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Dreizehntes Kapitel.

Die Bewegung im Rottenburgischen und Doktor Karlstadt.

In Rottenburg, einer durch ihre Mauern festen Stadt des Reiches an der Tauber, hatte die neue Lehre einen bereiteten fruchtbaren Boden gefunden. Schon im Jahre 1523 wurde in der Stadt Rottenburg in dieser Richtung öffentlich gepredigt. Es war damals unter andern Predigern Doktor Johann Deuschlin daselbst, der in seinem Entwicklungsgang und Charakter mit Hubmaier, dem Prediger von Waldshut, manches Aehnliche hat. Wie dieser, hatte er früher gegen die Juden und ihre Synagoge gepredigt, einen Volksauflauf erregt und die Synagoge nach Vertreibung der Juden in eine Kapelle zur reinen Maria, und zwar in eine wunderthätige, verwandelt. Das von Wittenberg ausgehende Licht und seine eigene fortschreitende Erkenntniß hatten ihn schnell auf eine entgegengesetzte Bahn hinüber geführt, daß er, wie seine Feinde ihm nachsagen, von der kaum noch so gefeierten Jungfrau Maria als von einem »Grasmaidlein« sprach. Neben und mit Deuschlin wirkte Hans Schmid, der Fuchs genannt, ein Mönch im Barfüßerkloster. Das äußere Augenlicht fehlte diesem, das Volk kannte ihn darum unter dem Namen des blinden Mönchs, aber das Licht des Geistes leuchtete nur um so heller in ihm und aus ihm heraus; er sah, ein Blinder, in dem, was im Weltlichen und Geistlichen seinem Volke Noth that, heller, als die meisten Sehenden. Der Deutschorden hatte auch ein Haus in der Stadt. Mitglieder des deutschen Ordenshauses selbst wurden von Deuschlin und dem blinden Mönch für die neue Lehre gewonnen, und der Deutschordensherr Melchior wagte es zu heirathen, und heirathete die Schwester des blinden Mönchs, öffentlich, mit großer Hochzeitsfeierlichkeit, und der Rath der Stadt nahm keine Kenntniß davon. Der Commenthur Neikamm, den die beiden Prediger heftig angegriffen hatten, wurde vom Ordensmeister abgerufen und durch Caspar Christen ersetzt. Christen war der neuen Lehre mit Begeisterung zugethan. Zu Würzburg verlangte der Fiskal von ihm, daß er fortan nicht mehr lutherisch predige. Christen erklärte, er werde nie aufhören, das lautere Wort Gottes zu 443predigen. Der Fiskal verweigerte die Investitur. Christen sagte, mit oder ohne Investitur, er sei doch Commenthur zu Rottenburg. Der Fiskal, um sich die Sportel nicht entgehen zu lassen, schickte Christen die Investitur in die Herberge nach, zog seine Gebühr ein, und ließ den Commenthur zu Rottenburg gehen, »er predige lutherisch oder türkisch.« Christen predigte ganz im neuen Geiste. Bald lud man ihn, den blinden Mönch und Doktor Deuschlin zur Verantwortung nach Würzburg; die zwei ersten kamen nicht, Deuschlin ging hin mit einem reisigen Gefolge des Raths. Hans von Plettenberg, der Weihbischof zu Würzburg, und der Domprediger sagten ihm offen, es hätte es gar nicht gebraucht, daß er auf die Ladung sich gestellt hätte; sie selber predigen in Würzburg offen und frei lutherisch, er solle Gottes Wort predigen, und sich durch Nichts abschrecken lassen, auch durch den Bann nicht. Deuschlin kehrte nach Rottenburg zurück und predigte und sprach freier als je zuvor. Diesen drei in Rottenburg im neuen Geiste wirkenden Männern gingen bald die wandernden Prädikanten zur Seite. Es ist merkwürdig und im Gang der Bewegung nicht zu übersehen, daß zu derselben Zeit, in welcher auf dem Schwarzwald, im Hegau, am Bodensee, im Allgau, die obere Donau herab Hunderte von Prädikanten sich bewegen, die großentheils in Thomas Münzer und seiner Lehre als in ihrem Centrum zusammenlaufen, auch in Franken, und besonders im Rottenburgischen die Emissäre der neuen Lehre, und zwar der revolutionären Richtung auftauchen, nämlich zu Ende des Jahres 1524. Zu Anfang des Jahres 1525 kam ein Prädikant, einer von den aufgestandenen Bauern aus dem Ries, der predigte unter großem Volkszulauf auf der Schützenwiese und im Brühl; neben ihm predigten Bartel Albrecht, Peter Sayler, und ein »kleines Männlein,« ein ausgetretener Priester, auf dem Markt, auf den Gassen, auf den Kirchhöfen. Wie Münzer in Thüringen, wie die Wiedertäufer an der obern Donau und diesseits und jenseits des Sees, so predigten diese Prädikanten meist über Politik, über die Verhältnisse der Unterthanen zu den Obrigkeiten, und hoben aufs Stärkste hervor, was alles gegen diese gesagt werden konnte. Jung und Alt hörte ihnen zu, die Predigt ging in eine Conversation über, der Prediger fragte nach den einzelnen Beschwerden der Zuhörer, dieser und jener Bürger 444und Bauer trug sie vor, der Prediger maß sie am Evangelium und sprach weiter darüber, man hörte drohende Worte und Schwüre gegen die Herren, es war keine Predigt, kein religiöses Zusammensein mehr, es waren Volksreden vor Volksversammlungen. Der kühnste unter allen war Doktor Deuschlin. Er ging ins Einzelne, er erklärte Kirchenopfer, Viehsteuer, Zehenten für eine Sache, zu der Niemand verbunden sei. Da lauschten Bürger und Bauern. In seinem Hause selbst hielt er Versammlungen. Dem innern Rathe fing an bange zu werden. Er verhandelte mit dem äußern Rath über die Entfernung des gefährlichen Doktors. Der gab ihm Vollmacht dazu, aber die Herren des innern Raths wagten es schon nicht mehr, den Liebling der Bürger und des Landvolks aus der Stadt zu bringen, obgleich seine Absetzung zum Beschluß erhoben war. Auch Christen, der Commenthur, war von seinem Bischof excommunicirt worden, er selbst hatte es auf der Kanzel verkündet, aber Hunderte von Bürgern und Bauern strömten ihm zu, und sagten ihm zu, Leib und Gut an ihn setzen zu wollen. Auszüge aus der Handschrift des gleichzeitigen Rottenburger Syndikus Zweifel und den Rottenburger Rathsprotokollen durch Johann Georg Lehmus, in der Sammlung des Präl. v. Schmid. In diese große Gährung mitten hinein trat, aus Sachsen verwiesen, ein Mann, der in Franken geboren, bereits einen Namen als Reformator sich gemacht hatte, vor Kurzem noch Luthers Freund, jetzt sein Feind, der vielbekannte Doktor Karlstadt, der vom Oberrhein nach Ostfranken sich gewendet hatte. Markgraf Kasimir ließ auf ihn fahnden, man sah ihn zu Schweinfurt, zu Kizingen, in der Umgegend von Rottenburg; in der letztern Stadt nahm er sogar bleibenden Sitz. Es waren Doktor Deuschlin, der Pfarrer und Commenthur im deutschen Haus Christen, der blinde Mönch, der Altbürgermeister Ehrenfried Kampf und andere Bürger, welche ihn heimlich herbergten und bewirtheten, auch seine Schriften heimlich zum Druck beförderten. Besonders lang hielt er sich im Hause Philipps des Tuchscheerers auf. Der Rath der Stadt verbot ihm und seinen Schriften sein Gebiet, aber er blieb. Und indessen bereitete sich der Aufstand im Rottenburgischen vor. Thomas Zweifel, Handschrift, Auszüge von Lehmus.

