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Adalbert Stifter an Fanni Greipl

Adalbert Stifters Liebe zu Fanny Greipl ging wegen seiner Aussichtslosigkeit unglücklich aus. S. Zeitschr. für die österr. Gymnasien Bd. 46, 1895.

Liebe teure Freundin!

Ich habe Dir versprochen oder besser gesagt, Du hast mir erlaubt, an Dich schreiben zu dürfen; und von dieser Erlaubnis mache ich daher Gebrauch, und sende Dir diese Zeilen von Wien, nebst meinem tausendfachen Gruß. Beinahe unerträglich ist mir wieder das Leben in Wien auf jene glückliche goldene Zeit, in welcher ich in so angenehmer Gesellschaft im Budweiser Kreise herumfuhr. Ich werde jener Tage in Ewigkeit nicht vergessen, es waren die schönsten Ferien meiner ganzen Studienzeit. Für jeden Menschen von Bildung und seinem Gefühl ist es ein inniges Lebensbedürfnis, sein Herz an andere Menschen anzuhängen, die er lieben, mit denen er in herzlichem Verkehre leben kann. Darum ist es mir bei euch so wohl, weil ich weiß, daß ihr mir alle gut seid, und weil ich das selige Gefühl genießen kann, euch recht von Herzen lieben zu dürfen. Vergiß nicht, liebe Fanny! auf das, was ich Dir in den Ferien sagte, es kam aus dem aufrichtigen Herzen Deines besten Freundes. – Doch das wirst Du längst vergessen haben, nur eines bitte ich Dich, spotte nie über meine Schwäche, es würde mich ungemein schmerzen, denn ich habe Dich wirklich recht mit ganzem Gemüte lieb, und ich werde Dich immer lieben. Ich weiß es ja, es ist mir ein liebliches Phantom, es ist mir ein Kartenhaus, an dem ich mich so sehr ergötze, doch mir ist dieses Phantom, dieses Kartenhaus so lieb, und mich wird der Wind sehr betrüben, der es gewiß über kurz oder lang umblasen wird. Wenn es eine Torheit ist, die ich begehe, so ist bloß jenes Herumfahren schuld, wo wir uns beide so nahe kamen – doch es mögen die Sachen stehen, wie sie wollen, über dies einzige sei überzeugt, daß ich stets Dein Freund in der vollen Bedeutung des Wortes bleiben, und nie zweideutig gegen Dich handeln werde, sondern jederzeit offen, redlich und wahr. Ich hätte Dir unendlich viel zu sagen, was man alles einem Briefe nicht einschalten kann. Schreibe ja gewiß, ich bitte Dich herzlich darum.

Wien, am 7. November 1828.

Stifter.

1. Oktober 1829.

Fanny, liebe, liebe Freundin, wenn ich den Gedanken denken sollte, daß wir uns einst trennen müßten – ich bitte Dich, übereile Dich nicht, wenn man Dir eine Partie vorführt – Du zerrissest mir das Herz, wenn ich Dich unglücklich wüßte – und doch, was wird es anders sein? – ein Fremdling wird kommen und mit kalter Hand Dein Herz dahinführen, das mich und Dich unendlich glücklich gemacht hätte. Er wird Dich nicht kennen, Dich nicht nach Verdienst würdigen können – und mir – mir bricht das Herz, wenn ich Dich in rohen liebeleeren Händen wüßte. Doch wenn irgend Treue und Glauben in der Welt ist, so bitte ich Dich, baue und traue auf mich, eher verlasse ich das Leben, als ich Dich verlasse. Wenn Du Mut hättest, und Vertrauen auf mein Ehrenwort oder, besser gesagt, auf meine Rechtschaffenheit! feste Ausdauer muß endlich zum Ziele führen.

Was mich betrifft, so wollte ich jede Kraft, die nur immer in mir liegt, aufregen zur Tätigkeit, ich will arbeiten, was ein Mensch arbeiten kann – aber Du müßtest aus Liebe und Vertrauen in mein Versprechen Dich selbst zum Lohne meiner Mühe aufsparen. Es muß doch einmal eine Zeit kommen, wo ich mit Ehren vor Deine Eltern treten könnte, und sie bitten, daß sie mir Dich als mein Liebstes auf Erden geben möchten. Dann soll deine Mutter ein Beispiel erleben, daß doch nicht jede Studentenliebe vergänglich sei. Denke nicht, Fanny, daß ich schwärme, nein, seitdem ich eine weitläufigere Unterredung mit dem Hofrate Sommer hatte (die Du nächstens erfahren sollst), seitdem ist es mein nüchterner, unabänderlicher Entschluß, Dich zu gewinnen, oder ich verlange mir sonst gar keine Anstellung und keine Freude auf der Welt. Freilich wirst du mir einwenden, es gehe zu lange her; aber ein starkes Gemüt steckt sich ein weites Ziel, allein es läßt nicht ab, bis es dasselbe erreicht – und wenn es wahr ist, wenn Du mich liebst, wie ich Dich, dann ist auch Dir das Ziel nicht zu weit, und die Ausdauer nicht zu lange.

