich, obwohl sie sich ganz hingegeben hat, nicht ganz dafür zurück, sondern erhält zum Austausch nur einen Teil meines Innern zurück!
Ein ungleicher Tausch, wirst Du sagen! Mag sein! Aber dies ist, wenn Du nur ein wenig darüber nachdenkst, die allgemeine und normale Grundverschiedenheit in der Liebe des Mannes und des Weibes. Schon in Stand und Wissenschaft hat der Mann Teile seines Wesens, die ihn notwendig mit der Liebe teilen müssen. Er ist also darauf von vornherein angewiesen, sich nur zum Teil hingeben zu können in der Liebe. Das Weib, das ganz und gar Individuum ist, kann sich ganz und gar hingeben in der Liebe und soll dies, sich ganz und gar zu eigen geben.
Ist dies also schon von Haus aus der normale Unterschied zwischen der Liebe eines jeden Mannes und eines jeden Weibes, so bin ich gewiß vor allem berechtigt, diesen Unterschied aufrechtzuerhalten, einmal weil ich so sehr ein Mann bin, daß ich nicht nur einem Weibe gegenüber, sondern auch noch unter Männern als Mann erscheine, und dann in Folge aller meiner Lebensschicksale.
Ich habe alle Art von Unglück und Qual bereits ertragen – bis auf eine einzige, die mir nie nahen durfte, noch nahen soll: die innere Spaltung. Diese innere Einheit, die ich mir stets zu bewahren gewußt habe, ist mein Stolz und mein einziges Glück gewesen und wird es bleiben ...
Wer mich also lieben will und von mir geliebt sein, wer einen Teil meines Wesens ausmachen will – der muß sich in absolute Einheit mit mir setzen, ganz in mich aufgeben, lieben, was ich liebe, denken, wie ich denke, usw., sich mir durch eine absolute Übereinstimmung der Gedanken- und Gefühlswelt – natürlich nur in den wesentlichen Dingen – verbinden.
...
Meine Liebe wird daher etwas Verzehrendes haben. Sie wird das Wesen, das mich lieben will, wenn es nicht von Haus aus mit mir einig ist, umschmelzen und sich ganz und gar aneignen müssen. Gut, wer einerseits anders geartet ist, andererseits sich nicht so verzehren und umschmelzen lassen kann, nun, der muß eben auf seiner spröden Selbständigkeit bestehen, aber mich nicht lieben wollen.
... Wie Semele schmilzt in den Armen Jupiters, so muß ein Weib hinschmelzen in mein Inneres, wenn ich sie lieben, sie als eine mich Liebende betrachten soll.
Es mag das sehr unbequem sein für solche Liebende, in deren Natur dies nicht liegt. Aber enfin, das ist die unabänderliche Bedingung, ein Eins mit mir auszumachen, eine Stelle in meinem Herzen zu haben. Und ich habe Dich, ich erinnere daran, damit Du mir keinen Vorwurf machen kannst, falls Du etwa solche Liebe (sehr irrtümlich) als Egoismus usw. auffassen wolltest, nicht absichtlich in Liebe zu mir verstrickt. Ich habe nicht die Initiative ergriffen. Du hast es zuerst als eine innere Notwendigkeit von selbst empfunden und erklärt. Ich hätte nie die Initiative ergriffen, eben weil ich weiß, daß meine Liebe wenig Freude bringen kann, da nur wenige Weiber zu so ernsthafter Liebe, zu so gänzlicher Hingebung aufgelegt sind.
Berlin, 7. Oktober 1800.
... Endlich Sophie, habe ich meinen Manuskriptbrief beendet, endlich habe ich ihn ins Reine geschrieben! Oh, Sophie, in welchem sich immer steigenden Fieberzustande habe ich ihn geschrieben! Und jetzt ist die Entscheidung in Ihrer Hand! Oh, wie zittere ich bei diesem Gedanken! Jetzt erst beginnt die eigentliche Folter. Himmel! Was werde ich tun bis zum Empfange Ihrer Antwort? Die widersprechendsten Gedanken peinigen mich.
