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Robert Schumann an Clara Wieck

Die Briefe zwischen Clara Wieck und Robert Schumann sind zuerst von Berthold Litzmann veröffentlicht worden. (Clara Schumann, Ein Künstlerleben, Leipzig 1902 ff.). In ihrer Innigkeit müssen diese Briefe zu den köstlichsten Schätzen unserer Literatur gerechnet werden. Die Festigkeit, mit der Clara in ihrer Liebe ausdauerte, ist bewundernswert.

Leipzig, den 11. Februar 1837.

Mein holdes, geliebtes Mädchen, nun setze Dich zu mir, lege Deinen Kopf ein wenig auf die rechte Seite, wo Du so lieb aussiehst, und lasse Dir manches erzählen.

So glücklich bin ich seit einiger Zeit, wie fast nie vorher. Es muß Dir ein schönes Bewußtsein sein, einen Menschen, den jahrelang die fürchterlichsten Gedanken zernagen, der mit einer Meisterschaft die schwarzen Seiten aller Dinge herauszufinden wußte, vor der er jetzt selbst erschrickt, der das Leben wie einen Heller hätte wegwerfen mögen, daß Du diesen dem hellen frohen Tag wiedergegeben hast. Mein Innerstes will ich Dir offenbaren, wie ich es noch Niemandem gezeigt habe. Du mußt alles wissen, Du mein Liebstes neben Gott. Mein eigentliches Leben fängt erst da an, wo ich über mich und mein Talent klar geworden, mich für die Kunst entschieden, meinen Kräften eine wirkliche Richtung gegeben hatte. Also vom Jahre 1830 an, Du warst damals ein kleines eignes Mädchen mit einem Trotzkopf, einem Paar schöner Augen, und Kirschen waren Dein höchstes. Sonst hatte ich niemanden als meine Rosalie. Ein paar Jahre vergingen. Schon damals um 1833 fing sich ein Trübsinn einzustellen an, von dem ich mich wohl hütete, Rechenschaft abzulegen; es waren die Täuschungen, die jeder Künstler an sich erfährt, wenn nicht alles so schnell geht, wie er sich's träumte. Anerkennung fand ich nur wenig; dazu kam der Verlust meiner rechten Hand zum Spielen. Zwischen allen diesen dunkeln Gedanken und Bildern hüpfte mir nun und allein Deines entgegen; Du bist es, ohne es zu wollen und zu wissen, die mich so gar eigentlich schon seit langen Jahren von allem Umgang mit weiblichen Wesen abgehalten. Wohl dämmerte mir schon damals der Gedanke auf, ob denn Du gar vielleicht mein Weib werden könntest; aber es lag noch alles in zu weiter Zukunft; wie dem sei, ich liebte Dich von jeher so herzlich, wie es unser Alter mit sich brachte. Viel andrer Natur war die Liebe zu meiner unvergeßlichen Rosalie; wir waren gleichaltrig; sie war mir mehr als Schwester, aber von einer Liebe konnte nicht die Rede sein. Sie sorgte für mich, sprach stets zu meinem Besten, munterte mich auf, kurz, hielt große Stücke auf mich. Und so ruhten denn meine Gedanken am liebsten auch auf ihrem Bilde aus. Dies war im Sommer 1833. Dennoch fühlte ich mich nur selten glücklich; es fehlte mir etwas; die Melancholie, durch den Tod eines lieben Bruders noch mehr über mich herrschend, nahm auch noch immer zu. Und so sah es in meinem Herzen aus, als ich den Tod von Rosalien erfuhr. – Nur wenige Worte hierüber, – – in der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1833 kam mir auf einmal der fürchterlichste Gedanke, den je ein Mensch haben kann, – der fürchterlichste, mit dem der Himmel strafen kann – der, »den Verstand zu verlieren« – er bemächtigte sich meiner aber mit so einer Heftigkeit, daß aller Trost, alles Gebet wie Hohn und Spott dagegen verstummte. – Diese Angst aber trieb mich von Ort zu Ort – der Atem verging mir beim Gedanken, »wenn es würde, daß Du nicht mehr denken könntest« – Clara, der kennt keine Leiden, keine Krankheit, keine Verzweiflung, der einmal so vernichtet war – damals lief ich denn auch in einer ewigen fürchterlichen Aufregung zu einem Arzt – sagte ihm alles, daß mir die Sinne oft vergingen, daß ich nicht wüßte, wohin vor Angst, ja daß ich nicht dafür einstehen könnte, daß ich in so einem Zustand der äußersten Hilflosigkeit Hand an mein Leben lege. Entsetze Dich nicht, mein Engel Du vom Himmel; aber höre nun, der Arzt tröstete mich liebreich und sagte endlich lächelnd: »Medizin hülfe hier nichts; suchen Sie sich eine Frau; die kuriert Sie gleich.« Es wurde mir leichter; ich dachte, das ginge wohl; Du kümmertest Dich dazumal wenig um mich, warst auch auf dem Scheidewege vom Kind zum Mädchen. – Da nun kam Ernestine – ein Mädchen, so gut, wie die Welt je eines getragen. – Die dachte ich, ist es; die wird Dich retten. Ich wollte mich mit aller Gewalt an ein weibliches Wesen anklammern. Es wurde mir auch wohler – sie liebte mich, das sah ich – Du weißt alles – die Trennung, daß wir uns geschrieben haben, uns Du genannt usw. Es war im Winter 1834. Als sie nun aber fort war, und ich zu sinnen anfing, wie das wohl enden könne, als ich ihre Armut erfuhr, ich selbst, so fleißig ich auch war, nur wenig vor mir brachte, so fing es mich an wie Fesseln zu drücken – ich sah kein Ziel, keine Hilfe – noch dazu hörte ich von unglücklichen Familienverwicklungen, in denen Ernestine stand und was ich ihr allerdings übelnahm, daß sie mir es so lange verschwiegen hatte. Dies alles zusammengenommen – verdammt mich – ich muß es gestehen, ich wurde kälter; meine Künstlerlaufbahn schien mir verrückt; das Bild, an das ich mich zu retten klammerte, verfolgte mich nun in meine Träume wie ein Gespenst; ich sollte fürs tägliche Brot wie ein Handwerker nun arbeiten; Ernestine konnte sich nichts verdienen; ich sprach noch mit meiner Mutter darüber und wir kamen überein, daß dies nach vielen Sorgen nur wieder zu neuen führen würde.