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Die Boten, welche im vorigen Jahre von der Brüderschaft auf dem Schwarzwald zur Ausbreitung des Volksbundes ausgesandt worden waren, müssen im Rottenburgischen frühe angeknüpft haben: überhaupt sah man in Ostfranken Viele, welche dem Bauernaufstand verwandt waren, in Städten und Flecken sich einschleichen und sich umtreiben. Müllner, Relation. Die Lehre von der evangelischen Freiheit und von der Gütergemeinschaft fand hier einen empfänglichen Boden. Es wurden »Ränke und Künste« thätig, um einen Volksaufstand hervorzurufen. Die Bauern hielten bereits zu Anfang des Jahres 1525 Versammlungen und Besprechungen in den Wirthshäusern. Der Rath erhielt Warnungen über bedenkliche Anzeichen unter dem Landvolk, aber er verachtete die Warnungen als auf Mährchen beruhend. Karlstadt predigte einige Male da und dort in der Umgegend umher, und ob ihm gleich die Stadt verboten war und er nur im Versteck darin war, wagte er es einmal doch, in der Stadt selbst aufzutreten; es waren gerade viele Bauern zu Markt und in andern Absichten hereingekommen, da trat er unter sie beim Marterbild vor dem großen Gottesacker, im groben Bauernrock und weißen Filzhut, und redete zu ihnen von der Zeit und den neuen Dingen, und ermahnte sie, auf ihrem Wege vorwärts zu gehen.

Am 27. Januar erließ der Rath ein scharfes Verbot gegen jeden Unterschleif, den man Karlstadt ferner geben würde. Karlstadt war verschwunden; seine Freunde sagten, sie meinen, er sei zu Straßburg. Aber auch das Verbot verschwand über Nacht von der Rathstafel. Seine Freunde, so mächtig sie waren, hatten es nicht vermocht, ihm das Bürgerrecht, um das er ansuchte, nicht einmal den Aufenthalt beim Rathe heraus zu schlagen; die benachbarten Fürsten schickten zu viele Mahnungen und Drohungen herein, der Rath solle endlich »den Schwarzen« ausschaffen. Und doch war Ehrenfried Kampf, sein Anhänger, so einflußreich, daß er sagen konnte, wo der Bürgermeister Eberhard Einen in der Gemeinde habe, habe er, der Kampf, immer Zwei. Auch die andern Freunde, wie Deuschlin, kümmerten sich wenig sonst um Autoritäten. Als man Letztern in den Kirchenbann that, antwortete er 446stolz und spöttisch: Ich habe mich darob verwundert, daß ihr von Würzburg noch immer das Wort des Menschen mehr achtet, denn das Wort Gottes, das da ewig bleibt, während jenes zu Boden gehen muß; ich hätte vermeint, ihr wäret nun so wohl im Evangelium erfahren, daß ihr keinen Bruder solchergestalt mehr anfahret.

Karlstadt war übrigens nichts weniger als in Straßburg; im Hause Philipps des Tuchscheerers, Ehrenfried Kumpfs, des Altbürgermeisters, und des Junkers Stephan von Menzingen barg er sich abwechselnd, und manche Bürger sammelten sich hier heimlich um den aufgeregten, kleinen schwarzen Mann, dessen Person und Schriften verfehmt waren. Wie in Wittenberg, wollten auch in Rottenburg die Franziskanermönche aus dem Kloster treten, Handwerke lernen und sich aus dem beweglichen Klostergut aussteuern lassen. In diese Karlstadtischen Versammlungen, die heimlich bei ihm waren, und in die er »sein Gift und seine Meinung goß und bildete,« ohne daß man nachweisen könnte, daß diese eigentlich in eine politisch-revolutionäre umgeschlagen hätte, fielen die Zündfunken des Feuerbrandes, den die politischen Emissäre im Dunkeln durch die Gaue des Reiches hin und her trugen, und schon am 21. März fing es in der Rottenburger Landschaft an zu wetterleuchten.

An diesem Tage zogen aus dem zwei Stunden von der Stadt entlegenen großen Dorf Orenbach die beiden Dorfmeister Simon Neuffer und Wendel Haim an der Spitze von etlichen dreißig bewehrten Männern nach Rottenburg hinein, darunter namentlich die Geissendörfer und Georg Ickelsheimer. Valentin Ickelsheimer, der lateinische Schulmeister zu Rottenburg, war Karlstadts eifriger Freund und Verfechter. Sie zogen mit Trommeln und Pfeifen daher vor Hans Conrad's Haus und hinein, wie sie sagten, um das Ruggerichtsgeld abzuliefern. Hier sammelten sich die Mißvergnügten der Stadt zu ihnen, Hans Krätzer, Lorenz Knobloch, ein Knecht des Malthesercommenthurs, Kilian der Tuchscheerer, Albrecht der Mezger und Andere. Auch aus Brettheim waren Bauern in der Stadt, die sich zu ihnen thaten. Der lang in der Brust verschlossene Mißmuth fing an in lauten Worten sich zu äußern; es wollte ein aufrührisches Ansehen gewinnen. Der Rath sandte den 447Stadtrichter und ließ ihnen gebieten, sogleich die Stadt zu verlassen. Die Bauern lärmten, drohten, verhöhnten ihn; es kam nahe zum Handgemenge; doch zogen sie zur Stadt hinaus, aber trotzig, mit Sang und Klang, wie sie hereingekommen waren.

