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Bettina Brentano an Goethe

Bettinas breites Liebesleben, voll von Schwärmereien und Extravaganzen, kulminiert in ihrem Verhältnis zu Goethe. Der Dichter duldete ihre leidenschaftlichen Empfindungen, aber doch nur in kühler Reserviertheit. So viel Bettina auch hineingedichtet haben mag, eine gewisse Authentizität wird ihren Briefen nicht abzusprechen sein. S. Bettina von Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, 1835.

Du, der die Liebe erkennt und die Feinheit der Sinne, oh, wie alles so schön in Dir; wie rauschen die Lebensströme so kräftig durch Dein erregtes Herz und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen Deiner Zeit und brausen mit, daß Berg und Tal rauchen von Lebensglut, und die Wälder stehen mit glühenden Stämmen an Deinen Gestaden; und alles, was Du anblickst, wird herrlich und lebendig. Gott, wie gern möcht' ich jetzt bei Dir sein! und war ich im Flug, weit über alle Zeiten, und schwebte über Dir: ich müßte die Fittich senken und mich gelassen der stillen Allmacht Deiner Augen hingeben.


Wenn ich abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büste erleuchten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht, hier und dort, ein Hund bellt, ein Hahn schreit: – ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will. – Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen; ich möchte mich an Dein Herz drücken; – ich fühl', daß meine Seele lodert. – wie die Lust so fürchterlich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen denn grad' meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer. Lieber, lieber Goethe! – dann löst mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinströmende Mondstrahl. Du bist groß und herrlich und besser als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt hab'. – Dein ganzes Leben ist so gut.

... Wartburg, den 1. August in der Nacht.

Freund, ich bin allein; alles schläft, und mich hält's wach, daß es kaum ist, wie ich noch mit Dir zusammen war. Vielleicht, Goethe, war dies das höchste Ereignis meines Lebens; vielleicht war es der reichste, der seligste Augenblick; schönere Tage sollen mir nicht kommen, ich würde sie abweisen.

Es war freilich ein letzter Kuß, mit dem ich scheiden mußte, da ich glaubte, ich müsse ewig an Deinen Lippen hängen, und wie ich so dahinfuhr durch die Gänge unter den Bäumen, unter denen wir zusammen gegangen waren, da glaubte ich, an jedem Stamme müsse ich mich festhalten, – aber sie verschwanden, die grünen, wohlbekannten Räume, sie wichen in die Ferne, die geliebten Auen, und Deine Wohnung war längst hinabgesunken, und die blaue Ferne schien allein mir meines Lebens Rätsel zu bewachen; – doch die mußt' auch noch scheiden, und nun hatt' ich nichts mehr als mein heiß' Verlangen, und meine Tränen flossen diesem Scheiden; ach, da besann ich mich auf alles, wie Du mit mir gewandelt bist in nächtlichen Stunden, und hast mir gelächelt, daß ich Dir die Wolkengebilde auslegte, und meine Liebe, meine schönen Träume, und hast mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter im Nachtwind, der Stille der fernen, weitverbreiteten Nacht. – Und hast mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Atem empfunden, am Ton Deiner Stimme, an etwas, wie soll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmst in ein inneres, geheimes leben, und hattest Dich in diesem Augenblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als mit mir zu sein; und dies alles, wer wird mir's rauben? – was ist mir verloren? – Mein Freund, ich habe alles, was ich je genossen. Und wo ich auch hingehe – mein Glück ist meine Heimat...

G., 17. September

Geheimnisse umschwebend Liebende, sie hüllen sie in ihre Zauberschleier, aus denen sich schöne Träume entfalten. Du sitzest mit mir auf grünem Rasen, und trinkst dunklen Wein aus goldnem Becher, und gießest die Neige auf meine Stirn. Aus diesem Traum erwachte ich heute, voll Freude, daß Du mir geneigt bist. Ich glaube, daß Du teil an solchen Träumen hast; daß Du liebst in solchen Augenblicken; wem sollte ich sonst dies selige Sein verdanken, wenn Du mir's nicht gäbst! – Und wenn ich denn zum gewöhnlichen Tag erwache, dann ist mir alles so gleichgültig, und was mir auch geboten wird, – ich entbehre es gern; ja ich möchte von allem geschieden sein, was man Glück nennt, und nur innerlich das Geheimnis, daß Dein Geist meine Liebe genießt, so wie meine Seele von Deiner Güte sich nährt...

