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Wilhelm Waiblinger an Julie Michaelis

Die mitgeteilten Briefe schrieb Waiblinger 1824, sie vergegenwärtigen die wilde, unvergorene Genialität des schon mit 26 Jahren hingerafften Dichters. S. Südd. Monatsh. I, 12.

O wie ist mir diesen Abend! meine Julie! wie ich die Treppen hinaufsprang und meines Zellers Türe öffnete, und die lange Gestalt auffuhr und wir uns die Hände drückten, wie er mir's so ansah, daß ich glücklich war, und ich nun in meine Tasche langte und ihm das Obst in die Hand preßte und rief: von ihr! von ihr! wie wir nun auf die Altane hinabgingen und Arm in Arm umher wandelten, und ich ihm erzählte, alles, alles erzählte, was ich in Worte fassen konnte, was Sie mir zu erzählen erlauben würden, und er das Unaussprechlich stumm mir aus dem Auge las und ich seine nervigte Hand an die flammende Wange drückte –! Julie! Julie! und ich doch so ruhig war und so zufrieden, so ganz ohne Sehnsucht, so ganz befriedigt!

Und mit welcher Befreundung ich meinen acht Schüsselgenossen Suppe in die hergestreckten Teller schöpfte. Wie mir alles so nah ist, und so verwandt, und die ganze Natur wie ein unbegreiflich Instrument, auf dem ich die namenlose Ouvertüre zu meiner ewigen Seligkeit auf einem andern Sterne spiele. – Nein! ich schwärme nicht, ich bin ja so besonnen und so klar und kann mir Rechenschaft geben über alles, was über mir, in mir und außer mir vorgeht!

Oh, und wenn ich denke, daß auch Sie heute glücklich, befriedigt schienen, daß mein Geist und meine Liebe hineinleuchte in die Sternennacht Ihres Herzens! ... Morgen früh! Julie! nur einen guten Morgen! und nun eine gute Nacht! Liebste, Teuerste! eine gute Nacht!

Waiblinger.

Ich muß, ich muß Dir schreiben. Dieser Abend war himmlisch! O Julie, was sah ich all' aus Deinem Auge, Du Herz, wie hast Du diesem Zwiespalt eine selige Einheit gegeben! Noch tiefer, noch ewiger bist Du mir heute verbündet worden, ja nun erst, Mädchen, will ich Dich unzertrennlich an mein gewaltiges Dasein binden!

Oh, wie war mir, als es so lange, so lange um mich Nacht war, bald irrt' ich unter den Gletschern der Jungfrau, bald schwelgt' ich in allem Gram der geschwundenen Zeiten – da kamst Du, glühend vor Schmerz, Tränen im Auge – mich überlief's – Julie – auf diese Freude des Kindes liefen Todesschauer über mein umnachtetes Herz – die Flamme in mir ward zu Eis – Tränen in Deinem Auge – in dem Augenblick, da ich von ihr scheiden wollte, da ich sie zum gränzenlosen Bund umarmen wollte, in diesem Augenblick vergaß sie das Überschwängliche der Stunde und weinte, weinte! Das Mädchen, das als Göttin meine Stunden regiert, weinte zagend und kleinmütig um das Ungewisse – Gott! Ich wollte bleiben, ich mußte bleiben, ich wollte beruhigt sein, wollte Ruhe in Dir sehen, Du verlangtest, ich sollte Dich verlassen – ich ging – Julie, draußen stand ich, der Regen träufelte kalt auf mich herab, er träufelte auf dieses heiße Herz – einen Augenblick starrte die Wut des Teufels um mich herum – sie, sie konnte Dir diese heilige, kindliche Freude zernichten – oh, weine, Du wütend Herz, Tod, Tod, so endete dieser Abend – zu trüb. Doch fort – Wahnsinn – Herr Gott!

Kühn sag ich's Dir, es verträgt sich nicht mit der Idee, die mein Geist seinem Geliebtesten gegeben – daß sie in solcher Stunde verzagte! Julie, Du darfst nicht so um den Onkel weinen – Du mußt mir's schwören, sonst werd ich rasend im Getümmel der Fremde – Du mußt ruhig sein. – Ich kann sein wie ein Lamm, wenn Du Deine Liebeswürde behauptest – wenn Du Dein Leben so ausfüllst, mit mir, wie ich das meine mit Dir, – aber ich – nein, nein! Du wirst mein Bestes wollen!

Bin ich Dir nicht so viel, das frage ich, daß Du mir die letzte Stunde –, ist Dir meine, meine Liebe nicht mehr als die Sorge für den Alten, die vielleicht ungegründet ist –? Julie, weißt Du, wie ich Dich liebe – wie? weißt Du, ob Du – ach, Fluch über diese Worte, sinnlos, bete, sei stark, sei würdig!

Das scheint wirklich zu sein, wie ich glaube, daß ich meine, Du dürfest nicht weinen für ihn, wenn ich scheiden will – ich meine nämlich, heilig, heilig sei diese Liebe und – ja! ja! ich gebe Dir ein Leben, ich fordere das Deine!


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