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Goethe an Käthchen Schönkopf

Goethes Liebesleben spiegelt sich in außerordentlicher Weise in seinen Briefen ab. Am ergreifendsten spricht Goethes Liebesempfinden aus den Briefen an Frau von Stein. »Ich liege zu deinen Füßen, ich küsse deine Hände«, das ist das Leitmotiv, das sich in hundertfältiger Wendung durch alle diese Billetts hindurchzieht. Zwischen Angezogensein und Zurückgewiesenwerden, zwischen scheuem Flehen und überirdischer Liebesentflammtheit währt diese Liebe länger als zehn Jahre. S. Weimarische Ausgabe. Abt. IV. Briefe.

Frankfurt am 1. Nov. 68.

Meine geliebteste Freundin,

Noch immer so munter, noch immer so boshaft. So geschickt das gute von einer falschen Seite zu zeigen, so unbarmherzig einen Leidenden auszulachen, einen Klagenden zu verspotten, alle diese liebenswürdige Grausamkeiten enthält Ihr Brief; und konnte die Landsmännin der Minna anders schreiben.

Ich danke Ihnen für eine so unerwartet schnelle Antwort, und bitte Sie auch inskünftige, in angenehmen muntern Stunden an mich zu denken, und wenn es seyn kann an mich zu schreiben; Ihre Lebhaftigkeit, Ihre Munterkeit, Ihren Witz zu sehen, ist mir eine der grössten Freuden, er mag so leichtfertig, so bitter seyn als er will.

Was ich für eine Figur gespielt habe, das weis ich am besten, und was meine Briefe für eine spielen, das kann ich mir vorstellen. Wenn man sich erinnere, wie's andern gegangen ist, so kann man ohne Wahrsager Geist rahten, wie's Einem gehn wird. Ich binn's zufrieden, es ist das gewöhnliche Schicksal der Verstorbenen, dass Uberbliebene und Nachkommende auf ihrem Grabe tanzen.

Was macht denn unser Principal, unser Direckteur ... Gedenckt er noch manchmal ...

Zeigen Sie diesen Brief, und wenn ich bitten darf alle meine Briefe, Ihren Eltern, und wenn Sie wollen, Ihren besten Freunden, aber niemand weiter; Ich schreibe, wie ich geredet habe, aufrichtig und dabey wünschte ich, dass es niemand, wer es falsch auslegen könnte zu sehen kriegte. Ich bin wie immer, unaufhörlich

ganz der Ihrige

J W Goethe

An Friederike Brion.

Liebe neue Freundin!

Ich zweifle nicht Sie so zu nennen; denn wenn ich mich anders nur ein klein wenig auf die Augen verstehe, so fand mein Aug, im ersten Blick, die Hoffnung zu dieser Freundschaft in Ihrem, und für unsere Herzen wollt ich schwören; Sie, zärtlich und gut wie ich Sie kenne, sollten Sie mir, daß ich Sie so lieb habe, nicht wieder ein Bischen günstig sein?

Str. am 15. Ocbr. 1770.

Liebe liebe Freundinn,

Ob ich Ihnen was zu sagen habe, ist wohl keine Frage; ob ich aber iust weiß warum ich eben ietzo schreiben will, und was ich schreiben mögte, das ist ein anders; soviel merck ich an einer gewißen innerlichen Unruhe, daß ich gerne bey Ihnen seyn mögte; und in dem Falle ist ein Stückgen Papier so ein wahrer Trost, so ein geflügeltes Pferd, für mich, hier, mitten in dem lärmenden Strasburg, als es Ihnen, in Ihrer Ruhe nur seyn kann, wenn Sie die Entfernung von Ihren Freunden recht lebhafft fühlen.

Die Umstände unserer Rückreise können Sie Sich ohngefähr vorstellen, wenn Sie mir beym Abschiede ansehen konnten, wie leid er mir that; und wenn Sie beobachteten, wie sehr Weyland nach Hause eilte, so gern er auch unter andern Umständen bey Ihnen geblieben wäre. Seine Gedancken gingen vorwärts, meine zurück, und so ist natürlich daß der Diskurs weder weitläufig noch interessant werden konnte.

