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Karl von Clausewitz an seine Braut Marie von Brühl

Ein Liebesbriefwechsel aus den Jahren 1806 bis 1810, mitgeteilt nach Karl Schwarz, Leben des Generals Karl von Clausewitz und der Frau Marie von Cl., geb. Gräfin von Brühl, Berlin 1878.

Den 30. August 1806.

Ich habe Sie nicht mehr sehen sollen; der Abschiedsbrief, den Sie von mir für eine andere Gelegenheit erhielten, sollte also wirklich ein Abschiedsbrief sein! Es würde mir sehr wohl getan haben, Sie noch einmal zu sehen, Sie noch einmal, geliebte Marie, fest an mein Herz zu drücken! Daß Sie gerade an dem Tage zurückkehren mußten, da ich noch in Ihrer Nähe und doch schon auf lange von Ihnen getrennt war. Es liegt fast etwas Hämisches in diesem Spiel des Zufalls, doch fühle ich dies weniger, weil der Blick starr in die verhängnisvolle Zukunft gerichtet ist. Ich kann und mag Ihnen nicht mein Innerstes ganz entwickeln, doch glauben Sie nicht, daß ich mutlos verzweifle. Gott wird mich vor diesem Zustand bewahren, so lange ein Funken Lebensglut in mir ist, und verachten werde ich jeden deutschen Mann, der dem Mute und den Hoffnungen entsagt, weil sie ihm in dem endlosen Elende seiner Lage nur den Busen beengen und zu gefahrvoller Tätigkeit anspornen. Diesem Frieden, den die Demut gibt, entsage ich auf ewig. Kann ich nicht frei und geehrt als Bürger eines freien und geehrten Staates leben und in Ihren Armen die goldene Frucht des Friedens genießen, so mag er meine Brust auf ewig fliehen.

Doch hinweg mit dieser ängstlichen Sprache! Lassen Sie mich froh sein und voll Zuversicht auf mein Glück! Bewährt sich dieses Glück, was mir bis jetzt lächelte, so kehre ich wieder glücklich zu Ihnen zurück. O Marie, welch ein Augenblick des freudigen Wiedersehens! Bis dahin soll mir der Gedanke, daß Sie mein sind, daß ich Sie meine Marie nennen darf, daß Sie selbst sich so genannt haben, daß Sie voll Liebe an mich denken, es sollen mir alle die seligen Bilder dieser reinen und schönen Liebe Ersatz sein für die bittere Trennung. Recht oft werde ich Sie im Geiste sehen, Ihnen in Ihr herrliches, freundliches Auge blicken, was mir so manche himmlische Empfindung erweckte!

Ob ich so glücklich sein werde, Ihnen schreiben zu können und von Ihrer geliebten Hand zuweilen einige Zeilen zu erhalten, weiß ich selbst noch nicht. Ich habe einmal bei Friederike einen leisen Versuch gemacht und Widerstand gefunden; da aber derselbe mehr scherzhaft war, so darf ich schon einen zweiten machen; indessen werde ich wissen, zu rechter Zeit abzustehen, im Falle die gute Friederike in Ihrer Ängstlichkeit ernstliche Bedenken finden sollte. Auf jeden Fall, denke ich, wird sie mir erlauben, ihr zuweilen zu schreiben; ob ich dann eine Antwort erhalten werde, muß ich Ihnen, teure Gräfin, anheimstellen.

Jetzt leben Sie wohl, meine innig geliebte Marie, ich muß abbrechen. Ihr Bild wohnt in meiner Seele, der Gedanke an Sie wird mir der treueste Begleiter durch das Leben sein!

Ellrich am Fuße des Harzes, den 3. Januar 1807.

