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Der Triumph der Vernunft

(1899)

»Le Triomphe de la Raison« ist nur ein Ausschnitt aus dem gewaltigen Fresko. Aber es lebt vom zentralen Problem der Rollandschen Geistesrichtung: hier ist zum erstenmal die Dialektik der Niederlage voll entfaltet, jenes leidenschaftliche Bekenntnis für die Besiegten, jene Umwertung des realen Unterliegens im geistigen Triumph, die – aus der Kindheit anklingend und von allen Erlebnissen Resonanz gewinnend – den Kern seines moralischen Gefühls bildet. Die Girondisten sind geschlagen, in einer Festung verteidigen sie sich gegen die Sansculotten: die Royalisten, die Engländer wollen sie retten. Ihr Ideal, die Freiheit des Geistes, des Vaterlandes, ist von der Revolution zerstört, Franzosen sind ihre Feinde. Aber auch die Royalisten sind ihre Feinde, die Engländer Feinde des Vaterlandes. Das Problem des Gewissens ist mächtig gestellt: die Idee verraten oder das Vaterland verraten. Bürger des Geistes sein oder Bürger des Vaterlandes, sich selber treu oder der Nation – die Entscheidung ist furchtbar. Und sie gehen in den Tod, weil sie wissen, daß ihr Ideal unsterblich ist, daß alle Freiheit eines Volkes nur Widerglanz jener innern Freiheit ist, die kein Feind bezwingen kann.

Hier wird zum erstenmal die Feindschaft gegen den Sieg proklamiert. Stolz sagt Faber: »Wir haben unseren Glauben vor der Erniedrigung des Sieges gerettet, dessen erstes Opfer der Sieger ist. Aus unserer Niederlage blüht er nur reifer und heiliger auf.« Und Lux, der deutsche Revolutionär, verkündet das Evangelium der innern Freiheit: »Jeder Sieg ist schlecht und jede Niederlage ist gut, sofern sie aus freiem Willen stammt.« Hugot erklärt: »Ich bin meinem Siege voraus, und das ist mein Sieg.« Die Edlen, die untergehen, wissen, daß sie einsam sind, sie zählen nicht auf den Erfolg, sie verzweifeln an der Menge, sie wissen, daß das Volk nie Freiheit im höheren Sinne verstehen kann, daß es die Besten verkennt. »Jede Elite beunruhigt sie, weil sie das Licht trägt. Möge das Licht sie versengen!« Nur die Idee ist ihre Heimat am Ende, nur die Freiheit ihre Sphäre, die Zukunft ihre Welt. Sie haben das Vaterland von den Despoten gerettet, nun müssen sie es noch einmal verteidigen gegen die Canaille, gegen die Herrsch- und Rachsucht des Pöbels, der die Freiheit ebensowenig achtet. Mit Absicht sind die harten Nationalisten, die alles von einem Menschen für das Vaterland fordern, die Überzeugung, die Freiheit, die Vernunft, mit Absicht sind diese Monomanen des Vaterlandsgedankens in plebejischer Gestalt in dem Sansculotten Haubourdin dargestellt, der nur »Verräter« kennt oder »Patrioten«, der die Welt zerreißt in seinem Glauben und Verbrechen. Die Kraft und diese brutale Einseitigkeit ist freilich die siegreiche; aber sie, die ein Volk gegen eine Welt von Feinden errettet, ist gleichzeitig auch die Kraft, die seine feinste Blüte zerstört.

Ein Hymnus auf den freien Menschen, auf den Helden des Gewissens (den einzigen, den Rolland als Helden anerkennt) ist hier begonnen. Was in »Aërt« thematisch angedeutet war, beginnt sich nun geistig zu gestalten. Und Adam Lux, der Mainzer Klubist, der in heiliger Begeisterung nach Frankreich flieht, um hier für die Freiheit zu leben (und den die Freiheit auf die Guillotine führt), dieser erste Blutzeuge seines Idealismus, ist der erste Bote aus Johann Christofs Land. Der Kampf des freien Menschen um sein ewiges Vaterland jenseits des heimischen hat begonnen, jener Kampf, in dem der Besiegte immer der Sieger und der Einsame der Stärkste ist.


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