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Früh weiß er schon um sein Amt. Der Held eines seiner ersten Werke, der Girondist Hugot im »Triomphe de la Raison«, verrät seinen glühendsten Glauben im begeisterten Ausruf »Unsere erste Pflicht ist: groß sein und die Größe auf Erden verteidigen«.
Dieser Wille zur Größe ist im Geheimnis jeder eigenen Größe. Was Romain Rolland, den Beginner von damals und den Kämpfer jener dreißig Jahre, von den andern unterscheidet, ist, daß er in der Kunst nie etwas Einzelnes, etwas Literarisches oder Gelegentliches schafft. Immer ist seine Anstrengung auf das höchste moralische Maß gerichtet, immer auf ewige Formen, immer empor zum Monumentalen: das Fresko, das Gesamtbild, die epische Umfassung ist sein Ziel; die größten Vorbilder sind sein Beispiel, die großen Helden der Jahrhunderte, nicht die literarischen Kollegen. Gewaltsam reißt er den Blick von Paris, von der zeitgenössischen (ihm zu geringen) Bewegung weg; Tolstoi, der einzig Schaffende im Sinne jener Großen, wird ihm Lehrer und Meister. Shakespeares Königsdramen, Tolstois »Krieg und Frieden«, Goethes Universalität, Balzacs Fülle, Wagners promethidischer Kunstwille, dieser heroischen Welt fühlt sich seine schaffende Sehnsucht trotz aller Demut näher verwandt, als der auf das Tägliche des Erfolges gerichteten Bemühung seiner Zeitgenossen.
Er durchforscht ihr Leben, um Mut zu finden an ihrem Mute, er studiert ihre Werke, um die seinen an ihrem Maß zu erheben über das bloß Tägliche, das nur Relative. Fast religiös wird sein Fanatismus für das Absolute: er denkt – ohne sich ihnen zu vergleichen – immer an die Unerreichbaren, an die aus der Ewigkeit in unseren Tag niedergestürzten Meteore; er träumt von einer Sixtina, von Symphonien, von den Königsdramen, von »Krieg und Frieden«, nicht von einer neuen »Madame Bovary« oder von Novellen Maupassants. Das Zeitlose ist seine wahre Welt, das Gestirn, zu dem sein schaffender Wille demütig und doch leidenschaftlich aufsieht. Nur Victor Hugo und Balzac von den neueren Franzosen haben diese heilige Anspannung zum Monumentalen gehabt: von den Deutschen keiner seit Richard Wagner, von den Engländern keiner seit Byron.
Solchen Willen zum Außerordentlichen kann Begabung und Fleiß allein nicht verwirklichen: immer muß irgend eine moralische Kraft der Hebel sein, um einen geistigen Kosmos aus den Angeln zu heben. Und diese moralische Kraft Rollands ist ein in der ganzen neueren Literatur unvergleichlicher Mut. Was seine Stellung im Kriege erst sichtbar der Welt offenbart hat, den einsamen Heroismus, sich mit seiner Gesinnung einer ganzen Zeit allein entgegenzustellen, das hatte im Unsichtbaren seine anonyme Leistung schon ein Vierteljahrhundert vorher den Wissenden bekundet. Man wird nicht plötzlich ein Held aus einer gemächlichen und konzilianten Natur: Mut will wie jede seelische Kraft in Prüfungen gestählt und gefestigt sein. Und von der ganzen neuen Generation war Rolland längst der Mutigste durch seine Bemühung um das Gewaltige. Er träumt nicht nur wie Schüler von Iliaden und Pentalogien: er schafft sie auch einsam, mit der Kühnheit vergangener Jahrhunderte, in unsere hastige Welt hinein. Noch spielt kein Theater seine Stücke, noch druckt kein Verleger seine Bücher, und dennoch beginnt er einen Dramenzyklus, so umfangreich wie die Tragödien Shakespeares. Noch hat er kein Publikum, keinen Namen und beginnt das Monstrum eines Romans, eine zehnbändige Lebensgeschichte, und wählt als Helden inmitten einer nationalistischen Epoche gerade einen Deutschen. Er verdirbt es sich von vornherein mit den Theatern, indem er sie in einem Manifest »Le théatre du peuple« der Banalität, der Geschäftlichkeit beschuldigt, er verdirbt es sich bewußt mit der Kritik, indem er in der »Foire sur la place« das Jahrmarktstreiben des Pariser Journalismus, der französischen Kunstmache mit einer Schärfe anprangert, wie sie seit den »Illusions perdues« des damals schon weltberühmten Balzac kein Autor jenseits des Rheins gewagt hatte. Ohne in seiner äußeren Existenz gesichert zu sein, ohne mächtige Gefährten, ohne Zeitschrift, ohne Verleger, ohne Theater will er den Geist der Generation reformieren, einzig durch den Willen und die Tat. Er schafft statt zu nahem Ziel immer ins Zukünftige hinein mit jener religiösen Macht des Glaubens an das Große, wie die Baumeister des Mittelalters nur zu Gottes Ehre ihre Kathedralen über die eitlen Städte bauten, ohne zu rechnen, ob die Vollendung ihr eigenes Leben nicht überwachsen würde. Dieser Mut, der wieder Kraft trinkt aus dem religiösen Element seiner Natur, ist sein einziger Helfer. Und das Wort Wilhelms von Oranien, das vor »Aërt«, einem seiner ersten Werke steht, »Ich bedarf des Beifalls nicht, um zu hoffen, und nicht des Erfolges, um auszuharren«, ist das wahre Leitwort seines Lebens.