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Friedrich Creuzer an Caroline von Günderode

Die Briefe Creuzers und Karolines von Günderode (herausg. von Erwin Rohde, Heidelberg 1896) geben von einem unseligen Verhältnis Kunde. Der 34jährige Creuzer vermochte nicht, um der 24jährigen Günderode willen, sich von seiner 47jährigen Frau scheiden zu lassen. Es kam zur Katastrophe.

Donnerstag. Oktober 1804.

Dein heute angekommener Brief ist wieder einmal so recht voll überströmender und hin- und herflutender Fülle. Das erschreckt mich nicht mehr. Schwelge Du immer nur in Deiner Kraft. Du sollst mir doch gehorchen lernen – aber dann sollst Du Dich auch erst recht frei fühlen und recht mutwillig spielen, Du Zauberin!

Freitag.

Wie ganz anders ist es heute, als es gestern war! – Es war abermals Täuschung, was mir den Glauben der Freiheit gab. Eine neue Erklärung meiner Frau entreißt mich diesem Wahn. Frei lassen kann sie mich nicht – verlassen will sie mich – aber wie? wie man in den Tod gehet! – Nun höre ich auf zu glauben, aber auch zu hoffen. Ich bin nicht hart genug, töten zu können – sterben kann ich. Dieser Rückfall entscheidet mein Schicksal. Ich muß Ihnen alles sagen. In Ihrem Besitz kannte ich keine Grenze. Sie sollten, so hoffte ich, noch mein Weib werden. Meine Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen – als Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. – Frei und poetisch sollte Ihr Leben sein. Und Savigny, dem Schwarz vorgestern einiges gesagt hatte, und welcher mich nun über mein Verhältnis zu Ihnen befragte (zürnen Sie mir nicht!), Savigny schien diese Idee mit Liebe auszubilden (wenngleich nicht ohne Besorgnis wegen Ihrer Narzißnatur). Er und ich rechneten dabei auf Ihren großen Mut, auf eine große Liebe zu mir. Einen bestimmten Plan über die Art meines Lebens mit Ihnen mußte ich mir machen, weil davon mein wahrscheinlich sehr naher Entschluß wegen Landshut abhing. Nun aber, da ich kein Menschenopfer fordern kann, ist mir Ihr Besitz versagt.

Zwar den Trost, Sie zuweilen in meinem Hause zu sehen, läßt mir das Mitleid meiner Frau. Aber was ist das für den, der sich dem Himmel so nahe glaubte! und werden Sie das nun noch können!

Ich hab' mein leben verloren. Schwarz ist nun auch auf der Seite meiner Frau. Da er zuweilen Ihre Briefe beim Eröffnen las, so schicken Sie ferner nichts mehr durch ihn, sondern an mich unmittelbar. Ich empfange alles sicher. Schwarz, seitdem er gehört, daß ich nach Landshut will, versteht mein Gemüt nicht mehr und hält mich für treulos. Ich hab' nun keinen Vertrauten mehr.

Wirst Du mich nun auch lassen und mir nicht mehr schreiben?

Deinem F. C.

Karoline von Günderode an Creuzer

Frankfurt a. M., 1. Mai l805.

Mein Gott! wieder in Frankfurt? – Ja wieder einmal nach 5 Monaten. Diese 5 Monate liegen nun hinter mir – ich bin viel älter geworden in dieser kurzen Zeit. Erwarte keine Erzählung. Wo zuviel geschieht, hört das Erzählen auf.

Und dann – ein erbrochener, verlorener Brief würde eine Begebenheit gemein machen, die in keinem Sinne gemein ist.

Laß Dir daran genügen, zu ahnen, mit welchem Herzklopfen ich gestern in eine gewisse Türe eingelassen ward und wie es da war.

Sei aber ruhig. Sophie hat mir selbst das Reisebündel geschnürt, wissend, wo ich jetzt bin. Ich kann nicht heucheln! Nicht bin ich auch hart oder nur kalt gegen sie, so wenig, daß der unterrichtete Dritte, denk' ich, nichts vermuten sollte.

Freilich, so war es nicht immer. Der November, Dezember, Januar ließen nicht von Art, sie hatten ihre Stürme – und der Frühling ebnet erst die Furchen wieder auf der empörten Flut.

Gütiger Himmel! laß mich nicht noch einmal erleben diesen Wechsel von Hoffnung und Furcht, Jammer und Wonne – Mut und Zagheit – Glauben und Unglauben – vertrauen und Argwohn, bis an der Verzweiflung schwarzes Tor!

Eine entschiedene Unfähigkeit zum Verstellen, und noch mehr eine in die Seele der Sophie hineingedachte Größe – die sie nicht hat, waren der Samen von dem Allen.

Jetzt ist's soweit, daß Sophie einen liebevollen und entschiedenen Brief in Händen hält – von –: daß kein Plan existiere, der irgend eine längst geknüpfte Verbindung zu zerreißen trachte, daß man keine Ansprüche an sie insofern mache. – Den Brief hättest Du lesen sollen – und dennoch ist er kaum imstande gewesen, die Furcht wegen der Existenz eines Planes, wie der gedachte, nur in etwa zum Schweigen zu bringen. verstehst Du nun meine Lage? – Siehe, so steht es nun! Ich habe teuer gebüßt eine Sünde gegen die Natur – die in ihren Folgen ein eisernes Schicksal geworden.

