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Münzer in Böhmen und Altstedt.
Münzers aufregenden Predigten werden zwei Aufläufe zugeschrieben, die kurz nach einander die Tuchknappen in der Stadt gemacht hatten. Seine Gegner nannten ihn öffentlich »einen blutdürstigen Mann, dessen Herz nach Blutvergießen stehe. Man solle aufsehen, was der gelbe Bösewicht mit seinem Schwärmgeist für ein Spiel anrichten wolle,« hieß es in einem Spottliede seiner Gegner auf ihn, vom 16. April 1521.
Seit er dachte und sah, war ihm »die Schmach und das Elend seines Volkes« nahe gegangen. Er glaubte sich, er fühlte sich von seinem Gott berufen, sein Volk zu befreien und zu rächen.
178Seine Feinde haben als einzige Triebfeder den Ehrgeiz ihm unterlegt. Es war Ehrgeiz, es war ein hochfahrender Geist in ihm, und dieser verschmolz sich mit seinem Enthusiasmus: aber Sucht zu glänzen, war es nicht, was ihn hauptsächlich oder gar einzig trieb. Es ist viel Trübendes, viel Verwildertes in Münzers Seele, aber durch diese Wildniß in ihm leuchtet eine glühendrothe Blume, die Liebe zu seinem Volke, zur Menschheit. Der ehrgeizige Schwärmer meinte es redlich.
Er haßte die Unterdrücker des Volkes, die geistlichen und weltlichen Herren; in beiden sah er die Verderber der Welt, die Umkehrer der göttlichen Ordnung. Im christlichen Priesterthum sah er nur die Fortsetzung »alter Tyrannei, welche im Namen Christi die Welt tyrannisire, wie sie es früher im Namen des heidnischen Aberglaubens gethan habe.« In den Herren überhaupt haßte er »feindliche Mächte, welche dem Gottesreich auf Erden, dem ewigen Evangelium, dem Heile entgegen seien, es hemmen, die Menschheit ihrem Eigennutze, ihren Wollüsten, ihren Launen opfern, sie auf jede Art mißbrauchen, und in der Entwicklung ihrer Kräfte, im Genuß ihres menschlichen Daseins hindern.« Er hatte keinen Fürsten von wahrer schöner Menschlichkeit kennen gelernt: so haßte er alle als »Tyrannen,« als »Hochmüthige, die sich übermenschlich dünken,« was ihm als »gottlos« erschien.
Je tiefer er sich in das alte und neue Testament und in seine Mystiker hineinlas, desto größer erschien ihm der Contrast zwischen dem, was war und was sein sollte. Nach seiner Ansicht mußte auch der Staat von dem christlichen Geiste beseelt werden. Die öffentlichen Zustände sollten, wie die Sitten, nach der Lehre Christi gestaltet, das Christenthum selbst auf diese Art in der Welt verwirklicht, des göttlichen Reichs Gesetze zu Staatsgesetzen, die Gleichheit vor Gott auch zur weltlichen Gleichheit fortgebildet werden.
Daß diese Umbildung so plötzlich nicht möglich, die völlige Gleichheit überhaupt niemals durchführbar sei, das übersah die jugendliche Leidenschaftlichkeit Münzers. Die Gluth seiner Wünsche und Hoffnungen für das Volk, seine Einbildungskraft, und wohl auch noch mit der Ehrgeiz, seines Volkes Befreier zu werden, trugen und rissen ihn fort. Alles das zusammen steigerte sich in ihm in Kurzem 179so, daß es wie eine fremde Macht in ihm wurde, und er nicht mehr wußte, ob er es selbst war oder ein höherer, über ihn gekommener Geist, was ihn trieb, stürmisch vorwärts zu gehen. Nicht in einem Jenseits, sondern auf dieser Erde sollte das neue Jerusalem, zunächst auf festem deutschem Boden das Reich der Freiheit und der Freude gegründet werden, und zwar sogleich jetzt, schnell und gewaltsam. Denn es war, wie etwas Feuereifriges, so auch etwas Gewaltthätiges in ihm. Die Ausrottungs- und Rachegebote des Alten Testaments, die den alten Israeliten gegeben waren, nahm er als ihm für seine Zeit gegeben. Des Abts Joachim revolutionäre Ideen wurden in Münzer zur revolutionären That; des Erstern Mysticismus und Prophetismus wurde in dem Letztern zum Fanatismus, aber nicht des Dogma's, sondern des Weltbeglückungstriebs.
