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Zehntes Kapitel.

Der arme Konrad oder Koontz. Ganz neu nach den Urkunden des Königlichen Staatsarchivs, theilweise des landschaftlichen Archivs zu Stuttgart bearbeitet.

Einer der nächsten Nachbarn der Schweiz war Württemberg. Vielfach durchkreuzt von kleinern Herrschaften zog sich das Land an beiden Ufern des Neckars hinab wie ein schöner mannigfaltiger Garten. Aber in diesem Garten der Natur war der gemeine Mann arm und gedrückt, wie anderswo. Auf die glücklichen Jahre unter Eberhard im Bart folgte sein ungleichartiger Vetter, der jüngere Eberhard, welchen, wegen seines übeln Regiments, »weil er nur mit liederlichen, schlechten Buben haushielt,« und solch Unwesen trieb, daß, wie Kaiser Max sich darüber ausdrückte, »davon zu reden erbärmlich wäre,« schon nach zwei Jahren seine Landstände absetzten, daß er im Elend umkam. An seine Statt kam dessen Verwandter, ein Kind, in dessen Namen sechs Jahre lang eine Handvoll Familien-Aristokraten regierte, welche den kurz dauernden Machtbesitz für sich und ihre Familien auszubeuten nicht versäumte.

Wider die Verträge, wider die weise Ordnung Eberhards im Bart, dem die Liebe zu seinem Volke den Blick in die Zukunft schärfte, und der noch zuletzt die Regierungsfähigkeit vom achtzehnten auf das zwanzigste Jahr hinaufgesetzt hatte, wurde Ulrich, ein sechzehnjähriger Knabe, vom Kaiser und der Landschaft für volljährig erklärt und in seine Hand das Ruder des Landes gelegt.

Seufzend gab ihm bald das Volk das Lob, daß er in Luxus und Glanz seinen Vorgänger weit hinter sich lasse. Bankettiren und Turnieren, Fastnachtspiele und Mummereien, Bärenjagen und Kriegszüge, Reisen ins Ausland und Lustbarkeiten jeder Art waren der Zirkel, in dem er sich bewegte. Es schmeichelte ihm, große Grafen und Herren in kostspieligem Sold und großer Zahl als seine Räthe und Diener, mächtige Reichsfürsten als seine Gäste an seinem kleinen Herzogshofe zu sehen. Nicht minder kostspielig waren seine Sänger und Pfeifer, seine Jäger und Falkner, sein Marstall und seine Hunde. Aus ganz Europa, namentlich aus Italien, Frankreich, Spanien 62und England ließ er in diesen Artikeln das Ausgezeichnetste für sich erwerben. Wenn er an den Kaiserhof oder auf Reichstage ritt, glänzte er mit einem Gefolge von dreihundert Helmen und darüber, kostbarer gekleidet, als die Diener aller andern Fürsten, und oft blieb er über ein Vierteljahr lang mit seinem lustigen Troß an einem solchen Lustorte. Die Regierung ließ er ganz in den Händen der frühern Vormundschaft: Veruntreuung und Verschleuderung characterisirten die Verwaltung, Ungerechtigkeit ohne Scheu und Mantel die Rechtspflege. Als Ulrich die Nichte des Kaisers, die Bayernfürstin Sabina heim holte, im Jahre 1511, zählte man über 7000 vornehme Hochzeitgäste, und die vierzehntägigen Festlichkeiten waren so außerordentlich prachtvoll, daß viele dafür hielten »man sollte mit diesen unmenschlichen Kosten ein ganzes Land verthan haben.« Aber dieser ungeheure Aufwand war nur der Anfang zu einem noch verschwenderischeren Hofleben, das einen Tag in den andern fortlärmte und praßte. Wer am erfindungsreichsten in Anordnung von Lustbarkeiten war, erhielt die einträglichsten Stellen, und die Geistlichen, die am besten musiziren konnten, die fettesten Pfründen; und ein großer Theil derer, die in weltliche und geistliche Stellen sich theilten, war nicht aus dem Lande gebürtig. Die Hofdiener, ja gar nicht zum Hofdienst Gehörige hielten sich die schönsten Pferde auf herzogliche Kosten, und die herzoglichen Gestütemeister lebten und gastirten selbst wie kleine Herzoge. Die fremden und einheimischen Edeln, als die trauten Gesellen des Herzogs, spielten allenthalben die Herren, und erlaubten sich jeden Muthwillen und jede Gewaltthat gegen das Volk. Ungestraft wurde da und dort ein Bürger oder ein Bauer von ihnen verwundet oder todt geschlagen. Straßenraub und Nothzucht wurden von ihnen als Belustigung, als ein loser Spaß betrachtet und geübt: wurden sie, was eine Ausnahme war, einmal von einem Richter zur Rechenschaft gezogen und des Landes verwiesen, so erlaubte ihnen der Herzog gleich darauf wieder die Rückkehr, und der Richter war seines Lebens nicht sicher.

Solchem Hof und solcher Regierung war das Volk preisgegeben. Alle Kosten mußte es allein tragen, die Hofdiener, Forstmeister und Forstknechte hatte der Herzog altem Herkommen und Vertrag zuwider von allen Steuern, Wachten und Frohnen befreit, und zudem, daß das Volk alle Lasten allein trug, sah es sich täglich noch an seinem 63Eigenthum und seiner Ehre mißhandelt. Feldeinwärts durchhetzten mit Rossen und Hunden die Reisigen und Waidleute die Aecker und Weinberge des Bürgers und des Bauern, welche schon unter der Unzahl des Wildes, besonders der wilden Schweine, empfindlich litten. Der Weingärtner, dessen Weingarten im Herbst von den Vögeln den größten Schaden litt, wurde, wenn er einen Vogel fing, ohne Nachsicht gestraft, unbarmherzig, wenn er ein schädliches Wild schoß. In Wald und Holz, in Waide und Fischwasser wurden den Gemeinden ihre alten Rechte verkümmert, und fürstliche Diener und Höflinge eigneten sich selbst zu, was an Nutzungen den Gemeinden gehörte. Die frommen Stiftungen für die Dürftigen zogen herzogliche Amtleute für sich ein. Selbst das Abholz, das von Alters her den Armen gehörte, versteigerten die Forstmeister und zogen das Geld in ihre Beutel. In die Gemeindeämter, welche die Gemeinden selbst zu besetzen das Recht hatten, setzten, ohne sich um die Einsprache zu kümmern, die Höflinge oder die obersten Kanzleiherren ihre Diener oder solche, die es ihnen mit Geld zahlten, und alle Gemeindebeamte, vom Schultheiß und Rathschreiber bis zum Büttel, Thorwart und Meßner herab, wurden am Hof oder in der Kanzlei gemacht. Die herzoglichen Beamten aber betrachteten ihre Aemter bloß als Erwerbsquelle. Sie waren nicht nur bestechlich, sondern sie forderten Geschenke; sie waren unwissend und untauglich, aber sinn- und erfindungsreich in neuen Plackereien, um Geld für sich zu erpressen, und unverschämt und herrisch, hochfahrend und grausam hart gegen das Volk, besonders Forstmeister und Forstknechte. Manche Beamte zogen die Gehalte ihrer Aemter, und ließen diese durch andere Subjekte versehen; manche derselben trieben neben ihrem Amt Wirthschaft, Frucht- und Weinhandel; andere bestritten ihren Aufwand aus den Amtskassen, und nahmen Tausende daraus für sich. Rechnung legten sie keine ab. Wurde gegen sie von dem armen Mann bei der Kanzlei in Stuttgart geklagt, so hörte man die Klage nicht an oder ertheilte keinen Bescheid darauf. Die Herren, die in der Regierung saßen, hatten Anderes zu thun: sie bauten sich und ihren Kindern schöne Häuser, und brachten die Geld-Reichthümer, die sie sich zusammen machten, im Auslande in Sicherheit. Sie hatten sich ein ganz neues, eigenthümliches Einkommen zu schaffen gewußt: Erlaubnisse, die von Alters her je die nächste 64Behörde unentgeltlich den Unterthanen ertheilt hatte, mußten jetzt bei der Kanzlei in Stuttgart geholt und bezahlt werden: ein Erlaubschein zur Geldaufnahme z. B. kostete 1 fl. 15 kr. in die Kanzlei. Noch theurer und lästiger war das römische Recht, das um diese Zeit allenthalben eingeführt wurde: »was zwölf Jahre zuvor mit zehen Pfennigen gerichtet ward, kostete jetzt im Wege Rechtens über 10 Gulden,« ohne die Zeit und den Verdruß einzurechnen. Wo den Herren das römische Recht nicht bequem war, hielten sie sich an gar keines. Das geschah in einem Lande, das eine ständische Verfassung und durch sie die Garantie der schönsten Landesfreiheiten hatte. Der Herzog kümmerte sich nicht um den Gang der Dinge, so lange ihm seine Räthe Geld, seine Höflinge Belustigung verschafften. Unter ihnen aufgewachsen, hatte er sich zum hochmüthigen Tyrannen verhärtet, herzlos, ohne Liebe, ohne Gefühl für sein Volk. An die Verfassung achtete er sich nicht gebunden. Die Rechte, welche darin sein edler und großer Vorfahr dem Volke eingeräumt, erschienen ihm als ein Raub an seiner fürstlichen, von Gott verliehenen Macht. Diejenigen Rechte vollends, mit welchen die Stände bei der Absetzung seines Vorgängers die verfassungsmäßigen Freiheiten gemehrt hatten, sah er als im Aufruhr, als in einer Zeit rechtloser Zustände geschaffen an, und hielt sich für berechtigt, jetzt, da er rechtmäßiger Herr sei, sie als nicht vorhanden zu betrachten. Darum sprach er, so oft es ihn gelüstete, den Gesetzen und der Verfassung Hohn. Er wollte Alles in Allem sein und das Land dünkte ihm nichts. Wagte einer von seinen eigenen oder von des Volkes Leuten zu ihm ein Wort zu sprechen, so stieg ihm das Blut in den Kopf, und er ballte drohend die Faust gegen den kühnen Belästiger.

Zwölf Jahre schon dauerte solches Treiben im Württemberger Lande. Alle Kassen waren geleert, alle öffentlichen Getreidekästen, alle Keller. Für einen Krieg oder eine Hungersnoth wäre nichts mehr vorhanden gewesen. Und dazu hatte Ulrich noch eine baare Million Schulden gemacht. Unermeßlich für seine Zeit und sein Land! Die letzte gewöhnliche Einkommensquelle war ausgeschöpft, der Kredit dahin. Seine Günstlinge erfanden neue Steuern und Abgaben: ehe er das Geringste von seinem Aufwand sich abbräche, sollte lieber das Land ausgesaugt werden. Die Landschaft, wie einzelne Aemter und Gemeinden, wurden gezwungen, sich als Bürgen für die Gläubiger 65des Herzogs zu verschreiben, oder Pfandschaften einzulegen; die Münzen wurden herabgesetzt und neue unter dem wahren Werth geschlagen, zudem daß schon im Anfange des Jahres 1512 das dürftige Feld des Landmanns mit neuen Beschwerden belegt wurde; der Weinzoll wurde erhöht, für jeden Eimer mußten fünf Schillinge, für den halben Eimer fünfzehn Pfennige Durchgangzoll gegeben werden. Das that man in einem Lande, wo der Weinbau und Weinhandel ein Haupt-Nahrungs- und Handelszweig war.

Aber Alles reichte nicht, und der Herzog, der so viele Jahre lang damit geglänzt hatte, daß er Fürsten und große Grafen in seinem Dienste hatte, mußte nun daran denken, sich nach Diensten und Dienstgeldern bei einem ausländischen Könige umzusehen. Während dem ersannen seine Räthe eine neue Vermögenssteuer: auf zwölf Jahre sollte von einem Gulden Kapital jährlich ein Pfennig gezahlt werden. Mit Umgehung der dazu nöthigen Zustimmung der Landschaft ließ sich Ulrich dieselbe von den Amtleuten, bei denen er herum ritt, bewilligen. Da aber diese Quelle nicht sogleich und nicht bequem genug für die Wünsche und Bedürfnisse des Herzogs floß, wurde noch eine andere neue Schatzung erfunden. Man kam darauf, auf den täglichen Verbrauch von Fleisch, Mehl und Wein ein Umgeld zu legen. Also wurde Maß und Gewicht verringert, und die Mezger, Bäcker, Müller und Wirthe sollten von jedem Centner Fleisch drei Schillinge, von jedem Imi Wein die sechste Maß, ebenso vom Mehl ein Bestimmtes an die herzogliche Kasse abgeben. Diese neue Art der Schatzung ward am Hofe als ein wahrer Glücksfund begrüßt.

Das Volk, welchem diese und andere Schatzungen aufgelegt wurden, pflegte von seinem ersten Herzog zu sagen, wenn Gott nicht Gott wäre, so müßte ihr Eberhard Herrgott sein; und seine Hingebung an seine Fürsten hatte dasselbe zur Zielscheibe des Witzes der Nachbarvölker gemacht. Aber selbst dieses Volk mußte in dieser Zeit erkalten, und der mißhandelte, verhöhnte und hungernde Bauernstand Württembergs mußte in diesen letzten sieben Jahren Ulrichs für Männer und Plane, die sich mit der Aufregung und Befreiung dieses Standes beschäftigten, ein anziehender und empfänglicher Boden werden; waren doch ganze Strecken des Landes, wie das Zabergau und das Remsthal schon mit den Bruchrainern in Verbindung.

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Württemberg lag örtlich dem Bruchrain zu nahe, und die Polizei im Lande war zu lax, als daß nicht gerade dahin nach dem Mißlingen der Untergrumbacher Bewegung manche der Flüchtlinge sich gezogen fühlen mußten. Wo alle Verhältnisse so durcheinander geworfen waren, wie in Württemberg; wo man so sorglos mit dem Volke spielte wie hier, konnten Männer, wie die der Bruchsaler Verbindung, furchtlos und ungenirt ihre Plane neu aufnehmen.

Wenn man von dem Hohenstaufen herniedersteigt, gelangt man in ein wildes, fast düsteres Thal, das die Rems durchfließt. Wenige Stunden weiter heben sich an seinen Ufern die freundlichsten Rebenhügel hin.

Hier im Remsthale war es nun, wo sich seit dem Jahre 1503 eine geheime Verbrüderung der Bauern zu bilden angefangen hatte, ein Zweig des Bundschuh's von Untergrumbach. Sie bestand fort unter der Maske eines Bauernscherzes.

Unter der Remsthaler Verbrüderung war ein lustiger Geselle, der schon längst, als ein Kopf von drolligen Einfällen, zwischen seinem Taufnamen Konrad und seiner Lage eine komische Wechselbeziehung gefunden hatte, »weil kein Rath,« oder nach der Aussprache des dortigen Landvolkes, » Koan-Roth bei ihm verfangen wolle.« Das Wortspiel hatte gleich Anfangs Beifall gefunden, und die Brüderschaft taufte sich nun diesem ihrem Gesellen nach »den armen Konrad.«

Sie bildete unter diesem Namen eine stille Gemeinde, in welcher sich unter lustigen Schwänken und Possen die Bestrebungen der früheren Bauernverbindungen fort erhielten und dem öffentlichen Auge entzogen.

Sie hatte, wie der Bundschuh zu Lehen, eine förmliche Organisation mit eigenen Chargen und Gesetzen, Versammlungsorten und Tagen. Ein Hauptmann stand an der Spitze, der im weißleinenen Bauernkittel und im grauen Filzhut stolz einher schritt. Er hielt über seine Gesellen ein eigenes Register und musterte die Untüchtigen von Zeit zu Zeit aus. Denn nicht Jeder wurde in den armen Konrad aufgenommen. Alle, die irgend noch wohlhabend waren, und ebenso Bettler, Landstreicher, Taugenichtse waren von der Brüderschaft zuerst, aber nur zuerst, ausgeschlossen. Nur Arbeiter wurden 67aufgenommen, die es sich von Tag zu Tag sauer werden ließen; Männer, die noch ein Gefühl dafür hatten, daß sie am Abend nach des Tages Arbeit keinen Lohn ihrer Mühe fanden, als den Anblick ihrer Kinder, die nach Brod schrieen, ihrer Weiber, die mit hohlem Auge sie anstarrten, und manchmal ihrer Herren, die mit Stolz und Hohn auf sie herab sahen. Durch einen Handschlag ließ der Hauptmann in die Verbrüderung angeloben und theilte unter die Mitglieder die Güter aus, welche dieselbe »im Monde besaß,« Aecker und Weinberge »in der Fehlhalde,« auf dem »Hungerberg,« am »Bettelrein,« zu »Nirgendsheim,« und was dergleichen Witze mehr waren; dem ersten Anschein nach eitle Schwänke, in Wahrheit aber beißendes Salz in die offenen Wunden des armen Mannes. Auch ein Fähnlein hatte die Brüderschaft im Remsthal, wie die andern Bauernverbindungen; in der Hauptsache nach Bild und Gedanke jenen ähnlich. Auf blauem Grunde war ein Crucifix gemalt, vor demselben auf den Knieen ein Bauer, mit der Umschrift: »Der arme Konrad.« Das Fähnlein aber, wie ihre Losung und ihre Plane, waren geheime Artikel der Eingeweihtesten. Sie wuchs von Tag zu Tag an Zahl, und breitete sich bald über mehrere Aemter aus.