Liebe teure Freundin!

Oberplan ist mir fürchterlich leer, und nur Du allein beschäftigst immer mein Herz – ein unsägliches Gefühl, halb Trauer und halb Seligkeit, ist seit der Vermählung Schifflers mit Marie in mir – zweier Menschen, deren Geschichte so enge mit unserer verbunden ist, und deren Glück so hart mit unserm Unglück kontrastiert, daß ich jenes Gefühl des tiefsten Mitleidens mit mir selber seit jenem Hochamte zu Christianberg nicht Meister werden kann. Seitdem weiß ich es, Du liebest mich noch – ich hab' es wohl gesehen, wie Du während der heiligen Handlung etwas zurücktratest, um Dich dem Anblick zu entziehen, und wie Du später verweinte Augen hattest, meinem Auge, das nur immer Dich suchte, ist es gar nicht entgangen, wie Dein Inneres in schweren, traurig schönen Erinnerungen arbeitete, und mein Herz sagte es mir, daß wir uns in diesem Augenblicke in gleichen Gefühlen begegnen. Du bist ein Engel, den ich nie verdiente, Du hast von Deinen Eltern die unerschöpfliche Herzensgute geerbt, mein heiliger Engel bist Du, so rein und gut – – und ich konnte das an Dir tun, was ich tat! Seit Du sagtest, Du habest dergleichen nicht von mir erwartet, und ich habe Dir erbarmt, seither ist ein Schmerz in mir so heiß und strafend, daß ich nichts als die Sehnsucht habe: könnte ich doch an Deinem unschuldigen, keuschen Herzen diese Last recht in bitteren Tränen ausweinen, ob's nicht doch Linderung gäbe. Als sie sagten: Du werdest Huber heiraten, fuhr der Geist der Eifersucht in mich, und da wurde der Plan gedacht, Dich und alle Vergangenheit zu vergessen, und weil der Schmerz doch zu nagen nicht aufhörte, so suchte ich, wie es in derlei Fällen immer zu gehen pflegt, in neuer Verbindung das Glück, das die alte erste versagte, und spiegelte dem verwaiseten Gefühle vor: nun bist Du ja geliebt und glücklich – – – ach, und ich war es doch nicht. Es gibt nur eine, eine einzige Liebe, und nach der keine mehr. Gekränkte Eitelkeit war es – zeigen wollt' ich Eurem Hause, daß ich doch ein schönes, wohlhabendes und edles Weib zu finden wußte– – ach, und hätte über dem Experimente bald mein Herz gebrochen. Je weiter zur Vermählung hin ich es mit Amalien kommen ließ, desto unruhiger und unglücklicher ward ich. Dein Bild stand so rein und mild im Hintergrund vergangener Zeiten, so schön war die Erinnerung, und so schmerzlich, daß ich, als ich Amalien das Wort künftiger Ehe gab, nach Hause ging, und auf dem Kissen meines Bettes unendlich weinte – um Dich. Du warst ja doch immer trotz meiner vorsätzlichen Selbstverhärtung die Braut meiner Seele – Du warst doch immer die Heiligt, zu der mein besseres Innere betete – und wie oft suchte ich Deine Briefe hervor und las sie alle durch. Erst als ich stark genug war, das neue Band zu zerreißen und ihr alles zu sagen, und aus meiner Selbstquälung zu klarerem Entschluß zu kommen – erst da, als Amalie sagte: Ich danke Ihnen für Ihre Aufrichtigkeit, und achte Sie, daß Sie Ihrer ersten Liebe treu blieben usw., erst dann kehrte wieder ein unendlich süßer Friede in mein Herz, als hättest Du gesagt: ich liebe Dich ja noch, und verkenne Dein gutes Herz nicht. Ich habe dieses alles nicht etwa gesagt, um mich zu rechtfertigen, nein, sondern mein Benehmen zu erklären. Hätte ich Dein einfaches, schuldloses Gemüt, so hätte ich still geduldet, nicht durch Trotz mein Herz herabgewürdigt, und einem anderen Wesen Kummer verursacht. Freilich sagen die Leute: du hattest nichts gegen sie gefehlt, euer Vertrag war ja aufgehoben – als ob ein Herzensbündnis mit Worten zu Null gemacht werden könnte! Wäre es von mir bloße Untreue gewesen, warum hätte ich dann plötzlich wieder gebrochen? als weil mir mein Verstand sagte, ich soll nicht mich und sie unglücklich machen; denn ich liebte sie nicht, und sollte mir ihr Kuß Wohlgefallen sein, so mußte ich mir Deine Lippen dazu denken.– – Aber gut, alles ist vorüber, und diese Begebenheit hat neuerdings gezeigt, wie unbesiegbar meine Liebe zu Dir ist, sie ist die letzte Verirrung meines Gefühls gewesen, und hat aber das Gute bewirket, daß ich nun sanft und stille sein will, und in reiner schöner Liebe Dein Bild in mir aufhängen und schmücken werde mit der liebreichsten Verehrung immer und immerfort. Ich fühle jetzt schon eine solche Zufriedenheit mit mir, wie ich sie seit zwei Jahren nicht gehabt habe, und ich fühle, wie sie immer steigen wird. Nun noch eins: wenn Du ein Herz, das so hart von seinem wahren Ziele irrte, das aber bereute und umkehrte, nicht verschmähen willst, wenn Deine Güte noch einen Rest alter Liebe und Zärtlichkeit aufbewahrt, so nimm meine Liebe, die ich Dir als eine demütige Gabe anbiete, wieder an, und heile meine Wehmut mit freundlicher Zärtlichkeit – ich weiß, was ich Dir dann schuldig bin, und nie, so lange ich lebe, soll ein unsanftes Wort Dein Herz betrüben, oder eine Handlung Dein Gemüt verletzen. Kein Mann auf Erden liebt Dich mehr als ich, weil Dich keiner mehr kennt, als ich – und keiner kann Dich glücklicher machen. Sagst Du ja (und Du wirst es, weil Du so gut bist), so werde ich mit Deinen Eltern reden, und ihnen dartun, daß eine Verbindung zwischen uns ganz und gar nicht ungereimt sei, und um ihre Einwilligung bitten. Sagst Du aber, Du liebest mich nicht mehr, so will ich es leiden, wie auch das Herz wehe tue, und will nur allein Dich zur Braut meiner Ideen machen, und Dich fort lieben, bis an meinen Tod. Ich schrieb dies alles, weil ich fürchte, daß zu einer Unterredung keine Zeit ist. Übrigens will ich keineswegs, daß dieses Blatt ein Geheimnis bleibe zwischen uns, im Gegenteil, berate Dich mit Deiner Mutter, und bitte sie, daß sie mit mir rede.