Münzer war kein Schwärmer gewöhnlichen Schlags, der bloß träumte und schwärmte. Er hat sich zwar verrechnet; gerechnet aber und berechnet hat er; er hat gedacht, verglichen, und einen Plan gemacht; er hat gewagt und gehandelt. An seinem Plan war sein volles und weites Herz zu sehr mitthätig, und darum, und weil sein politischer Verstand noch nicht gereift war, wagte er sich an Etwas, das für seine Kräfte und für seine Zeit zu groß war.
Der Boden Böhmens, die Wiege der taboritischen Lehre, war es zuerst, wohin er von Zwickau sich wandte. In Prag schlug er in lateinischer und deutscher Sprache eine Ankündigung an, einen »Protest,« wie er es nannte. »Er wolle, sagte er unter Anderem, nebst dem vortrefflichen Streiter Christi, Johann Huß, die hellen Posaunen mit einem neuen Gesang erfüllen. – Eine lange Zeit haben die Menschen gehungert und gedürstet nach des Glaubens Gerechtigkeit, und die Weissagung des Jeremias sei an ihnen erfüllt worden: »»Die Kinder haben Brod begehret, und Niemand war, der es ihnen brach.«« Es wäre kein Wunder, wenn Gott wieder durch eine allgemeine Sündfluth den Erwählten mit den Verstoßenen wegraffte. Das, daß man immer nur auf den todten Buchstaben, darauf sich berufen habe: »So hat Christus, so hat Paulus, so haben die Propheten gesagt!« statt aus der Vernunft heraus zu überzeugen; das sei die Ursache, warum so viele Völker der Welt den christlichen Glauben eine unverschämte Thorheit genannt haben. Von Wehmuth 180und Erbarmen ergriffen, beweine er aus ganzer Seele den Untergang der wahren Kirche Gottes; in ihrem Ruin begreife die Christenheit nicht die egyptische Finsterniß, die auf ihr liege. Da, als das Volk die Wahl seiner Prediger aufgegeben habe, da habe der Betrug angefangen; seitdem harmonire die Kirchenlehre und Ordnung nicht im Geringsten mehr mit der Stimme Gottes. »Aber freuet euch, schließt er nach furchtbaren Angriffen auf die Geistlichen und die Lehre der Kirche, es neigen sich eure Länder, sie werden weiß zur Ernte. Ich bin vom Himmel herab gedinget um einen Groschen zum Taglohn, und mache meine Sichel scharf, die Ernte abzuschneiden. Mein Gaumen soll der allerhöchsten Wahrheit nachsinnen und meine Lippen sollen verfluchen die Gottlosen, welche zu erkennen und auszurotten ich in eure vortrefflichen Grenzen, o ihr geliebten böhmischen Brüder, gekommen bin. Lassets zu und thut Hülfe. Ich verheißt euch große Ehre und Ruhm: hier wird den Anfang nehmen die erneuerte apostolische Kirche, und ausgehen in alle Welt. Die Kirche bete nicht einen stummen Gott an, sondern den lebenden und redenden. So ich lügen werde in dem lebendigen Worte Gottes, welches heute hervorgehet aus meinem Munde, so will ich des Jeremias Last tragen und stelle mich selbst dar, mich zu übergeben den Schmerzen des gegenwärtigen und des ewigen Todes.« Münzers Ankündigung bei Strobel, S. 19—39.