Jahrelang nahm die Regierung keine Kunde von diesem Spiele, zu sehr mit Anderem beschäftigt, um ein aufmerksameres Auge auf dasselbe zu richten. Und doch hörte man bereits weit umher nicht nur die Redensart: »Der ist auch mit uns im armen Konrad,« sondern selbst Drohungen, wie die: » Du mußt auch mit uns in den armen Konrad.« In Uebermuth und Leichtsinn spielte der Despotismus fort, während in der Vermummung tollen Humors die Volksrache am Fuße seines Stuhles rüttelte.

Der Hauptsitz der Verbindung war Beutelspach, die bedeutendsten Eingeweihten aber saßen zu Schorndorf. Wie an andern Orten eine feste Stadt, so sollte den Remsthalern diese als Stützpunkt ihrer Entwürfe dienen, wenn es an der Zeit wäre.

Als der Bundschuh zu Lehen zersprengt war, wurden allenthalben die Bauern verspottet statt erleichtert. Karrikaturen wurden umgeboten, namentlich ein großer Holzschnitt, »das Narrenschiff vom Bundschuh.« Ein Schiff war darauf abgebildet und in demselben eine Rotte Bauern mit Narrenkappen. Der Text dazu bewies, wie 68die Erznarren seien, welche ihre Herren todt schlagen und neue Gesetze machen wollen; und sein Motto war: »Jezund ist mein Begehr, ob jener einer vom Bundschuh wär?« Der bitterste Spott aber waren die neuen Arten von Bedrückungen, welche folgten; die spöttischen Thaten der Herren gingen tiefer als die spöttlichen Reden.

Als zu Anfang des Jahres 1514 die Kapitalsteuer in Württemberg ausgeschrieben und verkündet wurde, nahm der Hauptmann des armen Konrads in großer Versammlung auf freiem Felde eine Schaufel, zog damit einen großen Ring und rief, indem er sich darein stellte:

»Der arm Konrad heiß ich, bin ich, bleib ich,
Wer nicht will geben den bösen Pfenning,
Der trete mit mir in diesen Ring!«

Und es traten an die zweitausend Bauern und Bürger nacheinander in den Ring: ein Beweis, erstens dafür, daß die Mitglieder des armen Konrad nicht, wie lange Einer dem Andern nachschrieb, auch im Fortgang lauter ganz Besitzlose, Verlumpte gewesen; denn solchen hätte die Kapitalsteuer wenig zu Herzen gehen können; zweitens dafür, daß nun auch Wohlhabendere an die Verbrüderung sich anschlossen, da es galt, eine ungerechte, verfassungswidrige Steuer zu verweigern. Das war der erste Schritt, worin sich der arme Konrad öffentlich als politischer Widerpart ankündigte. Ehe er aber die Maske ganz ablegte, zeigte er sich noch einmal in recht augenfälliger Weise in seiner angenommenen Rolle: in scheinbarer Thorheit, im Kostüm des Volkswitzes.

Jener Hauptmann wohnte zu Beutelspach, ein aufgeweckter Kopf, Vater von vier Kindern, der, wie seine Feinde ihm nachsagen, »eine sehr böse und aufrührerische Zunge hatte, auf seinen Gütern aber viele Schulden.« Sein Familienname war Peter Geiß. Als darauf jene Blume der Finanzkunst, die Verbrauchssteuer, welche man zuerst bei dem Fleische probiren wollte, in Flor treten sollte, schlug der Geißpeter in der Versammlung vor, mit dem verringerten Gewichte die Wasserprobe zu machen; »schwimme es oben, so solle der Herzog Recht haben; sinke es unter, so haben sie Recht.« Der Vorschlag fand großen Anklang in dem versammelten armen Konrad. Es war gerade Samstags vor Ostern, am fünfzehnten April, in der 69Morgenstunde; an diesem Tage sollte das neue Gewicht zum erstenmal gebraucht werden. Einhellig zog der Haufen nach dem Rathhause und holte die daselbst aufbewahrten Trommeln und Pfeifen. Von da ging es zur Mezig, der Geißpeter nahm daraus die neuen Gewichte und hing sie einem Paar seiner Gesellen um. Die Trommeln wurden geschlagen, die Pfeifen erklangen, so ging es hinaus an die Rems. Mit jedem Schritt schwoll der Haufen an. Am Fluße nahm der Geißpeter seinen Gesellen das Gewicht ab, und warf es in das Wasser mit den Worten: »haben die Bauern Recht, so fall zu Boden; hat aber der Herzog Recht, so schwimm empor!« Die Gewichtsteine sanken nach ihrer Art zu Boden, und alles Volk jubelte: »Wir haben gewonnen!« Noch jetzt heißt dieser Ort in der Rems die Wage.

Auf solchen Hof- und Finanzwitz gehörte ein solcher Volkswitz, dessen Sarkastisches man nicht übersehen darf, über dem täuschenden Scheine des Drolligen. So ist der Humor des schwäbischen Volkes. Dieser scheinbar tolle Schwabenstreich war von den Verbündeten wohl berechnet, so sehr er wie ein Einfall des Augenblickes aussieht. Dafür spricht der Eclat, womit das Ganze veranstaltet wurde, die Procession nach dem Rathhaus und die feierliche Abholung der Dorfmusik. Der ganze Auftritt sollte Aufsehen erregen; es sollte die Blume der Finanzweisheit zum Gespötte machen, und zugleich ein erster Versuch sein, wie weit man auf das Landvolk im Thale rechnen könne. Unverweilt zog auch in selber Stunde der Geißpeter und sein Anhang über die Rems hinüber nach Heppach, und wiederholte mit gleichem Pompe das Schauspiel der Wasserprobe, wie mit gleichem Erfolge bei den Bauern; und während er das Thal herab ging, zog Schlechtlins-Claus, ein anderer Eingeweihter der Verbindung, das Thal hinauf, und that dasselbe.

Mehrere Fehljahre waren nacheinander gewesen, nicht bloß im Weine, sondern auch im Getreide. Der Scheffel Dinkel war von dem gewöhnlichen Preis von 21 kr. 5 hl. bis auf 2 fl. 4 kr. 3 hl. gestiegen, und zudem waren gerade die Weinreben aufs Neue erfroren. Jetzt sollte der Landmann noch von seinem Glas Wein, das selten an ihn kam, ein Fünftel sich abziehen lassen; am Brod und Fleisch, das er aß, weiter bezahlen, als er in Wirklichkeit erhielt.

Jetzt sprach der Geißpeter laut davon, wie man bewaffnet zusammen ziehen müsse, und er könne sie versichern, wenn sie sich 70zusammen thäten, werde sich bald viel Volks zu ihnen schlagen, besonders aus dem Gebiete der benachbarten Reichsstädte Gmünd und Eßlingen; denn Tausende leiden und fühlen wie sie, und nirgends mangle es an Gesellen, welche Güter im Hungerberg und in der Fehlhalde haben.

Am selben Abende noch zogen sie aus Heppach, Grunbach und Beutelspach mit Wehr und Waffen nach der zwei Stunden entfernten Amtsstadt Schorndorf. Immer mehr Volk schloß sich unterwegs an; vor der Stadt waren es 3000, nach Andern 5000 Bauern. Sie forderten die Stadt auf, sich ihnen anzuschließen, sie wollen die neuen Steuern abschaffen, und ihre alte Freiheit sich wieder holen. In der Stadt aber waren Adelman von Adelmansfelden, der Statthalter, und Georg von Geisberg, der Vogt, beide beim Landvolke sehr beliebt. Diese gingen zu den Bauern hinaus, sprachen freundlich mit ihnen, ließen ihnen Wein und Brod reichlich vor die Thore führen, und sagten ihnen zu, daß sie ihre Beschwerden vor den Herzog bringen und die Abstellung bewirken wollen. Und nachdem sie gegessen und gut getrunken, zogen die Bauern gegen Nacht wieder in ihre Dörfer.

Ulrich war gerade auf einer seiner vielen Vergnügungsreisen, zu Besuch beim Landgrafen Philipp von Hessen. Die drei Hauptsünder in der Kanzlei zu Stuttgart erschracken über diese Kundgabe des Volkes, und riefen eilig den Herzog zurück.

Das Remsthal war windstill, als er am 2. Mai kam. Er sah darum in der Bewegung nur einen tollen Streich des Augenblicks, in welchem die Bauern ihre Pflichten gegen ihn, ihren Herrn, aus den Augen gesetzt. Er war überzeugt, daß seine Nähe, sein Anblick ihre vollkommenste Reue und alte Unterwürfigkeit zur Folge haben würde.

Er ritt darum mit nur achtzig Pferden, der kleinsten Zahl seines gewöhnlichen Gefolges, selbst nach Schorndorf, nachdem er zuvor an alle Aemter ausgeschrieben, daß er die neue Schatzung aufheben, und die Beschwerden auf einem Landtage untersuchen lassen wolle. Er hatte wenigstens ein derartiges Versprechen für nöthig gehalten, die üble Stimmung zu zerstreuen. In Schorndorf beschied er die Amtsangehörigen zu sich; es kam eine gewisse Zahl, ohne Wehr und Waffen, und er hielt eine Rede an sie, auf demselben Platze, auf welchem sie vor der Stadt am Ostersamstag sich gelagert hatten. Die Erschienenen entschuldigten sich, sie wissen nicht, wie und von wem sie in solche 71Bewegung hineingezogen worden, und baten um Verzeihung. Ulrich versprach ihnen alle Strafe fallen zu lassen, ritt heim und schrieb den benachbarten Reichsstädten, daß Alles im Remsthal »gestillt und getuscht« sei.

Schon am Tage des Zuges nach Schorndorf sehen wir die Absichten und die Häupter des armen Konrad aus dem Dunkel hervortreten. Neben den schon Genannten tritt als oberster Hauptmann Hans Vollmar von Beutelspach auf, ein wohlhabender, kühner Mann, der gute äußere Verhältnisse und sein Leben aufs Spiel setzte. Er war es, den sie nöthigten, als oberster Anführer den Haufen nach Schorndorf zu führen. In dem schnellen Erfolg ihres ersten Versuches, das Volk in Bewegung zu setzen, lag für die Verbündeten eine große Ermunterung, einen offenen Schlag jetzt zu wagen. Es ist genau zu unterscheiden zwischen den Verbündeten, d. h. dem armen Konrad, und zwischen der großen Masse, welche sich von den Eingeweihten bewegen und in ihre Bestrebungen hineinziehen läßt. Die Erstern waren weit entfernt, den Herzog um Verzeihung zu bitten, vielmehr entwickelten sie von jenem Ostersonnabend an die vielseitigste Thätigkeit, die Leidenschaften aufzuregen und das ganze Land in die Waffen zu bringen. Als das Hauptquartier der Verbündeten tritt jetzt das Haus Caspar Pregizers hervor, des Bürgers und Messerschmids in Schorndorf.

Man findet ausdrücklich bemerkt, daß nicht bloß gemeine Leute in dieser Stadt, sondern auch Männer in Amt und Ansehen beim Volke, reiche Bürger, mehrere Mitglieder des Raths dem geheimen Bunde angehörten, manche wohl aus selbstsüchtigen Beweggründen, viele gewiß ergriffen von den öffentlichen Zuständen und den neuen Ideen, die im Volke im Ausbrechen waren. Da die Beamten des Herzogs mit scharfem Auge die Stadt und jeden Schritt der Bürger hüteten, traten sie nur im Geheimniß der Nacht im Pregizer'schen Hause zusammen, und während der Herzog, durch allerlei Vorspiegelungen und Vorschläge, welche auf seinen Befehl die beiden Gaisberge der Stadt und dem Amte gleichsam nur für sich machen mußten, die Unzufriedenen hinzuhalten wähnte, bis er fremdes Kriegsvolk zu ernstem Einschreiten ins Land gezogen hätte, waren die Verbündeten ununterbrochen geschäftig, Schreiben zu verfassen, Boten damit in alle Gaue des Landes auszusenden und alle Gleichgesinnten in Städten und Dörfern an sich zu ziehen.

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Ulrich hatte so viele Jahre herein, der Verfassung und seinem Eide zum Hohn, keinen Landtag einberufen. Darum traute Niemand besonders auf seine jetzige Zusage eines Landtages. Unvorsichtig genug hatte er seine Drohung mit fremden Kriegsvölkern laut werden lassen. Daran hielten sich die Mißvergnügten und forderten in ihren Schreiben alle Gemeinden auf, sich nicht wehrlos dem Schwerte der Fremden preiszugeben, sondern in die Waffen zu treten. Zugleich schrieben sie auf die Untertürkheimer Kirchweih eine allgemeine Versammlung aus, zu welcher unter dem Schein des Kirchweihbesuches jede Gemeinde ihre Abgeordneten senden sollte, um mit einander zu tagen und Abrede auf alle Fälle zu nehmen.

Das Pregizer'sche Haus hieß bei den Verbündeten »des armen Konrads Kanzlei;« ihr Sekretär war der Anwalt Ulrich Entenmaier; der verfaßte die Ausschreiben. Zu dem Schorndorfer Club, der zahlreich war, gehörten auch Auswärtige, und wohnten den Berathungen an. Dieser bildete in engster Verbindung mit den Beutelspachern den leitenden Ausschuß der Bewegung, und dieser Ausschuß stand bald mit den Mißvergnügten in allen Theilen des Landes in lebhaftem Verkehr. Von ihm aus gingen Unterhändler, Kundschafter, Umtriebler nach allen Seiten hin, bei ihm liefen die Nachrichten ein, was hin und wieder im Thale und an andern Orten vorgefallen.

Am bestimmten Tage, dem 28. Mai, fanden sich wirklich viele Mißvergnügte von dem ganzen Lande her zu Untertürkheim am Neckar ein. Die Abgeordneten der Aemter Böblingen, Leonberg, Backnang, Winnenden, Marbach, Markgröningen, Urach, u. s. w. sagten den Remsthalern Hülfe und Zuzug zu, wenn sie losschlagen. Selbst von der rauhen Alp waren Boten da auf dem Tage. Conrad Griesinger von Bleichstetten unweit Münsingen und der Singerhans von Würtingen machten sich anheischig, alle Bauern auf dieser Seite der Alp in Gächingen zu sammeln und sich der beiden Städte Urach und Münsingen zu bemächtigen. Aus dem Ermsthal war namentlich Bantelhans von Dettingen auf dem Tage, und versprach die Hülfe seines und des Echazthales. So ward beschlossen, sich bewaffnet zu erheben.

Kaum heimgekehrt, ging er daran, es wahr zu machen. Bantelhans, der längere Zeit ein Kriegsmann in Ulrichs und anderen Diensten gewesen war, erscheint bei seinem Auftritt im armen Conrad 73als ein wohlhabender Bürger, der zu Dettingen unter Urach sitzt, und weit umher in den Thälern der Erms, der Echaz, der Lauter, auf der ganzen Alp bis ins Thal der Blau wohl bekannt und befreundet ist. Er ist klug, beredt, angesehen unter Seinesgleichen, hat Haus und Güter, und zeigt sich stattlich zu Roß.

In Dettingen selbst waren Hans Brändlin und Thomas Bader diejenigen, welche neben und mit ihm arbeiteten. Auch diese Beiden waren wohlhabende Männer. Der Letztere »streckte all sein Vermögen dar, um der Sache des gemeinen Mannes zu dienen;« ja er erklärte noch auf der Folter, daß er »bereit gewesen, wie es auch kommen möge, all das Seine und sein Leben daran zu setzen, sein und des Volkes Recht zu wahren, und daß es ihm noch so sei, und ob er darum sterben müßte.«

Nicht die gleich edle Gesinnung war es, von der Brändlin getrieben und aufgeregt wurde. Der Schultheiß von Dettingen handelte in Einem Sinne mit dem Vogte zu Urach, Schwikher von Gundelfingen und dem Forstmeister Stephan Weiler, auf dem die Flüche aller gemeinen Leute lasteten. Brändlin saß eines Tags im Wirthshaus des Klaus Haug zu Würtingen. Im Gespräch, das die neuen Dinge betraf, warf er vier Gulden auf den Tisch. Niklas, rief er, willst du unserem Schultheißen den Hals abstechen, sollst du die und mehr verdienen. Es blieb jedoch bei solchen Worten.