Zu Ende der Wanzenau machten wir Spekulation den Weeg abzukürzen, und verirrten uns glücklich zwischen den Morästen, die Nacht brach herein, und es fehlte nichts, als daß der Regen, der einige Zeit nachher ziemlich freygebig erschien, sich um etwas übereilt hätte; so würden wir alle Ursache gefunden haben, von der Liebe und Treue unsrer Prinzessinnen vollkommen überzeugt zu seyn.

Unterdessen war mir die Rolle, die ich, aus Furcht sie zu verliehren, beständig in der Hand trug, ein rechter Talisman der mir die Beschweerlichkeit der Reise alle hinwegzauberte. Und noch? O, ich mag nichts sagen, entweder Sie können's rathen, oder Sie glaubens nicht.

Endlich langten wir an, und der erste Gedanke, den wir hatten, der auch schon auf dem Weeg unsere Freude gewesen war, endigte sich in ein Projeckt, Sie balde wiederzusehen.

Es ist ein gar zu herziges Ding um die Hoffnung, wiederzusehen. Und wir andern mit denen verwöhnten Herzgen, wenn uns ein Bissgen was leid thut, gleich sind wir mit der Arzeney da, und sagen: Liebes Herzgen, sey ruhig, du wirst nicht lange von Ihnen entfernt bleiben, von denen Leuten, die du liebst; sey ruhig liebes Herzgen! Und dann geben wir ihm inzwischen ein Schattenbild, das es doch was hat, und dann ist es geschickt und still wie ein kleines Kind, dem die Mama eine Puppe statt des Apfels giebt, wovon es nicht essen sollte.

Genung, wir sind hier, und sehen Sie daß Sie Unrecht hatten! Sie wollten nicht glauben, daß mir der Stadtlärm, auf Ihre süße Landfreuden misfallen würde.

Gewiß Mamsell, Strasburg ist mir noch nie so leer vorgekommen als ietzo. Zwar hoff ich es soll besser werden, wenn die Zeit das Andencken unsrer niedlichen. und Muthwilligen Lustbaarkeiten ein wenig ausgelöscht haben wird, wenn ich nicht mehr so lebhafft fühlen werde, wie gut, wie angenehm meine Freundinn ist. Doch sollte ich das vergessen können oder wollen? Nein, ich will lieber das Wenig Herzwehe behalten und offt an Sie schreiben.

Und nun noch vielen Dank, noch viele aufrichtige Empfelungen Ihren Teuern Eltern; Ihrer lieben Schwester, viel hundert – was ich Ihnen gerne wieder gäbe.

Goethe an Charlotte Buff.

Wetzlar, 10. September 1772.

Wohl hoff ich wiederzukommen, aber Gott weis wann. Lotte wie war mirs bey Deinen reden ums herz, da ich wusste, es ist das letztemal dass ich Sie sehe. Nicht das letztemal, und doch geh ich morgen fort. Fort ist er. Welcher Geist brachte euch auf den Diskurs. Da ich alles sagen durfte was ich fühlte, ach mir wars hienieden zu thun, um Ihre hand, die ich zum letztenmal küsste. Das Zimmer in das ich nicht wiederkehren werde, und der liebe Vater, der mich zum letztenmal begleitete. Ich bin nun allein, und darf weinen, ich lasse euch glücklich, und gehe nicht aus euern Herzen. Und sehe euch wieder, aber nicht morgen ist nimmer. Sagen Sie meinen Buben er ist fort. Ich mag nicht weiter.

An Charlotte Buff.

Wetzlar, 11. September 1772.

Gepackt ists Lotte, und der Tag bricht an, noch eine Viertelstunde so binn ich weg. Die Bilder die ich vergessen habe und die Sie den Kindern austeilen werden, mögen entschuldigung seyn, dass ich schreibe, Lotte, der ich nichts zu schreiben habe. Denn Sie wissen alles, wissen wie glücklich ich diese Tage war. Und ich gehe, zu den liebsten besten Menschen, aber warum von Ihnen. Das ist nun so, und mein Schicksal, dass ich zu heute, morgen und übermorgen nicht hinzusetzen kann – was ich wohl offt im Schmerz dazusetzte. Immer fröliges Muths liebe Lotte, Sie sind glücklicher als hundert, nur nicht gleichgültig, und ich, liebe Lotte, binn glücklich dass ich in Ihren Augen lese, Sie glauben ich werde mich nie verändern. Adieu tausendmal adieu.

