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Der Aufstand im Odenwald. Wendel Hipler, Weigand und Jörg Metzler.
Es war um Mitfasten den 23. März, da saßen in der Schenke des Hans Schochner zu Weinsberg zwei Gäste im Gespräche beim 462Krug. Der Eine war ein reisiger Knecht der Grafen von Hohenlohe, Wolf Taube, der von Heilbronn kam. Der Andere sprach das räthselhafte Wort: »Ich bin an einem Ort gewesen, da habe ich deinen Herren zu Werk geschnitten, daran sie dies Jahr zu arbeiten haben werden.«
Der das sagte, das war einer von der Aristokratie, Herr Wendel Hipler.
Wendel Hipler war in der Jugend seinem Ehrgeiz gefolgt, der hatte ihn in den Fürstendienst gezogen; länger als ein Vierteljahrhundert war er am Hofe der Hohenloher Kanzler gewesen. Im Jahre 1515 hatte er den Dienst und das Gebiet der Grafen verlassen. »Die von Hohenlohe thäten ihm nit viel Gleiches,« sagt Göz von Berlichingen in seiner Lebensbeschreibung von ihm. Er war darauf in verschiedene Dienste getreten, denn er war »ein feiner geschickter Mann und Schreiber, wie man nur einen im Reiche finden mochte.« Göz von Berlichingens Selbstbiographie. Aus diesen Verhältnissen blieb Wendeln eine Bitterkeit gegen das Haus Hohenlohe. Aber man müßte eine geringe Ansicht von einem Geiste, wie Wendel Hipler war, haben, wenn man Rache als die alleinige Triebfeder der Rolle ansehen wollte, die wir ihn nun spielen sehen. Sie war mit eine Triebfeder, nicht die einzige; sie leitete ihn auf eine Bahn, wo er für das Volk, für seine Nation handeln mußte, und in der nationalen Bestrebung und Begeisterung ging sein persönliches Interesse auf. Wendel Hipler zeigt sich als ein Mann, der zu nicht gewöhnlichen Dingen geboren ist, mit großen, kühnen, nationalen Gedanken und Entwürfen, mit einem scharfen Verstand, der, obgleich nur auf sich selbst gewiesen, die Mittel zu finden weiß, die großen Gedanken ins Werk zu setzen; leise, fein anspinnend, ohne daß seine Hand sichtbar wird; »eine Ente, die das Untertauchen versteht.«
Er hatte im Hofdienst bittere Erfahrungen gemacht; er hatte die Regierenden und ihre Grundsätze kennen gelernt; er wußte, was 463dem Volke, der Nation noth that, und daß er es wußte, hat er durch Alles, was er für sie that, bewiesen. So hatte ihn die einbrechende neue Zeitbewegung gefunden und ergriffen. Auch nicht Eitelkeit, sich einen Namen zu machen, oder Ehrgeiz können es gewesen sein, die ihn trieben, oder gar allein trieben. Wenn Wendel Hipler bloß das Letztere geleitet hätte, seinen Fähigkeiten wären viele Bahnen offen gestanden, in welchen er mit größerer Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, und ohne Gefahr, seinem Ehrgeiz hätte Befriedigung suchen können. Er hatte an sich selbst den Uebermuth, die Ungerechtigkeit der Herren erfahren; er mußte ein Gefühl haben für das hungernde, zertretene Volk. Seine Sache floß mit der des Volkes in Eins, beide waren mißhandelt; noch im Jahre 1524 war Wendel durch die Grafen von Hohenlohe aufs Bitterste an seiner Ehre gekränkt worden, und zwar, während er als Anwalt bei den Reichsgerichten hohenlohesche Unterthanen vertrat, weil diese ungerecht und hart von den Grafen bestraft worden waren. Eine und die schönste Rache, die Befreiung seiner Landsleute, rächte beide, ihn und das Volk.
So gewiß als bei irgend Einem ist es bei Wendel Hipler, daß er dem geheimen Bunde frühe angehörte.