Kaum acht Tage nach der Türkheimer Kirchweih war Bantelhans schon so weit, daß er die ganze Gemeinde seines Wohnsitzes für sich hatte, und am Pfingsttag Schultheiß und Gericht zwingen konnte, noch Vierundzwanzig aus der Bauerschaft zu sich in den Rath zu wählen, und als das Geschrei eines Ueberzugs fremden Kriegsvolks auch in diesem Thale immer stärker wurde, wählte die Gemeinde ihn zu einem neuen Schultheiß, damit sie einen kundigen Kriegsobern hätten, wenn man sie mit den Waffen überfallen wollte.

Geschäftig ritt er hin und her, hinauf auf die Alp, nach Böringen, Zainingen, Donnstetten, Feldstetten, Laichingen, hinab nach Guttenberg und ins Lenninger Thal, hinüber nach Ehningen, Pfullingen, das Thal der Echaz hinauf. Wo er sich Hülfe versah, da warb er. Ununterbrochen stand er mit dem armen Konrad im Remsthal in Verbindung. »Kam ein Brief aus des armen Konrads 74Kanzlei in das Thal, so fragte der Bote nach des Bantelhansen Haus.« Und in der Nacht noch trug er die Nachrichten über den Fortgang des armen Konrad nach Mezingen hinunter, wo in Martin Mezgers Haus der Mittelpunkt der Verbündeten in diesen Gegenden war. Neben Martin Mezger wirkten in Mezingen Jörg Vögtlin, ein reicher, und nach dem Zeugniß, das nach dem Aufstand sein von ihm angefeindeter Schultheiß und Rath ihm gab, ein in alle Weg guter und untadelicher Bürger, und andere Vermögliche. Die von Dettingen und Mezingen sandten ihre Beschwerden in einer Schrift an den Herzog, und es war wiederholt davon die Rede, ein Lager auf dem Floriansberg zu beziehen. Ihre Beschwerden waren gerecht und wohlbegründet. Die Bauern hatten mitten in ihrer Aufregung noch alles Vertrauen zu der Persönlichkeit des Herzogs, »ihres gnädigen Herren.« Alles Uebel im Lande schrieben sie nur seinen Räthen zu, und hatten den Glauben, er wisse und wolle es nicht, und sobald er es erfahre, werde er abhelfen. Der Vorschlag eines Lagers auf dem Floriansberg ging aus dieser treuherzigen Zuversicht hervor. Würden seine Räthe, meinten sie, ihre Beschwerdeschrift beseitigen, so werde ihr gnädiger Herr, wenn er höre, daß sie im Lager stehen, zu ihnen herauf reiten, wie er den Leonbergern gethan, und ihnen, wie diesen, eine gute Antwort geben. Nur eine geringe Zahl setzte Mißtrauen in den Herzog. »Gibt er uns keine Antwort,« sagte einer der Hauptleute, Heinz Mösch, »dann wollen wir hindurch gehen.«

Die Eingeweihten des armen Konrad aber verfolgten auch hier eine ganz andere Richtung. Sie arbeiteten vorzüglich auf die Einnahme der beiden Städte Urach und Münsingen hin. Hand in Hand mit Bantelhans wirkte auf der Reutlinger und Münsinger Alp als Hauptmann und Unterhändler des armen Konrads Singerhans von Würtingen.

Dieser auf der Alp angesehene Bauer hielt seine Versammlungen zu Gächingen auf der Münsinger Alp. Die Losung, die hier die Bauern in Bewegung brachte, war: »Wald und Wild gemein.« Ein Bäuerlein, Peter Clemens von Würtingen, scherzte gleich auf einer der ersten Zusammenkünfte mit dem »Bundschuh.« Er fand einen alten Schuh auf dem Wege, hob ihn auf und steckte ihn 75als Panier an seinen Stecken. Später, als der Bundschuh verwirklicht werden sollte, sagte er: »Hätte man mir gefolgt, so wäre schon längst der Bundschuh mit meinem aufgehobenen Schuh aufgerichtet worden!« Einer aus Upfingen, Enderlin Amey, nannte sich hier »den armen Konrad.« Mancherlei wilde Reden fielen, von Todtschlagen des Forstmeisters und dergleichen. Singerhans aber nahm sie in Pflichten, mit ihm Urach und Münsingen einzunehmen. In Urach selbst stand er mit mehreren unzufriedenen Bürgern in Verbindung, welche ihnen das Thor gegen den Thiergarten hin zu öffnen versprachen. Nach der Einnahme beider Städte wollte er sich mit den Seinen denen vom Ermsthal, von Ehningen und Pfullingen, von Mittelstadt und Pliezhausen am Neckar anschließen, und hinab ziehen zum armen Konrad im Remsthal. Schon war das Lager bestimmt, das sie vor Urach nehmen wollten; auf dem Gespach sollte es geschlagen werden.

Eben kehrte er mit Kuentlen (Konrad) Griesinger aus der Pfullinger Gegend, wo er die letzten Verabredungen genommen, über Mezingen das Thal herauf heim, als er auf freiem Felde von Stephan Weiler, der ihm mit seinen Reisigen auflauerte, überfallen wurde. Nach tapferer Gegenwehr entrann Konrad Griesinger, aber mit Wunden, daß man ihn mit den Sakramenten versehen mußte; Singerhans, gleichfalls auf den Tod geschlagen, wurde gefangen und ins Gefängniß nach Urach weggeschleppt, wo er den 21. Juni peinlich befragt wurde, ohne irgend etwas zu bekennen. Als die Kunde unter die Bauern kam, gerieth die ganze Alp und das Uracher Thal in Bewegung. Bauernhaufen kamen mit gewehrter Hand vor die Stadt herab und forderten Rechenschaft. Die Stadt aber war wohlverwahrt. Der Uracher Rath klagte über das Verfahren Weilers in Stuttgart, und die Stuttgarter beschwerten sich höchlich bei dem Herzog: »Dürfe ein Forstmeister so fürgehen, so sei Niemand mehr seines Lebens sicher.« Der Herzog aber hörte das Alles an und saß im Kirchheimer Schloß. Der Forstmeister behielt den Singerhans gefangen, und in ihm eines der kühnsten Häupter der Bewegung auf der Alp. Seitdem hatte sie auf dieser Seite des Gebirgs keinen Fortgang mehr.

Auch in den andern Gegenden des Landes war zu gleicher Zeit das Volk aufgestanden. Im Backnanger Amt kam es noch vor 76dem Tage zu Türkheim zu gewaltsamen Bewegungen. Schon am 25. Mai thaten sie sich vor der Stadt zusammen. Die Gewißheit, daß der Herzog fremdes Kriegsvolk herbei rufe, hatte das Volk am meisten aufgebracht. Sie bemächtigten sich der Thore und Mauern und drangen dem Vogte die Schlüssel ab, um vor fremdem Ueberfall sicher zu sein. An der Spitze standen auf dem Amt Michael Schuhmacher von Kottenweiler, aus der Stadt Georg Jäger. Der erstere war besonders geschickt, anzuzetteln und aufzurühren; er war seit lange viel hin und wieder gelaufen, ins Remsthal und in andere Gaue. Im Winnender Amt bewegte Caspar Schmid von Oppelspohn, in der Stadt Stoffel Schilling. Der Letztere ging in den Pfingstfeiertagen auf die Dörfer hinaus, und versprach ihnen, wenn sie den 5. Juni vor die Stadt mit gewehrter Hand kämen, wolle er und seine Freunde ihnen behülflich sein, daß sie der Stadt Meister würden. Ein Platzregen vereitelte an diesem Tage die Absicht der Bauern, später aber nahmen sie die Stadt doch ein, wobei sich die Bauern von Schweikheim besonders hervor thaten. Sie verwahrten Thore und Mauern und wählten sechzehn aus dem Amt und acht aus der Stadt ans Regiment.

In Markgröningen war es der Stadtpfarrer Reinhardt Gaißlin, der die Gemüther erhitzte, oder wenigstens zur Erhitzung beitrug. Auch hier machten sich die Mißvergnügten zu Herren der Stadt. In Waiblingen zeigte sich schon zu Ende des Mai ein drohender Geist unter dem Landvolk. Zwei aus dem Amt, der Napp und der Bedenmichel, traten mit einer Zahl Gleichgesinnter auf dem Markt vor etliche des Gerichts und Raths, und sagten ihnen unter die Augen: »Ihr müßt auch in den armen Konrad, es sei euch lieb oder leid, oder wir wollen euch bei den Haaren herzuziehen.« Das Haupt der Mißvergnügten in der Stadt war Benedikt Beitenmüller. Doch waren ihrer zu Wenige, um der Ehrbarkeit mächtig zu werden. In Vaihingen stachelten Hans Trümlin und Laux Rapp die Leidenschaften auf.

Im obern Theile des Zabergaus, in welchen Joß Friz und Veltlin früher ihre Kreise hineingezogen hatten, war mehr Schrecken vor fremdem Ueberfall, als Aufruhr. Auf der Grenze, der Pfalz zu, stellten sie Wachen auf Höhen und Bäumen aus, wenn sie fremdes 77Kriegsvolk im Anzug sähen, mit einem Büchsenschuß ihnen Warnung zukommen zu lassen. In einer Nacht um 11 Uhr wurde ein Büchsenschuß gehört. Sogleich liefen die Bauern auf einen freien runden Berg bei Zaberfeld, die Burghalde, den sie mit einem Verhau umgeben hatten, zusammen, um sich und das Ihrige hier vor den Reitern zu sichern; die Glocken von Weiler, Zaberfeld, Pfaffenhofen stürmten zu gleicher Zeit, um die andern zu warnen. Als der Vogt des Gaus, Wilhelm von Neipperg, seinen Untervogt Aberlin Schertlin zu ihnen schickte, sie abzumahnen, behielten sie ihn bei sich, und zwangen auch Andere, die in gleichem Sinne zu ihnen kamen, bei ihnen zu bleiben. Bis hinab nach Heidelberg schickten sie Kundschafter, und erst als sie gewiß waren, daß noch nirgends auf der Straße pfälzisches Kriegsvolk sich zeige, kehrten sie von der Burghalde wieder zu ihrem Herd. In Brackenheim jedoch, im untern Zabergau, zeigten frühe sich Mitglieder des armen Konrad, und vielfache Theilnahme im Volke für denselben. Hier wurde schon am Abende des nämlichen Tages, an welchem zu Untertürkheim der arme Konrad seine geheimen Tagsatzungen hielt, die Sache desselben öffentlich ausgerufen. Die Sturmglocke wurde angezogen, und durch die Straßen ging der Ruf: Man solle auf den Markt kommen, mit Wehr und Waffen, der arme Konrad sei da! Und in der Versammlung offenbarte sich ganz der Remsthaler Geist. »Es sei keine bessere Sache nie erdacht worden, hieß es, als diese, daß die Herren nicht mehr also Meister seien.« – »Der Herr ist kein Nutz, und der Marschall wird reich!« riefen Andere. Ja man hörte Stimmen: »Es müsse Gleichheit werden, und die reichen Schelme müssen mit den Armen theilen

Zu Marbach war Stadt und Amt in gleicher Aufregung. Die Hauptrolle spielten hier Hans Schlosser, Andreas Rammenstein, genannt Muser, Hieronymus Welker, und Hans Virlay. Diese bezeichneten den Bauern den Wasen bei dem Rennhaus zum Sammelplatz. Es erschienen aber nur zwanzig Mann aus Kirchberg, die ein gewisser Hemminger führte, und die, als sie sonst Niemand fanden, des andern Tags auch wieder heim zogen. Der kluge Obervogt in der Stadt, Eitel Hans von Plieningen, hatte diesmal die Andern noch zum Stillsitzen vermocht. Bald darauf, an der Marbacher Kirchweih, bemächtigten sich die Bauern dennoch der Stadt, mußten 78aber nach kurzem Aufenthalt wieder über die Mauern hinaus entrinnen. Zu Großbottwar waren besonders Ludwig Dietrich, Michael Kranzer, Bartlin Uhlbächer und der Pfarrverweser Peter, genannt Gscheitlin, thätig. Mit fliegendem Fähnlein und Trommeln zog auch von da eine Schaar Marbach zu, kehrte aber wie die Kirchberger wieder um. In Beilstein bearbeitete Meister Erhard die Bauern; es heißt von ihm, er sei »ein widriger, eigensinniger Mann gewesen, der Arznei zu treiben pflegte.« Im Weinsberger Amt war Schwabach der Sammelplatz. Hier zwangen sie die Vermöglichsten, die Hauptmannschaft anzunehmen und mit ihnen zu ziehen, und so zogen sie in die 500 aus dem Thale mit Trommeln und Pfeifen und fliegendem Fähnlein nach Affaltrach. Zu Neustadt bewegte der Bürger Melchior Forchtenberger. Neben ihm zeichnete sich Georg Mezger und Marx Pfeifer aus, und ihr Anhang wurde mit jedem Tag in den Dörfern größer.

Eben so war an den entgegengesetzten Enden des Landes Alles in Aufregung. In Blaubeuren, nur drei Stunden von Ulm, war auf die erste Nachricht von den Dingen im Remsthal »ein groß Frohlocken, als ob die Bauern wohl gehandelt haben, sonders wann sie den Zoll auch abthäten; man sollte, hörte man sagen, jedem Bauern zwei Weiber geben, daß sie viel Bauern machten!« Selbst das Gericht versammelte sich einmal über das andere und rathschlagte Heimliches, und wenn der Vogt, der sah, daß sie etwas brüten, sie fragte, erhielt er stets die gleiche Antwort, sie haben Geschäfte des Spitals halb. Zuletzt forderten sie die Schlüssel zu den Thoren ihrem Obervogt Andreas von Hoheneck ab. Auch hieher waren die Schreiben und Boten des armen Konrad gekommen. Sie wählten zu den Zwölfen vom Gerichte noch Zwölf aus der Gemeinde, und später thaten sie, um ihres Uebergewichts in Gericht und Rath sicher zu sein, noch weitere Zwölf aus ihrer Mitte hinzu.

Eben so wie hier an der Absenkung der Alp, erregten auf den Höhen des Schwarzwaldes bis herunter vor die Thore Stuttgarts die Sendschreiben und Unterhändler des armen Konrad Städte und Flecken. Zu Neuenbürg unterschlug die Vogtei die aufgefangenen Briefe. Um Pfingsten aber erschienen eigene Abgesandte aus dem Remsthal vom armen Konrad. Die Gemeinden verlangten mit 79Gewalt die Auslieferung der Schreiben, doch gelang es hier, von Weiterem sie abzuhalten. In Dornhan nahmen sie ihrem Schultheiß Caspar Schmid die Thorschlüssel ab, um ihre Stadt selbst zu verwahren. Zu Calw lagerten sich 200 Bauern vor den Thoren, drangen dem Vogte die Schlüssel zu Stadt und Schloß ab, und besetzten alle Posten aus ihrer Mitte. Zu Herrenberg waren die Gemüther wie zu Calw schwierig. Zu Rosenfeld trat Hans Stefan auf, schilderte nackt und bündig, wie Amtleute und Gericht einzig und allein handeln, was ihnen selbst oder der Herrschaft nutz wäre, um die Gemeinde aber sich nichts kümmern; wer solches neben und mit ihm zu rächen begehre, der solle zu ihm treten. Da stand die ganze Gemeinde zu ihm, und er wählte fünfzehn aus derselben, die er aussandte, Bergfeld, Vöhringen am Mühlbach und die andern Nachbarorte zu bewegen. Es gelang auch hier, und die zu Vöhringen schickten Hans Frei aus ihrer Mitte nach Sulz, die dortige Gemeinde zum Anschluß zu bringen. Zu Hornberg zog der alte Stadtschreiber Lukas Straubinger im Amte hin und wieder, um das Landvolk aufzuwiegeln. Zu Wildberg zeigte sich nur unter den Aermsten der Geist des Aufstandes; die Ehrbarkeit blieb Meister. Je weiter jedoch der Schwarzwald gegen die Mitte des Landes sich absenkte, desto größer und ernsthafter war die Bewegung. Denn hier hatte dieselbe einen Mittelpunkt in Leonberg, wie die auf der andern Seite des Landes den ihrigen in Schorndorf.