Am 13. August 1837.

Sind Sie noch treu und fest? So unerschütterlich ich an Sie glaube, so wird doch auch der stärkste Mut an sich irre, wenn man gar nichts von dem hört, was einem das Liebste auf der Welt. Und das sind Sie mir. Tausendmal habe ich mir alles überlegt und alles sagt mir: Es muß werden, wenn wir wollen und handeln. Schreiben Sie mir nur ein einfaches Ja, ob Sie Ihrem Vater gerade an Ihrem Geburtstage (zum 13. September) einen Brief von mir selbst geben wollen. Er ist jetzt gut gegen mich gesinnt und wird mich nicht verstoßen, wenn Sie noch für mich bitten.

Dies schreib ich gerade am Tage Aurora. Wäre es, daß uns nur eine Morgenröte noch trennte. Vor allem halten Sie fest daran, es muß werden, wenn wir wollen und handeln.

Von diesem Briefe sagen Sie gegen niemanden; es könnte sonst alles verdorben werden.

Vergessen Sie also das »Ja« nicht. Ich muß erst diese Versicherung haben, ehe ich an etwas Weiteres denken kann.

Alles dies meine ich aus voller Seele so, wie es dasteht, und unterschreibe es mit meinem Namen

Robert Schumann.

Clara Wieck an Robert Schumann.

Leipzig, den 15. August 1837.

Nur ein einfaches »Ja« verlangen Sie? So ein kleines Wörtchen – so wichtig! Doch – sollte nicht ein Herz so voll unaussprechlicher Liebe, wie das meine, dies kleine Wörtchen von ganzer Seele aussprechen können? ich tue es und mein Innerstes flüstert Ihnen ewig zu.

Die Schmerzen meines Herzens, die vielen Tränen, konnt' ich das schildern – o nein! – vielleicht will es das Schicksal, daß wir uns bald einmal sprechen und dann – Ihr Vorhaben scheint mir riskiert, doch ein liebend Herz achtet der Gefahren nicht viel. Also abermals sage ich »Ja!« Sollte Gott meinen achtzehnten Geburtstag zu einem Kummertag machen? o nein, das wäre doch zu grausam. Auch ich fühlte längst »es muß werden«, nichts in der Welt soll mich irre machen, und dem Vater werd' ich zeigen, daß ein jugendliches Herz auch standhaft sein kann. Sehr eilig

Ihre
Clara.

Clara an Robert.

Leipzig, 20. September 1837.

Zweifeln Sie noch an mir? Ich verzeih' es Ihnen, bin ich doch ein schwaches Mädchen! ja schwach: aber eine starke Seele hab' ich – ein Herz, das fest und unveränderlich ist. Dies sei Ihnen genug, um jeden Zweifel zu unterdrücken.

Bis jetzt war ich immer sehr unglücklich, doch schreiben Sie mir ein Wort der Beruhigung unter diese Zeilen und ich werde sorglos in die weite Welt hinausgehen. Vater hab' ich versprochen, heiter zu sein und noch einige Jahre der Kunst und der Welt zu leben. So manches werden Sie von mir hören, mancher Zweifel wird sich bei Ihnen regen, wenn Sie dies oder jenes erfahren, doch dann denken Sie – alles das tut sie ja für mich! Könnten Sie jemals wanken? nun, – so hätten Sie ein Herz gebrochen, das nur einmal liebte.