Ich sagte Ihnen schon in Aachen, bei unserm Frag- und Antwortspiel, wie ich so viel Leiden im Leben ausgestanden habe, daß ich glaubte, für mich gebe es kein neues Leiden mehr; ich sehe aber, Sie werden mir es sicher zufügen, wohlan es sei! Mut! Geduld! Festigkeit! Stöhnen, weinen, jammern, verzagen ist meiner nicht würdig. Ich will ruhig sein. Tragen wir das Unglück, den Tod im Herzen, aber Ruhe im Antlitz, Lächeln auf den Lippen, wenn es sein muß!
Ich habe den ursprünglichen Gedanken, Ihnen selbst diesen Brief nach Dresden zu überbringen, aufgegeben. Nein, ich will nicht durch meine Gegenwart, nicht durch das Elektrische der Leidenschaft auf Sie einwirken, nein, Ihr Entschluß soll vollkommen frei und unbeeinflußt sein.
Denken Sie nur an sich, denken Sie durchaus nicht an mich, ich beschwöre Sie!
Denken Sie nicht im geringsten daran, was ich zu leiden haben würde! Das ist ganz gleichgültig, Menschen meines Schlags sind zum Leiden geboren. Wie Heine von mir sagt, als ich erst 19 Jahre alt war, bin ich dazu geboren, um wie ein Gladiator, mit Lächeln auf den Lippen, zu sterben. Es ist ganz gleichgültig, ob ich mehr oder weniger im Leben zu leiden haben werde. Mögen andere glücklich sein! Für Naturen wie die meinige ist es genug, zu kämpfen, ihr Blut langsam, bis zum letzten Tropfen zu vergießen, das eigene Herz zu verzehren, und, den Tod in der Seele, lächelnd zu erscheinen.
Ich glaubte nicht mehr lieben zu können. Sie haben in mir dieses Gefühl wieder erweckt. Sie haben mich gezwungen, Sie zu lieben. Ja, ich liebe Sie, und meinem Männerstolz kostet es viel mehr, dies Geständnis zu machen, als es je der Schüchternheit der keuschesten Jungfrau gekostet hat.
Wenn Sie mich jetzt abweisen, werde ich nur zu der Verzichtleistung auf mein persönliches Glück zurückkehren, wie dies schon früher der Fall war, ehe ich Sie kennen lernte.
Und also, wenn Sie mein Herz zerbrechen, zerbrechen Sie nur ein Ding, das ich längst schon geopfert hatte: mein persönliches Glück. Denken Sie nicht daran!
Ich würde es sogar zwanzigmal vorziehen, Sie zu verlieren, als Sie unter dem Einfluß der geringsten Spur von Mitleid, wie schwach es auch immer sein möge, zu erringen.
Das Resultat also – denken Sie nur an sich.
Nur um Eins bitte ich Sie, Sophie, lassen Sie mich nicht lange auf der Folter, in der Erwartung!
Man kann wohl das Bewußtsein seines Todes ertragen; aber nicht zu wissen, ob man tot oder lebendig ist – oh, das ist furchtbar!
Wenn ein Weib mich nicht mit der ganzen Macht ihres Wesens liebt, wenn sie nicht in allen Tiefen ihres Herzens, durch überwältigende Macht zu mir hingezogen, liebt, – werde ich nicht imstande sein, sie durch die Verbindung mit mir glücklich zu machen. Ich würde ihr vielleicht mehr Unglück als Glück bringen. Es gibt Verhältnisse, bei denen eine gemäßigte Liebe für das Glück eines Weibes genügt; in den meisten Fällen ist es sogar so. Es gibt aber auch Lagen – und das ist die meinige –, in welcher die Liebe des Weibes ein Alles verzehrendes Feuer, welches durch Hindernisse nur verstärkt wird, ein unbesiegbarer Orkan, der sich fortwährend selbst erneut, sein muß, um ewig zu währen und dieses Weib auch zugleich zu entschädigen für alle Fährlichkeiten, die es laufen müßte.
