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Gleichzeitige Bauernunruhen in der Schweiz.
Daß einzelne Schweizerkantone so bereitwillig diesmal, gegen ihre sonstige Art, den Regierungen die Hand boten in Verfolgung und Bestrafung der verbündeten Bauern, hatte seinen eigenen Grund. 58Es gährte in der Schweiz selbst aller Orten unter dem Landvolk wider die Stadtherren. Schon nagte im Marke der Schweizer Freiheit der Wurm. Frevel und Untreue und Parteilichkeit saßen am Regiment. Die arbeitsamen Gemeinen, der arme Mann in der Stadt und auf dem Lande, waren preisgegeben.
Die Gährung des Landvolks brach im Sommer 1513 in Aufruhr aus, zuerst im Kanton Luzern, dann in dem von Solothurn, zuletzt in dem von Bern. Die Berner Bauern rotteten sich auf der Kirchweih zu Künütz zusammen und drangen, während sie die Herren von Bern draußen tanzen ließen, in die Stadt, fielen in Rotten in die Häuser derer, die sich am meisten verhaßt gemacht hatten, zerstießen und zerbrachen Thüren und Fenster, Hausgeräth, Keller und Faß, und plünderten und verwüsteten, was sie vorfanden. Hans Blatter, ein Schneider aus Wallis, legte im Hause eines Rathsmannes dessen seidenen mit Fuchspelz verbrämten Rock an, sprang darin herum und jauchzte und schrie: »Jetzt bin ich auch ein Junker und ein Herr zu Bern.« Sie ließen die Herren es fühlen, daß dieselben an vergangener Fastnacht »in Aschensäcken und in anderer Art Comödie den Stand und das Wesen des Bauersmannes verspottet und verächtlich gemacht hatten.«
Die Herren zu Bern eilten, das Gewitter dadurch aus ihren Mauern und Marken abzuleiten, daß sie einen Heerzug in die Dauphine beschlossen, und die wegen Bestechung und anderer Verbrechen Verhaßtesten aus ihrer Mitte preisgaben. Die Bauern lieferten die Stadtherren zu peinlicher Untersuchung ab, so viele sie auf der Flucht fingen.
Den Gemeinden, die im Gehorsam blieben, drohten die aufgestandenen Bauern mit Ueberziehung. Bei dem Fortgang der Bewegung sahen sich die Herren zu Bern genöthigt, auf die Begehren der Landleute im Ernst einzugehen und die Vermittlung von Schiedsleuten anzunehmen. Es wurde in öffentlicher Versammlung ein großer Theil der bisherigen Rathsherren seiner Aemter und Ehren für verlustig erklärt, und zur peinlichen Untersuchung überwiesen; dagegen solche in den Rath und die öffentlichen Aemter gewählt, welche das Vertrauen der Stadt und des Landes hatten.
Die Bauern hatten geschworen, sie müssen Köpfe haben. Doch waren sie mit zwei Opfern zufrieden; die andern Schuldigen wurden 59nur an Ehren und Geld gestraft, nachdem sie die Folter erstanden. Alle Landgemeinden aber ohne Unterschied, die, welche ruhig blieben, wie die, welche sich erhoben, ließen sich neue Freiheiten ausstellen und versichern, namentlich das Recht, ihre Obrigkeiten abzusetzen und gegebene Ordnungen aufzuheben. Schwer fügten sich die Herren in »solches Spiel, wo die Sau den König steche.«
Zu Luzern hatten sie das Gleiche, wie zu Bern, zu klagen, namentlich auch über neue Auflagen. Im Amte Willisau erhoben sich die ersten Stimmen wider die Herren in der Stadt; diese aber wollten den Bauern den Mund mit Gewalt schließen. Da brachten die von Willisau die andern Aemter zusammen auf, und zu Rußwyl schwuren alle Gemeinden zusammen, in dieser Sache miteinander in gleichem Falle zu stehen und einander nicht zu verlassen. Auf ihre Mahnung liefen ihnen auch viele hundert Bauern aus der Berner und Solothurner Nachbarschaft zu, ihren Obern zum Trotz. Sie wollen nur vermitteln, sagten sie, und Gutes in die Unruhe reden.
