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Neunzehntes Kapitel.

Die Blutrache zu Weinsberg.

Die Bürger zu Neckarsulm hatten die Bauern als Freunde aufgenommen, die Deutschherren waren hier so verhaßt, als irgendwo, und die reichen Vorräthe des Deutschordens hier erheiterten das Bauernheer, das theils im Städtchen sich einquartirt hatte, theils vor den Mauern auf den Wiesen umher lag.

Neckarsulm liegt nur zwei Stunden seitwärts von Weinsberg. Schon als der helle Haufen in die Nähe dieses württembergischen Städtchens und Schlosses kam, hatte der auf das alte Welfenschloß gesetzte Obervogt, Ludwig Helfrich von Helfenstein, die österreichische 494Regierung zu Stuttgart dringend um Verstärkung angegangen. Dieser Graf von Helfenstein, ein junger Ritter von siebenundzwanzig Jahren, seit seinem 15ten Jahre in deutschen und französischen Kriegsdiensten gebildet, Kerler, Geschichte der Grafen von Helfenstein, Ulm 1840. S. 132. war ein Liebling des Erzherzogs Ferdinand, und seine Gemahlin war eine natürliche Tochter des vor sieben Jahren verstorbenen Kaisers Maximilian I., Margarethe, genannt von Edelsheim, Wittwe des Johannes von Hillen, Forstmeisters der Herrschaft Tyrol. Seit fünf Jahren war sie mit Graf Ludwig Helfrich vermählt, und wohnte auf dem Schlosse zu Weinsberg. Seit einigen Tagen war Graf Ludwig in die Rathsversammlung nach Stuttgart gerufen worden, mit ihm Dietrich von Weiler. Man hatte beschlossen, durch Ludwig Spät von Höpfigheim, Sigmund Heßlich von Schorndorf und Jürg Bühel 1000 Knechte anwerben zu lassen, und Ludwig von Helfenstein als Obersten über diese Knechte zu setzen, weil man höre, daß viele Leute einen Willen zu dem Grafen haben. Nehme man die Reisigen dazu, so werde Widerstand möglich, und wenn die Bauern diesen Ernst hören, werden sie sich, wie sie auch sonst gethan haben, wieder zurückziehen. Stuttgarter Staatsarchiv. Die Regimentsräthe hofften auch von Baden und Pfalz eine reisige Hülfe zu erhalten, und um einstweilen, bis weiterer Beistand käme, dem Eindringen der Odenwälder Einhalt thun zu können, wurden dem Grafen Ludwig Helferich gegen 70 Ritter und Reisige zugegeben, die mit ihm nach Weinsberg eilten, am 12. April. Kaum angekommen, schrieb er an die Regierung zurück, daß er mit seinen wenigen Leuten dem mit etwa 6000 Mann eindringenden Bauernhaufen aus dem Odenwald und Hohenloheschen in die Länge nicht werde widerstehen können. »Wo mir, schloß er, mit Reisigen oder andern Knechten nicht Hülfe oder Zusatz kommt, so will ich meine Ehre hiemit verwahrt haben; wo einiger Nachtheil oder Schaden daraus erfolgen möchte, will ich daran unschuldig sein, wiewohl ich nichts desto weniger, so lange mein Leben währt, alles das thun will, was einem frommen und redlichen Amtmann wohl geziemt.« Zwei Tage später bat er, ihm doch die hessischen Pferde von Stund an herabzuschicken. Noch dringender schrieb er am Ostersamstag den 15. April, man 495möchte doch schleunigst die pfälzischen Reiter schicken mit Geld, damit nicht Nachtheil, Spott oder Schaden daraus erfolge.

Schon als Graf Ludwig Helfrich mit seinen andern Rittern von Stuttgart nach Weinsberg hinabritt, hatten sie alle Bauern, die ihnen unterwegs begegneten, aufgegriffen und erwürgt. Bericht des Archivar Rüttel in der Helfensteinischen Chronik von Gabelkofer, Handschrift im Stuttgarter Staatsarchiv. Bei seiner Ankunft im Weinsbergerthal fand der Graf, daß bereits mit Ausnahme von Eberstadt alle Dörfer des Amtes dem hellen Haufen zugefallen waren. Als die Bauern von Lichtenstern auf Neckarsulm zogen, am Charfreitag, 14. April, forderten sie Weinsberg und die Ritter darin auf, in ihre christliche Brüderschaft zu treten. Während der Graf mit den Bauern unterhandelte, um Zeit zu gewinnen, bis die erwartete Hülfe von Stuttgart käme, unterließ er es dennoch nicht, mit seinen Reitern, »den ganzen Tag über ob den Bauern zu halten, und ihnen Abbruch zu thun, so viel ihm immer möglich war.« Eigenes Schreiben des Grafen an die Stuttgarter Regierung. Er that sich aus Weinsberg, fiel hinten in den Haufen in den Nachtrab, erstach und beschädigte ihnen viele, wodurch der Haufen der versammelten Bauerschaft erzürnt und bewegt wurde. Thomas Zweifel, Handschrift, bei Bensen.