Deshalb ist es für mich eine Ehrenpflicht, nur eine zuverlässige, gigantische, unbezwingliche Liebe anzunehmen. Sonst kann ich nicht von Ihrem Glücke – überzeugt sein, und sicher werde ich lieber tausendmal alle Annehmlichkeiten des Lebens, so süß sie auch sein mögen, selbst entbehren, als Ihnen, glückliches und angebetetes Kind, das ungeheure Unrecht anzutun, das Glück Ihrer Existenz aufs Spiel zu setzen, um die meinige zu verschönern.
Selbst wenn das Pflichtgefühl in Bezug auf Sie mich nicht nötigen würde, so zu denken, die Vorsicht und der Egoismus würden mich doch dazu zwingen, denn wenn ich Sie je unglücklich sehen müßte, so würde ich es selbst auch sein! Für mich selbst bin ich herzlos. Ich habe weder Erbarmen noch Mitleid, noch sonst ein Gefühl für meine eigene Existenz, die ich einem langen und unaufhörlichen Kampfe gewidmet habe, dies ist der Grund, weshalb ich nie unglücklich sein kann, solange ich allein bin! Für mich ist kein Unglück möglich. Mag man den kahlen, einsamen Fels meines Lebens zertrümmern, ich werde nichts fühlen, wie auch der Fels nichts fühlt, wenn er zertrümmert wird.
Ja, ich schwöre es Ihnen, bis jetzt gab es kein Weib auf der Welt, bei dem der Gedanke an Heirat mir nicht ein Frösteln verursacht hätte. Sie sind die einzige, die ich mit der zärtlichen Liebe verehre, um mich hinzugeben, die einzige, für welche ich das ungeheure Opfer einer Heirat zu bringen bereit bin, und Sie wissen, meine Meinung über die Opfer der Liebe geht dahin, sie nicht als Opfer, sondern als Glück fühlen zu lassen.
Sie sind die einzige, die ich zur Frau nehmen könnte und so wie Sie sind nehmen würde. Sie könnten mir selbst sagen, Sie anders zu nehmen, ich würde es nicht tun! Sehen Sie, meine schöne Rose, das kommt daher, weil ich Sie ebenso verehre wie liebe. Ich liebe Sie vielleicht deshalb so, weil ich Sie verehre.
Also denn; ich werde Sie heiraten, wenn Sie einwilligen. Aber werden Sie auch einwilligen?
...
Jetzt, Sophie, habe ich alles gesagt, was ich zu sagen hatte.
Noch eins habe ich hinzuzufügen. Ich werde Sie nicht heiraten ohne die Einwilligung und ohne die Liebe Ihres Vaters. Unheil dem Manne, der es wagen könnte, ein solches Band, wie es zwischen Ihnen und Ihrem Vater existiert, zu zerreißen. Ich sage nicht, daß ich nicht auch die Einwilligung Ihrer Mutter, die ich nicht die Ehre habe zu kennen, brauche.
Ich gebe Ihnen das Recht, diesen Brief, wenn Sie es wollen, Ihrem Vater zu übersetzen.
Und jetzt, wenn Sie nach allem, was ich Ihnen gesagt habe, sich entschließen, meine Frau zu werden, was würden Sie für alle Ihre Opfer eintauschen?
Nichts als zwei Dinge! Einen Mann und ein Herz!
Aber auch einen Mann im wahren Sinne des Wortes, und ein Herz, das, wenn es sich einmal gibt, sich auch für die Ewigkeit gibt.
Und Sophie, braucht ich es noch hinzuzufügen? Wie Ihre Entscheidung auch ausfallen möge – ich kann nur mit Zittern daran denken – ich werde nie aufhören, Sie und Ihr Andenken zu segnen! Ich werde nie aufhören, Ihnen der treueste und ergebenste Freund zu sein! Ich werde Sie noch segnen mit Tränen in den Augen.