Goethe.

An Lotte Buff.

Möge mein Andenken immer so bey Ihnen seyn wie dieser Ring, in ihrer Glückseeligkeit. Liebe Lotte, nach viel Zeit wollen wir uns wiedersehn, Sie den Ring am Finger, und mich noch immer, für Sie

Da weis ich keinen Nahmen, keinen Beynahmen.

Sie kennen mich ja.

Adresse:

An Charlotte Buff
sonst genannt die
liebe Lotte
abzugeben
im teutschen Haus.

An Gräfin Auguste zu Stolberg.

Der theuern Ungenandten.

Meine Theure – ich will Ihnen keinen Namen geben, denn was sind die Nahmen Freundinn Schwester, Geliebte, Braut, Gattin, oder ein Wort das einen Complex von all denen Nahmen begriffe, gegen das unmittelbare Gefühl, zu dem – ich kann nicht weiter schreiben, Ihr Brief hat mich in einer wunderlichen Stunde gepackt. Adieu, gleich den ersten Augenblick! –

Ich komme doch wieder – ich fühle Sie können ihn tragen diesen zerstückten, stammelnden Ausdruck wenn das Bild des Unendlichen in uns wühlt. Und was ist das als Liebe! – Mußte er Menschen machen nach seinem Bild, ein Geschlecht das ihm ähnlich sei, was müssen wir fühlen wenn wir Brüder finden, unser Gleichniss, uns selbst verdoppelt.

Und so solls weg, so sollen Sie's haben dieses Blat, obiges schrieb ich wohl vor acht Tagen, unmittelbar auf den Empfang Ihres Briefs.

Haben Sie Geduld mit mir, bald sollen Sie Antwort haben. Hier indeß meine Silhouette, ich bitte um die Ihrige, aber nicht ins kleine, den grosen von der Natur genommenen Riss bitt ich. Adieu ein herzlichstes Adieu.

Erfurt, den 20. Jan. 1775.

Goethe

An Korona Schröter.

Wie oft hab ich nach der Feder gegriffen, mich mit Dir zu erklären! Wie oft hat mir's auf den Lippen geschwebt. Ich habe groß Unrecht, daß ich es so lang habe hängen lassen, und kann mich nicht entschuldigen, ohne an Saiten zu rühren, die zwischen uns nicht mehr klingen müssen. Wollte Gott, Du möchtest ohne Erklärung Friede machen und mir verzeihen. Mein Zutrauen hast Du wieder, meine Freundschaft hast Du nie verloren, auch jenes nicht. Bin ich irre geworden; so war's so menschlich. Aber darinne hab ich am meisten gegen Dich gefehlt, daß ich Dich die letzte Zeit nicht mit einer eifrigen Erklärung beruhigte. Ich will nicht anführen, was mich entschuldigen könnte, vergieb mir, ich habe Dir ja auch vergeben, und laß uns freundlich zusammen leben. Das Vergangne können wir nicht zurückrufen, über die Zukunft sind wir eher Meister, wenn wir klug und gut sind. Ich habe keinen Argwohn mehr gegen Dich, stoß mich nicht zurück, und verdirb mir nicht die wenigen Stunden, die ich mit Dir zubringen kann, denn so muß ich Dich freilich vermeiden. Noch einmal, verzeih mir! Mehr kann ich nicht sagen, ohne Dich aufs neue zu kränken. Mein Herz ist gegen Dich gesinnt, wie Du es wünschen kannst, nimm es so an. Verlangst Du mehr; so bin ich auch bereit, Dir alles zu sagen. Adieu! Möchte doch das so lange schwebende Verhältnis endlich fest werden.

Danke für Kuchen und Lied, und schicke dagegen einen bunten Vogel.

An Frau von Stein.
Billet.

Sonntag 31. März.

