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Karl von Roeder an Henriette von Bernstorff

S. Gräfin Elise von Bernstorff, Berlin 1896. Der Brief weist in das Kulturleben des Adels im Anfang des 19. Jahrhunderts, eine redliche Werbung voll männlichen Feuers.

Teure, innigst verehrte Gräfin!

Es ist, wie Sie erfahren werden, nicht meine Wahl, daß ich Ihnen durch den toten Buchstaben und nicht mit lebendiger Rede, Ihrem teueren, holden Angesicht gegenüber, vor Gott dem Allwissenden sage, was mir das Herz so innig bewegt; sondern es ist ein höherer Wille, welchem wir beide in Ehrfurcht und Liebe uns zu unterwerfen haben, der es erheischt. Ich erkenne darin den Willen Gottes und hoffe getrost, daß, wenn es sein heiliger Wille ist, auch diese Zeilen an Ihr Herz dringen, und seine Allmacht die Ohnmacht meiner schriftlichen Darstellung gutmachen werde. Mit Erlaubnis Ihres Vaters und Ihrer teuern Pflegeeltern spreche ich gegen Sie das aus, was ich lange mit Mühe vor Ihnen zu verbergen suchte, da ich nicht zu hoffen wagte, daß Sie mein Gefühl teilen, noch daß Ihre verehrten Angehörigen mir erlauben würden, es gegen Sie auszusprechen, daß ich Sie, teure Gräfin Henriette, nämlich von ganzem Herzen liebe, hochschätze und ich es für das höchste Glück halten würde, wenn ich auf immer mit Ihnen vereint würde. Ich habe mich ernst im Gebet vor Gott geprüft und habe die feste Überzeugung, daß meine Liebe für Sie eine heilige, Gott wohlgefällige und darum dauernde sei; sonst würde ich mich nicht unterstehen, dieselbe gegen Sie auszusprechen. So anziehend und meinem Herzen wohltuend auch Ihre äußere Erscheinung ist, so ist es doch mehr die Frömmigkeit und Tugend, welche ich in Ihnen erkannt habe, die Sie mir so unaussprechlich teuer machen und mir ein frohes festes Vertrauen geben, daß der, welchem Sie Ihr Herz schenken, darin unwandelbare und treue Liebe und unaussprechlichen Trost finden werde.

Im Vertrauen auf Gott spreche ich Ihnen diese Gefühle aus; in seiner Hand liegt es, ob Sie dieselben teilen; aber ich wage es um so eher zu hoffen, da gerade an heiliger Stätte nach dem heiligen Abendmahl, als Sie mir die Hand reichten, in meinem Herzen das Gefühl entstand, als habe uns Gott zusammengeführt. Nur wenn Sie die gleiche Überzeugung hegen, nur wenn Sie wissen, daß unser Bund im Himmel geschlossen wird, weiß ich, werden Sie mir die Hand reichen, und diese Hand ist mir auch zu teuer, als daß ich sie anders als aus Gottes Händen empfangen möchte, wenn Sie mir aber Ihr Herz und Ihre Hand schenken, so werde ich in Demut es als das höchste Gnadengeschenk Gottes betrachten. Ich fühle tief, welches köstliche KIeinod es ist, wem der Herr ein tugendsames, gottesfürchtiges Weib beschert, und wieviel ein Mädchen einem Mann mit ihrer Hand gibt. Dieses Gefühl wird mit des Herrn Beistand, wie ich fest vertraue, mich in Freud und Leid begleiten, und ich werde nach Gottes Vorschrift Sie bis an das Ende meines Lebens so lieben, wie unser Heiland seine Kirche liebt.

Sie kennen, glaube ich, im allgemeinen meine Art, zu sein und zu denken, da ich mich immer offen über alles ausgesprochen habe. Manche meiner Fehler mögen Sie freilich nicht kennen; diese werden Sie aber, wenn Sie mich überhaupt lieben, auch mit Liebe ertragen, doch mit der heiligen Liebe, welche das Seelenheil des Geliebten über alles Zeitliche setzt und darum ihn nicht weichlich in Fehlern bestärkt, welche ihn von Gott entfernen. Es ist mein heiliger Vorsatz, wenn Sie mir Ihre Hand reichen, Gott immer recht dringend zu bitten, daß er meine Liebe zu Ihnen auch so lauter und rein sein lassen möge, daß mir das Glück Ihrer Seele das Teuerste und Höchste sei, damit wir in diesem gebrechlichen irdischen Leben nie den Pfad nach der ewigen Heimat verlieren und einst vor dem Throne Gottes noch die Stunde segnen mögen, die uns zusammenführte, wenn es anders so Gottes heiliger Wille ist. Alle andere Liebe, die nicht auf Gottes Ehre und Liebe zu den Menschen hinausgeht, vergeht; aber die Liebe, die in Gott ruht, wird nicht vergehen, wenn Himmel und Erde vergehen. Darum, wenn Sie mir Ihre teuere Hand reichen, so fasse ich dieselbe mit dem heiligen Gelübde, daß unsere Verbindung zu Gottes Ehre und zum Segen unserer Mitmenschen gereichen solle, daß wir, soviel es an uns ist, zur Förderung des Reiches Gottes beitragen wollen. Darin liegt eine Freude und ein Trost, welchen die Welt nicht kennt. Da Sie, teuere Gräfin Henriette, wenn Sie mir die Hand reichen, in alle Pflichten und Rechte mit eintreten, welche Gott durch mein vergangenes Leben mir auferlegt hat, so hätte ich gern ausführlich mit Ihnen hierüber gesprochen; allein die schriftliche Mitteilung ist so langsam, und ich muß mir das meiste, wenn Gott mich so glücklich macht, mir Ihr Herz zu schenken, zu mündlichen Mitteilungen vorbehalten.