Lassalle.
Ende Juli 1864.
... Bist Du ehrgeizig? – Was würde mein Goldkind sagen, wenn ich es einmal im Triumph in Berlin einführen könnte, von 6 Schimmeln gezogen, die erste Frau Deutschlands, hoch erhaben über alle? ... Eigentlich ist's unerhört dumm, sich mit der leidigen Politik und dem Wohl und Weh der anderen Menschen abzuquälen! Das war gut, so lange ich allein war, und nichts Besseres zu tun hatte – aber jetzt! Soll ich nicht das Ganze aufgeben und wir ziehen fort, weit, weit fort, wohin meine Herrin, das Kind, will, und leben nur unserm Glück, unsern Studien und einigen Freunden?
Helene von Dönniges an Lassalle.
Wabern, Dienstag abends, 26. Juli.
...
Und nun wissen Sie auch mit Ihrem schönen, herrlichen Geiste und Ihrer so großartigen, aber mir lieben Eitelkeit, wie mein Entschluß lautet. Ich will und werde Ihr Weib sein! – Sie sagten mir gestern abends: »Sagen Sie nur ein vernünftiges, selbständiges Ja – et je me charge du reste.« – Gut, mein Ja ist da – chargez vous donc du reste; nur mache ich ein paar ganz kleine Bedingungen, et les voilà. Ich will, denken Sie, das Kind sagt, ich will – ich will also, daß wir alles versuchen, was in unsern Kräften steht, und in Ihren Kräften, mein schöner, satanischer Freund, steht ja so ungeheuer viel, – um auf eine anständige, vernünftige Weise zu unserm Ziele zu gelangen –; d. h. also: Sie kommen zu uns, wir versuchen die Eltern ebenso für Sie einzunehmen als – – und so ihre Einwilligung zu bekommen! – Wo nicht, sind und bleiben sie unerbittlich, auch wenn wir alles getan haben, was wir tun konnten, – eh bien, alors tant pis! so bleibt noch immer Ägypten. Dies meine eine Bedingung. Und hier die zweite: Ich will und wünsche, daß dann die ganze Sache so rasch als möglich geht. Denn ich kann wohl den Nebel und Regen von heute früh aushalten, ohne sehr krank zu werden, – aber noch viele so aufregende Tage und ungewisse quälende Stimmungen, wie ich schon um dieser unsrer Sache willen durchgemacht habe – das, mein Freund, halten meine Nerven nicht aus. – Aber zu dieser Eile habe ich noch einen Grund – ich will nicht, daß die ganze Welt uns bespricht und ihre Meinung sagt über eine Angelegenheit, die sie nichts angeht, und mich hierdurch einer Menge Szenen aussetzt, die ebensogut vermieden werden können. Einmal die Sache zu unsrer Zufriedenheit beendet, mögen sie dann ihre Mäuler und Augen aufreißen, so groß sie wollen, dann habe ich Sie, Ferdinand, als Schutz und Stütze, – et je ne me moque pas mal du reste du monde. – Ich weiß, daß die Hindernisse, die wir zu übersteigen haben, sehr, ja riesengroß sind, aber dafür haben wir auch ein großes Ziel, und Sie einen riesengroßen Geist, der mit Gottes Hilfe die Felsen zu Sand und Staub zermalmen wird – so daß selbst mein schwacher Atem ihn wegzublasen vermag. Mir bleibt von allem das schwerste Stück – ich muß mit kalter Hand ein treues Herz, das mir mit wahrer Liebe ergeben ist, töten, ich muß mit krassem Egoismus einen schönen Jugendtraum vernichten, der, verwirklicht, das Glück, das Lebensglück eines edlen Menschen machen sollte. – Glauben Sie mir, das wird mir furchtbar schwer, aber ich will jetzt, und so will ich denn um Ihretwillen auch schlecht werden. Schreiben Sie mir gleich, so bald als möglich; denn erst, wenn ich genau Ihre Pläne und Ihren festen Entschluß weiß, die Befehle und Wünsche des Herrn und Meisters empfangen habe, erst dann kann ich anfangen, die meinen, d.h. meine Pläne zur Ausführung zu bringen!