Es gehörte Muth dazu, sich mit diesem Tone, dessen Mildestes im Voranstehenden im wörtlichen Auszug enthalten ist, mitten in ein fremdes Land, in eine große Stadt, unter eine längst wieder mächtig gewordene Geistlichkeit hineinzustellen. Münzer ist ganz Jüngling, der Alles sich zutrauende, unbedenklich wagende Jüngling; er hat nichts für sich, als sich selbst, seinen Glauben an seine Sendung und seine Ueberzeugung, daß es an der Zeit sei. Aber es mißlang ihm, in Böhmen Raum und Anhang zu gewinnen; er wurde unter Bewachung gestellt, und mußte das Land verlassen.
Er ließ sich dadurch weder seinen Glauben an sich noch an seinen Beruf verkümmern. Bloßer Ehrgeiz jugendlichen Leichtsinns wäre entmuthigt worden, als er die großen Schwierigkeiten sah. Aber es war Münzern ein Ernst damit, die Welt zu bessern; er dachte ohne Schrecken an die Dornenkrone der Volkserlöser, und 181meinte, daß es gottlos sei, nicht durch Leiden Christus ähnlich werden zu wollen; Münzers eigene Worte bei Strobel S. 27. in der Prager Ankündigung. er war bereit, wie er es am Ende seiner Prager Ankündigung auch sagte, für das, was er als seinen Beruf in sich trug, mit seinem Leben einzustehen; und er hat es bewiesen.
Er wurde Prediger in Altstedt in Thüringen, gegen das Ende des Jahres 1522. Hier ließ er beim Gottesdienste Alles ohne Unterschied in deutscher verständlicher Sprache verrichten; nicht mehr bloß die aus dem Zusammenhang gerissenen Evangelien und Episteln, sondern alle biblischen Bücher sollten vorgelesen und darüber gepredigt werden. Von Eisleben, Mannsfeld, Sangerhausen, von Frankenhausen, Querfurt, Halle, Aschersleben, von andern Orten, liefen die Leute Münzern zu nach Altstedt, ihn predigen zu hören. Es war wie eine Wallfahrt.
Dem Volke gefielen die scharfen Lectionen, die er der Geistlichkeit und den weltlichen Herren gab. Er ging schrittweise vorwärts, und wurde Schritt um Schritt vorwärts getrieben. Er wollte für's Erste sogar die Fürsten selbst dazu gebrauchen, der neuen Predigt mit Gewalt Ausbreitung zu verschaffen.
Das sächsische Brüderpaar, den Churfürsten Friedrich den Weisen, und den Herzog Johann, forderte er zu wiederholten Malen und aufs Stärkste dazu auf. »Ihr allertheuersten liebsten Regenten, – schrieb er, wenn ihr der Christenheit Schaden so wohl erkennetet und recht bedächtet, so würdet ihr eben solchen Eifer gewinnen, wie Jehu der König (Buch der Könige 4, 9, 10.) Darum muß ein neuer Daniel aufstehen und euch die Offenbarung auslegen, und derselbe muß voran, wie Moses lehrt ( Deut. 20.), an der Spitze gehen. Er muß den Zorn der Fürsten und des ergrimmten Volkes versöhnen. Sagt doch der Herr, ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Was sollt ihr aber mit demselben machen? Nichts anders, denn die Bösen, die das Evangelium verhindern, wegthun und absondern, wollt ihr anders Diener Gottes sein. Christus hat mit großem Ernst befohlen (Luc. 19, 27.): Nehmt meine Feinde und erwürget mir sie vor meinen Augen! Warum? Ei darum, daß sie Christo sein Regiment verdorben haben. Die, welche Gottes Offenbarung zuwider sind, soll man wegthun, ohne alle 182Gnade, wie Hiskias, Josias, Daniel und Elias die Baalspfaffen verstöret haben; anders mag die christliche Kirche zu ihrem Ursprung nicht wieder kommen. Man muß das Unkraut ausraufen aus dem Weingarten Gottes in der Zeit der Ernte. Gott hat (5. Mos. 7.) gesagt: Ihr sollt euch nicht erbarmen über die Abgöttischen, zerbrecht ihre Altäre, zerschmeißt ihre Bilder und verbrennet sie, auf daß ich nicht mit euch zürne. Münzer bei Strobel S. 51—55. Das Ausgezogene ist wörtlich.