Zugleich kam Botschaft von der Donau, wie der Truchseß senge und brenne und gegen die gefangenen Bauern blutig verfahre, von der Hinrichtung Meister Jakob Wehe's zu Leipheim, von dem Blutbad, das er die Donau hinauf unter ihren Brüdern angerichtet habe, von dem übermüthigen Blutdurst, den er überall gegen die Bauern zeige. Nicht abschreckend, sondern zur Wuth reizend, wirkte die Sage von den 7000 bei Wurzach Ermordeten, welche die Herren mit absichtlicher Uebertreibung ausstreuten, als abschreckende Siegesbotschaft. Die Hauptleute der Bauern betrachteten ihre Sache als einen gerechten Krieg des Volkes gegen die Herren: sie wollten auf dem Kriegsfuß behandelt sein, nach Kriegsrecht und Art. Weder der Truchseß, noch der Graf von Helfenstein, der während der Unterhandlungen ihre Brüder niederstach, achteten das Kriegsrecht gegen sie, die Bauern. Es schien nöthig, die Herren 496dazu zu zwingen, zu zwingen durch Repressalien, die zugleich eine Blutrache für den frommen Wehe, für die hingerichteten Hauptleute ihrer Brüder zu Leipheim und Langenau, für die Hingeschlachteten von Wurzach, für die so eben aus dem Zug durchs Weinsbergerthal während des Unterhandelns Erstochenen wäre.

Es war Verhängniß, daß Graf Ludwig von Helfenstein und Dietrich von Weiler, der Obervogt von Bottwar, der mit ihm in Weinsberg befehligte, diese Blutrache selbst auf sich herbei ziehen sollten.

Die Bauern, in zorniger Bewegung auf den grünen Wiesen vor Neckarsulm, schickten Abends am Charfreitag ein Schreiben nach Weinsberg herein, das an den Bürgermeister der Stadt und an den Obervogt Helfenstein gerichtet war. Es war ohne Zweifel ein Ultimatum der Bauern. Der Graf hatte den Hintersassen seines Amtes ins Bauernlager die Drohung geschickt, wenn sie nicht heimzögen, so wolle er ihnen ihre Weiber und Kinder nachschicken und ihre Dörfer verbrennen. Hans Koberer von Bretzfeld erfuhr, daß solches der Graf dem Hauptmann des Weinsberger Fähnleins geschrieben; er kam zu den Bauern im Lager unter den Weiden, wie sie aßen und tranken, und zeigte es ihnen an. Da schrien die Bauern des Weinsbergerthales, man solle sie heimziehen lassen oder ihnen Frieden machen. Urgicht des Dionysius Schmid von Schwabach.

Als der Graf von dem Angriff auf den Nachtrab des Bauernheeres nach Weinsberg zurückkam, schien es ihm, als fände er die Bürger in der Stadt eines Theils wankelmüthig; sie waren sehr erschrocken; das gute Vertrauen, das er zu ihnen gehabt, entfiel ihm, und er versah sich nichts Gutes mehr zu ihnen. Er schrieb der Regierung nach Stuttgart, »er halte für gewißlich, wäre er mit den Reisigen nicht hier, so wäre Alles umgefallen. Darum habe er heute (Ostersamstag) mit ihnen gehandelt und es ihnen gleich auf einen Bündel gebunden, und so sie wieder von ihrem Vorhaben ihres Anschlusses an die Bauern abgewiesen.«

Noch hoffte er, der helle Haufen werde Weinsberg ungestört lassen, und ziehe vielleicht schon gegen Wimpfen.

Ins Lager der Bauern aber kamen zu gleicher Zeit eine trotzige verächtliche Antwort des Grafen auf das Ultimatum der Bauern, 497und eine Botschaft einiger Bürger, die es mit den Bauern hielten. So gut der Graf die Thore Weinsbergs hütete, so gelang es doch eines Weibes List hinaus zu kommen. Wolf Nagels Frau von Weinsberg stahl sich durch nach Neckarsulm zum Haufen, ging von dem einen Zelt zu dem andern und sagte, Jörg Ry, der Brezel-Pickel, Melchior Beker und Bernhard Hellermann von Weinsberg haben sie zu ihnen geschickt, sie sollen kommen, sie wollen ihnen die Stadt aufthun, sie sollen sie nicht in den Nöthen stecken lassen. Auch kam Semmelhans von Neuenstein, ein Salzführer, ins Lager nach Neckarsulm, der war in der Weinsberger Burg gefangen gelegen und ausgebrochen. Dieser zeigte dem Bauernrath Dionysius Schmid von Schwabach an, es liegen nicht mehr als acht Mann oben im Schlosse, die Andern seien alle in der Stadt. Dionysius Schmid und der Bauernrath Hans Koberer von Brezfeld theilten diese Nachricht den Hauptleuten mit, und den Vorschlag, vor Weinsberg zu ziehen, und es zu nehmen. Semmelhans sagte, er wolle ihnen den Punkt zeigen, wo das Schloß leicht zu stürmen sei. Urgicht des Dionysius Schmid. Der ganze Haufe war entrüstet über die Antwort des Grafen; »die Bauern aus dem Weinsberger Thal waren lustig, Stadt und Schloß zu stürmen, damit sie nimmer frohnen dürfen;« und der helle Haufen erhob sich, Weinsberg zu, »mit großer Furie.«