Clara.

(Auf dem Umschlag: »Öffnen Sie, dann aber schicken Sie mir diese Zeilen zurück. Tun Sie es um meiner Ruhe willen.«)

Robert an Clara.

Leipzig 1837.

So himmlische Worte gibt man nicht zurück. Bei mir ist es ja auch sicher. Und nun kein Wort mehr vom vergangenen und das Auge ruhig und fest auf das eine Ziel unseres Lebens gerichtet! Mir aber vertraue, meine geliebte Clara, und diese tiefste Überzeugung meiner Stärke stärke auch Dich in allen Prüfungen. Meine letzte Bitte, ehe Du von mir gehst, – – wie Du mich im stillen wohl manchmal genannt, gib mir jetzt das inniger verknüpfende Du. Bist ja meine heißgeliebte Braut und später einmal – diesen Kuß noch – Adieu.

Dein Robert.

Robert an Clara.

Am 9. Oktober.

Dein »guten Abend« gestern, Dein Blick, als wir uns vor der Türe sahen, ich will es nie vergessen. Also diese Clara, dachte ich, dieselbe ist dein – ist dein, und du kannst nicht zu ihr, ihr nicht einmal die Hand drücken. Ob im ganzen Saal jemand war, der sich meinen Seelenzustand nur denken konnte? Kaum Du. Ich war tot und selig zugleich, müde zum Umsinken und fast jeder Tropfen Blutes eine Fieberwelle! Wie soll das werden? Vetter Pfund brachte mir noch einen »herzinnigen« Gruß von Dir – darauf schlief ich sanfter als die vorigen Nächte. Aber glaub' mir – ich bin recht krank, recht sehr krank, ein Schlag und ich falle um.

Was raubt mir auf einmal die Kraft zur Arbeit? Phantasiere ich am Klavier, so werden's Choräle, schreibe ich, so geschieht's ohne Gedanken – nur einen möchte ich überall mit großen Buchstaben und Akkorden hinmalen.

Clara.

Am 11. Oktober.

Ich mag nicht weiter denken und schreiben; aber Du weintest an meinem Herzen, da – Clara, Himmel und Hölle hast Du mir gestern gezeigt. Ob ich Dich denn liebe – und Du mich? Verlaß mich nicht, Du einziges Mädchen. Ich klammere mich an Dir fest; gibst Du nach, so ist es um mich geschehen.

Silvesternacht 1837, nach 11 Uhr.

Schon seit einer Stunde sitze ich da. Wollte Dir erst den ganzen Abend schreiben, habe aber gar keine Worte – nun setze Dich zu mir, schlinge Deinen Arm um mich, laß uns noch einmal in die Augen sehen, – still – selig –.

Zwei Menschen lieben sich auf der Welt. –

Eben schlägt es Dreiviertel. –

Die Menschen singen von ferne einen Choral – kennst Du die zwei, die sich lieben? Wie wir glücklich sind – Clara, laß uns niederknieen! Komm, meine Clara, ich fühle Dich – unser letztes Wort nebeneinander dem Höchsten – –

Am Ersten, morgens, 1838.

Welcher himmlische Morgen – die Glocken läuten alle – der Himmel ganz golden blau und rein – Dein Brief von mir –.

Also meinen ersten Kuß, meine geliebteste Seele! –

Am 3.

... Ich bin so ein ungeduldiger, unzufriedener, unausstehlicher Mensch manchmal, überhaupt hältst Du mich für viel zu gut – Dir gegenüber. Könnte ich nur wieder so recht fromm sein, wie sonst als Kind – ein recht selig Kind war ich da, wenn ich mir Akkorde zusammensuchte auf dem Klavier, oder draußen Blumen; die schönsten Gedichte und Gebete machte ich da – ich war selber eines. Nun wird man aber älter. Aber ich möchte mit Dir spielen, wie Engel zusammentun, von Ewigkeit zu Ewigkeit ...

Wie weit wir noch vom Ziele sind? – Es wird Dir noch manche schwere Stunde machen, manchen Kampf kosten – nun, ich habe ein gepanzertes starkes Mädchen, auf das man sich verlassen kann, das weiß ich. Deine Hand, Clara, an meine Lippen drücke ich sie.

Clara an Robert.

Karlsruhe, den 2. Februar 39.

...Ich sehe jetzt, daß ich ohne meinen Vater auch in der Welt dastehen kann, und es dauert ja nicht mehr lange, ich bin ja bald, bald bei Dir,... Tausend Grüße von Deiner treuen Braut

Clara Schumann

oh, welch ein Name wundersüß!


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