Mit Trommeln und Pfeifenklang zogen sie wieder in Orenbach ein. Sie riefen sogleich die Gemeinde zusammen. Sie wurden eins, wie in Oberschwaben sich zu verbrüdern, und dem Evangelium einen Beistand zu thun. Boten wurden in die benachbarten Gemeinden ausgesandt, sie zur Versammlung in Wehr und Waffen nach Orenbach einzurufen. Am 22. März traten die wehrfähigen Männer aus achtzehn Gemeinden in Orenbach zusammen, in Wehr und Harnisch; die Dorfmeister bildeten den Ausschuß im Hause Georg Diewolfs; aus jeder Gemeinde wurden zwei Bauernräthe gewählt; die gewählten Räthe ernannten zu Hauptleuten über alle Gemeinden den Dorfmeister Neusser und Georg Ickelsheimer. So war das Orenbacher Fähnlein gebildet.

Die neugewählten Hauptleute erfuhren am Morgen des 23sten, im nahen Brettheim finde auch eine Bauernversammlung statt; sie schickten Boten an sie, nach ihrem Beginnen zu fragen. Die Orenbacher Abgeschickten fanden zu Brettheim schon einen Bauernhaufen, gegen 800 Mann, der sich sichtlich mit jeder Minute mehrte.

Wie zu Orenbach und zur ganz gleichen Zeit hatte sich das Brettheimer Fähnlein gebildet. Hauptleute und Ausschuß der Brettheimer hatten ihre aufmahnenden Boten längs des Tauberrains hinab und über die Ostheimer Steige ausgesandt, und alles Wehrhafte zur Versammlung einberufen. Mit den Orenbacher Boten gingen nun zwei Hauptleute selbst nach Orenbach, der Wirth Leonhard Mezler und Hans Böheim, die Orenbacher nach Brettheim einzuladen, zu gemeinsamem Rath und Beschluß.

Die Herren zu Rottenburg vernahmen mit Bestürzung diese Vorgänge, sie sandten an die Bauern und ließen anfragen, was sie wollen. Fröhlich sein, sagten die zu Orenbach; es sei eine große Hochzeit im Ort; auf der Kirchweih neuen Wein trinken, antwortete ein Zug vor dem Dorfe, der gerade nach Brettheim im Marsch war. Die alte gute Sitte ließ sie das mit Wahrscheinlichkeit vorwenden.

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Wir haben es im armen Conrad zu Untertürkheim, wir haben im Hegau und auf dem Schwarzwald gesehen, wie die Kirchweihen zu Hilzingen und Waldshut zu politischen Versammlungen die geschickten Vorwände hergeben mußten; nach alter Sitte ging es da in festlich geordneten Zügen aus allen benachbarten Orten herbei nach dem Punkte, wo die Kirchweih war, von einem Dorf durch das andere, in schmuckem Hut und Gewand, mit fliegendem Fähnlein, mit Trommeln und Pfeifen, mit Juhugejauchz, mit Spieß und Schwert; denn selbst zum Tanze gefiel man sich in Waffen.

Aber unter den Orenbacher Bauern war ein Dorfmeister, der es dem Rathe verrieth, daß sie nicht Hochzeits- und Weintrinkenshalb beisammen seien, sondern um eins zu werden, »wie man dem Evangelium einen Beistand thun solle.« Bald darauf fragten die Dorfmeister einiger Gemeinden in der Nähe von Brettheim beim Rathe an, wie sie sich halten sollen? Die von Brettheim haben sie bei Verlust Leibs und Guts aufgefordert, zu ihnen zu treten. Die von Gamesfeld verschanzten sich in ihrem Kirchhof und verlangten Hülfe von der Stadt. Die Herren auf dem Rathhause aber sandten statt Kriegsvolk ein paar Buchstaben, sie sollen sich nicht verführen lassen, und ihre Waffen zur Hand nehmen; an die Bauernversammlungen schrieben sie strenge Abmahnungen. Als die Bauern zu Orenbach den Gebotsbrief sahen, lachten sie. »Wäre es auf eine Kerbe geschnitten,« sagten sie, »so könnten sie's besser lesen.« Sie nahmen ihn nicht an.

Fast früher als nach Rottenburg war die Botschaft von den Bauernversammlungen zu Brettheim und Orenbach zum Markgrafen nach Ansbach gekommen. Er schickte seinen Geheimschreiber Anton Graber an den Rath nach Rottenburg, rieth ihm, so wie er eben am Hesselberg gethan, »die Bauern durch die Köpfe zu hauen,« und bot ihm hülfreiche Hand dazu, wie wir früher gesehen. Die Rathsherren fanden dies für sich nicht räthlich: das Landvolk der Stadt war das eigentliche Kriegsvolk derselben, seit mehr als einem Jahrhundert in den Waffen geübt, zum Theil beritten, großentheils gute Büchsenschützen, alle mit Harnisch und Spieß, oder Hellebarde, Sturmhut und Fäustling bewaffnet; Soldknechte hatte die Stadt fast keine, und zudem waren die Dörfer gewissermaßen fest, durch 449stark ummauerte Kirchhöfe und Barrièren. Gegen diese hatte der Rath kein Kriegsvolk, nichts einzusetzen, als die Treue des Stadtvolks. Auf dieses konnte er nicht sehr bauen; denn seit langer Zeit hatte eine Handvoll Aristokraten, »die ehrbaren Familien« mit allem Verletzenden und Schädlichen einer Willkürherrschaft in der Stadt geherrscht, und den gerechtesten Bitten, Wünschen und Bedürfnissen der Gemeinde, der Handwerker und Hintersaßen aller Art, nie ein Gehör geschenkt. Um Alleinherren zu bleiben, hatte der aus den Ehrbaren zusammengesetzte, regierende oder innere Rath ununterbrochen aus seiner Mitte sich erneuert. Neben diesen Zwölfen des innern Raths, den Regierungsräthen, bestand zwar der Rath der Vierziger oder der äußere Rath. Dieser sollte die Gemeinde repräsentiren; aber auch diesen wußten die Ehrbaren größtentheils aus sich zu besetzen. Siebzig Jahre vor dieser letzten Katastrophe waren die Ehrbaren zu einem Vergleich mit den Handwerkern gezwungen worden; sie hatten es aber durch allerlei Schliche und Ränke dahin zu bringen verstanden, daß er im Jahre 1525 so gut als verschollen war. Veruntreuungen und Vergewaltigungen am gemeinen Besten lagen als schwere Sündenschuld auf dem Gewissen der Regierenden. Ihre Verlegenheit, ihre Angst wuchsen, als ihnen Kunde zukam, ein Theil derer in der Stadt sei mit den Bauern im Einverständniß; sobald sie zu den Waffen gerufen würden, wollen sich diese zu den Bauern schlagen, sich mit ihnen der Stadt bemächtigen und die Ehrbarkeit überfallen, strafen und plündern.