Zu Leonberg schien es ruhig, während schon über den größten Theil des Landes die Bewegung hinlief. Als die ersten Regungen sich auch hier zeigten, berief der Vogt Werner Keller auf den Rath des Gerichtes die ganze Gemeinde auf das Rathhaus und hielt ihr vor, »wie der Herzog das verringerte Maß und Gewicht, was vielleicht zu den Unruhen im Remsthal Anlaß gegeben, bereits abgestellt, und sie sich darum billig fremder Händel nicht annehmen, sondern in ihrer frommen Voreltern Fußstapfen treten sollen, die in alle Wege sich gegen die Herrschaft so verhalten haben, daß dieselbe dadurch veranlaßt worden, stets ein besonderes Aufsehen und gnädige Neigung zu ihnen zu haben, wie sie denn zu mehrmalen aus diesem Städtlein in großen Streiten Sieg erlangt haben; er setze in sie zwar kein Mißtrauen, und habe sie während seines Amts stets 80treu erfunden, aber es ziehen jetzt hin und wieder Leute um, die weder der Herrschaft noch den Unterthanen Gutes gönnen, sondern allein dahin trachten, daß sie die einfältigen Leute zum Aufstand bringen und in fremde unrichtige Händel brocken möchten. Darum wolle er sie treulich warnen, sich durch solche böse Leute nicht verführen, oder zu einiger Ungebühr bewegen zu lassen, und sie und ihre Kinder werden solcher Treu von der Herrschaft künftig reichlich zu genießen haben, welcher sie ja ohnedies Gehorsam schuldig seien. Auch haben Stuttgart, Tübingen, Urach und andere Städte Leib, Gut und Blut bei Herzog Ulrich als ihrem gnädigen Herrn und Landesfürsten wider die Aufrührerischen zuzusetzen versprochen.«

Diese Rede aber hatte so wenig Wirkung, als die amtlichen Vermahnungen der Vögte an andern Orten. Die Herzen der Gemeinden hatten sich längst geschlossen, und was der Vogt zu Leonberg bisher für Ruhe gehalten, war ein geheimnißvolles gefährliches Arbeiten im Dunkeln gewesen. Längst bestand, wie in Schorndorf und Beutelspach, ein Hauptclub des Bundes in Leonberg. Im Hause Georg Scheitlins waren bei nächtlicher Weile die Zusammenkünfte. Als der Vogt am Schluß seiner Rede die Gemeinde aufforderte, daß die, welche bei der Herrschaft halten, und Gut und Blut bei ihr zusetzen wollen, zu der kleinen Thüre des Rathssaales hinaus gehen sollten, gingen nur die Zwölf vom Gerichte, Einige vom Rath und einige Wenige von der Bürgerschaft da hinaus; die Andern stießen die Köpfe zusammen und murmelten dumpf durcheinander. Der Vogt, in der Meinung, sie haben ihn vielleicht nicht recht verstanden, wollte ihnen seine vorige Aufforderung wiederholen. Sie aber, ohne auf ihn zu hören, drangen haufenweise der großen Thüre zu, und als der Vogt sie darüber zur Rede stellen wollte, rief Georg Scheitlin: »ob die große Thüre nicht auch eine Thüre sei.«

Von nun an trat hier die Bewegung offen hervor. Mehrere Rathsglieder, wie Stephan Wortwein, Peter Schaff und Ludwig Dolmetsch, schlossen sich dem Club heimlich an, und da derselbe durch sie Alles erfuhr, was in dem Rath beschlossen wurde, konnten durch ihn alle Vorkehrungen und Anschläge des Raths hintertrieben oder wirkungslos gemacht werden. Das ganze Amt hielt sich an den Club; die Sprecher im Club beschieden durch Ausschreiben einen Flecken um den 81andern nach Leonberg hinein und handelten offen mit ihnen. Sie rühmten sich ihrer Verbindungen in der Schweiz, in der Pfalz und in Baden. Ihr Hauptquartier nahmen sie bald darauf außerhalb der Stadt auf dem Engelberg, und warfen hier ein Panner auf. Als zu ihnen ins Lager ein Abgesandter des Remsthals kam, einer aus Grunbach, stattlich in grün und roth getheilten Hosen und Wams und Federhut, ward er mit Lebehochs empfangen, und als »der arme Konrad« auf Spießen durch das Lager umhergetragen. Sie wollten der Zuzüge aus andern Gegenden und der Antwort hier warten, die sie auf ihre Anbringen vom Herzog und dem Landtag erhalten würden. Sie hofften auf die 16,000 zu wachsen, und durch ihre bewaffnete Stellung ihren Forderungen Achtung zu verschaffen.

Es hatte nämlich Ulrich, so sauer es ihn ankam, in seiner Noth auf den 25. Juni endlich wirklich einen Landtag ausgeschrieben, zugleich aber wiederholt und dringender bei den benachbarten Fürsten und Reichsstädten »um bewaffnete Hülfe angesucht, nicht nur ihm, sondern jeder Obrigkeit zu Nutzen; denn wenn den Ungehorsamen nicht bald gewehrt werde, würden nicht nur alle Kurfürsten, Fürsten und Obrigkeiten, sondern auch die ganze Ehrbarkeit im Reiche untergehen.« – Er fühlte mit Schrecken den Boden unter seinen Füßen wanken. Was er zuerst nur für einen Unfug einiger Bauern, für eine gehaltlose Widerspenstigkeit gehalten, erschien jetzt seinem enttäuschten Auge als Etwas, »das ein seltsam bundschühlich Ansehen habe.«

Der neue Bundschuh war auch in dem armen Konrad nicht länger zu verkennen, und die markgräfliche Regierung hatte sogar schon in der Mitte des Februar 1514 amtliche Kunde von Umtrieben im Geiste des Bundschuh auf ihren Grenzen. Am 14. Februar schrieb der Landvogt zu Hochberg, Ludwig Horneck von Hornberg, dem Rathe der Stadt Freiburg im Breisgau, »wie er mit guter Wahrheit berichtet sei, daß eine neue Uebung oder Praktik vorhanden, den Bundschuh wieder anzufahen, und es seien die, so es handeln, zu Roß und zu Fuß, auf dem Umzug; bald zeigen sie sich als Priester, Stationirer und Heiligthumführer, bald erscheinen sie, das Antlitz mit Larven gemalt, mit Mummerei verdeckt, in viel seltsamer Gestalt des Bettelordens. Die Stadt möge ein treu Aussehen auf solchen bösen Handel haben, damit Weiterem vorgekommen werde.«

82

Noch vor dem Zusammentritt des Landtags gaben sich Abgeordneten der Städte Stuttgart und Tübingen Mühe, die aufgeregten Leidenschaften des Landes dadurch zu besänftigen, daß sie von Amt zu Amt reisten und die Gemeinden baten, wenigstens die Erfolge des Landtags ruhig abzuwarten. Bei einem Theile gelang es ihnen, sowohl im Zabergäu als auf dem Schwarzwald, wiewohl die Landgemeinden über die Art, wie der Landtag ausgeschrieben wurde, sehr unzufrieden waren. Denn es waren zu demselben, wie früher, nur aus jeder Amtsstadt der Vogt und der Keller, einer aus dem Gericht und einer aus der Stadtgemeinde einberufen, Niemand aus dem Amte. Die Bauern verlangten aber auch aus ihrer Mitte Abgeordnete zum Landtage zu schicken. »Wenn der Landtag, sagten sie, etwas helfen solle, so müssen auch Bauern dabei sein; die Pfaffen, Edeln und Herren aus den Städten würden sonst auf demselben nur für sich sorgen.«

Diese Einrede zu beseitigen, ließen Stuttgart und Tübingen Ausschreiben ergehen, die Dörfer sollten ihre Beschwerden durch die Städte, oder wenn solche gegen diese selbst gerichtet wären, durch eigene Botschaft schriftlich an den Landtag gelangen lassen. Aber viele Aemter wollten nichts davon hören, und ihr Mißtrauen wurde von dem Erfolge gerechtfertigt. Zuerst scheiterten die Bemühungen der beiden Hauptstädte an dem Haufen des Leonberger Amtes, welcher sich jetzt auch Hauptleute, Waibel und Fähndriche gewählt hatte, und dessen Beispiel wirkte auf andere Aemter. Die in den Städten Böblingen und Sindelfingen, welche Leonberg zunächst lagen, erklärten zwar, daß sie die Ergebnisse des Landtages abwarten wollen; und die Stadtgemeinden gaben sich dadurch vor der Hand zufrieden, daß Gericht und Rath zu Sindelfingen Vierundzwanzig, zu Böblingen Zwölf aus der Gemeinde in ihre Reihen aufnahmen. Die Bauern beider Aemter aber hielten eine Versammlung zu Dagersheim, und als sie da nicht einig werden konnten, Tags darauf eine zweite zu Sindelfingen, zu der die Bauern von Holzgerlingen mit einem fliegenden weißen Fähnlein zogen, darin zwei schwarze Schwerter kreuzweis geschränkt zu sehen waren. Als diese durch Böblingen kamen und von der Ehrbarkeit daselbst abgemahnt wurden, verwiesen sie den Böblingern mit scharfen Worten, daß sie sich so leicht haben bewegen lassen, im Schweife 83der Stuttgarter und Tübinger zu sein. Und bald fürchteten die Böblinger und Sindelfinger sich so vor dem Andrange der Bauern, daß sie um Hülfe nach Stuttgart schrieben, die ersteren, »weil sie nur zwölf, die letzteren, weil sie nicht mehr als sechs Hackenbüchsen haben.«

Wo möglich noch aufgeregter war fortwährend das Remsthal. Schon am 1. Juni hatte der Rath von Schorndorf an den Herzog berichtet, es scheine jetzt, als dürfte die Bürgerschaft, welche bei der ersten Bewegung im Thal sich so fromm gehalten, deßwegen in Gefahr gerathen, solche Treue zu entgelten, weil eine große Zahl unnützer Leute in der Stadt sei, die es mit den Aufrührern halten. Käme der Herzog nicht mit tapferer Hand zu ihnen, so werde ihnen ihre Treue zu Schaden an Leib und Gut gereichen; denn es sei eine neue Empörung zu befürchten, welcher zu widerstehen die Gehorsamen und Getreuen in der Stadt viel zu schwach seien.

Der Club in Schorndorf ging jetzt damit um, durch einen Handstreich sich der Thore zu bemächtigen. Die im untern Thale, die Beutelspacher namentlich, drangen darauf; und am 6. Juni erschienen Bauernhaufen auch aus dem obern Thale des Schorndorfer Amts, und begehrten in die Stadt eingelassen zu werden, weil sie Nachricht haben, daß der Herzog sie überfallen wolle. Der Statthalter und der Vogt brachten sie aber, in Verbindung mit dem Rathe, durch gütliche Uebereinkunft dahin, daß sie wieder in ihre Dörfer zogen. Dennoch gelang es den Mitgliedern des armen Konrads in der Stadt, wenigstens den Schlüssel zu einer der drei Thorpforten sich zu verschaffen. »Es erregten nämlich,« so erzählt ein Bericht des Rathes an Philipp von Nippenburg, den herzoglichen Haushofmeister, »gegen Abend ›einige unnütze verdorbene Leute‹ trunkener Weise einen Tumult und forderten die Schlüssel zu den Thoren, mit der Drohung, wenn man sie ihnen weigere, wollen sie mit einem Büchsenschuß ein Zeichen von der Mauer geben, daß das ganze Amt ihnen zuzöge. Priester und andere Personen vermittelten dahin, daß, weil die Thore drei Pforten haben, Vogt und Gericht von jedem Thore die äußersten und innern Schlüssel, die Mißvergnügten aber die Schlüssel der mittleren Thorpforte haben sollten.«

Selbst zu Tübingen, der am meisten herzoglich gesinnten unter allen Städten, kam es in der ersten Woche des Juni zu einem Auflauf 84»von etlichen bösen Buben,« und als Vogt und Gericht dieselben peinlich bestrafen wollten, verhinderten die Vierundzwanziger, der Ausschuß der Gemeinde, dieses, und die Angeschuldigten entflohen, als sie die Absicht des Gerichtes vernahmen.

So sehr die Aufregung über das ganze Land verbreitet war, so waren die Triebfedern und Interessen doch sehr verschieden, welche an den einzelnen Orten thätig waren. Bei weitem der größte Theil wollte nur einzelnen Beschwerden, die oft nur Oertliches betrafen, abgeholfen wissen. Ein großer Theil stimmte in die Bewegung ein, aus Lust am Lärmen, oder von den Unterhändlern des armen Konrad hinein gezogen, ohne sich klar zu sein, was er wollte. Der »arme Konrad« war im Verhältniß zu der bewegten Masse nur eine kleine Zahl, und während er völlige Freiheit, allgemeine Gleichheit wollte, waren die meisten Andern schon in dem Gedanken glücklich, einige Rechte, einen nur etwas freien Zustand wieder zu erlangen. Sie dachten nur an verfassungsmäßigen Widerstand gegen verfassungswidrige Regierungsgewalt; jener ging auf eine Revolution. Ein Mann, der Talent und Kraft genug gehabt hätte, diese verschiedenen Interessen zu vereinen und die vereinzelten Kräfte des Landes auf einen Punkt hinzurichten, hätte der ganzen Bewegung eine andere, nicht für Württemberg, sondern für Deutschland folgereiche Wendung geben können. Aber ein solcher fehlte. Im armen Konrad fanden sich zwar viele Hände, die geschickt waren, einzufädeln und zu weben, viele Arme, kräftig genug zum Dreinschlagen, aber kein Kopf, der die Auszeichnung gehabt hätte, die dem Volksführer unentbehrlich ist. Das zeigte sich bald.

Schon am 18 Juni waren vierundzwanzig Abgeordnete des Landtags in Stuttgart zusammen getreten; und da die Bemühungen des Herzogs, das Kriegsvolk der benachbarten Herren wider sein eigenes Land zu führen, immer ruchbarer wurden, war es das Erste dieser Abgeordneten, daß sie an alle Gränzorte schrieben, auf guter Hut zu sein und ihnen jede Bewegung auswärtiger Waffen eilends zu wissen zu thun. Ulrichs Absicht war nämlich, den von ihm gefürchteten Landtag zwischen die kaiserliche Majestät, von der er »auf alle Fälle Mandate und Achtsbriefe erbat,« und zwischen die Waffen der ihm befreundeten Fürsten und Herren einzuzwängen und einzuschüchtern.

85

Zugleich mit den Abgeordneten der Städte fand sich eine große Menge Abgeordneter der Dörfer in Stuttgart ein, um die Beschwerden und Ansprüche des Bauernstandes geltend zu machen. Die Prälaten waren noch nicht erschienen, die Ritterschaft war nicht eingeladen worden und blieb darum ganz aus. Dagegen erschienen Gesandte vom Kaiser; von Pfalz, Würzburg und Baden; von den Eidgenossen; und die Bischöfe von Straßburg und Konstanz in Person; als Vermittler.

Der Herzog verlangte vor allen Dingen Geld zur Deckung seiner Schulden und Unterstützung vom Landtage wider die aufgestandenen Bauern. Der Landtag aber meinte: ehe man auf des Herzogs Begehren eingehen könne, müsse dessen unnützer Lebenswandel und seiner Räthe böse Wirthschaft bereinigt werden. Die Beschwerden, welche hier vorgebracht wurden, sind zum Theil charakteristisch, auch für die anderen Herrenlande. Die Einen klagten: sie haben vertragsmäßig die Frohnen mit Geld abgekauft, und doch müssen sie jetzt nach wie vor frohnen, ob sie gleich den Frohnschilling redlich zahlen; Andere: man halte es gar nicht mehr wie vor Alters, Frohnen und Schatzungen seien übermäßig, die Amtleute ungerecht und tyrannisch, sie pressen einzelnen Orten Hunderte über die vom Herzog angesetzte Schatzung ab; wieder Andere: man habe ihnen ungerechte neue Steuern angesetzt, und als sie sich bei der Kanzlei wiederholt beschwert, haben sie vom Marschall jedesmal denselben Bescheid erhalten: »ihr müßt eben zahlen!« auch seien die Strafen theilweise, wie z. B. der große Frevel, unerträglich, um das Vierfache und mehr, erhöht worden, und ihren Hunden müssen sie Trempel anhängen, damit dieselben nicht das Wild im Abfressen ihrer Felder stören können. Die Sprache des Landtags war um so freier, da auch die Abgeordneten des Bauernstandes an den Sitzungen Theil nahmen. Namentlich wurde der Vorschlag beschlossen: Da bisher doch Lamparter, Thumb und Lorcher, und zwar schlecht genug, regiert haben, so solle der Herzog leiden, daß von gemeiner Landschaft zwölf Personen, vier vom Adel, vier von den Städten, und vier von den Dörfern, fürderhin mit ihm regieren. Er selbst solle zu Bestreitung aller Ausgaben für seine Person und seinen Hof jährlich eine bestimmte Summe Geldes (Civilliste) nehmen, dazu sollen ihm sechzig Pferde gehalten, das übrige Einkommen des Kammerguts aber zur Schuldenzahlung verwendet, die 86Klöster und Stifter ziemlich abgethan, und ihre überflüssigen Güter mit dem Kammergut vereinigt werden. Zugleich wurde laut die Bestrafung der vorhin genannten drei landbekannten Staatsverbrecher gefordert.