Seit dem Jahre 1525 sah man ihn in die Nähe des hohenloheschen Gebietes, in die längst verlassenen Gegenden von Zeit zu Zeit wiederkehren, in welchen er früher so viele Jahre heimisch und in hohem Wirkungskreis gewesen war. Das Vertrauen der hohenloheschen Unterthanen besaß er; wählten sie ihn doch zu ihrem Vertheidiger gegen ihre Herren. So war ihm leicht, die Stimmung der Hohenloher kennen zu lernen und zu bearbeiten, seine geschäftlichen Verbindungen mit ihnen, namentlich mit Oehringer Bürgern zu Anknüpfungspunkten anderer Art zu machen. Die Hohenloher Grafen hatten so regiert, daß schon zur Zeit, da der arme Conz im Württembergischen sich erhob, auch die hohenloheschen Unterthanen aufstanden, mit aufgerichteten Fähnlein, Hauptleuten und Fähndrichen in's Weinsbergerthal zogen, und sich erboten, zum armen Conrad zu schwören, wenn man ihnen Oehringen einnehmen helfe. Stuttgarter Staatsarchiv. So kamen die von den Grafen selbst gereizten Leidenschaften und die Noth den Bestrebungen Wendels entgegen, und seiner Kunst der Rede und der 464Intrigue konnte es nicht schwer werden, eine Partei zu bilden und sie in seine Plane und in die ausbrechende Volksbewegung hinein zu ziehen. Und während er die verborgnen Fäden dafür zog und anhing, während er mit den Revolutionären der Zeit, mit Mißvergnügten aller Farben, mit solchen, welche von den neuen Ideen ergriffen waren, wie mit solchen, die von den Grafen beleidigt, gedrückt, gereizt waren, mit herabgekommenen Hauswirthen, die in einer Umwälzung Verbesserung ihrer Umstände hofften, mit Bundschuhern schlimmster Art in Verkehr und Zusammenhang stand, wußte er schlau und klüglich den Schein, als ob er ganz unbetheiligt wäre, lange zu bewahren, und hinter seinem geheimen Gewebe sich selbst unsichtbar zu halten.
Als ein anderer Wissender und Leitender des geheimen Bundes neben Wendel Hipler erscheint der churmainzische Keller Weigand zu Miltenberg im Odenwald.
Weigand ist nicht ein Mann, der anzettelt, Umtriebe und Ränke macht, die Leidenschaften reizt und geheime Federn zum Spielen zu bringen weiß, wie Wendel; er ist ein denkender Volksfreund, der gerad ausgeht; ein Mann des edelsten Willens, sein Volk zu heben, mit wahrer Einsicht in die Bedürfnisse desselben. Auch er wirkt unsichtbar, wie Wendel; aber er mischt sich nicht persönlich unter den gemeinen Mann, er tritt nicht heraus und handelt mit ihm; er ist nur Demagog mit der Feder, ein Souffleur, der Führer des Volks, eine Stimme, die ihnen sagt, was sie thun, was sie fordern sollen; er läßt dahin, dorthin ein fliegendes Blatt mit einem Entwurf, einem Gutachten, unter das Volk ausgehen, aber ohne seinen Namen; dem Volke für seine Person unkenntlich, nur den Wissenden bekannt und sich zu erkennen gebend. So schickte er in's Rottenburgische, ins Würzburgische, nach Heilbronn seine trefflich geschriebenen Blätter.
Zu Ballenberg, einem kleinen Städtchen auf einer Anhöhe zwei Stunden von Krautheim, wo die Jaxt aus der Grafschaft Hohenlohe in's frühere churmainzische Gebiet tritt, hatte Georg Mezler sein Wirthshaus.
Jörg Metzler wird von seinen Feinden nachgesagt, er habe in Saus und Braus gelebt; gewiß ist, daß er weit herum im Odenwald Bekanntschaft und Zutrauen hatte. In seinem Wirthshause fanden nicht 465nur die Versammlungen der Bauern Statt; hier scheinen auch Wendel Hipler und andere Wissende des Bundes ihre Verabredungen getroffen zu haben; hier war vielleicht auch der Ort, an welchem der Letztere den Grafen von Hohenlohe, wie er sagte, zu Werk schnitt, daran sie das Jahr zu arbeiten haben sollten.
Aus Oberschüpf zog Georg Mezler mit einer Trommel und einem Schuh auf einer Stange aus, und »zu Haufen, wie die Bienen, wann sie stoßen« stürmten von allen Seiten her die Bauern herzu. In dem Schüpfergrund, einem Thale des Odenwalds, war das allgemeine erste Lager bezeichnet. Hier vereinigten sich mit den ersten Odenwäldern die aus dem Lager von Reichardsrode seitwärts nach dem Taubergrund gezogenen zweitausend Orenbacher, aus der Rottenburger Landwehr, die sich von den Brettheimern getrennt hatten.
Durch die dichten Waldungen stiegen sie in das Tauberthal hinunter, und erschienen plötzlich an dem bestimmten Sammelplatz, am Sonntag Lätare, den 26 März.
Georg Mezler wurde von allen Versammelten zum obersten Hauptmann erwählt. Er war der Mann, dem sie zufielen und ihre Sache vertrauten. Er war hier der Mittelpunkt für den Sonntag Judika.