Liebe Frau. Ihr Brief hat mich doch ein wenig gedrückt. Wenn ich nur den tiefen Unglauben Ihrer Seele an sich selbst begreifen könnte, Ihrer Seele, an die tausende glauben sollten um seelig zu werden. – Man soll eben in der Welt nichts begreifen, seh ich ie länger ie mehr. – Ihr Traum Liebste! und Ihre Thränen. – Es ist nun so! Das Würckliche kann ich so ziemlich meist tragen; Träume können mich weich machen wenns ihnen beliebt. – Ich habe mein erstes Mädgen wieder gesehen – Was das Schicksal mit mir vorhaben mag! – Wie viel Dinge ließ es mich nicht auf dieser Reise in bestimmtester Klarheit sehn! Es ist als wenn diese Reise sollt mit meinem vergangenen Leben saldieren. Und gleich knüpfts wieder neu an. Hab ich euch doch alle. Bald komm ich. Noch kann ich nicht von der Schrötern weg. Ade! Ade! d. letzten Merz 76 Leipzig.

G.

Freitag 25. Mai.

Also auch das Verhältniß, das reinste, schönste, wahrste, das ich außer meiner Schwester je zu einem Weibe gehabt, auch das gestört! – Ich war drauf vorbereitet, ich litt nur unendlich für das Vergangne und das Zukünftige, und für das arme Kind das hinausging das ich zu solchem Leiden in dem Augenblick geweiht hatte. Ich will Sie nicht sehn, ihre Gegenwart würde mich traurig machen, wenn ich mit Ihnen nicht leben soll, so hilft mir Ihre Liebe so wenig als die Liebe meiner Abwesenden, an der ich so reich bin. Die Gegenwart im Augenblicke des Bedürfnisses entscheidet alles, lindert alles, kräfftiget alles. Der Abwesende kommt mit seiner Sprüzze wenn das Feuer nieder ist – – und das alles um der Welt willen! Die Welt die mir nichts seyn kann will auch nicht daß Du mir was seyn sollst – Sie wissen nicht was sie thun. Die Hand des Einsam verschlossenen, der die Stimme der Liebe nicht hört, drückt hart wo sie aufliegt. Adieu beste d. 24 May 76.

Abends d. 16. Noch ein Wort. Gestern als wir nachts von Apolda zurück ritten war ich vorn allein bey den Husaren, die erzählten einander Stückgen, ich hörts, hörts auch nicht, ritt so in Gedancken fort. Da fiel mir's auf, wie mir die Gegend so lieb ist, das Land! der Ettersberg! die unbedeutenden Hügel! Und mir fuhrs durch die Seele – Wenn du nun auch das einmal verlassen musst! Das Land wo du so viel gefunden hast, alle Glückseligkeit gefunden hast die ein Sterblicher träumen darf, wo du zwischen Behagen und Missbehagen, in ewig klingender Existenz schwebst – wenn du auch das zu verlassen gedrungen würdest mit einem Stab in der Hand, wie du dein Vaterland verlassen hast. Es kamen mir die Thränen in die Augen, und ich fühlte mich stark genug auch das zu tragen. – Stark –! das heisst dumpf.

Billet von 1.–8. September 76.

Warum soll ich dich plagen! Liebstes Geschöpf! – Warum mich betrügen und dich plagen und so fort. – Wir können einander nichts seyn und sind einander zu viel – Glaub mir wenn ich so klar wie Faden mit dir redte, du bist mit mir in allem einig. – Aber eben weil ich die Sachen nur seh wie sie sind, das macht mich rasend, Gute Nacht Engel und guten Morgen. Ich will dich nicht wiedersehen – Nur – du weißt alles – Ich hab mein Herz – Es ist alles dumm was ich sagen könnte. – Ich seh dich eben künftig wie man Sterne sieht! – denck das durch.

Billet vom 1. – 8. 1777.

Gestern hatt ichs bald satt und strich mich. Heute will ich in die Wüste fliehn, mich lagern unterm Wachholderbaum. Addio liebe Frau.

G.

Montag 8. Januar.

Schweer enthalt ich mich noch einmal in meinen liebsten Spiegel zu sehen, die schöne Dämmerung lockt mich aus der Stube. Wenn Sie nur auch sähen wie lieblich es iezt um mich herum ist. Gute Nacht meine beste. Ich habe keine zusammenhängende Gedanken, sie hängen aber alle zusammen an Ihnen. Addio.

D. 8 Jan. 81.

Montag 12. März.

Meine Seele ist fest an die deine angewachsen, ich mag keine Worte machen, du weist, daß ich von dir unzertrennlich bin und daß weder hohes noch tiefes mich zu scheiden vermag. Ich wollte daß es irgend ein Gelübde oder Sakrament gäbe, das mich dir auch sichtlich und gesezlich zu eigen machte, wie werth sollte es mir seyn. Und mein Noviziat war doch lang genug um sich zu bedencken. Adieu. Ich kan nicht mehr Sie schreiben wie ich eine ganze Zeit nicht Du sagen konnte.

