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Die beiden Jahre in Italien, Jahre des freien Empfangens und schöpferischen Genießens, gehen zu Ende. Aus Paris ruft die Schule, die Rolland als Schüler verlassen, ihn nun als Lehrer zurück. Der Abschied ist schwer, und Malvida von Meysenbug, die gütige greise Frau, findet ihm noch einen schönen symbolischen Abschluß. Sie lädt den jungen Freund ein, mit ihr nach Bayreuth zu kommen, in die unmittelbarste Sphäre des Menschen, der mit Tolstoi das Sternbild seiner Jugend war und den er nun lebendiger fühlt aus ihrer beseelten Erinnerung. Rolland wandert zu Fuß durch Umbrien, in Venedig treffen sie zusammen, sehen den Palazzo, in dem der Meister starb, und fahren dann nach Norden in sein Haus zu seinem Werk. »Damit er« – wie sie in ihrer seltsam pathetischen und doch irgendwie ergreifenden Art sagt – »mit diesem erhabenen Eindruck die Jahre in Italien und diese reiche Jünglingszeit beschließe und denselben gleichsam als Weihe auf der Schwelle des Mannesalters mit seiner voraussichtlichen Arbeit und seinen wohl nicht ausbleibenden Kämpfen und Täuschungen empfange.«
Nun ist Olivier in Johann Christofs Land. Gleich am Morgen der Ankunft führt Malvida, noch ehe sie sich bei den Freunden in Wahnfried anmeldeten, ihn in den Garten zu des Meisters Grab. Rolland entblößt wie in einer Kirche das Haupt, schweigend stehen sie lange im Gedenken an den heroischen Menschen, der dieser einen ein Freund, dem andern ein Führer war. Und abends empfangen sie sein Vermächtnis, den Parsifal. Dieses Werk, das geheimnisvoll wie auch die Stunden jener Gegenwart mit der Geburt des Johann Christof verbunden ist, wird eine Weihestunde für seine zukünftige Zeit. Dann ruft ihn das Leben aus so großen Träumen. Ergreifend schildert die Siebzigjährige diesen Abschied: »Durch die Güte meiner Freunde für alle Aufführungen in ihre Loge eingeladen, hörte ich noch einmal Parsifal zusammen mit Rolland, der dann nach Frankreich zurückgehen mußte, um in die große Gewerbstätigkeit als schaffendes Glied einzutreten. Es war mir furchtbar leid um ihn, den Hochbegabten, daß er sich nicht frei zu ›höheren Sphären‹ heben und ganz in der Entfaltung künstlerischer Triebe vom Jüngling zum Manne reifen konnte. Aber ich wußte auch, daß er dennoch am sausenden Webstuhl der Zeit mithelfen würde, der Gottheit lebendiges Kleid zu wirken. Die Tränen, die beim Schluß der Aufführung des Parsifal in seinen Augen standen, verbürgten mir aufs neue diese Annahme, und so sah ich ihn scheiden mit innigem Danke für die poesieerfüllte Zeit, die mir seine Talente bereitet hatten, und mit dem Segen, den das Alter der Jugend mitgibt in das Leben.«
Eine reiche Zeit für sie beide endet in dieser Stunde, aber nicht ihre schöne Freundschaft. Noch durch Jahre, bis zu dem letzten ihres Lebens, schreibt Rolland ihr allwöchentlich, und in diesen Briefen, die er nach ihrem Tode zurückerhielt, ist vielleicht die Biographie seiner eigenen Jugend vollkommener gebildet, als je andere sie werden sagen können. Unendliches hat er gelernt in dieser Begegnung: Weite des Wissens um das Wirkliche ist ihm nun gegeben, Zeitgefühl ohne Grenze, und er, der nach Rom gegangen, um nur vergangene Kunst zu erfassen, fand dort das lebendige Deutschland und die Gegenwart der ewigen Helden. Der Dreiklang aus Dichtung, Musik und Wissenschaft harmonisiert sich unbewußt mit dem andern: Frankreich, Deutschland, Italien. Europäischer Geist ist nun für immer der seine, und noch ehe der Dichter eine Zeile geschrieben, lebt schon in seinem Blute der große Mythos des Johann Christof.