In der ersten Frühe des 16. April, am Osterfeste, zog der Haufen über Binswangen und Erlenbach heran, gegen achttausend Mann. In Neckarsulm war am Abend des Beschlusses ein Heilbronner Bürger, einer von der Ehrbarkeit, im Bauernlager anwesend. Als dieser hörte, wie die Bauern beschlossen haben, Weinsberg zu nehmen und dem Adel zu Leibe zu gehen, ließ er heimlich den Grafen noch in der Nacht durch einen Wächter warnen. Auch durch einen Kundschafter wurde dem Grafen noch vor Tag gemeldet, daß die Bauern bereits aus ihrem Lager aufgebrochen seien, und es geheißen habe, daß sie bei den Weinsbergern die Ostereier holen wollen. Stuttgarter Staatsarchiv.

Schon vor Tagesanbruch waren auf diese Nachrichten Ritter und Reisige gerüstet, ihre Pferde in den Stallungen gezäumt und gesattelt, und zur Verstärkung der geringen Besatzung auf dem Schloß 498wurden sogleich noch fünf Reisige auch dahin abgeschickt. Mehr konnte man nicht ins Schloß legen, obgleich Helfensteins Frau und Kind und Kostbarkeiten darin waren. Der Graf verachtete auch die Bauern zu sehr, als daß er es für möglich gehalten hätte, daß sie ein so festes Schloß erstürmen. Es galt ihm vorzüglich, die Stadt gegen den ersten Angriff zu vertheidigen; er traf die nöthigen Anordnungen zu Vertheidigung der Thore und der Wehren. Er versammelte seine Ritter und Reisige und die Bürgerschaft auf dem Markt, ermunterte sie herzhaft zu sein und ihr Bestes zu thun. Sie zeigten allen guten Willen, und der Graf gab ihnen auch von seiner Seite die Zusicherung, da er sein Weib und Kind auf dem Schloß verlassen habe, wolle auch er bei ihnen in der Stadt ausharren und Alles für sie thun; es werde ihnen auch unfehlbar heute noch ein reisiger Zug zu Hülfe kommen. Stuttgarter Staatsarchiv.

Die Thore, Mauern und Wehren waren nach Anordnung des Grafen bereits alle besetzt. Noch zeigten sich keine Bauern. Die Zeit des Morgengottesdienstes, den der Pfarrer abzukürzen ersucht ward, rückte heran. Mehrere Bürger und Reisige begaben sich in die Kirche, um das Sakrament zu empfangen. Auch der Graf und Dietrich von Weiler waren zu Anhörung einer Messe darin.

Noch ehe der Gottesdienst zu Ende ging, um 9 Uhr Morgens, wurde dem Grafen in die Kirche gemeldet, die Bauern seien da, man sehe einzelne Bauerngruppen auf dem Schemelberg, denen größere Partieen nachziehen. Der Thurmwächter wollte sogleich Sturm schlagen; der Graf, um die Einwohner nicht noch mehr zu beängstigen, verbot ihm, Lärm zu machen. Den Reisigen und Bürgern, die auf der Mauer zur Wehr gerüstet waren, sprach er zu, muthig und unerschrocken zu sein. Dietrich von Weiler und der Schultheiß Schnabel sorgten dafür, daß Weiber und Mägde ganze Haufen Steine, die von den Reisigen aus dem Pflaster ausgebrochen wurden, auf die Mauer trugen.

Der Schemelberg, eine einem Schemel ähnliche Höhe, liegt Weinsberg gerade gegenüber. Von Erlenbach her mußten die Bauern über denselben gehen. Sie stellten sich auf ihm in Schlachtordnung und schickten zwei Herolde, an einem Hute kenntlich, den 499sie auf einer hohen Stange trugen, zur Stadt hinab. Sie erschienen vor dem Unterthor und forderten die Stadt zur Uebergabe auf. »Eröffnet Schloß und Stadt dem hellen, christlichen Haufen, riefen sie an die Mauer hinauf; wo nicht, so bitten wir um Gotteswillen, thut Weib und Kind hinaus; denn beide, Schloß und Stadt, werden den freien Knechten zum Stürmen gegeben, und es wird dann Niemand geschont werden.« Die innerhalb des Thors aufgestellten Bürger und Reisige wußten nicht, was sie den Abgesandten der Bauern antworten sollten. Sie schickten nach dem Grafen, und er eilte sogleich selbst dem Unterthore zu. Aber ehe er kam, war Dietrich von Weiler ans Thor gekommen.