Noch etwas von meiner Reiseandacht. – Die Juden haben Schnüre mit denen sie die Arme beym Gebet umwickeln, so wickle ich dein holdes Band um den Arm wenn ich an dich mein Gebet richte, und deiner Güte Weisheit, Mäsigkeit und Geduld theilhafft zu werden wünsche. Ich bitte dich fusfällig vollende dein Werk, mache mich recht gut! du kannsts, nicht nur wenn du mich liebst, sondern deine Gewalt wird unendlich vermehrt wenn du glaubst daß ich dich liebe. Lebe wohl.

Ich hoffe immer daß du wohl seyst. Leb wohl. Mir fällt eins aufs andere ein, Leb wohl, ich kan nicht von dir kommen, wenn nicht des Blätgens Ende wie zu Hause die Thüre mich von dir schiede,

d. 12 März Montags um halb 11 Nachts 81.

G.

Donnerstag 22. März.

Deine Liebe ist mir wie der Morgen und Abendstern, er geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wieder auf. Ja wie ein Gestirn des Pols das nie untergehend über unserm Haupt einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete daß es mir auf der Bahn des Lebens die Götter nie verdunkeln mögen. Der erste Frühlingsregen wird unsrer Spazierfahrt schaden. Die Pflanzen wird er aufquellen, daß wir bald des ersten Grüns uns erfreuen. Wir haben noch so keinen schönen Frühling zu sammen erlebt, möchte er keinen Herbst haben. Adieu. Ich frage gegen 12 Uhr nach wie es wird. Adieu beste, liebste,

d. 22. Mär; 81.

G.

Sonntag 20. Januar.

Wie befindet sich meine beste? Wie hat sie geschlafen? Was wird sie vornehmen.

Ich habe den Kopf voll Ideen und Sorgen. Keine für mich denn mir bläst das Glück in den Nacken, desto mehr für andre, für viele. Für sich kan man wohl noch den rechten Weg finden, für andre und mit andren scheint es fast unmöglich. Solang mich deine Liebe und mein guter Muth nicht verlässt mag es gehn wie's will.

d. 20. Jan 82.

G.

Mittwoch 30. Januar.

Eh ich mich den Wogen des Tags übergebe grüs ich dich noch einmal. Alle Welt freut sich und mir fehlt das beste zum Tage. Lebe wohl. Denck an mich, wie ich dich immer doch vergebens suchen werde

G.

Montag 11. Februar.

Sag mir Lotte ein Wort. Es ist mir in deiner Liebe als wenn ich nicht mehr in Zelten und Hütten wohnte als wenn ich ein wohlgegründetes Haus zum Geschenk erhalten hätte, drinne zu leben und zu sterben, und alle meine Besitzthümer drinne zu bewahren. Vor zehn Uhr seh ich dich einen Augenblick. Ich kann dir nicht Lebe wohl sagen denn ich verlasse dich nicht.

d. 11. Febr. 82.

G.

Sonnabend 10. August.

Heute früh habe ich das Capitel an Wilhelm geendigt wovon ich Dir den Anfang diktirte. Es machte mir eine gute Stunde. Eigentlich bin ich zum Schriftsteller gebohren. Es gewährt mir eine reinere Freude als iemals wenn ich etwas nach meinen Gedancken gut geschrieben habe. Lebe wohl. Erhalte mir die Seele meines Lebens, Treibens und Schreibens,

d. 19 Aug 82

G.

Dienstag d. 17 Sept 82 Abends.

Ganz stille habe ich mich nach Hause begeben, um zu lesen, zu kramen und an Dich zu dencken. Ich binn recht zu einem Privatmenschen erschaffen und begreiffe nicht wie mich das Schicksal in eine Staatsverwaltung und eine fürstliche Familie hat einflicken mögen.

Dir lebe ich meine Lotte, Dir sind alle meine Stunden zugezählt, und Du bleibst mir das fühle ich. So lang ich Dich gestern sehn konnte wehte ich mit dem Schnupftuche, auf dem Wege war ich bey Dir, nur wie ich die Stadt erblickte fühlt ich erst den Raum der mich von Dir trennte.