Innerer und äußerer Rath beriethen sich hin und her am Freitag Morgens, dem 24. März. Während einige Rathsherren hinausritten, um einen Versuch zur Beruhigung der Bauern zu machen, wollten die andern prüfen, was man sich zu denen in der Stadt versehen dürfe. Man beschloß, die Bürger nicht in Masse, sondern abtheilungsweise, »nach den 6 Wachten,« zu berufen, und zwar die aus dem Viertel, wo die meisten Ehrbaren wohnten, vom Herrenmarkt, zuerst. Der Rath legte den Ersterschienenen seinen Entschluß vor, die Empörung der Bauern zu unterdrücken, und die Frage, ob er des Beistandes der Gemeinde sicher sein dürfe. Und schon traten 25 Bürger auf die Seite des Raths und sagten ihm durch eben diesen Schritt zu.

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Da rief Junker Stephan von Menzingen, der auch auf dem Herrenmarkt wohnte und ungeboten mit aufs Rathhaus gekommen war: Wo denkt ihr hin? Seid ihr Knechte oder Bürger? Wollt ihr ohne Bedacht und unbedingt geradezu in euer offenes Verderben rennen, an euern Brüdern zu Mördern werden? Tretet ab, überlegt, ehe ihr abstimmt!

Die Bürger sahen sich an; es war Etwas an dem, wozu sie gemahnt wurden. Menzingen rief an Einem fort: Hinaus, hinaus! Bald war keiner mehr im Saal, als die 25; auch von diesen trat Lienhard Stock jetzt vor den Rath: »Ihr Herren, sagte er, ich bin ein alter kranker und tauber Mann, ich kann nichts zu solchen Sachen thun, ich bitte um Urlaub.« Damit ging auch er hinaus und gesellte sich zu den Andern, die draußen im Ring, worin man das Gericht zu halten pflegte, zusammengetreten waren.

»Bürger, sprach Menzingen hier, wollt ihr dem Rathe zu Lieb gegen euch selbst sein, der uns bisher so gedrückt hat und euch bald noch härter, unerträglich drücken wird? Folgt mir, ich will euch den Weg zur Freiheit führen; ich will es verantworten vor Kaiser und Reich.«

Er rieth ihnen, das Begehren des Rathes sich zum Bedenken und Berathen schriftlich zustellen zu lassen; sie thaten es. Indessen versammelte sich nach und nach die ganze Bürgerschaft, »alle 6 Wachten,« auf dem Platze. Menzingen zog sie immer weiter vom Rathe ab. Auf seinen Vorschlag gingen sie daran, einen Gemeinde- Ausschuß zu wählen, der dem Rathe zur Seite und ihm gegenüber stände und das Volk wahrhaft verträte.

Während die Herren vom Rath der Wiederkunft der Bürger vergebens warteten, wählten diese die Einzelnen in einen Ausschuß, der es nicht beim Beschwerdeführen bewenden lassen, sondern sich an die Spitze stellen, die Gewalt mit dem Rathe theilen, Streitigkeiten aller Art entscheiden, die Rechnungen und alle Schritte des Raths controliren und die Hut der Stadt übernehmen sollte.

Unter der Wahl des Ausschusses ritt ein Bote des Markgrafen Kasimir mit einem Schreiben an den Rath ein. »Ah, rief Menzingen, der bringt die Zusage, daß Herr Kasimir kommen und die Stadt einnehmen will; der Rath hat an ihn um Hülfe geschrieben; 451gebt Acht, die Reiter sind schon im Anzug.« – »Zu den Thoren!« schrieen Kilian Luz und Lorenz Knobloch, und fast in einem Augenblick hatte eine Bürgerschaar die Thore geschlossen, besetzt, die Schlüssel in die Hände des Ausschusses gegeben. Schon vernahm man Aufforderungen: man solle die auf dem Rathhause herabjagen und todtschlagen. Es drohte, so weit zu kommen.

Die Herren des Raths hörten die steigende Aufregung, den Tumult. Sie schickten den Altbürgermeister Ehrenfried Kampf und Georg Bermeter an die Bürger. Herr Ehrenfried sprang auf die Bank, erzählte der Wahrheit gemäß, wie der Markgraf schon zweimal zur Hülfe sich erboten, der Rath aber sich nie an ihn gewendet habe, und bat seine Mitbürger, sich nicht verführen zu lassen. Das Volk achtete, das Volk liebte Herrn Ehrenfried; er war ein Freund des gemeinen Mannes und des Evangeliums; darum hörte es auf ihn und beruhigte sich. »Narrengeschwätz, Fabeln! sagte Menzingen, laßt uns den Brief des Markgrafen sehen, und die Antwort eines Raths.« Man gab ihm Beides; es war, wie Herr Ehrenfried gesagt hatte. Ruhiger ging nun die Wahl des Ausschusses zu Ende. In denselben wurden zweiundvierzig Männer gewählt, die fast alle den neuen Dingen sich befreundet gezeigt hatten; es fanden sich darunter Namen wie: Valentin Ickelsheimer, der lateinische Schulmeister, Wilhelm Vesenmeier, der alte Rektor, Georg Spelt der Alte, Lorenz Knobloch, Leonhard Stock, Leonhard Stand der Metzger, Kern der Buchdrucker, Hans Leupold der Beck, Martin Hufnagel der Hafner, Hans Krätzer, Kilian der Tuchscheerer, Georg Keidel, Albrecht der Metzger, Kilian Luz, Jost Schad, Peter Merk, Georg Pflüger. Der alte Spelt bat den innern Rath um Erlaubniß, die Wahl annehmen zu dürfen; es sei ihm leid, daß er gewählt sei; der Rath aber freute sich, in ihm einen im Ausschuß zu wissen, der es treu mit ihm meine. Stephan Menzingen war auch unter den Gewählten, und diese ernannten ihn zum Obmann des Ausschusses. Er ließ alle Mitglieder desselben am Abend schwören, treulich zusammenzuhalten und bis in das Grab verschweigen zu wollen, was im Ausschuß gehandelt werde.

