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Lenau an Sophie Löwenthal.

Lenaus Liebesverhängnis wurde Sophie Löwenthal. Zweimal hätte der Dichter in einer glücklichen Ehe Ruhe und Befreiung der Seele finden können, aber Sophies Egoismus zwang ihn ebenso, das Verlöbnis mit Karoline Unger wieder zu lösen, wie sie ihn mit dem freundlichen Stern Marie Behrends entzweite. Der Fall Lenau-Sophie gehört zu den erschütterndsten Tragödien des menschlichen Herzens. S. Frankl, Lenau und Sophie Löwenthal, Stuttgart 1891. Ferner Schlosser, Lenaus Briefe an Emilie und Georg von Reinbeck. Stuttgart 1896. E. Castle, Lenaus Liebesroman, Leipzig, 1906.

21. Oktober 1837.

Deine Worte von heute abend sind wie Balsam in mein Herz geflossen. Ja, Du liebes, edles, süßes Weib, unser gemeinsames Leiden soll uns heilig sein. Ich bereue nicht, Dich gefunden zu haben. Solche Stunden bestürmen das Herz zugleich mit einem Übermaß von Lust und Leid, daß das verwirrte nicht weiß, ob es bluten soll oder lachen, und verzweifeln möchte in seinem Himmel; aber sie sind die besten meines Lebens. Hätte ich Dich nicht gefunden, so hätte ich auch nie erfahren, was es heißt, von einem Weibe geliebt zu werden, die es wert ist, daß mir mein Unglück das liebste ist, was ich habe. Ich habe mir nie ein Glück geträumt, wogegen ich dieses Unglück vertauschen möchte. Ein Blick in Deine Seele ist nicht zu teuer erkauft mit dem schmerzlichsten, bis an meinen Tod fortgekämpften Entsagen.

22. Okt. 1836.

Oh, es war ein schöner Lag! Fahr wohl, du schöner Tag! Du flüchtiger Gast aus einer bessern Welt; ich möchte weinen um Dich. O liebe Sophie! Das ist ein Tag, an dessen Erinnerung sich Dein Herz klammern soll; ich werde ihn feiern jedes Jahr wie Deinen Geburtstag. Ich habe in Deinem Umgang mehr Bürgschaft des ewigen Lebens gefunden, als in allem Forschen und Betrachten der Welt. Wenn ich in einer glücklichen Stunde glaubte, jetzt sei das Höchste der Liebe erreicht und die Zeit zum Sterben gekommen, weil ja doch nichts Schöneres mehr nachfolgen könne: so war es jedesmal eine Täuschung, und es folgte noch eine schönere Stunde, da ich Dich noch höher liebte. Diese immer neuen, immer tieferen Abgründe des Lebens verkürzen mir seine Ewigkeit. Ich habe heut' in Deinem schönen Auge die ganze Fülle des Göttlichen erblickt ... In einem schönen Auge, wie das Deinige, zeigt sich uns der Stoff, aus welchem einst unser ewiger Leib gemacht sein wird, wie in einer prophetischen Hieroglyphe. Wenn ich sterbe, so geh' ich reich aus diesem Leben, denn ich habe das Schönste gesehen.

An Sophie:

Wenn ich einmal tot bin und Du liesest diese Zettel, wird Dir das Herz weh tun. Diese Zettel sind mir das liebste, was ich geschrieben habe. So unüberlegt sind mir dabei die Worte aus dem Herzen aufs Papier geschwungen, wie ein Vogel aus dem Neste fliegt, wer mich kennen will, muß diese Zettel lesen.

Lenau an seine Braut Marie Behrends.

8. Oktober 1844.

... Der Unfall, der mich getroffen gerade in der Zeit, wo ich mit den letzten Vorkehrungen zu meiner Vermählung beschäftigt war, erschien mir und erscheint mir noch immer als ein absprechendes Verhängnis, ein schauerlicher Protest des Schicksals gegen mein Glück und alle meine Anstalten dazu. Ich selbst erscheine mir wie ein vom Tode bezeichneter; er hat seine Hand an mich gelegt, wie der Förster im Walde diejenigen Bäume anhaut und zeichnet, die bald gefällt werden sollen ... So steht es um meine Seele, so um meinen Leib. O Marie, wie muß ich beklagen, daß ich den Frieden Deiner schönen und lieben Seele gestört, gebrochen habe! Nichts kann ich zu meiner Entschuldigung, nicht einmal meine redliche Absicht anführen, daß ich, Dir Liebe und Ehre weihend mein Leben lang, Dein Glück habe begründen wollen; denn der Vorwurf steht und ist nicht wegzubringen: ich hätte mich selbst besser kennen sollen.

Lenau an Sophie.

24 Sept. 1844.

Liebe Sophie! Heute früh hab' ich Ihren Brief, den sehnlich erwarteten, erhalten. Er kam wie eine himmlische Erquickung in mein Herz. Zitternd und weinend las ich ihn durch, wieder und wieder, und jedes seiner Worte senkte sich hinab in den letzten Abgrund meiner Seele; dort wird es bleiben, so lange überhaupt etwas in ihr und von ihr bleibt. Ich weiß meinen Besitz im ganzen unermeßlichen Umfange zu schätzen. In Ihnen, teure Sophie, hab' ich die Höhe der Menschheit erkannt und erfaßt, in Ihrem Umgange atme ich den reinsten, lebendigsten Äther des Geistes, und ich stehe an Ihrer großen Seele als an einem tiefen Meere, und lausche dem Rauschen seines Wellenschlages, und er wecket in mir das Tiefste und Schönste, dessen ich fähig bin. Fürchten Sie nicht das Undenkbare, daß ein inniger Zusammenhang mit Ihnen aufhören könnte, meinem Geiste und meinem Herzen unentbehrlich zu sein. Ich wiederhole Ihnen feierlich meine letzten Worte, die ich beim Abschiede gesprochen.

Lenau an Sophie:

Ich bin in einem furchtbaren Aufruhr, in dem ich Dir schreibe, Sophie, es ist wahnsinnige Liebe, die mich treibt. Weh mir! wär' ich lieber tot, als daß Du nicht mein bist.

Lenau an Sophie:

Liebe Sophie!

Sie haben mir mit Ihren paar Zeilen das Herz zerschmettert. Karoline liebt mich und will mein werden. Sie sieht's als ihre Sendung an, mein Leben zu versöhnen und zu beglücken. Mein Gefühl für Sie bleibt ewig und unerschüttert, aber Karolinens Hingebung hat mich tief ergriffen. Es ist an Ihnen, Menschlichkeit zu üben an meinem zerrissenen Herzen. Karoline liebt mich grenzenlos. Verstoße ich sie, so mache ich sie elend und mich zugleich ... Entziehen Sie mir Ihr Herz, so geben Sie mir den Tod; sind Sie unglücklich, so will ich sterben. Der Knoten ist geschürzt. Ich wollte, ich wäre schon tot.


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