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Ferdinand Raimund an Toni Wagner

In Raimunds Liebesbriefen malt sich eine Tragödie. S. Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, 4. Jg., Wien 1824, S. 145ff. (Herausg. Carl Glossy).

1819.

Liebe, teure Antonie!

Um Sie zu überzeugen, welch angenehme Mühe es sei, seiner Geliebten zu schreiben, wäre es auch um Mitternacht, und meine schöne Antonie ihrer Gleichgültigkeit wegen in diesem Punkte etwas zu beschämen, so schreibe ich jetzt noch, da die Glocke schon 1 Uhr brummt. Ich muß Ihnen gestehen, daß es mir wirklich schon einigemal seltsam, ja sogar wunderbar vorkömmt, daß Sie nicht zum Schreiben zu bewegen sind, da Sie doch wissen, welche Freude es mir machen würde, und sollte es nicht auch eine für Sie sein, wenn Sie mich wirklich so lieben, wie Sie mich versichern durch Ihr teilnehmendes Betragen, denn Ihr Mund hat es mir noch nie bekannt, außer mit einem von mir durch dringendes Fragen erpreßten halbgebrochenen Ja. Sollte in Ihrem Herzen denn noch nie der Wunsch sich geregt haben, mir zu sagen, und eben weil Sie es nicht sagen wollen, mir zu schreiben, wie Sie mich lieben –?

Wenn man liebt, wünscht man sich nahe zu sein, und kann man sich nähertreten, ohne sich zu sehen, als durch Briefe, oder scheuen Sie sich Ihr Geständnis schriftlich in meine Hand zu legen, – da ich doch mein ganzes Lebensglück und meine Ruhe in Ihre Hände lege? Oder wie? – sollte sich Ihr Herz vielleicht täuschen, wäre das, was Sie jetzt fühlen, nur noch die Sehnsucht zu lieben, nicht die Liebe selbst – und ich nur der erste bedeutende Gegenstand, der dem Drang Ihrer Gefühle in den Weg gekommen ist, besonders da Ihnen mein Herz zu gleicher Zeit entgegenkam, und nicht der Mann, zu dem Ihr Herz Sie frei mit der ganzen Macht der ersten Liebe zieht? Für eine Möglichkeit halten Sie es doch, das haben Sie mir selbst gestanden, daß Sie durch gewöhnliche Verhältnisse und Hindernisse gezwungen werden könnten, nicht die Meinige zu werden, und einen andern zu wählen; das ist sonst nicht die Sprache der ersten Liebe, oder sollte denn die Zeit so ganz aus ihren Fugen getreten sein, daß auch die ersten und heftigsten Gefühle so unvollkommen sind, daß sie nicht Kraft genug haben, sich gegen den Drang widriger Verhältnisse zu stemmen, daß Ihnen sogar der Wille dazu fehlt? In jedem Fall prüfen Sie sich genau, meine Toni. Ich werde Sie deswegen doch verehren, Sie werden mir ewig unvergeßlich bleiben, aber berechnen Sie, wie unglücklich ich wäre, wenn ich Sie so verlieren müßte? Sie, die ich mit jedem Tage mehr liebe, die mir mit jedem Tage unentbehrlicher wird. Sie werden böse sein auf mich, seien Sie es nicht, es ist meine Pflicht, Ihnen diesen Spiegel vorzuhalten, und wenn Sie finden, daß es eine Möglichkeit wäre, daß ich recht gesehen habe, so schreiben Sie mir es, denn ich will lieber mich als Sie unglücklich wissen. ewig Ihr

Ferdinand.

Liebe teure Antonie!

1820.

Ich ergreife in dieser Welt, vielleicht zum letztenmal, die Feder, um an ein Mädchen zu schreiben, das durch eine so reine Liebe wie die Ihrige an mein Herz gebunden ist. Die Rolle meiner edleren Gefühle in diesem Punkte ist ausgespielt, meine Ideale, meine Phantasien entschwinden meinen Blicken, und meine Verhältnisse übergeben mich einer Wirklichkeit, welche, obwohl ich sie selbst geschaffen, mir doch so fremd vorkommt, als hätte ihre Existenz ich nie geahndet, vielweniger gewünscht. Und doch – soll es so sein, ist es so, ich opfere die letzten Reste meiner Zufriedenheit dem Verhältnisse meiner Ehre und meines zu rasch gegebenen Wortes auf, und so nehme ich denn vor den Gesetzen der Welt von Ihnen, meine teuere Antonie, auf ewig Abschied, verzeihen Sie einem Menschen, den die bösen Mächte seines Schicksals lenken, streuen Sie durch das Bewußtsein Ihrer Freundschaft und Vergebung die letzten Blumen auf den Dornenpfad seiner Wanderung. Daß Ihr Andenken in meinem Herzen fortleben wird, so lange meine Seele wohltätige Bilder vor ihr Auge zaubern kann, muß ich Sie nur bitten mir zu glauben, denn fordern darf ich es nicht, denn wie können Sie mir Unwürdigen etwas glauben, da ich mir selbst nicht mehr glauben darf. Die Zeit wird Ihre Wunde heilen und Sie werden mit reinem Blicke sich eines vorübergegangenen Sturmes freuen; daß Ihre Leidenschaft entfliehen muß, bin ich gewiß, doch daß das Andenken an mich gänzlich aus Ihrer Seele schwindet, fürchte ich nicht.