Jetzt erst ließ Menzingen dem Rathe die Antwort der Gemeinde zugehen, auf welche derselbe seit dem Morgen gewartet hatte. Ob sie, ließ er sagen, sich für den Rath gegen die Bauern erklären oder 452nicht, darauf können sie keine bestimmte Antwort geben, ehe sie die Beschwerden der Bauern kennen. Sie werden daher eine Gesandtschaft an sie schicken und sehen, ob ihr Vorhaben gegen das Evangelium wäre; wäre dies der Fall, so werden sie dem Rath eine Antwort geben, die ihm gewiß nicht mißfalle. Wolle der Rath einige aus seiner Mitte an die Bauern mitgehen lassen, so würde man es gerne sehen.

Menzingen übergab zwar auch die Hälfte der Thorschlüssel wieder dem innern Rath, er selbst aber mit dem Ausschuß hielt die Thore so besetzt, daß ohne seinen Willen nichts aus und ein konnte. Auch nöthigte er dem Rathe die Zustimmung ab, daß die große Glocke, so oft er wollte, geläutet werden durfte, der Gemeinde zum Zeichen der Versammlung auf dem Judenkirchhof. Die Herren des Raths waren so eingeängstet, daß sie Alles eingingen.

Zwar schienen die Unruhen von außen sich von selbst wieder legen zu wollen. In der Nacht des 24sten waren die zu den Bauern hinaus gerittenen Rathsglieder zurückgekehrt. Sie hatten kaum noch 100 Bauern beisammen gefunden, aus vier Gemeinden, zu Brettheim. Diese hatten einige Bauern mit der höflichen Entschuldigung aus den Dorfe heraus geschickt, die Orenbacher seien in großer Zahl zu ihnen gekommen, sie kennen aber ihr Vorhaben nicht, und wollen sich als getreue Unterthanen halten. So sagten die Brettheimer. Die aus den vier andern Gemeinden entschuldigten sich mit der Furcht, die versammelte Bauerschaft habe sie mit Bedrohung Leibs und Guts aufgeboten; nur darum seien sie gekommen, und um zu sehen, was jene vornähme.

In der Nacht vom 23sten auf den 24sten waren fast alle wehrhaften Männer aus Orenbach mit Wehr und Harnisch ausgezogen. Zu Hauptleuten hatten sie Fritz Mölkner aus Nortenberg und Hans Vogler von Hartenshofen, zum Fähndrich Paul Ickelsheimer aus Orenbach. Auf den Wartthürmen in der Landschaft hatten sie alle Hakenbüchsen, die sie fanden, mitgenommen, und so waren sie zu Roß und zu Fuß mit etlichen Fähnlein nach Brettheim gekommen. Nach hier gepflogener Berathung hatten sich die Versammelten wieder getrennt, um sich zu stärken und zu rüsten, bis der Aufstand allgemein würde, und dann zusammen mit allen Bauerschaften der Tauber ein festes Lager zu beziehen.

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Stephan Menzingen kam nun mit dem Ausschuß dahin überein, daß man die Bauern als christliche Brüder freundlich ansprechen solle, ihre Beschwerden, die sie gegen den Rath haben, dem Ausschuß einzuhändigen, und der Ausschuß solle dann darüber mit dem Rath handeln und zwischen beiden vermitteln. Die ganze Gemeinde nahm diesen Beschluß des Ausschusses an. Als er dem innern Rath vorgelegt wurde, verwarf ihn dieser; es half nichts; der Ausschuß stützte sich darauf, daß die Gemeinde ihn angenommen habe. Doch gab der innere Rath einige aus sich zu der Gesandtschaft an die Bauern mit, darunter Georg Bermeter. Dessen Roß stürzte schon unter dem Thore. Zu Gebsattel kamen sie gerade dazu, wie die Bauern in großer Zahl und guter Ordnung ein Lager bezogen. In der Gesandtschaft war auch das Ausschußmitglied Kräzer der Wirth. Der hatte unter den Bauernhauptleuten den großen Leonhard zum Schwager; durch diesen verschaffte er der Gesandtschaft sicheres Geleit. So kam sie in das Bauernlager. Hieronymus Hassel vom innern Rath nahm zuerst das Wort, nicht im Sinne der Instruktion, wie Ausschuß und Gemeinde sie gegeben hatten. Er strafte sie wegen ihrer Empörung, und bot ihnen, wenn sie sogleich in ihre Hütten ruhig heim gingen, volle Verzeihung an, sonst müßte, was ihm leid wäre, der Rath ihr Blut vergießen; hätten sie Beschwerden, so sollen sie sie vor das kaiserliche Kammergericht bringen.

Diese Saite hätte der Rathsherr nicht anschlagen sollen; das Kammergericht war kein Klang, der dem gemeinen Mann gut ins Ohr fallen konnte. Wie? fragten die Bauernhauptleute, ist das auch die Meinung der ganzen Gemeinde zu Rottenburg? Das Rathsglied Hassel sagte Ja. »So spricht ein Fuchs,« sagte Mölkner, der Hauptmann.

Nun sprachen die Andern, die vom Ausschuß, in dem Tone, wie sie Auftrag hatten. Da antworteten die Bauernhauptleute gütlich, sie denken gar nicht, die Gemeinde zu beschädigen. Wohl haben sie einige Beschwerden, die wollen sie vortragen; einstweilen erbitten sie sich freies Geleit auf einen Tag, sonst müßten sie sich in eine festere Stellung ziehen.

Damit ritt die Rathsbotschaft hinweg; und da sie eine gute Strecke geritten waren, kehrten die vom Ausschuß wieder nach dem 454Bauernlager um, tranken und besprachen sich noch lange mit den Bauern, und ließen die vom innern Rathe auf dem Wege warten, 5 Stunden lang.

In der Stadt schritt indessen die Bewegung vorwärts. In der folgenden Nacht wurden dem großen Marterbild auf dem Kirchhof zur reinen Maria Kopf und Arme abgeschlagen. Karlstadts Einwirkung verbarg sich nicht, und am andern Tage stürmte Christian Heinz der Bäcker mit einem Schwarm in die Liebfrauenkapelle, warf das Meßbuch vom Altar, und jagte die Priester hinaus. Das war am Sonntag Lätare. Am Montag den 27. März trieb Ehrenfried Kumpf in der Pfarrkirche Priester und Chorknaben hinaus, warf das Meßbuch vom Altar, die Messe hörte von nun auf, die Karlstädtische Bilderstürmerei begann. Die Kapelle der reinen Maria wurde bald darauf dem Boden gleich gemacht, die schöne Kirche außerhalb der Stadt an der Tauber wurde in Folge einer Predigt Karlstadts von den Müllern daselbst rein ausgeplündert, alles heilige Geräth in die Tauber geworfen, alle Bilderei zerschlagen.