Bettine.

Schlangenbad, 17. August.

Nur das sei mir gegönnt! – und ach, es wird mir nicht leicht, es auszusprechen, was ich will, wenn mich manchmal der Atem drückt, daß ich laut schreien möchte.

Es überfliegt mich zuweilen in diesen engbegrenzten Gegenden, wo die Berge übereinander klettern und den Nebel tragen und in den tiefen kühlen Tälern die Einsamkeit gefangen halten, ein Jauchzen, das wie ein Blitz durch mich fährt. – Nun ja! – das sei mir gegönnt: daß ich dann mich an einen Freund schließe, – er sei noch so fern, – daß er mir freundlich die Hand aufs klopfende Herz lege und sich seiner Jugend erinnere. – Oh, wohl mir, daß ich Dich gesehen hab'! Jetzt weiß ich doch, wenn ich suche und kein Platz mir genügt zum Ausruhen, wo ich zu Haus bin und wem ich angehöre. Etwas weißt Du noch nicht, was mir meine liebe Erinnerung ist, obschon sie seltsam scheint. – Als ich Dich noch nie gesehen hatte, und mich die Sehnsucht zu Deiner Mutter trieb, um alles von Dir zu erforschen, – Gott, wie oft hab' ich auf meinem Schemel hinter ihr auf die Brust geschlagen, um meine Ungeduld zu dämpfen. – Nun: – wenn ich da nach Hause kam, so sank ich oft mitten im Spielen von Scherz und Witz zusammen, sah mein Bild vor dem Deinen stehen, sah Dich mir nah kommen, und wie Du freundlichst warst auf verschiedene Weise und gütig, bis mir die Augen vor freudigem Schmerz übergingen.

So hab' ich Dich durchgefühlt, daß mich das stille Bewußtsein einer innerlichen Glückseligkeit vielleicht manche stürmische Zeit meines Gemüts über den Wellen erhalten hat. – Damals weckte mich oft dieses Bewußtsein aus dem tiefen Schlaf; ich verpaßte dann ein paar Stunden mit selbsterschaffnen Träumen und hatte am End', was man nennt, eine unruhige Nacht zugebracht; ich war blaß geworden und mager, ungeduldig, ja selbst hart, wenn eins von den Geschwistern zur Unzeit mich zu einer Zerstreuung reizen wollte; dachte oft, daß, wenn ich Dich jemals selbst sehen sollte, was mir unmöglich schien, so würde ich vielleicht viele Nächte ganz schlaflos sein! – Da mir nun endlich die Gewißheit ward, fühlte ich eine Unruhe, die mir beinah unerträglich war. – In Berlin, wo ich zum erstenmal eine Oper von Gluck hörte (Musik fesselt mich sonst so, daß ich mich von allem losmachen kann), wenn da die Pauken schlugen, – lache nur nicht – schlug mein Herz heftig mit; ich fühlte Dich im Triumph einziehen; es war mir festlich wie dem Volk, das dem geliebten Fürsten entgegenzieht, und ich dachte: in wenig Tagen wird alles, was Dich so von außen ergreift, in Dir selber erwachen! – Aber da ich nun endlich, endlich, bei Dir war: Traum! jetzt noch: – wunderbarer Traum! – da kam mein Kopf auf Deiner Schulter zu ruhen, da schlief ich ein paar Minuten nach vier bis fünf schlaflosen Nächten zum erstenmal.

Siehst Du, siehst Du! – da soll ich mich hüten vor Lieb', und hat mir nie sonst Ruhe geglückt; aber in Deinen Armen, da kam der lang verscheuchte Schlaf, und ich hatte kein ander Begehren; alles andre, woran ich mich angeklammert hatte und was ich glaubte zu lieben, das war's nicht; – aber soll keiner sich hüten oder sich um sein Schicksal kümmern, wenn er das Rechte liebt; sein Geist ist erfüllt, was nützt das andere!


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