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Aus der Vorrede zur ersten Auflage.

– – Nun ein Wort über die Quellen, aus denen ich schöpfte. Die gedruckten führe ich hier nicht auf, da sie jedem Gelehrten bekannt sind. Der Kenner wird es mir auf's Wort glauben und auch herausfinden, daß ich Alles, was nur immer von gedruckten Quellen auffindbar war, gelesen und verglichen habe. Doch selbst aus den berühmtesten Quellen dieser Art, wie z. B. aus Gnodal, konnte ich für meine Arbeit fast nichts benützen, da sie im Lichte der Urkunden und der Berichte der Augenzeugen in einem bisher nicht geahnten Grade oberflächlich, unlauter und unwahr sich zeigten. Gedruckte Quellen benützte ich darum nur, wo die handschriftlichen mich verließen, was nur höchst selten ganz der Fall war, und nirgends als hie und da auf sächsischem Boden. In reichster Fülle floßen dagegen die handschriftlichen Quellen für Schwaben, Franken, Elsaß, Schweiz, Oesterreich, sowohl Urkunden als Berichte der Augenzeugen, oder solcher, die aus dem Munde von Augenzeugen schrieben; ich habe sie überall unter dem Text angeführt.

Die wichtigste, vor mir für diesen Zweck von keinem benützte Quelle bilden die Akten des schwäbischen Bundes, von mir als Bundesakten im Text citirt, eine lange Reihe von Fascikeln, mancher von mehr als hundert Nummern oder Piecen. Sie befinden sich im Stuttgarter Staatsarchiv.

Ebendaselbst findet sich ein anderer reicher Schatz für den Geschichtschreiber des Bauernkriegs: es ist die Sammlung des verstorbenen Prälaten von Schmid. Gegen vierzig Jahre sammelte dieser edle Gelehrte für eine Geschichte des Bauernkriegs, starb aber, ohne daß er dazu gekommen wäre, etwas mehr daran auszuarbeiten, als XVIden bekannten Aufsatz in der Encyclopädie von Etsch und Gruber. Einen Theil dieser Sammlung konnte Oechsle benützen; die Benützung der ganzen, an Urkunden, Auszügen aus Urkunden und Berichten von Augenzeugen höchst reichen Sammlung des Vollendeten wurde durch ein günstiges Geschick mir zu Theil.

Unter vielem Anderen enthält diese Sammlung in Abschrift die Handschriften: 1) Von Hans Lutz, Herold des Truchseß von Waldburg während des Bauernkriegs. 2) Von Niclas Thomann, Kaplan zu Weissenhorn während des Kriegs; er schrieb theils als Augenzeuge, theils aus dem Munde des Bürgermeisters von Weissenhorn, Diepold Schwarz, der immer um den Truchseß war und beim schwäbischen Bund in großem Ansehen stand; die im Jahre 1533 vollendete Handschrift Thomann's zeichnet sich durch mehrere wichtige Aktenstücke aus. 3) Von Jakob Holzwart zu Roggenburg, ebenfalls Augenzeuge bei Vielem; seine Handschrift ist vom Jahre 1530. 4) Von Seidler; diese Handschrift ist eine Abschrift der Zeilischen Handschrift, welche der Schreiber des Truchseß, »so alleweil mit und dabei gewesen,« verfaßt hat, und welche Seidler später in der Kanzlei zu Wolfegg copirte

Diese Sammlung, so wie alle andern für meinen Zweck dienlichen Akten des K. Staatsarchivs zu Stuttgart, in dessen Gewölben so viele Archive des ehemaligen Schwabens mit ihren Urkunden und Berichten sich versammelt haben, wurden mir mit größter Liberalität zum freien Gebrauch überlassen: eine Freisinnigkeit, die mich zu ehrfurchtsvollem Danke verpflichtet. Direktion und Räthe des Stuttgarter Staatsarchivs erleichterten mir auf die dankenswertheste Art meine Arbeit, und neben meinen verehrten Freunden, den Archivräthen von Kausler und Oechsle, bin ich besonders Herrn Archivrath von Lotter für aufopfernde freundlichste Förderung zum Danke verpflichtet.

Wo ich den auf urkundlichen Forschungen ruhenden gedruckten Arbeiten Oechsles und Bensen's, so wie den trefflichen Aufsätzen XVIISchreibers in seinem historischen Taschenbuche Etwas verdanke, habe ich es immer unter dem Texte angegeben; für manches Detail vergleiche der Leser diese Arbeiten, sie bestehen und sollen bestehen in Werth und Wirkung fort neben der meinigen. – –

Für die Kunst, Geschichte zu schreiben, müssen auch die allgemeinen Gesetze der Kunst gelten. Die Geschichte muß Darstellung sein, und zwar Darstellung des Lebens, nicht Beschreibung oder gar Aufzählung und Aufreihung des Todten. Alles muß im wahren Geschichtbuch in Gestalt und Verhältniß sich bewegen und regen, als wäre es gegenwärtig, als handelte es vor Augen. Was als wahr geglaubt werden soll, darf allein auf ächte Urkunden und auf das Zeugniß unverdächtiger Augenzeugen sich stützen. Geschichte ist Darstellung des kritisch erhobenen Welt- und Zeitinhalts, der thatsächlichen Wahrheit, in der Form der Schönheit. So ist die Geschichte der Alten: daher ihr nationaler, daher ihr über die Menschheit und die Jahrtausende hinlaufender Einfluß, die Ewigkeit ihrer Wirkung.

Nicht bloß die Wahrheit, auch die Kunst gewinnt durch das Studium der Urkunden. Nur der Geschichtschreiber seiner eigenen Zeit in nächster Nähe hat den Vorzug, wie der dramatische Dichter das warme Leben copiren zu können: dem Geschichtschreiber der Vergangenheit bleibt, um die wahre Gestalt wiederzugeben, wenigstens das, noch eine Todtenmaske zu nehmen. Die Archive sind Gräber der Todten, und das Bleibende, Wahre ihres Wesens bilden an längst Dahin- und Vorübergegangenen großentheils noch ihre urkundlich verzeichneten Worte und Thaten, ihre aufbewahrte Eigenthümlichkeit des Seins und des Ausdrucks.

Auf diesem Wege das Leben nachzuzeichnen, war mein Bestreben: Darum wurden bald selbst derbe Striche nicht beseitigt, bald schwächere Lichter und Schatten gegeben, wo stärkere viel wirksamer gewesen wären: sie sollten wieder vor die Augen so, wie sie im Leben gewesen sind, und nicht anders. Ich halte es für eine Sünde, die XVIIIWahrheit in der Geschichte zu verletzen, dazu zu machen, um den Zweck einer ästhetischen Wirkung zu erreichen. Und ebensowenig darf die Wahrheit der Schönheit zu Liebe, der gegebene Inhalt der künstlerischen Form wegen beschnitten werden. Nur so viel muß der Geschichtschreiber vom ächten Dichter und Maler an sich haben, daß er es versteht und vermag, naturwahr zu sein in Linien und Farben, das Leben getreu auf's Blatt zu zaubern. –

Im Urtheil über das Ganze aber wie über Einzelnes möge Keiner vergessen, daß es mit alten Geschichten ist wie mit den Ruinen auf den Bergspitzen: Von unten hinauf schauend gewinnt man nur eine Ansicht; erst, wenn man durch Gestrüpp und Steinschutt mühsam hinaufgeklommen, hat man die Einsicht.

Am 8. November 1843.

Dr. W. Zimmermann.


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