Dietrich von Weiler, ein stolzer Rittersmann, sah in den Bauern nur »Roßmucken.« Er glaubte nicht, daß die Roßmucken einen ernstlichen Angriff wagen würden, wenn sie entschlossene Gegenwehr fänden; er achtete es für eine Schande, wenn ein Rittersmann mit solchen Roßmucken parlamentiren wollte; mit Kugeln sich mit ihnen zu besprechen, hielt er für das einzige Würdige und Gescheite. Auf seinen Befehl wurde von der Mauer und dem Thorhaus herab auf die Gesandten der Bauern gefeuert. Einer der Bauerngesandten stürzte schwer verwundet nieder, raffte sich aber blutend auf und lief mit dem andern, was sie konnten, dem Schemelberg zu. Dietrich von Weiler freute sich des Laufens; die Bewegung auf dem Schemelberg gab ihm die Gewißheit, daß diese Energie den Bauern imponirt habe. »Liebe Freunde, rief er aus, sie kommen nicht; sie wollten uns nur also schrecken, und meinen, wir hätten von Hasen das Herz.« Anders dachte der mit dem Grafen herbeigekommene Bürgermeister Prezel. Er äußerte dem Grafen die Besorgniß, daß es den Bauern, wenn sie, was jetzt wahrscheinlich sei, mit aller Macht heranrücken, eben doch gelingen möchte, durch die Thore einzudringen. Man solle das untere Thor verterrassen und dazu aus dem nahen Spital Fässer und Mist schnell herbeischaffen. Der Graf meinte, dadurch würde den pfälzischen Reitern unter dem Marschall von Habern, die er stündlich erwarte, der Weg versperrt, und gab es nicht zu. Auch er glaubte nicht an den Ernst der Bauern. Stuttgarter Staatsarchiv.

500

Die Bauern standen während der Verhandlung, die sie von ihren Gesandten erwarteten, in drei Haufen, ruhig, aber in Schlachtordnung. Voran Florian Geyer mit der schwarzen Schaar; hinter ihm ein zweiter Haufen; die große Zahl der Bauern hielt noch gegen Erlenbach und Binswangen hin. Die Schüsse von der Mauer und dem Thorhaus, welche einen der Gesandten blutig niederwarfen, waren das Signal: Florian Geyer mit dem schwarzen Haufen bewegte sich vor die Burg; der Haufen hinter ihm eilte vor die Stadt hinab; und der ganze große Haufen, der noch gegen Erlenbach und Binswangen hin stand, eilte im Sturmschritt heran.

Auf der Ebene von Erlenbach schon hatte ein »schwarzes Weib« den Segen über das Bauernheer gesprochen.

Als eine ganz eigenthümliche Gestalt im Bauernheere ragte die Böckingerin hervor, die man unter dem Namen »die schwarze Hofmännin« in der ganzen Gegend kannte. Der Volkskrieg dieser Zeit hatte auch seine Heldinnen; und klebt ihr auch Blut und Grausen an, und scheint sie der Menschlichkeit fast wie der Weiblichkeit entwachsen, den Ruhm der Heldin hat selbst die Parteileidenschaft durch treue Aufbewahrung der Akten der schwarzen Böckingerin eher gerettet als geraubt.

Der Glaube ihrer Zeit und ihrer Umgebungen schrieb ihr geheime Kräfte zu; Zauberkünste, Segens- und Bannsprüche, einen Wahrsagergeist. Sie war Jakob Rohrbach's Freundin, Rathgeberin, Helferin, sein Sporn und sein mahnender Geist; oft stärkte sie ihn, wenn er wankend werden wollte: »er solle seines Vornehmens nicht nachlassen, Gott wolle es.«

Den Adel haßte sie furchtbar. Was diesen Haß, diesen Durst nach Rache in der Brust dieser gewaltigen leidenschaftlichen Bäuerin veranlaßte, ist unbekannt: sie ruhte nicht, bis sie das Landvolk unter den Waffen sah.

Auch die Städter haßte sie, und besonders die stolzen Städterinnen von Heilbronn. Man hörte sie sagen, sie wolle noch den gnädigen Frauen die Kleider vom Leibe abschneiden, daß sie gehen wie die berupften Gänse. Sie trug es schwer, daß die Heilbronner den schönen Wasen zwischen Böckingen und der Stadt sich zugeeignet hatten, der lange gemeinschaftlich gewesen war. Sie klagte laut, 501»die von Heilbronn haben ihr und einer armen Gemeinde zu Böckingen das Ihrige gewaltsam genommen; das müssen und wollen sie jetzt denselben wieder abnehmen.«

Den Bauern sagte sie: »Wenn die von Heilbronn euch Bauern schelten oder euch etwas thun, so fallet bei dem Leiden Gottes zusammen und untersteht euch, auch denen von Heilbronn leidig zu thun, zu erwürgen und zu erstechen, was in der Stadt ist.« Oft sagte sie, »es müsse zu Heilbronn kein Stein auf dem andern bleiben, es auch zu einem Dorfe und Alles gleich werden.«

Mit Jäcklein Rohrbachs Haufen zog sie von Sontheim aus. Da sah man das schwarze Weib, der Steingrube zu, der bewaffneten Schaar vorausziehen, sie führte sie eigentlich. So ging sie an ihrer Spitze auf Oehringen, nach Schönthal, zurück nach Lichtenstern. Sie tröstete sie oftmals mit heller Stimme, sie sollen nur fröhlich und keck sein und gutes Muths ziehen; sie habe sie gesegnet, daß ihnen weder Spieß noch Hellebarde, noch Büchse zukönnen.