An die 6000 zogen sie auf St. Ulrichstag vor die Stadt Luzern, entschlossen, nicht wieder abzuziehen, bis ihre Begehren erfüllt wären. Die waren, daß man sie bei ihrem alten Herkommen bleiben lasse und ihnen die neuen Auflagen abnehme; daß man die Bündnisse mit fremden Mächten aufhebe, durch welche sie ihre Söhne und Freunde verlieren, und so viele Wittwen und Waisen einbekommen; daß man mit ihnen, den Bauern, das von den fremden Mächten gezahlte Geld, das sie auch verdienen halfen, theile; und endlich, die Schelme und Böswichte, welche mit verrätherischen Sachen umgegangen, namentlich den Schultheiß Ferr und seinen Sohn, nebst fünf anderen Rathsherren ausliefere.
Die Herren zu Luzern warfen die Brücke des Stadtgrabens ab und verwahrten ihre Thore. Am 8. Juli aber wurden die Bauern, wiewohl kümmerlich, durch die Boten gemeiner Eidgenossenschaft vermocht, einen Vergleich anzunehmen. Die Herren zu Luzern mußten versprechen, sich zu bessern, den Landleuten ihre Beschwerden abzunehmen und keine Neuerung aufzulegen, auch in Hinsicht der Gelder ihnen zu willfahren, die Häupter des Aufstandes ungestört zu lassen, die sieben bezeichneten Rathsmitglieder gefänglich einzuziehen und vor ein Gericht zu stellen, wozu vier der kleine, vier der große Rath, 60vier die Gemeinde und jedes Amt einen Mann abordnen sollte, um, was sich da Uebles befinde, ohne Verzug zu richten.
Auf dieses zogen die Bauern heim, nachdem die schuldigen Rathsglieder in den Wasserthurm gelegt, und fünf davon, besonders der Schultheiß, auf die Folter gebracht waren. Dieser wurde an Ehr und Gut gestraft, Ernemoser, der Vogt zu Rußwyl, mit dem Schwert gerichtet, die Andern zu längerer Untersuchung aufbehalten.
Als aber die Bauern hinweg waren, ließen es die Herren wieder beim Alten, und um Allerheiligentag traten die Aemter wieder zusammen und vereinigten sich zum Andermal, »wider ihre Herren einander nicht abzustehen, und wenn diese sich nicht geben wollten, die Gemeinden anderer Orte anzurufen, dermaßen, daß ihnen ihr schändlicher Betrug müsse leid werden.«
Die geängstigten Herren erboten sich ihnen zu Recht, die Bauern aber nahmen nur die Gemeinden der drei Waldstädte zu Schiedsrichtern an, und ließen erst nach einem halben Jahre, nach vielen Kosten und vielem Tagen, sich beruhigen, zugleich mit den Bauern im Solothurner Gebiet, die im Buchsgau gegen Olten hin wohnten.
Auch diese waren am 3. August, an die 4000, theils Gäuer, theils anders woher, mit dem Fähnlein von Falkenstein vor Solothurn gezogen, und zu 600 gegen das Versprechen, sich friedlich zu halten, eingelassen worden. Drei Tage darauf mußten sich die Herren in der Stadt mit den Bauern dahin vertragen, daß ein Theil des Rathes zu peinlicher Untersuchung gezogen, nach harter Marter ihrer Ehren und Aemter entsetzt und mehrere wichtige Rechte dem Landvolk abgegeben wurden.
Da dieser unruhige Geist unter den Schweizer Bauern mit den Bewegungen des Lehen-Bundschuhs in der Zeit so nah zusammen traf, so hätte eine Vereinigung ihrer beiderseitigen Kräfte von gefährlichen Folgen sein müssen, bedrohlich für die Herren in Schlössern, Klöstern und Städten. Nach Anshelm, Berner Chronik.