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Auch Therese Hubers Herzensleben gehört zu den komplizierteren der Romantik. Durch zwei Ehen hindurch und über sie hinaus widmete Therese Huber, geb. Heyne, verw. Forster, dem merkwürdigen F. L. W. Meyer eine leidenschaftliche Zuneigung. S. Ludwig Geiger, Therese Huber, Stuttgart 1901 u. Aus Therese Hubers Herzensleben, Berlin 1899.
Gott schenke Dir Gesundheit auf Deiner Reise und Entschlossenheit, uns für die zukünftigen Jahre Frieden zu erringen. Mein Herz blutet für den Schritt, zu dem ich Dich zwang, weil Du dessen Notwendigkeit noch nicht fühltest. Menschlichkeit und Edelmut werden Dich bald davon überzeugen und Männermut Dich unterstützen. Meine Gesundheit ist jetzt ohne Schmerz, meine Brust hat einen Stoß bekommen, den ich mir nicht erklären kann, schwache Stimme und Mattigkeit haben mich noch nicht verlassen. Mein Herz ist zerstört, Mitleid kämpft wider meine Vernunft, aber ich zähle auf künftige Zeit, weil ich für jetzt durchaus an kein Glück denke. Erhalte Deine Gesundheit für Dein Kind und Deine Freundin, suche Zerstreuung, denke, daß die Nachricht, die mir Dich als vergnügt erklärt, mir die willkommenste ist. Deine Aufträge sind alle besorgt. Hier ist ein Brief von Zimmermann, des Aufbrechen ich Dich bitte zu entschuldigen, weil ich glaubte, es möchte eine Forderung darin stehen, die ich befriedigen könne. Mein Vater hat ihn nicht gelesen. Dein Kind ist gesund! Friede sei mit Dir! Du hättest mehr Geld nehmen sollen – ich brauche beim bequemsten Leben wenig. Schone Deine Gesundheit und sei von meiner treuen Freundschaft überzeugt.
Deine Therese Forster
Ulm, den 24. Dezember 1804.
Wilhelm, ich bin Witwe. Heute früh um 3 Uhr starb mein geliebter Mann. Kannst Du das fassen? Er litt 3 Wochen, die letzten 13 Tage unaussprechlich – ich verließ ihn nie, und mein Herz brach nicht. – Ich atme frei, nun er dem Leiden entrissen ist, aber mein Dasein ist zerstört. Kannst Du das fassen? ich bin Witwe. Das Wesen, mit dem ich 10 Jahre jedes Gefühl, jeden Gedanken teilte, alles genoß – mit dem ich dachte, dichtete, las, schrieb, mit dem ich das Schicksal bekämpfte, mit dem ich siegte. – Sieh, jetzt ist meine Vergangenheit im Grabe – nun muß ich für meine Kinder Brod erwerben, ich lebe in ihnen, ich erziehe sie zu Ehre des besten Vaters. Fühltest Du das, wie sie da kommen und den geliebten Körper betasten, diese Brust, die meine Zuflucht war in allen Stürmen, die mich ertrug – Du bist die letzte Trümmer meiner Jugend. Willi, ich will ein stolzes Weib sein, das Schicksal soll sehen, daß ich es verstehe – ich will Weisheit tauschen gegen Glück – schreib mir, daß Du ihn beweinst – aber schone mein Herz, fluche nicht, ich segne das Weltall, wo er irgendwo lebt – ich segne die Welt, wo Adelens Staub den seinen erwartet. – Ich will meine Kinder stolz erziehen, daß sie sein waren.
Trümmer meiner Jugend, denke meiner.
Therese.
Bramstedt, den 28. Junius 5.