In Heilbronn selbst hatte sie schon zur Zeit der ersten Bewegung unter den Bürgern ihre Rolle gespielt. Als die Bürger auf dem Markt eine Gemeinde wider den Rath halten wollten, hatte sie sich unter sie gemischt, sie erregt und gestärkt. »Es wird recht also zugehen,« hatte sie ihnen damals schon zugerufen; »es muß sein, denn Gott will es also haben.« – Wo Einer, hatte sie geweissagt, sich eines Raths annehmen werde, der werde bei dem lebendigen Gott erschlagen werden.

Sie gab Rathschläge und kannte die Rathschläge der Eingeweihten, der Hauptleute; sie handelte, enthusiasmirte, warnte, wirkte mit kühnster Entschlossenheit für die Sache der Ihrigen, wo kein Mann mehr handelte und sprach: wir sind ihr nicht zum letztenmal begegnet. Bundesakten Fasc. 98. Nr. 16 a. u. b.

Schwarzes, unterdrücktes Weib, aus der Hütte am Neckar, mit der starken, verwilderten Seele voll Leidenschaft, gleich stark in Haß und Liebe, mit deinem »Gott will's!« im Munde und mit deinem Freiheits-, Schlacht- und Rachegeist – wie lebtest du in Sage und Geschichte, in Gesang und Rede, hätte deine Sache gesiegt, oder gehörte sie wenigstens nur nicht der Bauernhütte an!

502

»Die feindlichen Büchsen werden euch nichts schaden!« hatte sie, ihre Zeichen in die Luft machend, den auf Weinsberg Vorgehenden zugerufen. So etwas wirkte auf den Glauben der Zeit.

Während das Schloß angerannt wurde, ergossen sich die Haufen um die Stadt, und der erste Angriff geschah auf das untere Thor, welchem sich die Bauern vom Siechenhaus her in einem Hohlweg mit Leitern und Büchsen genähert hatten. Die Bürger in der Stadt hielten sich wohl mit dem Grafen. Seidler, Handschrift, aus einer Handschrift des Schreibers des Truchseß in der Kanzlei zu Wolfegg. Bürger und Reisige wetteiferten auf der Mauer. Vom Schloß, wie von den Mauern und Wehren der Stadt wurde ein lebhaftes Feuer aus den Schießlöchern unterhalten, und ein heftiges Steinwerfen über die Mauern hinab, um die andringenden Bauernfähnlein abzuhalten. Doch wurden nur drei Bauern von der Stadt aus erlegt, dagegen viele mehr oder weniger verwundet, was die Wuth der Bauern noch mehr reizte. Es war Jäcklein, der hier stürmte. Sie schwuren den Weinsbergern Mord und Brand zu.

Da gewahrte man plötzlich von der Stadt aus zwei Fahnen an dem Schlosse aufgesteckt. Es waren Bauernfahnen, es waren die Siegeszeichen Florian Geyers und seiner schwarzen Schaar. Diese, meist Bauern der Rottenburger Landwehr und andere eingelernte Kriegsmänner, die schon mehr dabei gewesen waren, wo es galt, Mauern zu stürmen und zu brechen, namentlich auch Heilbronner, waren mit denen vom Weinsbergerthal und den Oehringern im Grünen vor das Schloß gezogen, und hatten es in Kurzem erstürmt und erstiegen.

Schon waren auch in der Stadt unten am dreifachen untern Thore die zwei äußern Thore von den Bauern eingehauen. Das und der Fall des Schlosses schlug den Muth der Bürger nieder. Es waren ohnedies nicht alle Bürger von Anfang an in der Vertheidigung so eifrig gewesen, sondern nur die Ehrbarkeit, nur die am untern und obern Thore; an der Seite der Stadt, bei dem kleinen Thor an der Kirche, wo Dionysius Schmid von Schwabach den Sturm anlief, wehrten sich die Bürger gar nicht. Hier arbeiteten die Freunde Jäckleins und Schmids, Adam Franz, Wendel Hofmann, Melchior Beker, Jörg Schneiderhänslein und Jörg Ry, 503den Bauern in die Hände; einer hieb innen am Pförtlein, einer von außen, um es aufzuhauen. Jetzt, bei der furchtbar anschwellenden Gefahr, als die Sturmböcke und Balken, die Hämmer und Aexte schon am letzten Thore des Unterthores schmetterten, entsank auch den ehrbaren, den ergebensten Bürgern der Wille des Widerstandes. Es war umsonst, daß Dietrich von Weiler noch immer in der Stadt herumritt, und die Bürger und Reisigen, die zum Theil schon die Wehren verließen, zu unausgesetzter Gegenwehr aufrief. Zugleich umringte den Grafen ein Haufen Weiber, welche schrien und flehten, es doch nicht aufs Aeußerste kommen zu lassen, da ihnen bei längerer und doch nutzloser Gegenwehr mit Mord und Brand gedroht werde. Diese Drohung Jäckleins hatte furchtbaren Eindruck auf die Einwohner gemacht, und während die Ritter noch immer zum Widerstand riefen, beharrten die Bürger auf Uebergabe gegen Sicherheit für Leib und Leben. Die Bürger entzweiten sich mit den Reitern und der gemeine Mann fing an, die Herren mit Gewalt von den Wehren und Mauern herabzuziehen. Dies geschah namentlich gegen Hans Dietrich von Westerstetten, der mit dem Hauptmann Heßlich und dem Amtsknecht von Botwar die Mauer wieder erstiegen und gerade von dort einen Bauern erschossen hatte. Die Bürger drohten ihm mit dem Tod, wenn er nicht herab ginge.