Dieser Gang des Landtags erschreckte den Herzog und seine Räthe. Sie schrieben denselben der Nähe der, nur drei und vier Stunden von dem Sitze des Landtags, in Leonberg und im Remsthal in drohender Stellung verharrenden Bauernhaufen, sowie dem Einflusse eines Theils der Stuttgarter Bürgerschaft zu. Kaum hatten die Berathungen drei Tage gedauert, als der Herzog in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni mit seinen Rittern und Räthen plötzlich nach Tübingen ritt, und von dort den Abgeordneten der Städte Befehl sandte, ihm dahin zu folgen.

Hier trafen die Prälaten bei ihm ein. Die Städte-Abgeordneten kamen mit den Abgeordneten der Dörfer in Streit, trennten ihre Sache von der Sache der Bauern, und folgten dem Herzoge nach Tübingen. Zu Anfang des Juli schrieben die Abgeordneten der Bauern an den Herzog, er möchte doch, sobald die Tübinger Verhandlungen zu Ende wären, nach Stuttgart zurückkehren, wenigstens ihre Klagen anhören und ihnen mündlichen Bescheid geben; sie seien ausdrücklich beauftragt, mit ihm in eigener Person zu verhandeln; kämen sie ohne dieses nach Haus, so würden die Mißvergnügten in den Dörfern noch schwieriger werden.

Die Antwort muß keine günstige gewesen sein; denn es kam eine große Aufregung über Stuttgart; man befürchtete daselbst, der Herzog habe etwas Feindliches gegen die Stadt vor. Ein mißvergnügter Theil der Bürgerschaft machte in der St. Ulrichs Nacht (4. Juli) einen Auflauf, trat auf die Seite der Bauern und nahm dem Vogte, Hans von Gaisberg, und dem Gerichte die Schlüssel zu den Stadtthoren ab. Man sprach davon, die Bauern des Amtes in die Stadt zu rufen, und alle Posten besetzte die Bürgerschaft. Doch erreichte die Bewegung am 6. Juli ihren Höhepunkt. Der kältere Theil der Bewohner war der größere, und die nächsten Tage waren ruhig.

Inzwischen vollendete der Landtag zu Tübingen schnell seine Arbeiten, deren Resultat der bekannte Tübinger Vertrag und Abschied, beide gegeben am St. Kilianstag (8. Juli), waren, und deren 87Einzelnes eben so bekannt, als unserem Zwecke ferne liegend ist. Der Herzog hatte sich darin bedeutende Beschränkungen gefallen lassen, welche er nie einzuhalten im Sinne hatte und auch nicht einhielt. Die Städte hatten hauptsächlich nur für sich gesorgt. Und doch hatten an den 910,000 Gulden herzoglicher Schulden, welche der Landtag übernommen, die Leute auf dem Lande das Meiste zu tragen. Denn »der Städter ließ sich nicht schätzen, wie die gemeinen Personen auf dem Lande, und die Ehrbarkeit nicht wie die Gemeinde.« Alles, was für den armen Mann und Bauer herausgeschlagen wurde, war das Versprechen, daß man die Frohnen überall gleich und leidendlich, soviel möglich, machen, das Allmosen den Armen wirklich geben, des Wildes nicht zu viel hegen, den Amtleuten das Wirthschaften und die Handelschaft, namentlich den Getreidewucher niederlegen, den Forstleuten das muthwillige Reiten durch die Felder zu verbieten, den Weingärtnern die Vögel aus ihren Weinbergen zu verjagen erlauben, und künftighin, wenn der gemeine Mann in der Kanzlei Beschwerden anbringe, diese anhören und darauf Bescheid geben wolle.

Von den wesentlichen Forderungen der Bauern, von ihren dringendsten Bedürfnissen, von ihren Rechten war nicht das kleinste Wörtchen auf dem Landtage gesprochen worden. Auch sollte künftig kein Bauer auf demselben sitzen, und eben so wenig ein von den Bauern gewählter Vertreter. Das Amt wurde wie bisher als Anhängsel der Herren in den Städten betrachtet.

Das, daß er so ganz zurückgesetzt, daß er verachtet wie bisher sein und bleiben, daß er auch nicht den kleinsten Theil einer Stimme, nicht einige der Rechte erlangen sollte, welche ihm die Natur und die bürgerliche Gesellschaft zusprachen, das mußte den Landmann erbittern, der schon darin eine Verachtung sah, daß der Herzog »Bauernabgeordnete für zu ring hielt,« um in eigener Person ihre Wünsche zu hören und mit ihnen zu handeln. Es waren zwar die allgemeinen Vortheile des Tübinger Vertrags und Abschieds theilweise auch zum Besten des Landmanns, und es gab selbst unter den Mißvergnügten Viele, die damit zufrieden gewesen wären, hätten sie nur ein rechtes Vertrauen zu den papiernen Verheißungen zu haben vermocht.

In Tübingen aber hatten die Herren, die keineswegs Vollmacht hatten, den Vertrag anders, als auf zuvor einzuholende Zustimmung 88ihrer Aemter, abzuschließen, die Ergebnisse ihres Wirkens für so allgemein befriedigend angenommen, daß sie eine neue Huldigung auf denselben, die sogleich geleistet werden sollte, durchs ganze Land ausschrieben und von jeder ferneren Widerspenstigkeit, der sich noch etwa der Eine oder der Andere hingeben möchte, abzuschrecken, an die Tübinger Vertragsurkunde ein Langes und Breites davon anhingen, wie jeder an Leib und Leben gestraft werden solle, der sich fortan widersetze.

Hier zeigte es sich nun deutlich, wie wenig Einheit des Sinnes und der Waffen, des Muthes und der Bestrebungen unter der Gesammtzahl der Landeseinwohner war, und wie sich der arme Konrad keineswegs mit der Masse verschmolzen hatte. Bei weitem der größte Theil der Aemter ließ sich mit dem Gebotenen, so kümmerlich es war, abfinden. Am willigsten zeigten sich aus dem Schwarzwald Dornstetten, Dornhan, Sulz, Rosenfeld und die dazu gehörigen Flecken.

Auch im Uracher Thale siegte die Mehrheit derer, welche ihren Frieden mit dem Herzog machen wollten, über die, welche bei dem armen Konrad zu halten vorzogen. Seit das Remsthal wieder auf war, sah man auch Bantelhans wieder hin und her reiten. Es wurde in Mezingen beschlossen, dem armen Konrad entgegen zu ziehen, von welchem man glaubte, daß er im Heraufzug begriffen sei.

Es war zur Zeit des Heuens, als Bantelhans hinauf gen Donnstetten auf die Alp ritt, und vor der Schmiede des Burkhard Poll hielt. Es war still und leer im Dorfe, nur in der Schmiede glühte die Esse und hämmerte der Hammer. »Wo sind die Heimbürger?« rief er in die Schmiede hinein. Alles im Feld, antwortete der Schmid heraustretend. »Nun wohlan, fuhr Bantelhans fort, so gedenk und sag den Heimbürgern und der ganzen Gemein, daß man unverzüglich morgen früh auf sei, und schick Botschaft gen Feldstetten, und von Feldstetten weiter gen Laichingen, zusammt auf den Dettinger Schloßberg zu ziehen. Daselbst wird man sich versammeln, und mit Macht und Gewalt hinweg ziehen.« Damit ritt er eilends von dannen, wie er sagte, dem Dettinger Schloßberg zu.

Er ritt hinab ins Lenninger Thal. In Guttenberg geht eben Hans Handel aus dem Bad ins Wirthshaus, er sieht Bantelhansen zu Roß halten im Gespräch mit einem Buben, und ruft ihm 89zu: Steig ab, ich will dir ein Tränklein geben. – Nein, sagte Bantelhans, ich muß nöthlich reiten, komm auf ein Wort zu mir. – Sie traten zusammen. Darum bin ich da, fuhr Bantelhans fort, ich muß deinen Rath haben; Dettingen, Mezingen, Pfullingen, Eningen sind auf mit 4 oder 500, und ziehen durch den Tiefenbach dem Dettinger Schloßberg zu. Sie haben mich hinaufgeschickt gen Böringen, Zainingen, Donnstetten und Feldstetten, die sind auch auf, und werden da abher ziehen. Meinst, daß sie sicher mögen abhin ziehen? Wir werden auf die Nacht beim Dettinger Schloßberg zusammen kommen. – Ich weiß nit, sagte der Guttenberger, ich höre noch nit viel in dem Thal. – Nach solchen und andern Worten ritt Bantelhans hinweg, und das Thal hinab.

Der Schmid zu Donnstetten rief an selbem Abend die Gemeinde zusammen, Boten eilten fort, am Morgen kamen die Feldstetter, und wollten weiter ziehen, hinter ihnen die Laichinger. Indem kam der Kornmesser von Urach, nahm etliche beiseite, und machte den Zug rückgängig.

Auch der Zug von der andern Seite, von Mezingen her, fand unbekannte Hindernisse und unterblieb. Bantelhans eilte hinab ins Remsthal. Die Bauern in den obengenannten Thälern aber nahmen den Tübinger Vertrag an, die im Uracher Amt unter der Beschränkung, daß man ihnen erlaube, das Wild an ihren Feldern zu schießen, Abhülfe ihrer Beschwerden und völlige Amnestie gewähre, und namentlich den Singerhans frei gebe. So leisteten sie die neue Huldigung.

Nur an einigen Punkten des Landes hatte die Opposition mehr Energie und Nachhalt. Die beiden Mittelpunkte des Widerstandes blieben Leonberg zur linken und Schorndorf zur rechten Seite der Hauptstadt. Alle Bauerschaften und mehrere Städte von Haiterbach bis aus die Höhen vor Stuttgart hielten sich ganz an das Beispiel Leonbergs und wollten nicht huldigen, ehe die von Leonberg gehuldigt hätten.

Wahrscheinlich war die Nachricht von dem Anrücken der auswärtigen Kriegsvölker, von welchen die Reisigen des Kurfürsten von der Pfalz schon am 26. Juli zu Maulbronn eintrafen, ebenso sehr als die Antwort des Herzogs, entscheidend für die auf dem Engelberg, daß sie den Vertrag annahmen. Ihrem Vorgange folgten alle Nachbarn auf dieser Seite des Landes.

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Während der Verhandlungen zu Tübingen hatten die im Remsthal eine würdige, feste Haltung gezeigt: nirgends ein Tumult, keine Spur roher Tobsucht. Jede Bauerschaft hielt sich in ihrer Gemeinde, an ihrem Herd. Sie warteten, wie sich die Dinge zu Tübingen, die Stimmung im Lande gestalten würden.

Dem Herzoge lag vorzüglich am Herzen, diese ältesten Hintersassen seines Hauses zu beruhigen. Gleich nach Bestätigung des Vertrags ließ er ihnen denselben verkünden, und dann allen Bauerschaften des Thals einen bestimmten Tag ansetzen, wo er ihnen in Person die Huldigung abnehmen wolle. Er beschied sie ohne Wehr und Waffen vor die Stadt Schorndorf. Er selbst ritt nur von seinem Hofgesinde begleitet mit etwa achtzig Pferden nach Schorndorf.

Auch die Bauern erschienen, an die sieben Tausend, aber alle bewehrt und bewaffnet mit Schwertern, Speeren, Schießgewehren und Harnischen, völlig zum Kampfe gerüstet. Ulrich war so weit gegangen, daß er die drei landverhaßten Sünder, den Kanzler, den Marschall und den Landschreiber nicht nur in ihren Aemtern und Würden gelassen, sondern sie mit sich nach Schorndorf gebracht hatte. Ja der Marschall war es, welcher den versammelten Bauern den Tübinger Vertrag vorlas.

Die Bauern standen ohne Bewegung, ohne Laut. Erst im Fortgang des Verlesens erhob sich ein Gemurmel, das immer weiter fortwogte. Es ließen sich scharfe Reden hören wider die Räthe und Höflinge, man vernahm die Worte: »Verräther und Diebe, die sich vom Geld des Landes schöne Häuser bauen.« Selbst des Herzogs wurde nicht geschont. Sein Schwelgen, schrieen sie zusammen, sei Ursache, daß ihre Weiber und Kinder Hunger leiden; die vornehmen Müßiggänger, der Schwarm seiner Sänger und Pfeifer, die Erpressungen und Unterschleife der Beamten seien an allem Elend Schuld.

Ulrich war in der Stadt zurück geblieben und bei dem Verlesen nicht anwesend. Man meldete ihm die Vorgänge vor der Stadt. Mit heißem Kopf ritt er heraus, hinter ihm drein, was ihm in der Schnelle von seinen Rittern folgen konnte. Er war gewiß, der Anblick seines fürstlichen Angesichts, ja sein Federhut werde die Bauern zur Ordnung schrecken. Wie sie ihn ansichtig wurden, schlossen sie sich in Reihen, als stellten sie sich in Schlachtordnung. Er ritt aber 91dicht vor sie hin, strafte sie wegen ihrer Widerspenstigkeit und forderte sie auf, ruhig heim zu gehen, ein Jeder zu dem Seinigen, und ihre Güter fleißig und in Frieden zu bauen, dann wolle er ihnen Alles, was bisher freventlicher Weise mit Worten und Werken geschehen, verzeihen und vergessen. Aus dem Haufen aber wurde ihm zugerufen, »mit solchen Redensarten ledige er seine Schuldenlast nicht; er solle seine Finanzer, Sänger und Hofschmaruzer abschaffen, seine Jäger und Hunde, das thue Noth.«

Da nahm der Marschall Thumb das Wort und rief, wer zum Herzog halten wolle, solle auf seine Seite treten. Auf das entstand ein großes Getümmel und Geschrei, und Alles wich rückwärts, weit von Ulrich weg, auf die entgegengesetzte Seite. Er stand ganz allein mit seinen Hofleuten. Auf seinem Gesichte wechselte Glutröthe und Todesblässe; sein irres Auge sprühte Vernichtung. Zum erstenmal hörte er die Flüche der Armen, des Elends und des Hungers, laut und ungescheut um seine Ohren schwirren. Er hielt es für das Räthlichste, sich schleunig zurückzuziehen.

Wie er das Pferd wandte, fiel ihm der Schlechtlins-Claus in den Zaum. Ein Anderer, Veit Bauer von Buoch, seßhaft zu Grunbach, stach mit dem Spieß nach dem Herzog. Aber sein gewaltiges Roß und seine Begleiter entrissen ihn den Fäusten und dem Todesstoß des Einen wie des Andern. Da, als er sah, wie es seinen Gesellen mißlungen war, schrie Ruprecht von Beutelspach, auch ein Eingeweihter des armen Konrad, mit schweren Flüchen dem Haufen zu: »Schießt auf den Schelm und laßt ihn nicht entreiten!« Schon legte einer Feuer auf die Büchse. Aber ehe etwas geschehen konnte, war der Herzog aus ihrem Bereich.

Zu gleicher Zeit hatten die Verschworenen in der Stadt gehandelt. Kaum hatte nämlich Ulrich dieselbe verlassen, um zu den Bauern hinaus zu reiten, als die darin zurückgebliebenen verschworenen Bürger die Thore besetzten und sperrten, so daß, was von Ulrichs Gefolge noch darin war, nicht heraus, und er, als er fliehend vor den Bauern der Stadt zusprengte, nicht mehr hinein zu kommen vermochte. Als der Club zu Schorndorf die Ergebnisse des Landtags sah, scheint er einen äußersten Entschluß gefaßt zu haben, den Herzog lebendig oder todt in seine Gewalt zu bekommen. Die drei 92obigen Verwegenen scheinen die Ausführung des Beschlusses übernommen und in dieser Absicht sich hart an Ulrichs Pferd gedrängt zu haben.