Behalten Sie mein Bild als ein Andenken an einen Freund, der die höchste Achtung für Sie fühlt, und der nur dann zufriedener werden kann, wenn er einst hören wird, daß Sie glücklich sind; möchten Sie es doch so werden, als es Ihr edles Herz verdient, möchte Sie Freundschaft und Liebe in der Welt nicht so oft täuschen wie mich, und möchten Sie nie wie ich jetzt das unangenehme Gefühl in Ihrem Busen tragen, daß Sie einer Tat sich schuldig wissen, die Sie von andern so gekränkt, und welche Sie in Ihrem Innern so verabscheut haben. Leben Sie wohl zum letztenmal, liebe, liebe Antonie, und verzeihen

Ihrem unglücklichen Freund Raimund.

11. Sept. 1821.

Gute, brave Toni!

Die ersten Strahlen der heutigen Sonne finden mich wach, und was kann mein erster Gedanke sein –? Du! Mein Leben, mein Alles!! Freude strahlt mir der junge Tag entgegen, denn er verkündet mir die Wonne, an Deinem Busen das Geständnis meiner Treue abzulegen, darum preis ich sie hoch, die ersten Strahlen der heutigen Sonne – doch – was sind für mich die letzten entschwindenden Strahlen des gestrigen Abends, des 10. September?

Heilige Mutter Gottes, segensreiche Frau, bewache mit Deinen himmlischen Blicken das Glück meiner guten Antonie, nimm unseren Schwur auf in Deinen Schoß; bewahre die Reinheit ihres Herzens, wende die Pfeile der Verführung ab von ihrer Brust, oder stähle sie mit Liebe gegen mich, und laß sie nie vergessen auf ihren Ferdinand. Dafür habe ich Dir gestern in meinem Innern gelobt, alle Jahre, so lange mich nicht viele, viele Meilen von der Dir geheiligten Säule trennen, an der wir uns gestern vor Deinem himmlischen Auge verbanden, am 10. September zum Andenken des mir unvergeßlichen Tages eine halbe Stunde im Gebete an ihrem Fuße zuzubringen, und werde es heilig halten, denn es ist das erste und einzige Gelübde dieser Art, das ich in meinem Leben gemacht habe. Und sollte doch einst ein fluchbeladenes Jahr die Stunde heraufbringen, in der ich Dir kein Dankgebet mehr für die Treue meiner Toni, was ich in diesem Augenblicke jetzt fürwahr nicht fürchte, bringen kann, so werde ich Deine sanfte Heiligkeit nicht zur unedlen Rache auffordern, ich werde meine Wanderungen zu Deiner Säule nicht aufgeben, sondern mein Gebet wird sich wenden und Dich bitten, die Leiden meiner Seele durch einen wohltätigen Schlummer zu enden. Sollte uns aber das Glück werden, daß wir vereint auf immer miteinander durchs Leben wandeln dürfen, so soll unser erster Weg zu ihr sein. Und eine neue, schönere Säule will ich auf dem nämlichen Platze Dir setzen lassen, zum Andenken zweier guten Menschen, deren Herzen nicht untergegangen im Sündenwirbel der größeren Welt. Dies gelobe ich heilig. Amen!

Und nun zu Dir, Du Kleinod meiner Seele! Ich kann heute nicht von Dir scheiden, ohne Dir den heißesten Dank für die seligen Stunden dieser drei unvergeßlichen Tage, die ich an Deiner Seite zubrachte, aus redlichem Herzen darzubringen. Nie wird Dein Ferdinand an Dir undankbar handeln. Wie teuer mir mein Schwur ist, siehst Du aus der Feierlichkeit, mit der ich den Augenblick aufgefaßt habe. Meine Liebe zu Dir muß vor Gott und den Menschen schön und gerecht sein, denn ich fühle es, sie hat, und wird noch immer mehr, einen guten, frommen Menschen aus mir machen, und einen schöneren Beweis kann es nicht geben, und eben darum bist Du mir doppelt teuer, weil Du mich in jeder Hinsicht meinem Himmel näher bringst.

Nun eine Bitte: Zum Andenken unseres Schwures sticke mir zu meinem Namenstage eine Mutter Gottes, die ich zu meinem Bett hängen werde. Ich werde Dir eine schöne malen lassen, und in einem goldenen Rahmen wie mein Porträt übergeben. Zum Andenken dieser Stunde und Deines Gebetes. Lebe wohl und vergiß mich nicht, wenn Du in Dein Reich kommst –? verstehst Du?

Ewig Dein Ferdinand.

(Gib diesen Brief nie von Dir.)


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