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Grabbe an Lucie Clostermeier

Grabbes Briefe (s. Grisebach, Grabbes Werke, Berlin 1902) lassen einen Blick in ungeheuerliche Erlebnisse und Seelenzustände frei. Die um 10 Jahre ältere Frau wurde ihm zum Dämon, nur die Liebe der Mutter (» cœur simple«) wirft über die Tragik dieses Ausgangs einen mildernden Schein.

13. Juli 1831.

Glück und Heil der Frau Archivrätin am Jahrestag vor Erstürmung der Bastille! Ja, ich komme. Aber, außer Geschäften, in deren Erfüllung ich meine Ehre setze, habe ich keinen Verstand. Ich werde dumm, langweilig und etwas gut sein. – Mich frißt die Zeit oder ich fresse ein Stück von ihr, oder ich weiß nicht, was sich jetzt mir nicht übel zeigt, ist in Gefahr.

Diese Antwort ist spät bestellt, weil ich keinen Besteller hatte. – Sie herrlichen, obgleich oft eigenwilligen, aber so guten, zu bewundernden Menschen. Ach, Sie kennen wohl Ärger, aber Hundezeug nicht.

Ich bin nur

Grabbe.

4. Februar l832.

... Sollte man glauben, daß mich, der ich mich und die Menschen verachte, noch Leute lieb hätten?

17. Juli 1832.

... Ich spreche fort, ziehe schnell ein schiefes Gesicht und kann nicht ertragen, daß eine gescheite Dame keine Gründe annimmt. Voilà tout. Ich nehme ja von Ihnen an, was ich kann, obgleich ich Recht habe. Sie sollen auch Recht haben, so gut wie ich. Denn eine Nelke denkt anders als eine Tulpe, und zuletzt stehen sie doch unter einem Himmel. Aber Sie müssen auch etwas nachgeben oder nachsehen. Es geht nicht anders. Gedanken, Gefühle und Rechte sind verschieden, wie Knospen, Perlen und Fenstergläser.

– Die »Briefe des Verstorbenen« sind halb gute Ware.

Grabbe.

An seine Ehefrau.

Lucie!

Hör' ein vernünft'ges Wort. Ich bin nun so placiert, daß ich auch für Dich jährlich 100rthlr. und mehr erübrigen könnte. Aschenbrödel und Hannibal, die mir mit Umarbeiten viele Zeit geraubt, sind im Begriff, in die Presse zu gehen. Laß meine Mutter, die so viel für mich getan hat, in Ehren, zeig' ein gutes Herz, indem Du den Prozeß mit der armen Wallbaum, die so oft für Dich lief, edel beschließest, mach mir keine Speranzien mit Quittungen und Obligationen, denke, daß ich Dir doch alle Sachen, die ich bedurfte, ins Haus gebracht, und nur kümmerlich sechs Hemden pp., eine tombackne Uhr zum Staat, eine übersilberte für die Post, zur Reise erwählt, und alles liegen und stehen gelassen habe, wie ich's fand oder gebracht. Wärst Du gut, wie vor der Ehe, könnte manches anders sein. Du hast nie gesehen, daß ich nur aus Furcht vor mir, nicht vor Dir und Deinem aufreitzenden pp. (sei's gut) etwas Ruhe suchte. Mein Hannibal ist fast ganz umgearbeitet und fertig, Aschenbrödel, auch umgearbeitet, bald unter der Presse, und der Gedanke an die Heimat (der einem in der Ferne wohl kommt, jedoch nicht mit Heimweh zu verwechseln ist), hat mich auf etwas aufmerksam gemacht, was mir so nahe lag: nämlich ein großes Drama aus der Hermannsschlacht zu machen; alle Täler, all das Grün, alle Bäche, alle Eigentümlichkeiten der Bewohner des lippischen Landes, das beste der Erinnerungen aus meiner, so viel ich davon weiß, auch, wenn Du willst, aus Deiner Kindheit und Jugend sollen darin grünen, rauschen und sich bewegen. Und, sonderbar, ich dachte nicht daran, als mir der Stoff einfiel, mein erster Leiter wird Deines Vaters Buch sein müssen. Ich hoff's hier wo aufzutreiben und mein Drama soll ihm wahrhaftig nicht schaden, vielmehr sein Gedenken erfrischen mit den Blumen der Poesie, – wenn Du nur auskündigen könntest, wie viele Exemplare die Meiersche Buchhandlung noch hat, – ich ließe sie, wäre das Drama fertig, durch den Buchhändler aufkaufen, und eine neue Auflage, neu bezahlt, bliebe nicht aus. Denn ich würde ja expreß Gewicht darauf legen. – In Frankfurt sind mir, was manches erklärt, Szenen aus dem Hannibal abgedrängt. – Gottlob, ich fand sie im Kopf wieder, und besser. – Daß in meinem ganzen leben alles so ging, wie es ging, ist Glück.

Dein Grabbe.

Düsseldorf, 8. Jan. 1835 (wohnhaft in der Ritterstraße, Nr. 70, 1 Treppe hoch, bei Mad. Andries).

An seine Ehefrau.

Frau!

Übermorgen früh, Schlag neun Uhr, zieh' ich in mein Haus. Vorerst denk' ich mein altes Zimmer nebst Schlafkammer, beide parterre, zu wählen. Ich hoffe, sie mit allen Möbeln so im Stande zu finden, als sie waren. Den Doppelschlüssel zu dem Zimmer, wovon unter andrem der Sergeant Schulz vielleicht zu sagen weiß, bitt ich mir auch neben dem Hauptschlüssel aus. Hast Du mehr Doppelschlüssel, so begehre ich alle, um sie zu vernichten. Einen Hausschlüssel (Du hast zwei, wo nicht mehr) verlang' ich gleichfalls. Übermorgen früh halb 9 Uhr hat Sophie bei mir zu erscheinen, oder sie ist übermorgen mittag 12 Uhr außer Diensten. Warum Du gestern das Publikum aufzuregen geschienen und den Pedell Priester vielleicht hast rufen lassen, begreif' ich nicht. Es wird wohl nicht von Dir herrühren. Ein Ehemann kann übrigens in sein Haus treten. Ich tat Dir dabei nichts zu Leide. – Sei klug. Bedenke unser Interesse gemeinsam. Handle nicht dagegen. Ich werde Dich nie verletzen. Fremde Ratgeber nützen wenig.

Christian Dietrich Grabbe.

Detmold, den 24. Juli 1830.


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