Hier auf den schönen Wiesen des Schüpfergrundes, wo so viele Gebiete zusammen stießen, Pfalzgräfisches, Mainzisches, Würzburgisches, Deutschherrisches und allerlei kleine Herrschaften, war ein trefflich gewählter Platz, um die verschiedenen einzelnen Gemeindefähnlein und schon gebildeten Haufen in ein Lager zusammenzuziehen. Hier organisirte sich auch das Heer. Es wurden regelmäßige Chargen und Aemter gebildet und ein Operationsplan entworfen. Aus allen Nachbargebieten strömten freiwillig, theils auch gezwungen durch die Drohungen des versammelten Haufens, Zuzüge herbei. Der große Haufe nahm den Namen des » evangelischen Heeres« an, und gab als Zweck an, das Wort Gottes, namentlich die Lehre Pauli, zu handhaben: sie meinten wohl jene Lehre des Apostels: »Kannst du frei werden, so gebrauche das viel lieber.« Am 29. März war das evangelische Heer schon bedeutend angewachsen; und Georg Mezler der oberste Hauptmann mit seinen Unterhauptleuten schrieb auf den 4. April eine Versammlung ins Kloster Schönthal aus, wohin 466Bürger und Bauerschaften, die sich noch nicht angeschlossen hatten, zum Anschluß »in brüderlicher Liebe« eingeladen wurden, um »dem Worte Gottes und der Lehre Pauli Beistand und Folge zu thun, und das Uebel zu strafen und auszureuten unter Geistlichen und Weltlichen, Edeln oder Unedeln.«
Vier Tage verfloßen über dem Zusammenzug und der Rüstung des Heeres. Mit dem 4. April brach Georg Mezler das Lager ab und zog mit den vereinigten Fähnlein in den Jaxtgrund. An der Jaxt, in einem schönen grünen Grunde, lag das reiche Cisterzienserkloster Schönthal. Mezler nahm davon Besitz; es war beschlossen, eine Zeitlang hier mit dem Hauptquartier stille zu liegen.
Dieser Besuch kam das Kloster theuer zu stehen. Zwar hatte der Abt Briefschaften und kostbare Geräthe, so viel davon in der Eile fortgeschafft werden konnte, nach Frankfurt geflüchtet. Doch war noch viel zurück geblieben. Das silberne und goldene Kirchengeräth wurde als Beute vertheilt. Während ihres kurzen Aufenthaltes tranken oder verkauften die Bauern 21 Fuder Wein, welche sie in den Klosterkellern fanden. Die Folge dieses Trinkens war Barbarei: die Altäre selbst wurden gröblich entweiht, die kunstreich gemalten Scheiben in den Kirchenfenstern eingeschlagen, Altar- und Wandgemälde verwüstet, das schöne Schnitz- und Bildwerk verstümmelt, selbst das herrliche Orgelwerk in die einzelnen Pfeifen zerrissen und vertheilt, der Hof Veltersberg angezündet, das Dorf Oberkessach bis auf zwei, drei Häuser ganz verbrannt. Die Bauern des Klosters suchten besonders begierig nach den Zinsbüchern. Sie fanden sie nicht, sie waren mit den andern Urkunden nach Frankfurt geflüchtet worden. Wüthend darüber schrie der Haufe nach dem Blut der Klosterbrüder. Den schon gefaßten Beschluß, sie zu tödten, hintertrieben jedoch die Hauptleute, und brachten den wilden Haufen dahin, daß er sich begnügte, sie bloß aus dem Kloster zu jagen. Der Abt konnte ihnen nur eine kleine Geldhülfe mitgeben. Nur einem einzigen Pater wurde gestattet, im Kloster zu bleiben, unter der Bedingung, für die Hauptleute Knechtsdienste zu verrichten. Der alte Prälat hatte noch unterwegs das Mißgeschick, von andern daher ziehenden Bauern gefangen zu werden; sie führten ihn nach Oehringen und Krautheim, wo er in Haft war, bis er ein Lösegeld erlegte; auf das hin erlaubten sie ihm, auf seinen Hof zu Heilbronn zu gehen, damit der alte Herr seine Ruhe und Wohnung habe.
467In Schönthal erwartete Mezler die Zuzüge aus dem Tauberthal, aus dem Hohenlohischen, aus dem Deutschherrischen und Württembergischen, wo er mit Häuptern in Verbindung stand, und an die er vom Schüpfergrund aus seine Boten und Briefe gesandt hatte. Handschriftlich in der Sammlung des Prälaten von Schmid. Die Ersten, welche, jedoch unrühmlich und unordentlich, nach Schönthal kamen, waren Bauern des hallischen Gebiets.