Er drang auf das, was er früher nur leise angedeutet hatte, jetzt am stärksten, auf die Befreiung vom Joche des Buchstabens, nicht bloß der Kirchenlehre, sondern auch der Bibel. Er wollte eine geistige Auffassung und Auslegung der Schrift; ja er setzte geradezu über die biblische Autorität den im menschlichen Gemüthe wirkenden heiligen Geist, ja die menschliche Geisteskraft selbst, welche er als die reinste und ursprünglichste Quelle der Wahrheit für die Menschheit erklärte.
Seine Reden waren voll Gedanken, wie sie neuerdings der Rationalismus und die speculative Philosophie aufgestellt haben; manche der Ideen, welche seine Reden füllen, haben später Puritaner und Independenten in England, namentlich W. Penn, Spener, Zinzendorf, Swedenborg, J. J. Rousseau, und die Sprecher und Führer der französischen Revolution aufgefaßt, ausgebildet, und sich damit berühmt gemacht. Treitschke, Gesch. Münzers im Allg. histor. Archiv I. vergleiche man. Münzer eilte auch mit seinen religiösen Ansichten, nicht nur mit seinen politischen, um drei Jahrhunderte voraus.
Als er sah, daß seine Aufforderungen an die Fürsten bei diesen keinen Anklang fanden, wandte er sich mit um so stärkeren Ermunterungen an das Volk, sich selbst zu helfen. Die Kraft des Wortes suchte er durch Vereine zu stärken. Schon hatte er eine geheime Gesellschaft zu Altstedt errichtet, die sich mit feierlichem Eide verbindlich machte, mit einander zu arbeiten, und das neue Reich Gottes, das Reich brüderlicher Gleichheit, Freiheit und Lauterkeit zu begründen. In der Wiederherstellung der ursprünglichen Gleichheit, in der Rückführung der christlichen Kirche zu ihrem Ursprung, wie er es nannte, sah er die einzige Rettung der Menschheit. Alles, was »Christo sein Regiment verderbt,« Alles, was das Volk in's Elend 183zu stürzen und darin zu erhalten, zusammengewirkt habe, Herren, Priester und die Despotie des Buchstabens, alles Hemmende sollte hinweggethan werden; alle deutschen Völker, alle Christen sollten in den Bund gezogen, zum gemeinsamen Kampfe eingeladen werden, die Christenheit gleich, sich und die Welt frei zu machen. Selbst die Fürsten und Herren sollten von dieser Einladung nicht ausgeschlossen sein. Man sollte sie brüderlich erinnern. Nur wenn sie sich weigern, in den Bund zu treten, und Bürger des neuen Gottesreiches zu werden, sollten sie vertrieben oder getödtet werden. Alle Dinge sollten gemein sein, die Arbeit wie die Güter; es sollte davon an Jeden nach Nothdurft und Gelegenheit ausgetheilt werden. Münzers Bekenntniß.