H. D.
Genf, Mittwoch, den 3. August 1864
Mein liebes Herz, mein schöner herrlicher Aar, – noch keine Stunde im elterlichen Haus, kann ich Dir schon Neues – aber nur Trübes erzählen. Ich kam hier an und fand meine kleine Schwester Margarethe als verlobte Braut des Grafen Kayserlingk – das Glück und die hohe Freude darüber bei den Meinen ist nicht zu beschreiben. Ach, Ferdinand, es tut mir wehe, zu denken, wie verschieden mein Glück auf sie einwirken wird! – Doch ist's mir ganz gleich: in Freud und in Leid Dein treues, nur Dir ergebenes Weib.
Diesen Freudenmoment benutzte ich und zeigte Mama Deine Visite an, aber – – nun, die arme, arme kleine Frau stellt sich aber meinen schönen Ferdinand auch als Schinderhannes vor – als ich auf so ganz bestimmten Widerstand stieß, und zwar aus dummen Gründen, die zu kleinlich sind, um Dich auch nur zu berühren, fühlte ich mich gezwungen, zu den großen Mitteln zu greifen; ich sagte ihr also: »Höre, Mama, ich habe mit Dir sehr ernst zu sprechen, – ich sage heute zum ersten Male: ich will, und so wahr ich hier vor Dir stehe, sage ich Dir, ich werde meinen Willen durchsetzen.« Hier erzählte ich ihr in Kürze unser Wiedersehn und fuhr fort: »«Es tut mir unendlich leid, euch so betrüben zu müssen – denn ich sehe, daß Du außer Dir bist, – aber ich kann nicht anders; seid Ihr vernünftig und willigt ein – nun, so werdet Ihr ihn kennen und lieben lernen, und alles wird ruhig und glatt abgehen – wo nicht, nun, tut es mir auch sehr leid, und Gott weiß, was ich darunter leide, so muß ich mich mit dem Gesetz verteidigen und so zu meinem Recht und meinem Glück gelangen.« –
Ich schloß meine Rede, während welcher sie mich mit Kindesgüte angehört hatte, und mich nicht einmal unterbrochen hatte, obwohl die Tränen ihr die Augen näßten; ich schloß, sage ich, mit noch einigen Küssen und Liebesversicherungen und sagte ihr noch einmal: Nur in ihm ist mein Glück, und das ist mein Schicksal.
Sie weinte leise und verließ mein Zimmer, und ich, das Kind, wurde Deine wirkliche Brunhilde; – ich weinte nicht, ich zitterte auch nicht, ich sah Dein Bild an und bat Dich leise: Komm, mein hoher, mein stolzer, mein kaiserlicher Aar, gib mir mit Deinem herrlichen Adlerblick Kraft und Stärke! So bat ich, und mein Glaube an Dich hat mir geholfen – ich danke Dir, mein starker Siegfried!