Ulrich ritt eilig nach Stuttgart, und hinterließ oder schickte den Befehl an Stadt und Amt, ihren Entschluß, ob sie den Vertrag annehmen wollen oder nicht, ihm in die Residenz wissen zu lassen; er wolle ihnen drei bis vier Tage Bedenkzeit geben. Die Verschworenen, im Gefühl, daß sie nach dem, was geschehen war, nicht mehr zurück können, gingen nun rasch vorwärts. Sie kannten den Herzog zu gut, als daß sie nicht gewußt hätten, daß er die Bedenkzeit zu nichts Anderem gebrauchen würde, als um eine bewaffnete Macht zusammen zu ziehen, und über sie zu kommen. Als einige der thätigsten Volksmänner treten jetzt, neben Caspar Pregizer und seinem Bruder Georg, Wagenhans, dessen Sohn Bernhard, und ein gewiegter Kriegsmann, genannt Faulpelz, in der Stadt auf. Die heftigsten Umtriebe fanden von beiden Parteien statt, deren eine, die zahlreichere, den Vertrag annehmen, die andere die Fahne des Aufstands fliegen lassen wollte. Um das Amt für sich zu gewinnen, schlug die erste Partei vor, jeder Flecken solle besonders in die Stadt kommen, um seine Meinung wegen des Vertrags abzugeben, wodurch sie Raum zur Bearbeitung der Einzelnen in ihrem Sinne und die Stimmenmehrheit zu gewinnen hofften. Die Clubisten dagegen riefen den armen Konrad des Thals in die Stadt. Haufen von Bauern drangen herein, besetzten alle wichtigen Posten, vereinigten sich mit der Partei des Clubs, halfen dieser die Beamten, Gericht und Rath ihrer Aemter entsetzen, und zogen dann wieder zu ihrem Herd, nachdem sie noch eine starke Besatzung aus ihrer Mitte in der Stadt zurückgelassen. Zugleich war beschlossen worden, jeder Flecken solle je nach seiner Größe vier bis acht Insassen als Bevollmächtigte nach Schorndorf schicken, und was diese handeln würden, dabei solle es bleiben. Auch sollen die Bauerschaft und die Bürgerschaft jede zwei Hauptleute wählen. Der Vogt und die Herzoglich Gesinnten gingen darauf ein. So verstrichen drei Tage der Bedenkzeit unter Gelärm und Aufläufen. Am vierten Tage traten die erwählten Hauptleute und die Bevollmächtigten von Stadt und Amt auf dem Rathhaus zu Schorndorf zusammen. Die Bauern hatten auch hier Hans Volmar 93von Beutelspach und Volmar Braun von Urbach, die Stadt Heinrich Schertlin und Hans Hirschmann zu Hauptleuten gewählt.

Während diese sich beriethen, ward unter dem Volke das Gerücht verbreitet, die Mehrheit der Herren auf dem Rathhause wolle zur Annahme des Vertrages zwingen, und es gehe nicht richtig droben her. Pregizer und seine Freunde riefen durch Losungsschüsse, die sich von Dorf zu Dorf fortpflanzten, die Bauern des Amtes herbei, und von allen Seiten eilten diese der Stadt zu. In derselben war der Auflauf schon so stark, daß sie das Rathhaus gestürmt und einen der städtischen Hauptleute, Heinrich Schertlin, die Rathhaustreppe mehr hinab geworfen als gezogen hatten.

Da die Bedenkzeit verstrichen war, holte die Ehrbarkeit eine neue Frist ein. Der Herzog gewährte sie, weil seine Hülfsvölker noch nicht beisammen waren. Bürgerschaft und Bauern in der Stadt vereinigten sich nun dahin, aus sich eine Zahl der Verständigsten zu wählen, welche, bis eine Antwort an den Herzog gefaßt wäre, in der Stadt bleiben und jede Unruhe in derselben mit bewaffneter Hand niederhalten oder zerstreuen sollten. Die Verbündeten in der Stadt aber hielten es jetzt für die rechte Zeit; sie hatten den Vogt längst zu Gelübden gedrungen, alle festen Punkte mit den Ihrigen besetzt und so an Schorndorf einen ziemlichen Stützpunkt. Diese Stadt wurde zwar erst vierundzwanzig Jahre später zu einer Festung ausgebaut, doch war sie schon vorher, für die damalige Zeit, ziemlich wohl befestigt: außer den starken, mit Thürmen versehenen Thoren war die Stadtmauer mit achtzehn hohen Thürmen geziert, die ihr auch den Namen Thurmstadt erwarben.

Als nun die Hauptleute die Wahl derer, welchen die Hut der Ordnung vertraut werden sollte, vernahmen, und Bürger und Bauern zur Musterung vor die Stadt hinaus auf den Wasen führten, mischten sich die Eingeweihten des armen Konrad auch darunter, erhitzten den Haufen und erregten das Geschrei, man solle weiter ziehen durchs ganze Land und die Gleichgesinnten aller Aemter mit sich vereinigen; mit den Waffen müsse man es durchtreiben, wenn es gehen solle. Die städtischen Hauptleute wollten Vorstellungen machen; Heinrich Schertlin aber mußte, um sein Leben zu retten, in die nächste Kirche sich flüchten. Hans Hirschmann zwangen sie, sie weiter zu führen, und 94 das Fähnlein des armen Konrads zu tragen, das sie jetzt zum erstenmal fliegen ließen. Das Stadtvogteifähnlein flatterte neben dem Fähnlein des armen Konrad.

So zogen sie mit kriegerischem Spiel, gegen sechshundert Mann, von der Stadt hinweg, das Remsthal hinab. Sie waren eben am Flusse der herrlichen Rebenhügel von Geradstetten, anderthalb Stunden von Schorndorf, angekommen, und hatten hier, wie schon in Winterbach und Hebsack, die Angesehenen und Reichen genöthigt, selbst mit zu ziehen oder ihre Knechte herzugeben, als der herzogliche Haushofmeister Konrad von Nippenburg mit etlichen Reisigen, Hans von Gaisberg und einige Abgeordnete der Landschaft, die seit einigen Tagen zu Waiblingen lagen, um den Gang der Dinge zu beobachten, ihnen entgegen traten. Es war am Abend des 23. Juli. Diese erboten sich im Namen des Herzogs, gütlich mit ihnen zu unterhandeln. Die Bauern aber hörten, da sie sich zu verstärken eilten, darauf nicht, sondern gaben die kurze Antwort: Heute Nacht werden sie zu Grunbach lagern; wer dann zu ihnen kommen wolle, werde sie da finden.

Sie scheinen besorgt zu haben, daß man sie hier durch Unterhandlungen hinhalten wolle, um sie in der Sorglosigkeit mit Kriegsvolk zu überfallen; daher die ausweichende und zugleich täuschende Antwort. Denn statt in Grunbach zu lagern, änderten sie ihre Route, verließen die Landstraße, und wandten sich links in einen Seitenweg.

Gegenüber von Grunbach, auf der Südseite der Rems, liegt der Marktflecken Beutelspach, und östlich davon erhebt sich der Hügel, wo die alte Burg des gleichen Namens einst stand. Der Rebenhügel aber, auf dem einst die Burg stand, erhielt von einer Petri- und Pauls-Kapelle, welche an deren Stelle erbaut wurde, den Namen Kapellenberg, im Munde des Volks Kappelberg.

In dieses Seitenthal des Remsthals, auf dessen östlicher Wand sich die herrlichsten Weinhügel erheben, zog der Bauernhaufe hinein, und nahm sein Lager auf dem Kappelberg. Seltsame Reden hörte man im Haufen. Was wollt ihr denn? fragten Einige in einem Dorfe die Durchziehenden. »Wir wollen,« war die Antwort, »den armen Koontz auf den Kappelberg tragen, und ihn da wieder vergraben. Die von Beutelspach haben den armen Koontz zehen Jahre 95gehabt; so ist er auch zu Beutelspach aufgestanden; und so wollen wir ihn wieder da vergraben, und darnach wieder heimziehen.« Von dem Berge aus stellten sie, weil sie vernommen, daß der Herzog die Städte Tübingen, Stuttgart und Cannstadt wider sie aufgeboten habe, an Hans von Gaisberg die Anfrage, ob sie vor einem Angriff sicher seien. Dieser versprach ihnen Sicherheit, wenn sie wider die, welche den Vertrag beschworen, nichts vornehmen.

Noch in der Nacht und am andern Morgen schlossen Schaaren von Bauern aus andern Aemtern denen auf dem Kappelberge sich an. Hans von Gaisberg mußte schon am 24. Juli an den Herzog berichten, es seien jetzt mehr als fünfzehnhundert Bauern auf dem Berge, ein wildes Volk, welches noch immer keine andere Antwort gebe, als daß es sich bedenken wolle. Die Aemter, aus denen sich die ersten Zuzüge sammelten, waren zum Theil 4 bis 6 Stunden von dem Kappelberg entlegen, wie Marbach und Backnang; es müssen in diesen Leute gewesen sein, welche auf einen solchen Schritt vorbereitet und auf diesen Tag signalisirt waren. Selbst aus Schorndorf kamen noch Viele auf den Berg nachgezogen. »Wir wollen, rief Hans Hummel unter dem Thore, einmal die großen Köpfe stechen, daß ihnen die Kutteln an die Erde müssen fallen.« Der das Sturmglöcklein zu Winnenden zum Zuzuge zog, war Keiner aus dem Lande, sondern ein Elsäßer, Seuferlin Schneider aus Kaisersberg.

Auf dem Kappelberg scheinen sich viele Flüchtlinge früherer Bundschuhe, und der größere Theil des armen Konrads zusammengefunden zu haben. Zudem scheinen die entlegeneren Aemter Abgeordnete dahin gesendet zu haben. Selbst der amtliche Bericht sagt, die auf dem Berg haben »viele der herzoglichen Unterthanen und Anderer ihre Botschaft bei sich gehabt.« Sie »hofften, das ganze Land werde ihnen zufallen,« und sandten nicht nur in alle württembergischen Aemter, sondern auch in die Gebiete anderer Fürsten, Grafen und Herren, namentlich auch der nahen Reichsstädte, Boten und Briefe mit Bitte und Mahnung, ihnen mit Macht zuzuziehen, und »der Gerechtigkeit und göttlichen Rechten einen Beistand zu thun.«

Die vom armen Konrad hatten ihre Plane längst in drei Artikel gefaßt.

Der erste ging darauf, nicht nur die Bauern und Kleinstädter 96im Herzogthum Württemberg, sondern auch alle umliegenden Landschaften von dem Joche der Fürsten, Bischöfe, Prälaten, der Burgherren und der Herren in den Reichsstädten, zu erlösen, alle Steuern, Auflagen und Frohnen ganz abzuschaffen und fortan frei zu leben. Der andere Artikel betraf die Zeit und die Mittel zur Ausführung. Der Bund solle mit allem Eifer sich zu stärken suchen, und erst wenn sie ihn auf zwanzig bis dreißig tausend Streiter gebracht, der Kampf eröffnet werden gegen weltliche und geistliche Herren; die überreichen Güter der Klöster und größeren Landesherren aber sollten eingezogen und damit die armen Leute aufgebessert werden. Der dritte Artikel betraf den Herzog und seine Räthe, nämlich das Verfahren gegen sie. Hierüber waren schon vor dem Angriff, der aus der Mitte der Bauern vor Schorndorf auf den Herzog gemacht wurde, die Ansichten der Verbündeten getheilt gewesen. Eine Minderheit hatte seinen und seiner Räthe Tod gewollt, die Mehrheit nur seine Gefangennehmung. Dieser Umstand war es auch offenbar, was Ulrich damals vor Schorndorf das Leben rettete. Denn wäre sein Tod von der Masse beschlossen gewesen, erschießen hätten sie ihn leicht können, da er keine Ahnung von einem solchen Anschlag auf ihn hatte. Als aber, gestand einer nachher, seine Gefangennehmung mißlungen war, »reuete es Viele, daß er nicht getödtet worden.« Auf dem Kappelberg kam nun dieser Artikel wieder zur Sprache, und es wurde beschlossen, den Herzog, wenn er sich nicht ihren Forderungen fügete und sich an sie anschlöße, entweder zu fangen oder zu tödten. Einige sprachen auch davon, seinen Bruder an seiner Statt ans Herzogthum zu setzen.

Der gute Anfang des Unternehmens machte die Bauern gutes Muths, der sich mitunter auch daran hielt, daß der Himmel selbst in »schrecklichen Wunderzeichen an Sonne und Mond« eine große politische Veränderung angedeutet, und ein Weib mit einem Wahrsagergeist prophezeit habe, der arme Konrad werde dreimal unterdrückt werden, das vierte Mal aber durchdringen. Aus den nahe gelegenen Orten kamen ihnen, mit Willen oder aus Furcht, Lebensmittel, Wagen und andere Geräthe. Bereits fingen sie aber an, vornehmlich auf Kosten der geistlichen Herren zu leben, die theils ihre Klostersitze, theils nur einige Güter in der Nähe hatten.

Zu gleicher Zeit erhob sich die Gegend jenseits des Hohenstaufen, 97das Filsthal. Die dortige Bewegung begann in Geißlingen, das zum Gebiet der freien Stadt Ulm gehörte. Vogt, Pfleger und Ehrbarkeit der Stadt Geißlingen flohen mit Weib und Kind und Kleinodien vor der Volksbewegung. Auch oberhalb Tübingen im Steinlachthal stand ein Haufen von mehr als 500 Bauern unter den Waffen. Die Kunde vom Zug der Remsthaler auf den Kappelberg, die Boten und Briefe, die zu Hunderten aus der Feder Utz Entenmaiers hervorgingen und die Alle für die gemeine Freiheit zum Zuzug auf den Kappelberg riefen, brachten eine neue große Aufregung in's Land, welche, wenn sie benützt wurde, nicht zwanzig bis dreißigtausend, wie der 2te Artikel der Verbündeten forderte, sondern durch ganz Schwaben hunderttausend Bauern unter die Fahne des armen Konrads sammeln mußte; aber sie mußten vorwärts gehen, und nicht, wie sie thaten, auf dem Berge stille liegen.

Nichts stand dem Weiterzug, wenn er sogleich in den ersten Tagen vor sich ging, im Wege. Der Herzog hatte fast kein Kriegsvolk. Ohne Sold keine Söldner, und seine finanzielle Verlegenheit war ja landkundig. Mit größter Mühe warben seine Diener, da und dort, zwanzig oder dreißig Pferde zusammen. Alle seine Hoffnung beruhte auf den Zuzügen der treuen Landstädte und der ihm verbündeten Fürsten und Herren. Um das Waiblinger Amt zu decken, hatte er schon am 24. Juli zweihundert Mann aus Stadt und Amt Stuttgart aufgeboten; aber diese weigerten sich schon eine Stunde von der letzteren Stadt, zu Canstadt, weiter zu ziehen, wenn sich nicht Verstärkungen aus andern Aemtern an sie anschlößen.

Fast wäre die Hauptstadt den Bauern in die Hände gefallen. Ein Stuttgarter, Jörg Tiegel, dessen Mutter Legelin hieß und am Zwingerthor wohnte, ging auf den Kappelberg, und versprach den Bauern Stuttgart zu überliefern. Auf das rückten an die tausend Bauern vor und lagerten sich auf der Nordwesthöhe Stuttgarts, auf dem Kriegsberg. Tiegel, genannt Legelin-Jörg, verabredete mit vier städtischen Soldknechten, gegen Mitternacht den Bauern das Thor zu öffnen, an dem sie schildern. Gegen zweihundert Bürger waren es, auf die Tiegel in der Stadt rechnete. Ein paar Stunden vor der Ausführung wurden die fünf behorcht, durch Zufall, und verhaftet. Auf das Mißlingen des Anschlags zog der Bauernhaufen ab.

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Es waren nicht wenige kriegskundige Männer auf dem Kappelberge, besonders aus dem obern Remsthal hatten Viele ihre Jugend im Waffenhandwerk in auswärtigen Kriegsdiensten zugebracht. Aber der Masse gebrach es ganz an Klarheit, Entschlossenheit und Energie. Als nun Vollmar der oberste Hauptmann und die andern Eingeweihten, aus welchen Sebastian des Schwarzhansen Sohn zum Waibel, der Krämerjörglen zum Fähndrich gewählt war, im Haufen darauf drangen, mit gewaltsamer That vorwärts zu gehen, die Gleichgesinnten des Landes an sich zu ziehen, und die Artikel auszuführen, da entstand ein großer Zwiespalt.

Da waren die, welche noch Etwas zu verlieren hatten; Andere erschracken vor einem Vorschlag, der zuletzt auf Todtschlag der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten hinausliefe. Täglich gingen Abgeordnete des Landtags, der sich wegen dieser gefährlichen Verwicklungen zu Stuttgart niedergesetzt hatte, auf dem Berge ab und zu, und unter dem Haufen der Bauern selbst schlichen Spione des Herzogs und solche um, welche dieselben im herzoglichen Interesse bearbeiteten und den Absichten des Clubs entgegenwirkten. In den Versammlungen stieg der Zwiespalt und die Erbitterung so hoch, daß sie untereinander handgemein wurden, und Schwert und Speer gegen sich selbst wandten. Und als die Abgeordneten des Landtags ihnen zuletzt verhießen, daß alle Beschwerden, die sie angezeigt, erleichtert werden sollen: da schrie die überwiegende Zahl nach gütlicher Unterhandlung. Als das Geschrei, der Herzog wolle durch fremdes Kriegsvolk die Bauern zu Paaren treiben, in's Land auskam und Alles sich und seine Habe hinter die Mauern der Städte zu flüchten eilte, um »den fremden Blut- und Raubhunden« zu entgehen, da hatten fürstliche Räthe, die das Volk beruhigen sollten, an die Regierung geschrieben: »Es ist ein arm, erschrocken, ganz zaghaft, sorgfältig Volk!« Das zeigte sich jetzt erst recht in seiner Wahrheit. –

Die Partei des armen Konrad sah, daß sie gegen die Masse nicht durchzudringen vermochte. Nachdem sie noch den Beschluß in der Versammlung durchgesetzt, daß Alle eidlich gelobten, was Einen angehe, solle den Andern auch angehen, und keiner den Andern verlassen, gingen am Donnerstag nach St. Jakobstag, den 27. Juli, im Namen des ganzen Haufens die Hauptleute Hans Vollmar, Hans 99Wagner von Schorndorf, genannt Wagenhans, Bernhard, dessen Sohn, Braun-Urban von Urbach, Hans Heerer von Urbach, Hans Fachendag von Plüderhausen, Hans Lindenschmied von Waldhausen, Veit Bauer von Grunbach, Gori Schneider von Grunbach und Jung Ulrich von Urbach den Berg hinab, und unterhandelten im Wirthshaus zu Beutelspach mit etlichen Abgeordneten des Landtags und mit Hans von Gaisberg, der im Namen des Herzogs sprach, dahin, daß sie sich wechselseitig Friede und sicheres Geleit verhießen, bis zu Ausgang des eben zu Stuttgart versammelten Landtags, der die Beschwerden der Bauern erledigen sollte; die Bauern sollten mit Frieden heimziehen, der Herzog aber sie zu dem Tübinger Vertrag nicht nöthigen noch drängen, sondern Alles zur Erkenntniß des Landtags gestellt sein, wie sie sich wegen der einzelnen Artikel des Tübinger Vertrags zu halten hätten.