Lebe wohl, ich bin ewig
Dein Dich innigst liebender Freund
Oberplan, am 20. August 1835.
A. Stifter.

Stifter an seine Frau Amalia.

Zwischen 1850 – 1860.

Mein Gefühl hat sich sehr geändert, es ist um vieles wärmer, anhänglicher und unauslöschlicher geworden; mit jedem Tage, seitdem wir verbunden sind, ist meine Liebe zu Dir gewachsen. – Du sagst immer, Du könntest nicht schreiben, und schreibst mir einen Brief, den der erste Dichter unseres Volkes nicht schöner zu schreiben imstande wäre. Gezierter und geschraubter könnte er schreiben, wahrer und heiliger nicht. Du kennst überhaupt Deinen Wert nicht, wie ich Dir oft sagte; ich aber kenne und ehre ihn. – wenn ich andere Frauen betrachte, selbst die besten, wie weit stehst Du über ihnen! – Du hast mir alles Liebe in größerem Maße zu Teil werden lassen, als ich es verdiente; ich werde Dich ehren und lieben, so lange ich lebe und Gott bitten, daß er uns noch eine Zeit zusammen gönne und keines zu lange einsam auf dieser Welt lasse. Die Verbindung mit Dir ist das Glück meines Lebens geworden. – Mein ganzes Herz, mein ganzes Wesen sende ich Dir zum Gruß, Du bist ja mein teuerstes, Du bist ja mein einziges Gut auf dieser Welt!


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