Diesen Bund auszubreiten, sandte Münzer vertraute Boten nach allen Gegenden Deutschlands aus, die in der Stille für seinen Zweck wirkten. »Landläufer sendet er aus, die nicht an's Licht wollen,« sagt Luther in seinem Brief an die Stadt Mühlhausen. Zu gleicher Zeit ließ er eine Reihe aufreizender Schriften im Druck ausgehen; er hielt sich dazu einen eigenen Drucker zu Eilenburg. Dadurch und durch seine häufigen Predigten breitete sich seine Lehre unter dem gemeinen Mann immer mehr aus. Sein Thema war fast stets dasselbe: die Nothwendigkeit, dem Volke die Freiheit, dem Reiche Gottes die Herrschaft auf Erden zu erkämpfen. Seine Predigt auf der Kanzel wie in seinen Schriften war nicht sowohl Religion als vielmehr Politik mit religiösem Ueberwurf, die Verkündigung einer neuen bürgerlich-glücklichen Zeit, der nahen Erfüllung der alt- und neutestamentlichen Weissagungen, wo keine Tyrannen, keine Frohnen, keine todte Buchstabenreligion, keine Priesterknechtschaft mehr sein, alles Kastenwesen aufhören, Kirche und Staat in dem Reiche der Freien und Heiligen ganz aufgehen und das wahre Priesterthum, das des ganzen Menschengeschlechts, anheben werde. Diese Zustände in alle Wege, mit Wort und That, herbeizuführen, machte er Jedem zur Gewissenssache.
Münzer war sehr beredt, aber kein Redner wie Luther. Es fehlte ihm die sonnenhelle, für jeden Gedanken im Nu das rechte Kernwort schaffende und darum so mächtig einschlagende Sprache dieses Reformators. Erst mitten darin im Schmieden der glühend 184gewordenen Revolution wurde Münzer klar im Ausdruck; jedes Wort ein Hammerschlag. Aber was zuerst der Darstellung Münzers gebrach, das ersetzte bei ihm der Masse gegenüber in reichem Maße der Vortrag, das Prophetenfeuer, das ihn selbst und die Zuhörer hinriß. Er hatte sich nicht bloß in die alten Propheten hineingelesen, sondern es war selbst in ihm etwas von ihrem Geist und ihrem Wesen. Neben diesem Feuer des Vortrags hatte er jedoch einen Vortheil der Darstellung mit Luther gemein, ja er war noch stärker darin. Ganz zu Haus nämlich in den heiligen Schriften, verstand er es, aus denselben Waffen für seinen Zweck zu schmieden, Donnerkeile gegen das Bestehende, gegen Kirche und Staat, und wenn er so mit feurigen Bibelsprüchen und Bildern vom Rednerstuhl gewitterte, da stand und hing das Volk am Munde, am Blick, an jeder Bewegung des demokratischen Predigers als eines Propheten.
So predigte er eines Tages gegen die »Abgötterei des Bilderdienstes.« Die Kapelle zu Mellerbach, nicht weit von Altstedt, war ein besuchter Wallfahrtsort. Das von Münzers Predigten erhitzte Volk machte drohende Kundgaben gegen dieselbe. Münzer warnte den Klausner, der des Gottesdiensts daselbst wartete, hinwegzuziehen, ehe er unter der Wuth des Volkes litte. Dieser folgte der Warnung noch zu rechter Zeit; denn gleich darauf zog ein Haufe Altstedter hinaus, zerschlug die Bilder, und brannte die Kapelle aus. Münzers wird dabei in dem amtlichen Berichte weder als Theilnehmers noch als Anstifters gedacht. Herzog Johann zu Weimar wollte dieses Tumultes halb in Städtlein und Flecken fallen, Tag und Nacht saßen die Einwohner in Aengsten, und Münzer bat den Fürsten, sein eigen Volk nicht scheu machen zu wollen wegen eines Marienbildnisses. Münzer in seiner Schutzrede. Die zur Rechenschaft Vorgeforderten, der Geleitsmann, der Rottmeister und mehrere Bürger, stellten sich nicht am Hofe zu Weimar, sondern vertheidigten durch Münzers Feder, »was wider den Teufel zu Mellerbach geschehen sei,« erboten sich, an Leib und Gut zu leiden, was man ihnen auflege; doch »den Teufel zu Mellerbach wollen sie nicht anbeten, noch die, welche ihn zerstört, überantworten.«