Um den Mittag des 27. Juli ward dieser Vertrag zwischen den Bauernhauptleuten einer-, und den herzoglichen und landschaftlichen Abgeordneten andererseits abgeschlossen. Die Fassung der Vertragsformel schon war perfid. Es ist offenbar, die gutmüthigen Bauern, die nach den Reden der abgeordneten Herren das Beste von Landschaft und Herzog erwarteten, legten etwas Anderes in die Worte des Vertrags, als die Herren, die denselben absichtlich so zweideutig und unbestimmt gefaßt hatten. Die Perfidie aber, schon in der Unterhandlung unverkennbar, sollte sich erst recht entwickeln in den Thaten.

Gleich nach Abschluß des Vertrags, an demselben Abend, verließen viele Bauern ihr Lager auf dem Kappelberg und zerstreuten sich friedlich, ein Jeder in seine Hütte. Wenige Vorsichtigere, die nicht trauten, näherten sich den nicht weit entfernten Gebieten der freien Reichsstädte Eßlingen, Gmünd und Aalen.

Um Ulrich hatte sich inzwischen ein ziemliches Kriegsvolk versammelt. Nachdem die Landschaft seine Schuldenlast übernommen, war auch sein Kredit wieder gestiegen. Ludwig von Hutten allein, der als Gesandter des Bischofs von Würzburg persönlich bei dem Tübinger Vertrag mitwirkte, lieh ihm aus seinem Hausschatze zehntausend Gulden dar, womit er reisige Söldner anwerben konnte; auch zog ihm aus Huttens Betrieb ein starkes Hülfsvolk seines Herrn, 100des Bischofs, zu. Dieser Hutten war derselbe, dem Ulrich bald darauf zum Danke meuchlings seinen Sohn erstach.

Auch die Städte zeigten sich jetzt, da sie für sich, was sie wünschten, herausgeschlagen hatten, williger. Sympathie hatten die städtischen Herren nie für die Bauern und ihre Sache gefühlt. Schon zu Anfang der unruhigen Bewegungen waren aus 14 Städten Abgeordnete der Ehrbarkeit zu Marbach zusammengetreten und hatten sich berathen, »dem unnützen Volk der Bauern ihr thöricht Fürnehmen mit ernsten Mitteln niederzulegen.« Da sie jedoch Abstellung der Hauptbeschwerden für durchaus nöthig erklärten, um die Bauern wieder zum Gehorsam zu bringen, hatte sie des Herzogs Rath, Philipp von Nippenburg, »empörende Buben« gescholten, die es mit den Bauern halten. Das ehrbare Bürgerthum war aber von jeher so egoistisch gegen die Bauerschaft, als der Adel. Herrsch- und habsüchtig, stets bereit, ungebührliche Lasten auf das Landvolk umzulegen, hielten die Städter es nicht für gut, daß ein Bauer bei den Wahlen zum Landtage mitwirke, oder gar neben den ehrbaren Herren Sitz und Stimme habe. Die Städter eilten, dem Herzoge zuzuziehen; die Tübinger allein schon sandten ihm ein Fähnlein von fünfhundert wohlgerüsteten Knechten unter dem Edeln Ernst von Fürst als Hauptmann. Mit diesen vereinigten sich die Fähnlein von Balingen, Stuttgart, Canstadt und Kirchheim, welchen letzteren bei Untertürkheim von einem Haufen Bauern der Paß über den Neckar versperrt worden war. Das Hülfsvolk des Würzburgers, dreihundert Pferde, dabei siebenundsiebzig von Adel, lagerte am 29. Juli schon zu Laufen am Neckar. Von dem Churfürsten Ludwig von der Pfalz lief Nachricht ein, daß seine Reisigen zwischen dem 26. und 27. in Maulbronn anlangen werden, und von dem Markgrafen Philipp von Baden, daß seine Reiter am 27. früh Pforzheim verlassen haben. Auch des Bischofs von Konstanz Hülfsvolk war auf dem Marsche. An Söldnern und Lehensleuten hatten sich an die 1800 um Ulrich gesammelt. Der Truchseß Georg von Waldburg allein hatte ihm 100 Pferde, 600 Knechte und einiges grobes Geschütz zugeführt.

Die Fähnlein der Städte waren voraus aus Waiblingen gezogen. Am 28. Juli lief die Genehmigung des Vertrags vom Herzog ein, dazu, wie es scheint, eine geheime Instruktion für die Seinigen, wie 101der Vertrag zu halten sei; und auf dem Fuße folgten die 1800 Reisige des Herzogs. Inzwischen verliefen sich auf die eingelaufene Genehmigung des Herzogs die letzten Bauernschaaren von dem Berge, arglos vertrauend dem ihnen gelobten Frieden und sichern Geleit; da sahen sich am 31. Juli Morgens die sichern Waiblinger plötzlich durch die Leute Ernsts von Fürst überfallen, und zwar, wie eine gleichzeitige, dem Herzog selbst zugeeignete Lobschrift ausdrücklich sagt, auf dessen Befehl, da Angeber aus Waiblingen selbst die Namen verdächtiger oder den Bauern verbündeter Mitbürger angezeigt hatten. Diese wurden gefangen genommen, ihr Eigenthum geplündert, ihre Häuser verwüstet, ein Verfahren, das, wie derselbe sagt, nachher überall im Lande gegen die Angeschuldigten geübt wurde.

Darauf eilten er und die herzoglichen Räthe das Remsthal hinauf, überfielen den durch den Vertrag, welcher Frieden und sicheres Geleit zusagte, sicher gemachten obersten Hauptmann der Bauern, Hans Vollmar von Beutelspach, seinen Waibel und seinen Fähndrich, banden sie ohne Weiteres und führten sie in Ketten Schorndorf zu.

Nach Abschluß des Vertrags hatte sich ein Theil der bäurischen Besatzung auch aus dieser Stadt heimwärts gethan. Nachmittags 3 Uhr erreichte Ernst von Fürst die Stadt. In der Verwirrung der Ueberraschung entwich denen, welche noch die Thore besetzt hielten, alle Besinnung, sie flohen da und dorthin: und ohne einen Schwertstreich besetzte Philipp von Nippenburg die verlassenen offenen Thore. Niemand wurde aus und eingelassen, sobald das Kriegsvolk in der Stadt war. Dennoch retteten sich die meisten der Verbündeten durch die Flucht, viele über die Mauern hinab. Nur wenige der Betheiligten wurden noch in der Stadt betroffen. Der Herzog war mit seinen Reisigen gefolgt. Die Rache in der Brust verschlossen, war er an den Dörfern der aufgestandenen Bauern vorüber gezogen, und die Schorndorfer nahmen ihn, wie es ihrem Herzog gebührte, auf. Kaum in der Stadt, gab er das Zeichen zur Plünderung. Das Kriegsvolk stürzte sich auf die Häuser der Verschworenen oder Angeschuldigten, schleppte die Eigenthümer ins Gefängniß, plünderte und zerstörte Habe und Haus vor den Augen der jammernden und mißhandelten Weiber und Kinder. Das Versammlungshaus der Verschworenen, das 102Haus Pregizers, war das erste, das dem Boden gleich gemacht wurde; das des Wagenhansen und die von fünf Anderen hatten das gleiche Schicksal; geplündert aber wurde überall, ohne Unterschied, besonders in den Häusern der Reicheren, die, völlig unschuldig, für ihr Geld und Gut nichts befürchtet hatten. Unter dem Plünderungswerk dämmerte der Abend heran. Alle Ausgänge blieben verschlossen, damit keine Kunde solchen Verfahrens in die Dörfer hinauskäme, und der Masse der Bauern ein Warnungszeichen des ihnen bevorstehenden Schicksals, den Mitgliedern des armen Konrads ein Sporn zu schleuniger Flucht würde. Auf den 2. August ließ der Herzog alle Wehrhaften in der Vogtei Schorndorf, im Remsthal und allen umliegenden Flecken auf den Wasen vor der Stadt vorladen; es erschienen gegen dreitausend vierhundert; die andern kamen nicht oder flüchteten sich in die Berge und Reichsstädte. Der angegebene Zweck der Vorladung war, ihnen den Entscheid des Landtags zu eröffnen. Zuerst ward ihnen befohlen, ihre Waffen abzulegen. Sie thaten es, fast lauter Unschuldige, von dem fremden und einheimischen Kriegsheer des Herzogs von allen Seiten plötzlich in die Mitte genommen. Manche, als sie die Reitergeschwader hervorbrechen sahen, waren wie ein Taubenschwarm vor Adlern feldeinwärts geflohen, aber größtentheils von den Reisigen überholt, und »als besonders verdächtig« in den Ring geschleppt worden. Jetzt las man ihnen das Erkenntniß des Landtags vor, welches also lautete:

»Nachdem unser gnädigster Fürst und Herr, und auch Stadt und Amt Schorndorf, der Landschaft das Erkenntniß anheim gestellt, daß, was diese sie heißen, des Tübinger Vertrags halb zu thun oder zu lassen, dabei es bleiben solle: so entscheiden und heißen auf diese Artikel hin die Berufenen von der Landschaft einhellig, daß die von Schorndorf, Stadt und Amt, den Tübinger Vertrag auch annehmen, die Huldigung deßhalb thun, denselben halten und vollziehen sollen, wie sich das nach seinem Inhalt gebührt; zum Andern, als nach gehaltenem Tübinger Landtag durch Stadt und Amt Schorndorf etliche Ungehorsame und Mißhandlungen begangen worden, überdas, so ihnen zuvor gnädig verziehen worden, so erkennt die Landschaft, daß alle die, so mit solchen Mißhandlungen verwandt sind, es sei mit Worten, Werken, Rathen oder Thaten strafbar und gefänglich 103anzunehmen seien, und daß alsdann unser gnädiger Fürst und Herr gut Fug habe, gegen dieselben, und ihrer einen jeden besonders, mit Frag und Rechtfertigung vorgehen zu lassen, wie sich das vermöge seiner F. G. Regalien, auch des angenommenen Vertrags Handhabung und eines jeden Verschulden zu thun gebührt.«

Jetzt bereuten die Wehrlosen ihre Leichtgläubigkeit, jetzt fühlten sie das Thörichte, die Entscheidung ihres Schicksals der aristokratischen Partei anheim gestellt zu haben, welche beim Tübinger Vertrag ihre gegründetsten Beschwerden, ihren Nahrungsstand, den erhöhten Weinzoll, nicht einmal eines Worts werth gehalten, der doch zu den hauptsächlichsten Quellen, der Verarmung im Remsthale gehörte; jetzt sahen sie mit Schrecken, daß sie eines Herrn und seiner Räthe friedlichen Anträgen blindlings vertraut, die noch kürzlich erst gewohnt waren, Abgeordnete, welche ungesetzliche Steuern im Gesetzesweg verweigerten, fest zu halten, bis sie Ja sagten, ihren Committenten mit Reitereinquartirung, ihren Bürgermeistern unter Flüchen drohten: »Wollt ihr nicht gutwillig, so müßt ihr; der Herr kann euch den Kopf vor die Füße legen!«

Ulrich ritt ihnen gegenüber, vom Kopf bis zu den Zehen gewappnet, selbst sein Pferd war mit Eisen überdeckt. Bei seinem Anblick entblösten die Bauern die Scheitel, kleinmüthig und verzagt, ganz gebrochen. Auf seinen Wink stürzten sich seine Reisige auf sie, und die, welche als besonders thätig bei der Bewegung bekannt, oder als solche, wahr oder falsch, von den Angebern bezeichnet waren, wurden aus dem Haufen herausgezogen und gefangen hinweg geführt. Es waren derer nicht weniger als 1600, die als schuldig oder verdächtig eingezogen wurden. Es waren nicht genug Fesseln und Stricke zur Hand. Wie Hunde koppelte man sie zusammen. Alle Thürme und Gefängnisse der Stadt wurden voll gepfropft, die andern Haufen im Ring der Reisigen nach der Stadt getrieben und dort ohne Speise und Trank in das Rathhaus eingesperrt, das, so groß es war, für eine solche Menge nicht Raum hatte. Hier lagen sie aufeinander gepreßt; von Sitzen war keine Rede; die meisten konnten kaum bequem stehen. Hätten ihnen die Wachen nicht um Geld und gute Worte heimlich Brod und Wasser zukommen lassen, sie hätten verschmachten müssen.

So schwebten sie zwischen Furcht und Hoffnung, während die 104Andern auf der Folter verhört wurden. Gegen Mittag des andern Tages wurde der große Haufe aus dem Rathhaus hinausgeführt, hart an das Ufer der Rems. Von Durst und Hunger gemartert, durften sie in das Wasser sehen, aber keiner sich bücken, um daraus zu trinken. Endlich fiel es Jemand ein, dem unglücklichen Volke in Gefäßen Wasser zuzuschicken. Sie waren gegen sechsunddreißig Stunden ohne regelmäßige Speise und Trank gewesen. Noch lange mußten sie unter der brennenden Augustsonne am Flusse stehen, ehe der Herzog mit seinem Kriegsvolk zu Roß und zu Fuß erschien. Als sie ihn sahen, fielen sie, auf einen Wink, den man ihnen gab, auf die Kniee, als bäten sie um Verzeihung ihres Fehls. Sie lagen wohl eine halbe Stunde so am Boden, ehe sie aufstehen durften. Die fremden und herzoglichen Räthe beriethen sich inzwischen mit dem Herzog. Dann erklärte ihnen Lamparter, der Kanzler, im Namen desselben, daß ihnen aus Gnaden das Leben geschenkt sei, doch um für die Zukunft vor der Versuchung, in einen Bürgerkrieg sich verwickeln zu lassen, bewahrt zu sein, sollen sie alle Wehr und Waffen ausliefern, und außer Messern, halben Schwertern und Spießen künftig keine führen. Dann las er ihnen die Artikel des Tübinger Vertrags vor, auf welche der ganze Haufe schwören mußte, worauf jeder heim ziehen konnte. Das geschah Donnerstag Abends, 3. August.

Inzwischen war bei den Andern, deren manche erst jetzt gefangen eingebracht wurden, mit dem peinlichen Verhör fortgefahren worden. Es war ein kurzer Prozeß. Schon am Samstag, am 5. August, also im Zeitraum von drei Tagen, war die Untersuchung geschlossen, so daß der öffentliche Rechtstag auf den 7. August festgesetzt werden konnte. Wäre nicht der Sonntag dazwischen gewesen, so wäre es wahrscheinlich noch schneller gegangen: die einzigen Untersuchungsmittel waren sieben Angeber und die Folter. Durch diese wurde auf den Bundschuh hin inquirirt.