Nach einer kleinen Weile kam die arme Mutter und sagte: sie müßte dem Papa die ganze Sache mitteilen, sonst gäbe es einen furchtbaren Skandal. Ich sagte darauf, das sei das einzige, was ich verlange für mein Vertrauen, und Du wünschtest nicht, daß Papa Dich kennen lerne mit Gedanken für oder wider, – kurz, Du möchtest unbefangen ins Haus treten und ebenso beurteilt werden; – – aber hier blieb sie unerbittlich und sagte: »Papa nimmt ihn nie und nimmer an, ich muß zu ihm gehen und ihm sagen, wie die Sachen stehen.« Nun fragte ich sie, was hat er denn gegen Lassalle, was kann er gegen ihn sagen – car enfin, seine politische Stellung ist kein genügender Grund, ihn nicht anzunehmen, wenn er ihn besucht. Mama: »Nicht seine politische, aber seine soziale Stellung – die Kassettengeschichte (seine Konnektion mit der Gräfin von Hatzfeldt) und so viel anderes.« Ich fragte darauf nur, daß ich nichts von ihnen verlange, als Dich anzunehmen und kennen zu lernen; worauf sie zu mir sagte: »Du kannst von Papa nicht verlangen, namentlich in derselben Zeit, wo die eine Tochter mit dem Grafen Kayserlingk verlobt ist, einen Mann in die Familie aufzunehmen, von dem alle Welt so spricht. Ich: – ihr nehmt ihn nicht in eure Familie auf, sondern ihr gebt nur eure Einwilligung, daß ich aus dieser Familie heraustrete; wenn ihr es verlangt, nun so will ich, so weh es mir auch tut, und Gott ist mein Zeuge, daß mir fast das Herz dabei bricht, so will ich euch das Versprechen geben, nie wieder eure Schwelle zu überschreiten.
Sie antwortete darauf nicht, weinte mehr, und als sie sich etwas beruhigt hatte, hielt sie mir eine kleine strenge Rede, in der sie mir vorwarf, daß ich mich vom Augenblick zu sehr leiten ließe usw. Aber da sie sah, daß ich fest war, so ging sie hinaus mit dem noch immer festen Entschluß, Papa alles zu sagen. Der ist nun jetzt mit meinem Vetter Dr. Arndt auf dem See, und Gott weiß, wie es wird, wenn er zurückkommt. Jedenfalls bleibe ich felsenfest, – Du kommst morgen um 2 Uhr – vielleicht noch früher, und dann setzen wir schnell und rasch durch; denn ich fühle, daß uns auch in dieser Hinsicht unsere Sterne günstig und zum Glück führen werden. Mama hat übrigens eingesehen, daß die Sache unwiderruflich ist, – und so wird es vielleicht, wenn auch nicht ohne Sturm und Heftigkeit, so doch schnell und dadurch glücklich enden, wenn sie – meine Eltern – sehen, daß sie nichts gegen uns tun können – nun so weiß ich, daß sie vorziehen, gleich ja zu sagen, um keinen Eklat zu machen. Ist heute abends noch eine entscheidende Unterredung, so schreibe ich Dir noch morgen früh; hier sind die einzigen Sachen von Papa, die ich auftreiben kann. Es wird Dir lieber sein, als die Gedichte. Ach, Herz, wie ich mich nach Dir sehne! –
Der erste Advokat hier ist Amberny. – Du wolltest es ja wohl wissen?
Jetzt ist es 6 ½ Uhr, und Du mein Herr und Gott bist nun schon hier? Oh! Dieser Gedanke gibt mir wieder Stärke und Kraft – denn ich muß die Nähe und Allgewalt meines Herrn und Gebieters fühlen, um nicht zu weichen, um nicht auch andern gegenüber zu sein, wie Dir – das Kind. Aber ich fühle Dich und Deine Liebe – und so fürchte ich nichts mehr und bin jetzt und für immer Dein Weib, Dein Kind, Deine Dich anbetende Sache! Oh, wenn doch die Gräfin hier wäre! –
Sage mir nur auf einem kleinen Zettel, daß Du mich liebst! Denn ich, Ferdinand, ich liebe Dich so sehr!
Es ist geschehen – sie haben gesprochen – – mein Vater hat erklärt: »Ich wäre seine Tochter nicht mehr!« und was nun geschieht – Gott weiß; er will, ich soll sein Haus nicht verlassen, ehe ich Dein Weib bin! Ich kann – – –
München, 20. August.
Helene!