Der Graf sah selbst die Unmöglichkeit ein, sich zu halten. »Ihr habt euch wohl gehalten, ihr Weinsberger, und den Bauern genug gethan; das will ich euch vor Gott und der Welt bezeugen,« rief der Helfensteiner, und gab es zu, daß einer der Bürger, der Schwabhannes, mit dem Hut auf einer Stange den Bauern über eine Zinne des Unterthors hinaus »Friede!« zurief, und das Anerbieten machte, ihnen, wenn sie Alles am Leben ließen, die Stadt übergeben zu wollen. Auch der Priester Franz und noch mehrere schrien: Friede! Friede! zu den Bauern hinaus. Diese schossen dem Schwabhannes den Hut von der Stange herab, und riefen hinauf: »die Bürger sollen beim Leben bleiben, die Reiter aber müssen alle sterben.« Graf Helfenstein stand daneben, als Schwabhannes wenigstens um eine Ausnahme für den Grafen bat, und mußte mit eigenen Ohren die Antwort hören, daß er sterben müsse, wenn er auch von Gold wäre.

504

Jetzt faßte der Graf, dem es zu grauen anfing, den Entschluß der Flucht. Er wollte noch einmal die Bürger zu kurzem Widerstand aufmahnen, um während desselben zum obern Thor auszubrechen. Er theilte diesen Entschluß etlichen Bürgern, die ihm vertraut waren, mit, und bat sie, ihm und seinen Reitern zum Thore auszuhelfen. Aber auch hier fanden sie die Wehren und das Thorhaus meist von den Bürgern schon verlassen; nur wenn die Bürger ihn von der Mauer aus kräftig unterstützten, war es möglich, sich zum Thore hinaus durchzuschlagen; denn bereits war auch das obere Thor von den Bauern angerannt. »Wo sind meine frommen Bürger?« rief der Graf verzweifelnd. Aber sein Ruf wurde übertäubt durch das Jammergeschrei der Weiber, die zu Eröffnung des Thores bereits die Schlüssel in Händen hatten, von dem Geschrei der Bürger, welche die Besatzung nicht entfliehen lassen wollten. Als sie die Ritter und Reisigen sich auf dem Markt auf ihre bereit stehenden Pferde schwingen sahen, schrieen sie, die es nicht mit den Bauern hielten, in Angst vor den Stürmenden, den Rittern zu: »Wollt ihr uns allein in der Brühe stecken lassen?« Andere schrieen unter Verwünschungen, durch sie sei die Stadt ins Unglück gekommen, und es sei jetzt zum Entfliehen keine Zeit.

Die Uhr war auch abgelaufen: von vier Seiten zumal ergoß sich der Strom der Bauern in die Stadt. Zuerst sprang das Pförtlein bei der Kirche auf. Hier stürzte im Gedräng Dionysius Schmid und ein Schwarm, der vom Schloß herab kam, in die Stadt herein. Auf einer andern Seite, beim Spital, half ein Spitalpfründner, Hans Mösling, »ein einfältiger Mensch,« einem Bauern über die Stadtmauer herein; diesem stiegen die andern nach. Mit wüthendem Mordgeschrei wälzte sich die Hauptmasse der Bauern durch das von ihnen vollends eingehauene untere Thor der Stadt, gerade im Augenblick, als die Reisigen sich auf ihre Rosse geschwungen hatten.

Man hörte das Geschrei an die Bürger: »Geht in eure Häuser mit Weib und Kind, so soll euch nichts widerfahren!« Die Bürger flohen in ihre Wohnungen und schlossen Thüren und Läden. Jäckleins Haufe aber schrie nach dem Grafen und den Rittern, »man müsse sie durch die Spieße jagen.« Indem drangen auch die Bauern vollends zum obern Thore herein. Es bleibt nach den 505Zeugenaussagen ungewiß, ob sie es selbst sprengten, oder ob die Bürger es ihnen öffneten. Alle Ritter und Reisige suchten die höher gelegene Kirche und den Kirchhof zu erreichen, um sich hier noch ihres Lebens zu wehren, oder sich im Innern der Kirche zu retten. Auch der Graf flüchtete sich dahin. Ein Priester zeigte ihm und mehreren Rittern einen Schnecken in der Kirche, durch den sie auf den Kirchthurm kommen, und sich vielleicht dort noch vor ihren Feinden retten möchten. Etwa achtzehn Ritter und Knechte flüchteten sich durch den Schnecken auf den Thurm.