Ich bin gesund an Körper, geliebte Marie, aber nicht an Geist. Wer pflegt die Wunden meines blutenden Herzens? von Dir sich losreißen, Marie, ist unaussprechlich bitter, von den Gedanken an Dich, ist unmöglich; dazu kommt, daß ich gar keine Reisepassion habe; mir ist ein tätiges Geschäftsleben, oder auch ruhiges Studium befriedigender. Doch würde mir es nicht unmöglich sein, mit sehr vielem Genuß zu reisen, aber dann wären zwei Bedingungen unerläßlich; die eine: ein freies Gemüt, die andere: die Gesellschaft meiner geliebten Freundin. Ich bin nichts weniger als unempfindlich gegen die Schönheiten der Natur, aber sie erinnern unaufhörlich an ein schuldloses, kindliches, freies Dasein, und da scheinen sie, wie der Chor in der Braut von Messina, ergriffen von dem ungeheuren Schicksal des Menschen, in dem Augenblick, da dieser nach Freiheit des Gemütes ringt, ihm erneut in die Seele zu rufen:

Brechet auf, ihr Wunden, rinnet, rinnet!
In schwarzen Strömen stürzet empor, ihr Ströme
des Bluts!

Ferner ist unter allen Genüssen der Genuß der schönen Natur die Mitteilung am meisten bedürftig; über Gegenstände des Gefühls aber kann ich mich keinem anderen mitteilen als Dir. Denn alle Regungen meines Herzens fließen unaufhörlich zu dem einen Gefühle zusammen, was Du mir gabst und dem alles Gute in mir so nahe verwandt ist. Wie oft betrachte ich die Locke, die Schrift, die Nadel, den Ring, alles, was ich von meiner Marie habe! Bei der Locke habe ich es oft bedauert, sie nicht bloß zu haben, um auf sie manchen heißen Kuß zu drücken. Bei dem Ringe sind mir die Worte tief in die Seele gegraben: Ich gebe ihn Dir, bis Du einst einen anderen von mir erhältst. O Marie, wie lieblich hallen diese Worte nach und mein Blick heftet sich unwillkürlich auf Dein seelenvolles Auge, wie die Phantasie es mir darstellt, und wie ich es oft, voll süßer Bedeutung für mich, sah. Lebe wohl, ich umarme Dich tausendmal, Marie, und drücke Dich an das Herz, was Dein auf ewig ist.

Gräfin Marie von Brühl an Carl von Clausewitz.

Berlin, den 6. April 1808.

Nie erhebe ich mein Herz zu Gott, ohne von dem Werte seines höchsten, unschätzbarsten Geschenkes tiefer durchdrungen zu sein. Wie könnte ich ihm danken für seine Wohltaten, ohne an die treue, schöne Liebe meines Carl zu denken, die mein teuerstes Gut auf Erden ist und die auch unter den traurigsten äußeren Verhältnissen mein Dasein ewig verschönern und beglücken wird. Religion und Liebe schienen mir immer so nahe verwandt; jetzt, da ich weiß, was Liebe ist, bin ich noch inniger überzeugt von dieser schönen Übereinstimmung; denn ich fühle mich frömmer durch meine Liebe und liebender durch meine Frömmigkeit. Wie fromm, wie gut man nicht erst werden muß durch eine ganz glückliche Liebe! Eine Stelle im Werther hat mich immer sehr gerührt, da er sich die Möglichkeit denkt, Lotte zur Frau zu haben, und sagt, dann würde sein ganzes Leben ein ununterbrochenes Dankgebet zu Gott sein. Diese Stelle fällt mir oft ein, wenn ich mir die Empfindungen vorstelle, die mein ganzes Wesen erfüllen würden, wenn ich an Deiner Seite säße als ein liebendes und geliebtes Weib und als eine glückliche Mutter! – Oh, dann reicht meine lebhafteste Phantasie nicht hin, um sich das Bild dieser Gefühle, dieses Glückes lebhaft auszumalen, und ich kann mich oft einer stillen Trauer nicht enthalten, daß wir so wenig Hoffnung haben, es bald und ungestört zu genießen. O könnte ich Dich jetzt in meine Arme schließen, könnte ich Dir in das schöne, seelenvolle, fromme Auge blicken, dann würde mir die Andacht klar so wie die Liebe, dann richtete ich den Blick dankend zum Himmel und es läge gewiß mehr Frömmigkeit, mehr wahre Andacht in diesem Blicke als in allem, was ich heute gehört habe, wo ich halb erstarrt vor Kälte in der Kirche saß und durch eine erbärmliche, fade französische Predigt innerlich noch mehr abgekühlt wurde. – – – Ich habe kürzlich den Wallenstein wieder gelesen. Wie herrlich, wie himmlisch, zart und rein sind Max und Thekla! So etwas kann doch nur ein Deutscher erfinden und fühlen.


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