Die beiden sächsischen Fürsten, Friedrich und Johann, kamen selbst nach Altstedt, und Münzer mußte vor ihnen auf dem Schlosse 185predigen. Er sprach vor den Fürsten so kühn als je. Er forderte sie nochmals auf, die Abgötterei auszurotten, und das Evangelium mit Gewalt einzuführen. Er berief sich auf Christi Ausspruch, selbst auf Luc. 19., Matth. 18., auf den Apostel Paulus 1. Cor. 5. für seine Forderung, daß man die gottlosen Regenten, sonderlich Pfaffen und Mönche tödten solle, welche das heilige Evangelium Ketzerei schelten. Die Gottlosen haben kein Recht zu leben, außer was ihnen die Auserwählten gönnen wollen (2. Mos. 23.); wo die Fürsten die Gottlosen nicht vertilgen, so werde ihnen Gott ihr Schwert nehmen. Die ganze Gemeine habe die Gewalt des Schwerts, und der wolle das Regiment selber haben, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben sei. Alle Winkel seien voll eitel Heuchler, und keiner so kühn, daß er die rechte Wahrheit sagen möchte. Die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei seien die Fürsten und Herren, sie nehmen alle Kreaturen zum Eigenthum, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden, Alles müsse ihr sein. Darüber lassen sie denn Gottes Gebot ausgehen unter die Armen, und sprechen: Gott hat geboten, du sollst nicht stehlen! für sich selbst aber halten sie dieses Gebot nicht dienlich; darum schinden und schaben sie den armen Ackersmann, den Handwerksmann, und Alles, was da lebet. Wenn er sich dann vergreife an dem Allergeringsten, so müsse er hängen. Dazu sage dann der Doktor Lügner Amen. »Die Herren, rief er, machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht weg thun, wie kann es in die Länge gut werden? Ach lieben Herren, wie hübsch wird der Herr unter die alten Töpfe schmeißen mit einer eisernen Stange! So ich das sage, werde ich aufrührisch sein. Wohl hin.« Auslegung des andern Unterschieds Danielis des Propheten.
Münzer fühlte sich ganz wie ein alttestamentlicher Prophet, der im Namen Jehova's zu sprechen sich berufen glaubte, wo die Andern schwiegen. Er ließ diese Predigt auch sogleich drucken. Aber dieser Druck hatte die Folge, daß auf Befehl des Herzogs Johann Münzers Drucker das Land verlassen mußte. Münzer empfand das sehr hoch. Er begehre, schrieb er unterm 13. Julius 1524, daß man ihn nicht hindern möge, dasjenige vor aller Welt frei zu verkündigen, 186was er aus göttlichem unfehlbarem Zeugniß erlernt. Die Fürsten seien gehalten, in Acht zu nehmen, was er ihnen aus göttlicher Offenbarung anzeige.