Diese Bilderstürmerei ging von der Partei aus, welche die beste in der Stadt war, von der für das Evangelium erhitzten: ihr war die Kirchenreform die Hauptsache, und sie sah in den Bauern nur sofern Verbrüderte, als auch diese für das Evangelium sich erhoben. Führer dieser Partei war Ehrenfried Kumpf.

Auf ganz Anderes noch ging die Partei, deren Seele der blinde Mönch, deren Führer Stephan von Menzingen war. Das war die eigentlich revolutionäre Partei, die bürgerliche Freiheit ihr nächstes Ziel, und ihre Häupter waren offenbar Eingeweihte des evangelischen Bruderbundes, der den Aufstand in den deutschen Gauen vorzubereiten übernommen hatte; in stetem Verkehr mit den leitenden Obern anderer Landschaften.

Menzingen, aus einem alten edeln schwäbischen Geschlechte, hatte sich zwanzig Jahre vor dem Aufstand mit der Tochter des Rathsherrn Pröll vermählt, und war in das Bürgerrecht der Stadt eingesessen. Eine Zeitlang war er in Diensten des Markgrafen von Brandenburg Amtmann zu Creglingen gewesen, dann in die Dienste des jungen Herzogs Ulrich von Württemberg getreten. Er war einer seiner Lieblinge, war bei Ulrichs Vertreibung mit auf dem Schlosse 455Hohentübingen, und einer der Wenigen, welche nach der Uebergabe des Schlosses Ulrichs Vertrauen behielten, und für ihn noch in der Schweiz wirkten und unterhandelten. Stephan von Menzingen ist einer der drei Vertrauten Ulrichs, welche mit dem Ritter von Klingenberg über die Einnahme der Herzoglichen in seine Feste Hohentwiel unterhandelten. Schreiben Klingenbergs im Stuttgarter Staatsarchiv. Im Jahre 1518 hatte er die Reinsburg, ein Gut im Rottenburgischen, an sich gekauft, war mit dem Rathe der Stadt über die davon zu entrichtende Steuer in Streit gekommen und aus dem Bürgerrechte der Stadt ausgetreten. Die Stadt Creglingen hatte ihn wegen Bedrückungen beim Reichskammergericht verklagt, dieses die Exekution dem Rathe von Rottenburg aufgetragen, Menzingen einige der vornehmsten Rathsherren injurirt, dann, wie es scheint, sich in die Schweiz begeben, und war zu Anfang des Jahres 1525 plötzlich nach Rottenburg zurückgekommen, angeblich, um seines Rechtsstreites mit dem Rath zu warten, und darum im sichern Geleite der Stadt. Ob er fortwährend mit Herzog Ulrich, dem Vertriebenen, zusammenhing? ob er gar nach Verabredung mit diesem dem fränkischen Aufstand sich anschließen, ihn fördern sollte, wie der Fuchssteiner im Allgau, wie der Herzog selbst auf dem Schwarzwald that? – darüber fehlen die Beweise. In der Schweiz, in dem Kreise jener Männer, in welchem auch Herzog Ulrich auf andere Ansichten kam, mag auch Menzingen im Religiösen und Politischen manches Neue sich angeeignet haben: in Rottenburg wenigstens erscheint er als ein warmer Anhänger der Lehre Karlstadts. Zugleich jedoch zeigt er sich in Verbindung mit dem Markgrafen Kasimir, jenem Fürsten, der so gerne in benachbarten Gebieten um sich griff. Auch waren Menzingens Vermögensumstände einer Aufbesserung bedürftig, und die Rathsherren zu Rottenburg hatten ihm Anlaß gegeben, ihnen gram zu sein.

Noch Abends am 25. März war wieder ein Bote des Markgrafen vor der Stadt erschienen. Stephan Menzingen, der die Thore überwachte, ließ ihn nicht mehr ein, er mußte außen in einer Mühle übernachten. Erst am Morgen nahm ihm Menzingen seine Briefe ab, doch ohne ihn in die Stadt einzulassen, weil er dem Bürgerausschuß am Thore nicht eidlich geloben wollte, daß er sonst keine Botschaft und keinen Auftrag habe. Auch vom Deutschmeister aus Mergentheim kam 456ein Bote. Menzingen nahm ihm seine Briefe ab, öffnete sie, wie die des Markgrafen, und verlas sie vor dem Bürgerausschuß. Der Markgraf schrieb im freundlichsten Ton und erbot sich zur Vermittlung zwischen dem Rath und der Volkspartei. Der innere Rath antwortete, man wisse nichts von Irrungen in der Stadt, und lehnte die Dazwischenkunft des Markgrafen höflich ab. Furcht vor dem Volke und Mißtrauen gegen den mächtigen, gern übergreifenden Fürsten führten dem Rathe die Feder. Die Antwort wurde im Bürgerausschuß verlesen, versiegelt, abgeschickt.

Am 26. März wurden auch die schriftlich aufgesetzten Beschwerden der Bauerschaften in die Stadt herein gebracht. Sie sagten in ihrem Schreiben, Beschwerden, die wider Gott und sein Wort und die Nächstenliebe seien, haben sie als Brüder vereinigt: sie seien beladen mit Hauptrecht und Handlohn, mit Steuern, mit Klauengeld, Tranksteuer und Anderem; sei es doch ein jämmerlich Ding, daß keiner in der ganzen Landwehr eine eigene Kuh haben solle. Und nachdem sie doch Alle an einen ewigen wahren einigen Gott glauben, mit einer Taufe getauft seien und ein einiges ewiges zukünftiges Leben hoffen, habe der Teufel durch seine tausendfältige List einen großen Gräuel in die Christenheit eingeführt, daß Einer des Andern eigen sein solle. Seien doch alle Ein Körper, Eine geistliche Gemeinde, deren Haupt Christus der Erlöser sei. An diese Beschwerden über die Leibeigenschaft knüpften sie die über den großen und kleinen Zehenten; und doch seien so viele Pfarrherren von ihren Pfründen abwesend, und thun gar nichts, als daß sie ihre Caplane verursachen, das Volk täglich zu schinden und zu schaben mit ihren Lügen und mit ihrem Menschentand. Die, welche bei ihnen die Mühe tragen, wollen sie belohnen, wer aber nicht arbeite, solle auch nichts genießen. Zuletzt beschwerten sie sich über unbillige Zölle und kleinere neue Lasten. Weitere Beschwerden behielten sie sich vor. Das Siegel, womit das Schreiben gesiegelt war, war eine Pflugschaar, kreuzweis darüber Dreschflegel und Mistgabel, unten ein Bundschuh mit der Jahrzahl 1525.