Wenn ich nicht besorgen müßte mein Stillschweigen noch übler von Dir ausgelegt zu wissen, als meine unglücklichen Briefe, so würde ich Dir diesesmal, zum erstenmal irgend jemandem in meinem Leben, die Antwort schuldig geblieben sein. Denn ich weiß wirklich nicht mehr wie ich antworten soll. Du fängst aus der Ferne an mit mir zu zanken, ohne daß ich Dich, ohne daß ich etwas Lebendiges in der Welt beleidiget hätte; du wirfst mir Kälte, Verschlossenheit, Unteilnahme, Unnatürlichkeit vor: lauter Eigenschaften, deren Gegenteil alle anderen Menschen, und vormals Du selbst, und – soweit ein Mensch sich selbst kennen kann, auch ich selbst – an mir bemerkten. Erschüttert über diesen Vorwurf, besorgt daß er mir ein Zutrauen rauben könne, welches meinem Herzen unaussprechlich teuer ist, ergreife ich die unangenehme Notwendigkeit mich zu rechtfertigen, mich gegen Dich! der ich weit eher zugetraut hätte, daß sie mich verteidigt haben würde, als angeklagt. Es ist natürlich, daß ich dabei nur von mir redete, denn von mir war ja nur die Rede. Hab' ich Dich dabei angeklagt? Hab' ich je verkannt, schriftlich oder mündlich, daß die schönsten Gefühle meines Lebens Dir gehören, von Dir mir gekommen sind? daß, unter allen Weibern nur bei Dir Herz und Geist meine kühnsten Wünsche übertrafen, meine Sinne bezauberten, mein Bewußtsein, noch jetzt, da ich der Welt abgestorben bin, lebendig mit Dir beschäftigen? Hätt' ich geglaubt, ich könnte Deine Seele füllen, wie Du die meinige, Dir genügen wie Du mir, ich würde Deinen Besitz Göttern und Menschen und Teufeln streitig gemacht haben. Ich sah aber und fühlte und verstand, daß, da Du mich Allen vorzogst, Du doch auf alle Ansprüche machtest, und ergab mich in Deinen Willen. Ich kann nicht eifersüchtig sein. Es stimmt nicht zu meinen Begriffen. Was Du an mir liebtest, konntest Du bei keinem andern finden; was Du an einem andern liebtest, nicht bei mir. Das ist nicht Weisheit und soll es nicht sein; wann hätt' ich mir Weisheit zugetraut? So sprach und spricht die Natur zu meinem Verstand, und nötigt mich, sie für Wahrheit zu halten. Das hab' ich Dir, vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft, gesagt und geschrieben; das hab' ich Forstern gesagt, da er mit mir eiferte. Ich zürnte ihm, daß er tagelang allein um Dich war, er gönnte mir nicht die ungestörte Vertraulichkeit einer Viertelstunde. Du hast mir damals, mit und ohne Veranlassung, hundertmal wiederholt, F. sei besser als ich: so wie Du mir jetzt unaufhörlich zurufst, Huber sei der beste Mensch, den Du kanntest, alles was ich Dich empfinden machte, sei nichts gegen ihn. Begehr ich das zu leugnen? Sie waren nicht ich, ich kann nicht sie sein. Ich kann so wenig auf die Fülle ihres Geistes, auf die Lebhaftigkeit ihrer Darstellungskraft, auf die Zartheit, Geistigkeit, Erhabenheit ihrer Denkungsart, ihrer Äußerungen, ihres Betragens Anspruch machen, als ich mich für einen Fürsten oder Volksführer und Redner oder sonst für wichtig in der Welt oder im Gebiet der Wissenschaften und Künste ausgeben kann. So unfähig bin ich, auf andere zu wirken, daß ich auch nicht einmal den Wunsch darnach empfinde. Aber entweder ich weiß nichts, oder ich weiß, daß ich Dir angehangen habe, so lange ich Dich kenne. Wie ein treuer Hund bin ich immer wieder zu Dir gekommen, so oft Du mich verstießest; hab' ich mich immer wieder an Dich gedrängt, so oft Du mich vernachlässigtest. Das habe ich getan, weil mir wohl bei Dir war, weil ich nicht voraussetzte, daß Du darum schlechter von mir dächtest. Hab' ich mich nun darin geirrt, so tat ich freilich Unrecht, aber ich tat Unrecht, ohne es zu wollen. Dein letzter Brief zeigt mir das Licht, in welchem ich Dir erscheine. Er nennt mich einen Menschenfeind, einen Egoisten – laß uns deutsch reden, damit ich Dich verstehe, das heißt einen Menschen, der nur sich liebt, keinen andern, andere nur in Beziehung auf sich, einen Eigennützigen – einen, der mit seinem Herzen und mit seiner Liebe nirgends hin weiß, einen kalten Berechner, der berechnet leiden sieht, einen Prahler mit der garstigen Eisrinde seines Herzens, einen pompösen selbstischen Weisheitsschwätzer, der nicht weiß, wie man ein zärtliches Herz behandelt. Ob ich das alles, ob ich etwas von dem allen bin, – Niemand kann vollgültig über sich urteilen, wenigstens ich nicht, aber soviel sagt mir mein Gefühl, ich möchte lieber ein Dieb und ein Mörder sein, als etwas von dem allen. Indessen danke ich Dir, daß Du mir Deine Meinung über mich unverhohlen gesagt hast; denn ich will lieber von der ganzen Welt, selbst von Dir, gehaßt sein, als mich einer Täuschung hingeben. Es ist nicht die erste bittere Erfahrung meines Lebens, aber wahrscheinlich fehlt ihr nicht viel, um die letzte zu sein. Der Punkt wäre unter uns ausgemacht und bedarf nun keiner weiteren Erörterung...
Den Großen unbekannt, zu klein des Schicksals Schlägen,
Entflohn dem Kritiker, der strenges Urteil spricht,
Seh ich dem Tode hier entgegen,
Und wünsch' ihn nicht und fürcht' ihn nicht.
Ohne Groll und Vorwurf der Deinige.