Es wurde ihm verboten, irgend Etwas von sich drucken zu lassen, das nicht zuvor durch die Censur der sächsischen Regierung zu Weimar gegangen wäre. Unter der Bedrängung und Gefahr wuchs Münzern die Kühnheit. Er ließ in der nahen Reichsstadt Mühlhausen eine seiner stärksten Schriften drucken. Lieben Gesellen, sagt er darin, unter Hinweisung auf das 23. Kapitel des Jeremias, gleich auf dem ersten Blatte, »lieben Gesellen, laßt uns das Loch weit machen, auf daß alle Welt sehen und greifen möge, wer unsere großen Hansen sind, die Gott also lästerlich zum gemalten Männlein gemacht haben«. Auf dem Titel nennt er sich Thomas Münzer mit dem Hammer, nach der Stelle des Jeremias (23, 9.) »Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?« und als Motto gebraucht er mit einer kleinen Variation zwei Verse desselben Propheten (1, 10 u. 18.): »Nimm wahr, ich habe meine Worte in deinen Mund gesetzt, ich habe dich heute über die Leute und über die Reiche gesetzt, auf daß du auswurzlest, zerbrechest, zerstreuest und verwüstest, und bauest und pflanzest. Eine eiserne Mauer wider die Könige, Fürsten und Pfaffen und wider das Volk ist dargestellt. Sie mögen streiten, der Sieg ist wunderlich zum Untergang der starken gottlosen Tyrannen.« Am Ende sagt er: »Die ganze Welt muß einen großen Stoß aushalten; es wird ein solch Spiel angehen, daß die Gottlosen vom Stuhl gestürzt, die Niedrigen aber erhöhet werden.«
Jetzt trat Luther offen wider Münzer heraus mit einem in den Druck gegebenen »Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührischen Geist.« Da die falschen Propheten die Sache nicht im Wort bleiben lassen wollen, sondern gedenken, mit der Faust sich drein zu begeben, und sich mit Gewalt wider die Obrigkeit zu setzen, so bitte er die Fürsten, solchem Unfug zu wehren und dem Aufruhr zuvorzukommen: »Die Faust still gehalten oder stracks zum Land hinaus! Das solle der Fürsten Spruch an die Propheten sein. Der Satan wirke durch die irrigen Geister.«
Münzer hatte dem Reformator zu Wittenberg offen vorgeworfen, 187derselbe liefere die dem Pabst entrissene Kirche den Fürsten in die Hände, und wolle selbst der neue Pabst sein. Nur die armen Mönche, Pfaffen und Kaufleute schelte Luther, während Niemand die gottlosen Regenten richten und strafen solle, obwohl sie Christus mit Füßen treten, und von ihrer Schinderei und Zinsen nichts abgehen lassen. Früher habe Luther wohl die Fürsten gescholten, und neuerdings noch habe er, um den Bauern ein Genüge zu thun, geschrieben, die Fürsten werden durch das Wort Gottes zu scheitern gehen, aber das wisse der neue Pabst zu Wittenberg bei den Fürsten wohl wieder gut zu machen: er schenke ihnen Klöster und Kirchen, da seien sie mit ihm zufrieden.
War Luther durch Münzers heftige Schriften gegen seine Person und seine Lehre auf diesen sehr erbittert, so waren ihm zugleich die Umwälzungsbestrebungen Münzers zuwider, weil sie auf Luther selbst und auf Luthers Sache nachtheilig zurückwirken konnten. Sie machen weltliche Politik aus dem Evangelium, schrieb Melanchthon an Spalatin; Luther schrieb von seiner Seite sein offenes Sendschreiben an die sächsischen Fürsten, »sich dem aufrührischen Geiste zu widersetzen.« Zuvor schon hatten er und Justus Jonas bei dem Kurfürsten von Sachsen und seinem Kanzler Brück mündlich und schriftlich Münzers Anklage betrieben. Der mächtigste Kläger aber war Herzog Georg von Sachsen. Münzer hatte einen Brief an Georgs Unterthanen zu Sangerhausen erlassen, den der Herzog für aufrührerisch erklärte. Münzer behauptete, er habe sie nur ermahnt bei dem Evangelium zu stehen, und gegen die sich zu stellen, welche dem Evangelium entgegen wären. Auch von anderen Herrschaften kamen Klagen, namentlich von Friedrich von Wizleben, und von dem Grafen von Mannsfeld.