Das macht gleichgültiger gegen das Leben. Denke jedoch nicht, das ich das Lebensende suche; – so wenig, daß ich sogar diesen Winter der –, die Ideen der Art gerne nährt, stark widersprochen und fortfahre zu widersprechen. Aber ich weiß nicht, ob Du mich recht verstehst – wenn ich sage, daß, wenn gewisse Schritte einmal getan sind im Leben, alle übrigen Handlungen nun ganz aufhören, frei zu sein. Sie sind Werke des Schicksals. So ist es mit mir in jeder Hinsicht: das Übermaß ist Gebot und Sinn meines Lebens geworden. Das fühl' ich schon längst, nun aber weiß ich's. Ohne Maß lieben – hoffen ohne Maß – verzagen ohne Maß ist der Ton meines Lebens innerlich betrachtet. – Und ohne Maß arbeiten ist das äußerliche Gebot. Ich arbeite seit letztem Oktober mehr als je in Marburg – niemals aß ich vor 3 – 4 – ½ 5 Uhr zu Mittag. Häufig Arbeiten acht Stunden ohne abzubrechen – und den Sommer wird's nicht besser. Das ist notwendig und in vielfachem Sinne gut. Auch fühlt' ich mich dabei nicht besser und nicht schlechter als immer. Die Brustschmerzen und Blutspeien im März hatte ich schon mehrere Jahre her. Das ist also nichts Ungewöhnliches, und vorgestern sagte mir die Erxleben sogar, ich sähe besser aus, als in M. Da denke ich denn manchmal: Leider! – manchmal: Der Mensch kann viel aushalten. Ich handle in dem Sinne meines Lebens. Ich denke so: kurz gelebt und viel erlebt ist auch lang gelebt. – Hier fand ich auch manche Rosen nicht mehr, die im vorigen Herbst blühten; – hat das ganze Frühjahr gekränkelt und wird gewiß einst sterben an kranker Brust. Jetzt aber – wieder wohl. So leb' denn recht wohl, Du alter treuer Freund!

N.S. Diese Gedichte schenke ich Dir. Lies sie im Stillen mit Deiner Lotte. Ich bin nicht blind – sie haben ihre Mängel. Das erste ist aber auch sechs Jahre alt. Daher die metrische Unvollendung. Metrik und Technik aber ist überhaupt nicht ihre Sache. Laß es niemand wissen, daß Du diese Gedichte von mir hast. N. S. Mit unserm Schwarz stehe ich noch auf dem alten Fuß. Jedoch rede ich über alles dieses gar nicht mit ihm, weil ich überhaupt nicht darüber rede. – Auch können wir beide vor Arbeit nicht dazu kommen.

An Karoline.

Freitag, 3. Oktober 1805.

Deines letzten Briefe« Ton hat mir einen tiefen Schmerz gegeben, Lina! Dieses Resignieren kann nicht beruhigen. Du bist ein großes Wesen und stark und fromm. Ich fange an zu fühlen, Du bist zu fromm für mich, ich verdiene Dich nicht – darum tritt das Schicksal so zwischen uns. So denke ich oft, aber herrschend bleibt der Gedanke nicht, herrschender in mir ist der Stolz und der Gedanke, daß ich Dich verdienen werde, und die süße Hoffnung, daß ich Dich gewinne. Hättest Du doch in meinen Augen lesen können, als ich vorgestern nacht Deine zwei Sonette las. Wie bin ich doch so ganz Dein, wahrlich es bedarf solchen neuen Zaubers nicht, mich zu fesseln; aber wie süß ist dennoch dieser Zauber, wie schmeichelnd gleitet er ins Herz!

Du bist unerschöpflich an Poesie und Liebe. Liebe habe ich auch und ewige Liebe ohne Maß, aber die Poesie wird mich ganz fliehen, wenn ich Dich nur lieben darf und nicht auch haben und bei Dir sein, und mich einwohnen in der Heimat Deines Herzens. Ich bin nicht hoffnungslos, aber traurig, daß die Hoffnung Dich zu besitzen abhängig gemacht ist von der äußern Macht des Zufalles. Adieu, teure, teure Seele – ich schreibe Dir nächstens mehr. Du antwortest mir niemals auf die Frage, ob Du gesund.

Karoline an Creuzer.

Aus dem Oktober 18O5.

Mein ganzes Leben bleibt Dir gewidmet, geliebter, süßer Freund. In solcher Ergebung, in so anspruchsloser Liebe werd' ich immer Dir angehören, Dir leben und Dir sterben. Liebe mich auch immer, Geliebter. Laß keine Zeit, kein Verhältnis zwischen uns treten. Den Verlust Deiner liebe könnte ich nicht ertragen, versprich mir, mich nimmer zu verlassen. O Du leben meines Lebens, verlasse meine Seele nicht. Siehe, es ist mir freier und reiner geworden, seit ich allem irdischen Hoffen entsagte. In heilige Wehmut hat sich der ungestüme Schmerz aufgelöst. Das Schicksal ist besiegt. Du bist mein über allem Schicksal. Es kann Dich mir nichts mehr entreißen, da ich Dich auf solche Weise gewonnen habe.

Creuzer an Karoline

Aus dem April 1800 .
Donnerstag .

Du hast gestern einen Glücklichen gemacht durch Deinen Brief. Kann ich glücklicher sein als in der Überzeugung, daß gleiche Sehnsucht uns verzehret? Den einen Schmerz hab' ich nur dabei, daß ich nicht so gut bin, als Du mich findest, aber wie süß gleiten solche Worte in mein Herz, und mein Verstand gibt sich gar zu gern gefangen unter den Waffen Deines Zaubers.–

O sanctissima virgo, tecum moriar libens.


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