Die Blutdürstigsten unter den Bauern waren die Böckinger, die vom Weinsberger Thal und einige aus der Stadt, wovon fünf schon in Lichtenstern zu den Bauern gefallen, drei derselben mit nach Weinsberg gekommen und bei dem Sturme der Stadt und des Schlosses thätig gewesen waren. Auf dem Schloß hatte einer von Oehringen fünf Reiter niedergestoßen. Einen henkten sie im Schloßhof. Clemens Pfeiffer von Weinsberg, der vom Schloß herabgekommen war, rief: »Ich habe den Burgpfaffen Wolf erstochen; hätt' ich den Claus Müller von Weinsberg, ich wollt ihn gleich erstechen.« Auf dem Kirchhof wurden Sebastian von Ow, Eberhard Sturmfeder und Rudolf von Eltershofen ereilt; sie fielen sogleich unter den Streichen und Stößen der Bauern. Wen sie mit Waffen auf dem Platz fanden, der ward erstochen oder erschlagen. Selbst aus den Bürgern kamen während des Sturms und jetzt im Gedränge des ersten Hereinbruchs achtzehn um, in die vierzig wurden verwundet. Die verschlossene Kirchthüre sprengten die Bauern auf, und erstachen hier alle Reisigen, die sich in dem Schiff der Kirche versteckt hatten. Einige hatten sich in der Gruft verborgen. Die Bauern erbrachen die Gruft und erschlugen die Aufgefundenen. Nun entdeckten sie auch den Schnecken. Ein wildes Freudengeschrei erscholl: »Hier haben wir das ganze Nest beisammen; schlaget sie alle todt!« Alle wollten sich zugleich hinauf drängen. Es konnte aber hin und her nur Einer um den Andern durchkommen, und dadurch, daß sie in einem auf der Treppe erstochenen Reiter das Schwert stecken ließen, wurde der Zugang auf kurze Zeit von ihnen selbst gesperrt.

Jetzt gab Dietrich von Weiler alle Hoffnung auf. Er trat auf den Kranz des Thurms, und rief hinab auf den Kirchhof, sie wollen 506sich gefangen geben, und 30,000 Gulden zahlen, wenn man sie am Leben lasse. Und wenn ihr uns, riefen die Bauern hinauf, auch eine Tonne Goldes geben wolltet, der Graf und alle Reiter müssen sterben. »Rache, Rache für das Blut unserer Brüder, für die 7000 bei Wurzach Gefallenen!« schrieen Andere; und in demselben Augenblicke sank Dietrich von Weiler rückwärts nieder; ein Schuß von unten hatte ihn tödtlich in den Hals getroffen. Und schon stachen auch die Schwerter derjenigen Bauern nach ihm, die jetzt den Thurmschnecken herauf gekommen waren. Dann warfen sie den noch Röchelnden über den Kranz auf den Kirchhof hinab. Auch andere Ritter theilten sein Loos, darunter der Forstmeister Leonhard Schmelz. Matthias Ritter stürzte ihn und zwei Andere vom Thurm herab. Beckerhans von Brackenheim trat mit Füßen auf dem Leichnam des Forstmeisters herum, unter gräßlichen Flüchen. Der junge Dietrich von Weiler, des Erschlagenen Sohn, erkaufte von Beckerhans sein Leben mit acht Goldgulden, aber dieser schlug ihn dennoch, wie er sich wandte, von hinten mit der Büchse nieder.

Georg Mezler, der oberste Hauptmann der Bauern, und Andreas Remy von Zimmern, einer der ersten Anführer, ritten herbei und gaben den Befehl, keinen Ritter und Reisigen mehr zu tödten, sondern alle gefangen anzunehmen. So wurde Graf Helfenstein mit den Andern vom Thurme herabgeführt. Im Durchführen über den Kirchhof stieß ihn ein Bauer mit der Hellebarde in die rechte Seite; auch Georg von Kaltenthal wurde am Kopf verwundet. Die Gefangenen waren mit Stricken gebunden. Sturm, Eroberung, Gefangenschaft, war das Werk von wenig mehr als einer Stunde. Nach 10 Uhr Morgens war Alles vorüber.

Da mehr gesattelte Pferde erbeutet wurden, als den Bauern Reiter in die Hände gefallen waren, so schlossen sie nicht unrichtig daraus, daß noch manche Reisige sich in bürgerlichen Häusern versteckt haben möchten. Unter Trommelschlag wurde sogleich bekannt gemacht, daß jeder Bürger sich in sein Haus begeben, und bei Leib und Lebensstrafe die in den Häusern und Scheuern versteckt liegenden Reisigen ausliefern solle. Nur Wenigen gelang es, durch die Gutmüthigkeit ihrer Hauswirthe zu entkommen. Einer verbarg sich im Backofen, und entrann darauf in Weiberkleidung. Ein junger Knecht Dietrichs von Weiler, Marx Hengstein, wurde von einigen Weibern 507im Heu versteckt und entkam Nachts wie der vorige. Jörg Mezler aus Ingelfingen, ein Fähndrich der Bauern, rettete einen dritten ihm Befreundeten, indem er ihn für einen Koch ausgab. Jäcklein übernahm die Hut der Gefangenen.