Die Unterthanen des Wizleben hatten Boten an Münzer geschickt, ihm geklagt, ihr Herr wolle ihnen verbieten, das Evangelium zu hören, und doch seien sie willig, ihre Zinse und Dienste ihm fort zu leisten; und dabei fragten sie, ob es recht sei, einen Bund wider diesen ihren Herrn zu schließen, der ihnen, weil sie Münzers Gottesdienste besucht, Geldstrafen auferlegt habe und sie vom Evangelium zurückhalte. Ganz dasselbe hatte eine große Zahl der Mannsfelder Häuer und Bergknappen ihm vorgetragen. Auf beide Anfragen war Münzers Bescheid gewesen, es stehe ihnen frei, zu Hörung 188des Evangeliums sich zu verbünden. Nicol Rugkert, einer der Eingeweihten des Geheimbundes zu Altstedt, verrieth den Bund an die sächsischen Fürsten. Münzer nannte ihn darum einen Erzjudas, als er davon hörte und vor die Fürsten nach Weimar geladen wurde. Ehe er sich stellte, gab er jene Schrift heraus mit dem Motto: »Mache das Loch weiter, und laß sie Alle sehen, wer die großen Hansen sind.« Die Schrift war ein Angriff auf die »unvernünftigen« Fürsten, welche dem Evangelium den Weg versperren wollen. Am Ende wiederholte er die Prophezeihung: »Es sei an der Zeit, der große Schlag stehe bevor, der sie demüthigen werde, und die ganze Welt werde den Puff aushalten müssen.«
Dennoch hatte er den Muth, auf dem Schloß zu Weimar sich zu stellen, er, ganz allein. Er wurde aufrührerischer Umtriebe angeklagt. Er widerlegte oder erläuterte die Beschuldigungen. Der Prediger Doktor Strauß und die Barfüßer, die nach der Sitte der Zeit vor dem Kurfürsten und Herzog Johann mit Münzer über seine Lehre disputirten, werden von ihm gerade heraus abgefertigt, mit dem offenen Worte: »Wenn die Lutherischen nichts anders ausrichten wollten, als daß sie Mönche und Pfaffen vexirten, so hätten sie es besser gleich unterwegen gelassen.«
Auf viele Anklagen, die aus seinen Predigten und Schriften genommen wurden, vertheidigte er sich gut: es konnte ihm bei seiner großen Kenntniß der Bibel vor Fürsten, welche diese so sehr verehrten, nicht schwer werden, sich mit Bibelstellen zu umschirmen. Der Kurfürst, der schon früher einmal ausgesprochen hatte, ehe er sich entschließen könnte, wider Gott zu handeln, wolle er lieber den Stab nehmen und sein Land verlassen, dieser gütige Herr beschloß auch jetzt, die Sache dem höchsten Richter über Alles zu überlassen. Herzog Johann und die Räthe bedrohten Münzer mit Vertreibung aus dem Lande.
Es muß für ihn ein harter Kampf gewesen sein. Bleich wie der Tod war er, als er vom Schlosse herabging. Wie ist es gegangen? fragte ihn der ihm befreundete Rentmeister Hans Zeys. Es gehet also, sagte Münzer, daß ich ein anderes Fürstenthum werde besuchen müssen. Unter dem Schloßthor umringten ihn die Stallbuben mit dem Geschrei: »Wo ist nun dein Geist und dein Gott?« Die 189Domherren auf dem Schloß kamen auch dazu herab, um ihn zu belachen. Diesen wie jenen setzte Münzer das Stillschweigen der Verachtung entgegen und eilte nach Altstedt. Kaum war er hier wieder angekommen, so fand er seine Person gefährdet. Herzog Georg von Sachsen forderte seine Auslieferung. Georg drohte, selbst einzuschreiten, wenn der Kurfürst nicht einschreite. So erging an den Rath zu Altstedt der ernstliche Befehl des Kurfürsten am 16. August, ihrem Prediger nicht länger Aufenthalt in ihrer Stadt zu geben. In derselben verbreitete sich zuvor schon das Gerücht, man wolle Münzer greifen und »ihn den höchsten Feinden des Evangeliums überantworten.« Da er dies vernahm, waffnete er sich mit Harnisch, Eisenhut, Krebs und Helleparte, und sammelte seine Freunde in der Nacht um sich her zu seinem Schutze. Als er sah, daß die Rathsherren als Unterthanen »ihren Eid und Pflicht mehr achteten, als Gottes Wort,« und sich nicht für ihn und seine Sache ganz erklärten, erkannte er, daß seines Bleibens nicht mehr war, und er verließ Altstedt noch in selber Nacht. Schon am 15. August war er übersiedelt in die nahe Reichsstadt Mühlhausen. Eilig warnte Luther den Rath dieser Stadt, sich vor Münzern und seiner Lehre zu hüten, und beiden bei ihnen nicht Raum zu geben.