Es war nicht zu läugnen, mehrere neue Lasten, wie das Klauengeld oder die Viehsteuer, das Bodengeld und Umgeld oder die Tranksteuer, die Zölle, welche die nothwendigste Ein- und Ausfuhr schwer 457belasteten, waren für den gemeinen Mann höchst drückend, eigenmächtige Neuerungen des Raths, theils vor ein paar Jahren, theils vor ein paar Monaten aufgebracht, gegen Recht und Herkommen. Die andern Beschwerden waren ohnedies zu wohl begründet.

Auch diese Artikel der Rottenburger Bauerschaft waren von Geistlichen verfaßt. Das waren Leonhard Denner, Pfarrverweser zu Leuzenbronn, ein Sohn des Lorenz Denner, Mitglieds des innern Raths zu Rottenburg; Hans Hollenbach, der Frühmesser zu Leuzenbronn, und Andreas Neuffer, der Pfarrer zu Tauberzell.

So traten auch hier, wie an so vielen anderen Orten, Geistliche als Männer des Volks, als Leiter der Bewegung hervor. Es sind nicht sowohl Mönche, welche dem Kloster entlaufen und nur im Volkssieg ihre Rettung finden können, wie man schon behauptet hat; es sind einige der Art darunter; meist aber sind es Weltgeistliche, die dem Volke sich anschließen aus Eifer für das Evangelium, und wegen der Verfolgungen, die sie darum leiden müssen; vorzüglich aber auch, weil sie die Noth und den Druck am besten kannten, unter dem das Volk seufzte; endlich, weil die Geistlichkeit noch immer die hellsten Köpfe der Zeit, die Träger der Ideen unter sich zählte.

Der Bürgerausschuß brachte die Beschwerdeschrift der Bauerschaft vor den innern Rath, und trug seine Vermittlung an. Das lehnte der innere Rath ab; er erbot sich den Bauern, wenn sie ruhig nach Hause zögen, wolle man der Empörung und ihres Meineids nicht im Argen gedenken; ihre Beschwerden wolle man überlegen, und mit ihnen gütlich rechten vor kaiserlichem Regiment und Reichskammergericht. Die Bauernabgeordneten antworteten, sie seien nicht meineidig, sondern wollen Alles halten, was gebürlich und nicht wider Gott und die Liebe des Nächsten sei. So gingen die Bauernabgesandten wieder zu den Ihren hinaus; im innern Rathe aber ging die Ansicht durch: Wenn man auch den Bauern jetzt Etwas nachließe, so wäre es mit Gewalt erpreßt, und man darum nicht verbunden, es zu halten.

In der Frühe des 27. März berief Menzingen mit dem Ausschuß durch die große Glocke die Gemeinde zur Versammlung. Es hatten sich einige Bürger in den Häusern der Geistlichen Zudringlichkeiten erlaubt, und dieselben genöthigt, sie mit ihren Weinen zu bewirthen. Der Ausschuß ließ sich die Gemeinde geloben, seinen 458Beschlüssen nachleben und Personen und Güter unangetastet lassen zu wollen. Weiter wurde die Auflösung des äußeren Rathes beschlossen.

Der Bürgerausschuß behauptete nämlich, da der äußere Rath die Gemeinde vertreten solle, so müsse er im Ausschuß aufgehen und mit ihm sitzen, rathen und bessern. In diesem Sinne hatte er am Sonntag Lätare an den äußern Rath den Antrag gestellt, sich mit dem Bürgerausschuß zu vereinigen. Dieser weigerte sich dessen. Der Ausschuß beharrte auf Vereinigung oder Auflösung, gemäß dem Gemeindebeschluß. Der äußere Rath wandte sich an den innern mit dem Gesuch, ihn seiner Rathsverpflichtung zu entbinden. Der innere Rath, von der Gemeinde und ihrem Ausschuß in der Stadt versperrt, gefangen, schwerlich und hoch bedrängt, fand, »nach genugsamer Berathschlagung mit bekümmertem traurigem Gemüth, daß er thun müsse, was die Gemeinde wolle, es wäre gleich, gut oder bös, geriethe wohl oder übel;« erlaubte dem äußern Rath, »damit die Personen desselben an ihren Ehren nicht verletzt und angetastet würden,« den Austritt »in Gottes Namen,« und sprach ihn seiner Pflicht ledig.

So löste sich der äußere Rath auf. Einzelne Glieder desselben wurden in den Bürgerausschuß aufgenommen, wie Hieronymus und Kunz Offner, Christian Heinz. Auf einen weitern Vorschlag Menzingens mußte der innere Rath dem Ausschuß schriftlich geloben, daß er in Treue es mit ihm halten, oder, wenn er feindlich gegen ihn handeln wolle, 8 Tage zuvor abkündigen wolle. Von nun an hielt der Ausschuß seine Sitzungen in der großen Rathsstube.

Bisher hatten die Rottenburgischen Bauern sich noch nicht mit andern verbunden. Jetzt aber schloßen sich markgräfische Unterthanen und die Hintersassen anderer Herrschaften an sie an. Die Wirkungen ihrer eigenen Boten, die sie an der Tauber und in andern Richtungen hin und her gesandt hatten, so wie die der auswärtigen Freiheitsmissionäre, die von der evangelischen Brüderschaft im Schwarzwald und in Oberschwaben, wie von Thüringen hergekommen, zeigten sich: der allgemeine Erhebungstag, der 2. April, war vor der Thüre.

Die Rottenburger Bauerschaft, auf vierthalb tausend angewachsen, sandte in die Stadt herein und verlangte Antwort auf Beschwerden vom innern Rath, vom Ausschuß Hülfe an Geld, Munition und Waffen. Zugleich berichteten sie, wie man ihnen Unrecht damit gethan 459habe, als nöthigen sie Hintersassen anderer Herrschaften, sich ihnen anzuschließen; unaufgefordert und ungenöthigt ziehen stündlich andere Bauern ihnen zu, und begehren aus brüderlicher Liebe, der Gerechtigkeit einen Beistand zu thun.

Der Ausschuß drang in den inneren Rath, die Beschwerden der Bauern ohne Verzug vorzunehmen und sie durch Zugeständnisse zu beschwichtigen, ehe sie der Stadt zu stark würden. Er verlangte Vollmacht vom innern Rath, mit den Bauern einen Vergleich zu schließen. Der innere Rath meinte, das gebe ein böses Beispiel für die Bauern anderer Herrschaften: beriefen sich fremde Hintersassen auf die Rottenburgischen, so würden die fremden Herren die Stadt darum feindlich ansehen. Der Ausschuß entgegnete, der Rath habe jüngst so viel Unheil durch falsche Maßregeln über die Stadt gebracht, daß man ihn in jetzigen gefährlichen Läufen nicht handeln lassen könne.