Sie wissen, daß ich ein Christ, ein Edelmann und ein Offizier bin, daß ich in dem Kronprinzen nicht nur meinen Fürsten verehre, sondern auch ihn als Freund liebe; Sie werden fühlen, daß ich Ihnen nicht treu sein könnte, wenn ich in den Pflichten, welche diese Verhältnisse mir auferlegen, nicht treu wäre, und Sie werden einsehen, daß, wenn auch mein Herz mich immer zu Ihnen zieht und meine höchste Freude in Ihrer Nähe sein wird, dennoch meine Pflicht nach Gottes Willen mich von Ihnen entfernen kann.

Ich würde Ihrer Liebe nicht wert sein, wenn mir dieselbe nicht ein Antrieb würde, aus Dank gegen Gott desto treuer in allen Pflichten, desto bereiter zu Aufopferungen und desto begeisterter zu Taten zu werden, welche zu Gottes Ehre gereichen können.

Wie ich mir das häusliche Leben denke, werden Sie wissen, da Sie von Stollbergs viel gehört haben, wie es bei ihnen ist, und Sie wissen, daß gerade diese Art meinem Herzen am meisten anspricht. Ich habe in meinem Herzen die Kraft des Glaubens an Christum erfahren und möchte um aller Schätze der Welt willen, auch sogar um Ihrer Liebe willen, ihn nicht verleugnen, sondern will ihn treu bekennen bis an das Ende, liebe Sie auch gerade darum, weil ich weiß, daß Ihr Herz auch von dieser Liebe zu Christo erfüllt ist.

Diese Liebe wird, wenn es des Herrn Wille ist, daß wir zusammengeführt werden, unsere Liebe rein und edel erhalten, uns immer kindlicher und freudiger machen, unser Herz für die Gabe dankbar erhalten; doch so, daß wir darüber nicht des Gebers vergessen, sondern, daß er uns lieber bleibt als alles.

Nun, teuere, verehrte Gräfin Henriette, halte ich es für meine Pflicht, so noch auf etwas in meiner Lage aufmerksam zu machen, nämlich, daß ich gar kein Vermögen besitze und mein Gehalt mit dem, was die Güte Ihres teueren, verehrten Vaters uns vielleicht gibt, nur zureichen kann, uns ein sehr beschränktes Einkommen zu geben. Ich meinerseits habe von Jugend an in einer beschränkten Lage gelebt, habe auch gar keine äußeren Bedürfnisse, so daß für mich kein Opfer darin liegen kann; anders ist es bei Ihnen.

Obgleich ich nun die Überzeugung habe, daß, wenn Sie mich so lieb haben wie ich Sie, und wir in Gottes Namen alles tun, auch Gott darüber hinweghelfen und Entbehrungen uns auch zum Segen gereichen werden, so glaube ich doch, Sie darauf aufmerksam machen zu müssen.

Ich habe Ihnen, teuere, verehrte Gräfin, nun in der Kürze die innigsten Wünsche meines Herzens und meine Stellung gegen Gott und die Welt gesagt und lege nun alles getrost in die Hände Gottes, der unser beider Vater ist. An Gottes Segen ist alles gelegen, prüfen, erwägen und entscheiden Sie, wenn nicht, wie ich zu hoffen wage, Ihr Herz schon ebenso entschieden ist wie das meinige.

Wie aber auch Ihre Entscheidung ausfallen möge, so trauen Sie fest darauf, daß meine Liebe und Ehrerbietung für Sie nicht aufhören wird, und daß ich Ihr treuer Freund sein werde, wenn Sie mir nicht Ihr Herz und Ihre Hand schenken könnten. Es würde ein tiefer Schmerz für mich sein; aber die liebende Hand Gottes würde mich nicht ohne Trost lassen, da der Herr im ewigen Vaterlande doch allen den Seinigen eine ewige Heimat bereitet hat, zu der ich freilich gern an Ihrer teueren Hand durch dieses Pilgerleben ging. Amen! Dem Herrn sei alles befohlen. In seiner heiligen Liebe und in seiner treuen Nachfolge mögen wir leben und sterben, es sei vereint oder einzeln, von ganzem Herzen.

Berlin, den 4. Juni 1822, 2 ½ Uhr morgens.

Ihr
Sie verehrender
Karl von Roeder.


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