Am Montag den 7. August wurden die Angeklagten auf den gewöhnlichen Platz geführt, wo unter freiem Himmel das Gericht gehalten wurde. Sechsundvierzig waren in Ketten, manche derselben halb nackt, wie sie aus ihren Verstecken hervorgezogen, in den Betten überfallen oder von den Reisigen ausgeplündert worden waren; der übrige Haufen war frei zugegen. Den Vorsitz des Gerichtes führte 105Hans von Gaisberg, der Vogt von Stuttgart; den Ankläger machte Konrad Breuning, der Vogt von Tübingen; den Vertheidiger Georg von Gaisberg, der Vogt von Schorndorf. Als Richter auf der Richterbank saßen die Abgeordneten der Landschaft. Als die in Ketten und Banden sahen, daß man die Klage gegen sie in zwei Theile trennen wollte, in solche, die nur im Allgemeinen angeschuldigt, und in solche, denen besondere Anschuldigungen zur Last gelegt wurden, da begehrten sie, daß Alle, wie sie sich allesammt des Aufstandes theilhaftig gemacht, so auch gleich behandelt und angeklagt werden sollten. Die Andern aber vergaßen des Eides, durch welchen sie sich auf dem Berge zusammengeschworen, Leib und Leben für einander einzusetzen und gleiches Loos zu theilen, und trennten ihr Schicksal von dem ihrer Brüder. Sie warfen sich vor dem Herzog auf die Kniee, und baten, sie nur mit dem Rechte zu verschonen, sie überlassen sich dem Herzog zu gnädiger Strafe. Dieser ließ darauf nach gehaltener Berathung durch seinen Kanzler Lamparter ihnen erklären, daß er zwar eher geneigt wäre, das strenge Recht über sie ergehen zu lassen, aber Gott zu Lob und auf ihre Bitten wolle er sie zu gnädiger Bestrafung annehmen; wenn sie dem, was er ihnen auflege, gehorsam nachkommen wollen, so sollen sie es mit einem feierlichen Ja bekräftigen. Da hoben die sechzehnhalb Hundert die Finger zum Himmel und sagten mit lauter Stimme, Ja. Sie wurden um Geld gestraft.

Die Gefesselten sollten schwererer Rache anheim fallen. Zwar waren außer den drei früher Genannten, welche Ernst von Fürst überfiel, »die Anfänger und rechten Hauptsächer der boshaftigen Uebelthat, darin in einem Schein eines Guten die giftige erbsüchtige Schlange, der Bundschuh, verborgen gelegen, und ihre Helfer, Anhänger, Mitthäter und Verschuldeten,« glücklich ins Ausland entkommen, und für die Zurückgebliebenen mußte eben dieses Bleiben ein Zeugniß abgeben, daß sie sich nur im Allgemeinen wie der ganze Haufe betheiligt wußten. Aber der Herzog und die Aristokratie wollten Blut. Der Herzog wich keinen Fingerbreit von den Gerichtsschranken, um jedes Wort der Beklagten und der Richter zu überwachen.

Hans Volmar der oberste Hauptmann, sein Waibel und sein Fähndrich wurden dem Nachrichter in Hand und Band überantwortet, 106weil sie auf der Folter der gewaltthätigen Bestrebungen des armen Konrads geständig waren, und sogleich nach Eröffnung des Urtheils auf dem Wasen mit dem Schwert gerichtet. Die andern Gefangenen wurden wieder in ihre Gefängnisse zurückgeführt, weil das Blutgericht für nöthig achtete, »ihrethalben einen Bedacht zu nehmen.« Des andern Morgens wurden wieder Sieben als Mitglieder des armen Konrad zum Tode verurtheilt, Michael Schmid, Ludwig Fassold, Hans, der Messerschmidin Tochtermann, Hans Weiß, Jakob Huet, Hans Kleesattel, diese von Schorndorf, Dautel Jakob von Schlechtbach. Auch dieses Urtheil wurde unmittelbar darauf vollzogen, des Letztern Haupt auf das Mittelthor von Schorndorf gesteckt. Andere wurden mit Weib und Kind lebenslang des Landes verwiesen, theils mit Ruthen ausgestrichen, wie Veit Kraut, Michael Schultheiß von Reichenbach und Andere, theils an der Stirne gebrandmarkt, oder sonst körperlich gestraft, Alle aber mußten schwören, sich nie zu rächen. Verlust der bürgerlichen Ehren und große Geldstrafen waren das Mildeste. Unter den Landesverwiesenen war einer der im Bundschuh zu Lehen Schwerstbetheiligten, Hans Hummel, der Schneider von Feuerbach. Nachdem er bei Joß Friz in Aarburg und an andern Orten in der Schweiz gewesen, wagte er sich ins Gebiet von Freiburg zurück, wurde ergriffen und enthauptet.

Am neunten August hielt der Herzog einen dritten Bluttag zu Stuttgart auf offenem Markt. Hier wurden die, welche die Stadt hatten an die Bauern verrathen wollen, die Soldknechte Hans Schmeck von Waldenbuch, Peter Wolf, dessen Sohn Bernhard, Schmid Kaspar, Peter Koch, alle aus der Glashütte, und Tiegel, genannt Lägelen-Jörg, von Stuttgart; zum Tode verurtheilt und sogleich auf dem Markte enthauptet, auch des Erstern Haupt als Rottmeisters, und Peter Wolfs Haupt, weil er seine eigenen Kinder verführt, auf zwei Thor-Thürmen der Hauptstadt aufgesteckt. Die Leiber begrub man auf den Schindanger; Tiegels Mutter flehte um ihres Sohnes Kopf. Als man den ihr weigerte, erhängte sie sich an das Heilandbild am Ilgenzwinger. Sie ward hinausgeschleift, neben ihrem Sohne verscharrt und ihr Haus niedergerissen. Viele, die mit Tiegel zusammenhingen, wurden mit Gefängniß, Pranger und Ruthenausstreichen bestraft.

107

Auf Freitag den 11. August waren die Entflohenen des armen Konrad zur Verantwortung nach Stuttgart vorgeladen worden, aber nur acht wagten zu erscheinen. Diese strafte der Herzog nach Gefallen, jedoch nicht am Leben. Die in der kurzen Frist von drei Tagen nicht Erschienenen wurden zum Tode verurtheilt. Pregizer Vater und Söhne, Wagenhans und sein Sohn, Schlechtlins-Klaus, Veit Bauer, Geispeter, Uz Entenmaier und andere Namen, die eine Rolle gespielt, werden unter den Flüchtigen genannt. Wo und wann sie in dem Herzogthum betreten würden, sollten sie in des Nachrichters Hand geliefert; und wer sie, wäre es auch Vater, Mutter, Bruder oder Schwester, Sohn oder Tochter wissentlich beherbergete, der sollte an Leib und Gut gleich den Verurtheilten gestraft und seine Behausung dem Erdboden gleich gemacht werden. Wie aus dem Remsthal, waren auch aus den andern bewegten Aemtern die Mitglieder des armen Konrads ins Ausland entwichen, »etwan viel leichtfertige Personen.« Aller dieser halb ergingen Aufforderungen an alle Reichsstände und an die Eidgenossen, »dieselben, wovon nur Wenige sehr reich seien, alle aber Feinde, Anfechter und gemeine Beschädiger des heiligen Glaubens und der christlichen Kirche, Verächter und Niederdrücker aller Obrigkeit und Ehrbarkeit, Ketzer und Irrer des Friedens, nicht zu dulden, sondern an Leib und Gut zu strafen, als schändliche, verrätherische, verurtheilte Buben, deren Sinn die allerschädlichste Erbsucht, eine vergiftete Schlange, sei, den heiligen Glauben und die Christenheit zu schmähen, zu verachten und abzutilgen, Kaiserthum, Königreich, Herzog- und Fürstenthum, Graf- und Herrschaften, Stadt und Dörfer zu vergiften, die Dienstbarkeit aufzuheben und alle Dinge gemein zu machen.

Der Kaiser erklärte die Ausgetretenen in die Acht und Aberacht, und der Pabst wurde angegangen, sie in den Bann zu thun.

An alle Orte, wohin sich der arme Konrad und die Unruhe verzweigt, und welchen man aller Arten Zugeständnisse gemacht hatte, bis sie ihre Sache von der der Remsthaler trennten, und den Tübinger Vertrag annahmen, gingen jetzt die Untersuchungsrichter ab, und es wurden auch in andern Aemtern Schorndorfische Rechtsscenen aufgeführt. Ueberall war die Folter thätig, und Tausende von Namen derer, die um Geld gestraft wurden, füllen die Untersuchungsakten. 108Die Geldstrafen waren meist für jene Zeit sehr hoch, im Durchschnitt 24 fl. auf den Mann.

Auf der Folter wurde den Einzelnen die Namensangabe vieler Andern erpreßt, um recht viele Strafgelder zusammen zu bringen; Manche machten auch von selbst die Angeber. Im Vertrauen, daß die Seinen ihn nicht verrathen würden, und daß er seine Rolle klug gespielt, kehrte Bantelhans, der anfangs ausgetreten war, auf das zugesicherte freie Geleit zurück. Er behauptete seine völlige Unschuld und ging sogar an den Hof des Herzogs. Hier aber erfuhr er, daß auch seine Schritte kund geworden. Als dem Heimgekehrten einer seiner Mitsaßen, einer aus dem Gericht, zurief, sich zu ihm zu setzen, sagte er in Unmuth: »Ich sitze zu keinem Verräther!« – Der Teufel verräth dich, und das höllische Feuer, versetzte jener. – »Nein, sagte Bantelhans, die Teufel haben das nicht gethan, Leut haben's gethan.«

Zugleich ging ein Befehl ins Land aus, künftig aller bösen Reden sich zu enthalten, da man erfunden habe, daß zu der Empörung Eingang und Anfang die unnützen, ungehorsamen, vergifteten, schmählichen Worte Ursach und Förderung gegeben haben, welche von Priestern, von Mann und Weib, Knaben und Töchtern offen und ohne Scheu gebraucht worden seien. Wo Jemand die künftig von Andern höre, solle er ohne Verzug bei Ehren und Eiden es an die Behörden bringen, damit die Geistlichen ihrer Obrigkeit überantwortet, und sonst alle Andern an Leib, Ehre oder Gut nach Gestalt der Sache gestraft werden könnten. Alle Gemeinderäthe und Richter, welche von den aufgestandenen Bürgern und Bauern eingesetzt worden, wurden wieder abgesetzt. Besonders aber wurde bei Straf an Leib und Gut verboten, künftig eine Gemeinde zusammenzurufen oder eine Versammlung zu halten, oder eine Sturmglocke anzuschlagen, es sei denn mit Wissen und auf Befehl der Amtleute, selbst Gericht und Rath in den Städten sollen nicht zusammenkommen, als des gemeinen Nutzens wegen, nie aber etwas reden, handeln und beschließen, das wider den Herzog und die Ehrbarkeit wäre. Zugleich wurde allenthalben das Landvolk entwaffnet, wo es unruhig gewesen war. Am 10. August wurde sogar das Remsthal zum zweitenmal von herzoglichen Reisigen heimgesucht, Ort um Ort, um die Entwaffnung recht gründlich zu machen. Es blieb den 109meisten Bauern nichts, als ein Messer, das Brod zu schneiden, wenn sie welches hatten.

Auch die andern Herrschaften, deren Unterthanen an dem armen Konrad Theil genommen, straften dieselben, doch viel milder. Die des Klosters Lorch mußten bloß schwören, nichts mehr gegen das Kloster vorzunehmen; ohne des Abtes Erlaubniß unter keine andere Herrschaft zu ziehen, ihren Leibzins richtig zu zahlen, keine Sturmglocke mehr zu läuten, keine Zusammenkünfte mehr zu halten, und die ihnen angesetzte Geldstrafe zu entrichten.

Um das Geld war es Ulrich freilich vor Allem zu thun. Sogleich wurden nicht nur die neuen Steuern noch auf dem Stuttgarter Landtag umgelegt, sondern auch die Vögte an den Grenzen angewiesen, mit den Ausgetretenen, worunter jedes Amt im Lande seine gute Zahl zählte, zu handeln und ihnen Rückkehr gegen gewisse Geldstrafen anzubieten. Hans von Karpfen, der neue Vogt zu Tuttlingen, berichtete, daß er den Flüchtigen, die zu Schaffhausen liegen, und deren es hier allein über fünfzig seien, Es ist hier nicht zu übersehen, daß die Stadt Schaffhausen, welche die Flüchtigen des Bundschuhs zu Lehen hinrichtete, die des armen Konrad gastlich schützte; in Folge des Sieges des Landvolks in der Schweiz, und des Umschlags in der öffentlichen Meinung. gemäß dem Befehle, doch gleich als für sich selbst, zu wissen gethan, sie sollten sich bei der Kanzlei in Stuttgart stellen, wo die Strafe also werde gemildert werden, daß die Reichen nur von jedem hundert Gulden acht Gulden zur Strafe auf Zieler geben, die Nicht haben, im Thurm büßen sollten. Es haben sich auch wirklich Viele in Tuttlingen eingefunden, in der Meinung, ihre Sachen würden auch hier vorgenommen und geschlichtet werden können; doch nach Stuttgart zu ziehen, haben sie viel Bedenken gezeigt, daher er auch der Herrschaft rathe, zu Gnaden aufzunehmen, wer Gnade begehre, weil man ihrer in dem Lande viel besser mächtig sei, und sie deßhalb weniger Schaden thun könnten als draußen.

Dieser Rath hatte guten Grund. In wenigen Monaten entstanden durch Ulrichs Wirthschaft und Wesen neue bedenkliche Verwicklungen, und die Ausgetretenen und Verwiesenen sammelten sich da und dort an den Grenzen, schlichen sich zum Theil als Pilger und 110in andern Verkleidungen selbst in das Land ein. Mit dem unruhigen, gemeinen Mann an etlichen Orten der Eidgenossen standen sie in Verbindung, mit den Flüchtlingen anderer Lande ohnedies. Die Regierung fürchtete einen bewaffneten Einfall und einen neuen Aufstand im Lande. Geheime Befehle gingen aus, Schlösser und Städte in bester Obhut zu halten, und eine geheime Polizei zu organisiren, um an allen Orten und Enden gutes Aufsehen zu haben, ob Jemand zusammenschlüpfe, rottire mit Weis' oder Geberde, Worten oder Werken, und widerwärtig und gefährlich sich zeige, oder in Pilgertracht und anderer Vermummung in den Aemtern durch oder hinwegzöge, damit diese sogleich angehalten und eingezogen würden. Und der Herzog ließ wirklich auf mehreren Punkten Leute einziehen, sie so lange auf der Folter martern, bis sie aussagten, sie haben ihn ermorden und im Lande brennen wollen, und ließ sie dann hinrichten. Nach wenigen Jahren aber kehrten alle Flüchtigen und Verbannten wieder ins Land zurück, angeführt von dem Herzoge selbst, der, wie die Landschaft sich ausdrückte, einen neuen armen Koontz anfangen wollte, um wieder in sein Land zu kommen, aus dem er selbst vertrieben und verbannt war.

Es ist klar, die Bauern im Remsthal wurden durch Zweierlei getäuscht, einmal durch das verführerische Vorspiegeln, der Stuttgarter Landtag werde ihre Beschwerden erledigen, dann durch das hinterlistige Uebereinkommen, das im Sinn der Herren die Annahme des Tübinger Vertrags, und mithin die Bestrafung implicite in sich schloß. Ehe der Entscheid des Landtags beiden Theilen öffentlich bekannt gemacht wurde, überfielen die Herzoglichen vertragsbrüchig die Bauern, und ehe der Tübinger Vertrag von den Bauern angenommen worden war, wurde ein Theil seiner Bestimmungen auf dieselben angewandt.

Nicht eine Stimme erhob sich in der Landschaft wider ein solches Rechtsverfahren, wohl aber schrieben die geflüchteten Hauptleute der Bauern schon unterm 9. August an Hans von Gaisberg und hielten ihm vor, was er mit ihnen zu Beutelspach gehandelt, wie er ihnen Fried und Geleit verheißen bis zu Ausgang des Landtags, und wie sie nichts desto weniger vor dem Ende desselben an ihren Gütern, an Weib und Kindern angegriffen worden. Auch 111öffentlich das ihnen angethane Unrecht im Reiche zu klagen, unterließen sie nicht; aber der Herzog und die Landschaft schrieben dagegen aus, Niemand möge dem »unwahrhaftigen Erdichten und Gestiften« der Bauern Glauben beimessen.

So endete auf dem Schaffot oder im Kerker, in schweren Strafen an Geld, Ehre und Gut, in Brandmarkungen und Verbannung der arme Konrad: wieder eine Woge, die sich brach und zerstäubte, aber der Strom ging vorwärts.

Dem Fortgange dieses Stroms zu begegnen, trat der schwäbische Adel zu Urach zusammen, und schloß einen neuen innigern Verein unter sich, welcher auf jede Verbrüderung der Bauern den Stempel der Empörung drückte. »Weil im Lande zu Schwaben, erklärten sie, und allenthalben im Reiche von den Unterthanen und armen Leuten merkliche Aufruhr und Empörung mit Aufwerfung des Bundschuhs, und in andere Wege unordentliche Bündnisse wider ihre rechten, natürlichen Herren und Obrigkeiten sich gezeigt, und dieselben sich unterstanden haben, das Joch der Obrigkeit abzuwerfen, und den Adel und alle Ehrbarkeit niederzudrücken und auszutilgen, und weil zu besorgen stehe, daß hinfür denen vom Adel und der Ritterschaft das auch begegnen möchte, was jetzt Fürsten, Geistliche und Städte erfahren haben, so wollen sie einander auf jede Weise wider solche Gesinnung und solches Unterfangen des gemeinen Mannes beistehen.«


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