Während der Rath sich so bedrängt sah, erhob sich Ehrenfried Kumpf der Altbürgermeister. Er wüßte, sprach er, wohl einen Mann, den Frieden zwischen der Stadt und den Bauern zu machen; er habe ihn mit sich gebracht und er warte draußen im Vorsaal; er bitte ihn zu hören und an die Bauern zu senden. Den verwundert fragenden Blicken nannte Herr Ehrenfried Doktor Andreas Karlstadt. Als die Verwunderung stieg, wie denn Karlstadt plötzlich nach Rottenburg komme, da er lange aus der Stadt verbannt sei, bekannte Herr Ehrenfried, daß der Doktor die Stadt nie verlassen, sondern bei ihm und andern christlichen Brüdern seine Herberge gehabt habe; er wolle das nicht läugnen, wenn auch der Henker hinter ihm stände. Da schalten die Rathsherren den Altbürgermeister, daß er vor Wochen hoch und theuer sich habe vernehmen lassen, er habe keinen Verkehr mehr mit Karlstadt und wisse nichts von ihm: und jetzt zeige es sich ganz anders. Herr Ehrenfried sprach: er habe im Dienste Gottes und für Gottes Sache Karlstadt zu schützen und zu herbergen muthig gewagt, Karlstadt sei ein frommer und unglücklicher Mann, und vorzüglich geschickt und vom Himmel begabt, die Irrungen zwischen einem Rath, der Gemeinde und den Bauern zu heben; er kenne seine Pflicht gegen den Rath, halte sich aber nicht gebunden, wo es gegen Gottes Wort, gegen das Evangelium gehe; 460denn er sei ein Christ, und wolle diesem allein gehorchen, so weit, Leib und Gut reiche. Das hörte der Rath mit nicht kleiner Beschwerde; sie sagten, sie ließen sich bedünken, sie seien auch Christen, so gut als er, und wollen so wenig gegen das Evangelium und Gottes Wort sein als er und Andere. Damit standen sie alle zumal auf und gingen vom Rathhaus hinab.

Die Gemeinde war Herr und regierte durch ihren Ausschuß. An diesen wandte sich darum Karlstadt um Aufhebung der wider ihn erlassenen Ausweisung. Der Ausschuß wies das Gesuch an den Rath. Der Rath erklärte, Karlstadts Aufenthalt bringe der Stadt des Kaisers, der Fürsten und anderer Reichsstände Ungnade und Strafe; Aufruhr der Unterthanen, des gemeinen Mannes, wo er bisher gewohnt und gepredigt habe, zeuge von seinem Wesen und seiner Lehre. Ob ihm in der Stadt der Aufenthalt gestattet werde, sammt seiner Lehre und Predigt, das stellen sie dem Ausschuß anheim, der jetzt die Gewalt und das Regiment an sich gebracht und in Händen habe; ihn lassen sie das verantworten. Der Ausschuß gab die Antwort, er lasse den Karlstadt in der Stadt umgehen und sein Abenteuer bestehen, weil er sich zu Recht erbiete. Von da an bewegte sich Karlstadt frei und öffentlich in Rottenburg; er war mit Christen, Deuschlin, dem blinden Mönch, Kumpf, dem Bruder des Altbürgermeisters, mit den Mitgliedern des Ausschusses überhaupt im Verkehr; er predigte jedoch rein religiös; die Folge seiner Predigten war aber die schon erwähnte Bilderstürmerei, die Verwüstung einiger Kirchen. Als Unterhändler an die Bauern aber nahm der Ausschuß ihn nicht an: er schickte Valentin Ickelsheimer den Präceptor, und Kunz Offner mit einigen Andern an sie hinaus, um sie zu bestimmen, die Entscheidung ihrer Beschwerden dem Ausschuß zu überlassen.

Die Rottenburger Bauern fingen bereits an, im Geiste des schwarzwäldischen Artikelbriefs zu handeln. Wer nicht zu ihnen trat, den zwangen sie dazu. Zu Betwar, zu Ostheim weigerten sich Einige zuzuziehen; ihnen wurden ihre Häuser geplündert; auch den Pfarrherren beider Orte fingen die Bauern ihre Weinfuhren ab. Das Lager nahmen sie zu Reichardtsrode. Das feste Haus des Caspar von Stein plünderten sie rein aus. Auch sie hatten eine Kriegskasse. Die Beutemeister nahmen die Beute an sich und verkauften 461sie, Vieh und anderes, gegen Brod und Geld, und zahlten davon Wirthe, Boten, Bedürfnisse aller Art.

Schon jetzt nahm die Bewegung eine größere Bedeutung an: die Eingeweihten des geheimen Bundes traten nach und nach hervor; gewichtigere Männer, höher Gestellte, setzten sich an die Spitze; Kriegsleute trugen sich an und wurden angenommen, die Bauern zu exerciren und fechten zu lehren: Georg Teufel aus Schonach wurde als Exercirmeister, Fritz Nagel der Amtmann von Scheckenbach als Hauptmann, Kilian Brok als Proviantmeister, Fritz Mölkner als Profoß aller versammelten Ortschaften angenommen. Unter den Bauern, welche in die evangelische Brüderschaft aufgenommen zu werden begehrten, zogen ihnen hier namentlich die Hintersassen des wilden Ritters Zeisolf von Rosenberg zu Haldenbergstetten mit fliegenden Fähnlein zu.

Am Lindachsee begegneten ihnen die Unterhändler der Stadt Rottenburg, während sie zu Roß und zu Fuß Dienstags den 27. März von Reichardtsrode mit neuen schönen Fahnen im Marsche waren. Auf Wägen führten sie Hakenbüchsen. Der Marsch ging unter den Mauern von Rottenburg vorüber nach Neusiz drei Viertelstunden von der Stadt, wo sie sich lagerten. Man zählte zu Rottenburg beim Vorüberzug nur noch 2000 Bauern. 2000 andere hatten sich vom Lager zu Reichardtsrode aus nach dem Taubergrund gewandt. Während ein Theil die Stadt beobachtete, war der andere hinweggezogen, um im Schüpfergrund, dem bestimmten Sammelplatz, seine Vereinigung mit den Zuzügen anderer Gaue zu vollziehen. Th. Zweifel des Augenzeugen, Handschrift, Auszüge bei Schmid. Eisenhards Chronik, Handschrift eines Augenzeugen. Winterbach, Gesch. der Stadt Rottenburg. Vorzüglich aber Bensen, Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken, dem Zweifels Original-Handschrift zu Gebot stand, ein Werk, das ich jedem Leser empfehle, und das ich durch das meine weder entbehrlich machen kann noch will.


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