Ich versuchte, mir den ersten Theil, vielmehr den Anfang meines Mährgens ausführlicher zu dencken und stellenweise Verse zu versuchen, es ginge wohl wenn ich Zeit hätte, und häusliche Ruhe.

Sonntag, 6. November.

Ich gehe und mein Herz bleibt hier. O Du gute daß Liebe und Sehnsucht sich immer vermehren soll. Ich habe Dich unsäglich lieb und mögte nicht von Dir weichen, Dich überall wiederfinden, lebewohl Du beste und dencke recht fleisig an mich.

d. 6 Nov. 85.

G.

Stadt Ilm. Denselben Tag.

Ich muß Dir noch m. L. eine gute Nacht sagen und Dich versichern daß ich Dich recht herzlich liebe. Wie schwer ward es mir Dich zu verlassen, Du gutes, treues, einziges Herz. Ich bin bey Dir und liebe Dich über alle Worte.

G.

Goethe aus Italien an Fr. v. Stein.

Terni, den 27. Oktober 1780 abends.

Wieder in einer Höhle sitzend, die vor einem Jahre vom Erdbeben gelitten, wende ich mein Gebet zu dir, mein lieber Schutzgeist! Wie verwöhnt ich bin, fühle ich erst jetzt. Zehn Jahre mit dir zu leben, von dir geliebt zu sein, und nun – in einer fremden Welt! Ich sagte mir's voraus, und nur die höchste Notwendigkeit konnte mich zwingen, den Entschluß zu fassen.

Laß uns keinen andern Gedancken haben, als unser Leben miteinander zu endigen!

Den 22. Dezember abends.

Laß mich dir nur noch für deinen Brief danken! Laß mich einen Augenblick vergessen, was es Schmerzliches enthält! Meine Liebe! Meine Liebe! Ich bitte dich nur fußfällig, flehentlich, erleichtere mir meine Rückkehr zu dir, daß ich nicht in der weiten Welt verbannt bleibe! Verzeih mir großmütig, was ich gegen dich gefehlt, und richte mich auf! Sage mir oft und viel, wie du lebst, daß du wohl bist und daß du mich liebst! In meinem nächsten Briefe will ich dir meinen Reiseplan schreiben, was ich mir vorgenommen habe und wozu der Himmel sein Gedeihen gebe! Nur bitt ich dich: sieh mich nicht von dir geschieden an! Nichts in der Welt kann mir ersetzen, was ich an dir, was ich an meinen Verhältnissen dort verlöre. Möge ich doch Kraft, alles widrige männlicher zu tragen, mitbringen! Eröffne die Kasten nicht, ich bitte dich, und sei ohne Sorgen! Grüße Stein und Ernst! Fritzen danke für seinen Brief! Er soll mir oft schreiben! Ich habe schon für ihn zu sammeln angefangen. Er soll haben, was er verlangt und mehr als er verlangt.

Daß du krank, durch meine Schuld krank warst, engt mir das Herz so zusammen, daß ich dir's nicht ausdrucke, verzeih mir! Ich kämpfte selbst mit Tod und Leben, und keine Zunge spricht aus, was in mir vorging. Dieser Sturz hat mich zu mir selbst gebracht. Meine Liebe! Meine Liebe!

An Christiane Vulpius.

Heute geh ich, liebe Kleine, von Frankfurt ab und nach Mainz. Ich muß Dir nur sagen, daß mir's recht wohl gegangen ist, nur daß ich zuviel habe essen und trinken müssen. Es wird mir aber noch besser schmecken, wenn mein lieber Küchenschatz die Speisen zubereiten wird. Das Judenkrämchen geht auch heute ab und wird nicht lange nach diesem Briefe eintreffen. Ich wünschte ein Mäuschen zu sein und beim Auspacken zuzusehen.

Es hat mir recht viel Freude beim Einpacken gemacht. Hebe nur alles wohl auf. Adieu, mein liebes Kind. Äugelchen hat es gar nicht gesetzt. Behalte mich nur so lieb wie ich Dich. Adieu, grüße Herrn Meyern, küsse den Kleinen und schreibe mir bald.

Frankfurt d. 21. Aug. 1792. G.


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