Ich schreibe Dir den Tod im Herzen. Rüstows Depesche hat mich tödlich getroffen. Du, Du verrätst mich! Es ist unmöglich! Noch, noch kann ich an so viel Felonie, so furchtbaren Verrat nicht glauben. Man hat Deinen Willen vielleicht momentan gebeugt, gebrochen, Dich Dir selbst entfremdet; aber es ist nicht denkbar, daß dies Dein wahrer, Dein bleibender Wille sei. Du kannst nicht jede Scham, jede Liebe, jede Treue, jede Wahrheit von Dir geworfen haben bis zu diesem äußersten Grade! Du würdest in Verruf gebracht und entehrt haben alles, was Menschenantlitz trägt – Lüge wäre jedes bessere Gefühl, und wenn Du gelogen hast, wenn Du fähig bist, diesen letzten Grad der Verworfenheit zu erreichen, so heilige Eide zu brechen und das treuste Herz zu zerstören – unter der Sonne gäbe es nichts mehr, woran irgendein Mensch noch glauben dürfte!
Du hast mich mit dem Willen erfüllt, nach Deinem Besitz zu ringen; Du hast gefordert, zuerst alle konvenablen Mittel zu erschöpfen, statt Dich von Wabern zu entführen; Du hast mir die heiligsten Eide mündlich und brieflich geschworen; Du hast mir noch in Deinem letzten Schreiben erklärt, daß Du nichts, nichts bist, als mein liebendes Weib und keine Gewalt der Erde Dich abhalten soll, diesen Entschluß auszuführen. – – Und nachdem Du dieses treue Herz, das, wenn es sich einmal ergibt, sich für immer ergeben hat, gewaltsam an Dich gezogen – schleuderst Du mich, nachdem der Kampf kaum begonnen, nach vierzehn Tagen hohnlachend in den Abgrund, verrätst und zerstörst mich? Ja, es wäre Dir gelungen, was nie einem Schicksal gelang, Du hättest den härtesten Mann, der allen äußern Stürmen stand ohne zu zucken, zertrümmert, zerbrochen!
Diesen Verrat könnte ich nicht überwinden! Ich wäre von innen heraus getötet! Es ist nicht möglich, daß Du so ehrlos, so schamlos, so pflichtlos, so ganz und gar schändlich und unwürdig bist! du würdest meinen furchtbarsten Haß und die Verachtung einer Welt verdienen!
Helene! Es ist nicht Dein Entschluß, den Du Rüstow mitgeteilt hast. Durch Mißbrauch guter Gefühle hat man ihn in Dir hervorgerufen! Du würdest ihn – höre, oh, höre mein Wort! – wenn Du jetzt an ihm festhieltest, beweinen Dein Lebelang!
Helene, treu meinem Wort » je me charge du reste« sitze ich hier und tue alle Schritte, den Widerstand Deines Vaters zu brechen. Bereits habe ich treffliche Mittel in der Hand, die gewiß nicht wirkungslos bleiben. Und führten sie nicht zum Ziel, noch besitze ich tausend und tausend Mittel und will alle Hindernisse zu Staub zerreiben, wenn Du treu bleibst; denn weder meine Kraft, noch meine Liebe zu Dir hat Grenzen: je me charge toujours du reste! Die Bataille ist ja kaum engagiert, Kleinmütige!
Und während ich hier sitze und Unmögliches bereits erreicht habe, verrätst Du mich dort auf die Schmeichelworte eines andern Mannes!
Helene! Mein Schicksal steht in Deiner Hand! Aber wenn Du mich zerbrichst durch diesen bübischen Verrat, den ich nicht überwinde, so möge mein Los auf Dich zurückfallen und mein Fluch Dich bis zum Grabe verfolgen! Es ist der Fluch des treuesten, von Dir tückisch gebrochenen Herzens, mit dem Du das schändlichste Spiel getrieben. Er trifft sicher!
... noch einmal will und muß ich Dich persönlich und allein sprechen. Ich will und muß das Todesurteil aus Deinem eignen Munde hören. Nur so werde ich glauben, was sonst unmöglich scheint!
Ich betreibe hier weiter die Schritte, Dich von hier aus zu erringen, und komme dann nach Genf!
Mein Los über Dich, Helene!
F. Lassalle.