Jetzt wollten die Bauern plündern. Viele behaupteten, da sie die Stadt mit Leib- und Lebensgefahr haben erobern müssen, so gehöre ihnen nun auch Grund und Boden von Weinsberg zu. Nicht ohne großes Murren des Haufens brachten es endlich die Hauptleute dahin, daß nur die Häuser der Geistlichen, des Kellers, des Schultheißen, des Stadtschreibers und Bürgermeisters, die sich besonders thätig an die Ritter angeschlossen hatten, der Plünderung preisgegeben, die übrigen Bürgerhäuser verschont wurden. Für die Verschonung wurde den Bürgern zur Bedingung gemacht; die vielen Verwundeten sorglich zu pflegen, und die Bauern mit Wein und Lebensmitteln zu versehen, so lange sie in Weinsberg lägen.

Auch in der Kirche und Sakristei wurden alle Truchen erbrochen, das Almosen, die Monstranz, die Kirchengefäße geplündert. Die Bauern waren mit ihren Gedanken so sehr nur beim Plündern, daß Wolfgang Schäfer, der Schulmeister, ihnen unter dem Geschäft zwei Altarkelche wieder heimlich wegnehmen konnte. Der reiche Weinvorrath des Schloßkellers wurde ins Lager geschafft. Im Schlosse fanden sie die reichste Beute. Der trug einen Becher davon, ein schönes Silbergefäß, das dem Grafen gehörte, jener seidene Decken und seidene Gewande, Zinngeräth und Leinwand; Dionysius Schmid erbeutete allein auf 60 Gulden, Koberer so viel auf dem Schloß, daß er sagte, Lukas schriebe nicht davon. Es war ein solches Reissen und Zerren unter den Bauern um die Kostbarkeiten, daß sie oft das Beste übersahen. So lag ein Futteral am Boden, es sah aus wie ein Löffelfutter; Einer und der Andere hob es auf und warf es wieder weg; zuletzt nahm es einer und öffnete es, »da stak es voller Ring und Ding.« Goldene Ringe, allerlei Kleinodien wurden in großer Zahl erbeutet. Dionysius Schmid allein verkaufte um 50 Gulden Ringe und Kleinodien, sein Bruder Caspar um 15 Gulden an einen Nürnberger Goldschmied. Beutemeister war Hans Wittich von Ingelfingen; er vertheilte Früchte und Wein. In der Stadt plünderten sie jedoch selbst in den preisgegebenen Häusern mit Rücksicht. Als sie ein 508Trüchlein mit Geld in einer Kammer fanden, und Schäfer, der Schulmeister, sagte, daß es armen Kindern zu Weinsberg gehöre, ließen sie es geschehen, daß er es den Kindern erhielt.

So verbrachte der Haufen mit Plündern, mit Trinken und Essen die Vormittagsstunden, und dabei ging das alte Welfenschloß in Flammen auf. Die Obersten aber saßen zusammen und hielten Kriegsrath. Darin stellte Florian Geyer den Grundsatz auf, man solle alle festen Häuser ausbrennen, und ein Edelmann nicht mehr denn eine Thüre haben wie ein Bauer. Die Andern hatten kurz zuvor den Satz angenommen, daß alle Klöster abgethan werden, die Mönche hacken und reuten müssen wie die Bauern. Jetzt wollen sie zuerst auf Heilbronn ziehen und die Stadt in ihre Verbrüderung bringen, damit der Haufe vom Neckarthal von dieser Seite gesichert wäre; dann wollten sie durch das Mainzische auf Würzburg losgehen, und sei dieses gewonnen, alle Domherren, Pfaffen und den geistlichen Fürsten hinausjagen. Urgicht des Dionysius Schmid. Florian Geyer sah darin der Sache noch kein Genüge. Er glaubte, wenn das Volk frei werden sollte, müsse der Adel wie die Pfaffen den Bauern gleich gemacht werden, daß nur ein Stand würde auf deutschem Boden, der Stand der Gemeinfreien. Er erkannte es als eine Halbheit, nur die geistlichen Herren beseitigen zu wollen. Zwei Bäume waren es in seinen Augen, vor denen die junge Pflanze der Volksfreiheit nicht aufkommen konnte; er wollte beide zugleich umgehauen wissen, und nicht bloß umgehauen, sondern entwurzelt, daß keiner ein Schoß mehr triebe. Darum drang er auf Zerstörung aller Herrensitze, der weltlichen wie der geistlichen. Florian Geyer war einer von den Wenigen, die im Bauernheere wußten, was sie wollten; und als er den Rittermantel ablegte und sein Schwert in die Schale des Volkes warf, wußte er, daß es ein Trauerspiel sein müsse, worin er jetzt mitzuspielen sich entschlossen hatte; aber er wollte nicht nur einen Akt, sondern das ganze Trauerspiel, den Sturz nicht nur einer Seite der Herrschaft, sondern des ganzen Herrenthums. Nur für die Freiheit des Ganzen war er, das Glied eines freien Standes, von diesem, der Ritter von der Ritterschaft, abgefallen.

Anderer Ansicht war Wendel Hipler. Er wollte den Adel in 509das Interesse der Bauern ziehen, namentlich die Ritterschaft. Auch er wollte alle Lasten, welche die Volksfreiheit niederdrückten, aufheben, aber die weltlichen Herren und Edelleute für das, was sie an Zoll, Umgeld, Schatzung, an vielen anderen Rechten verloren, aus den eingezogenen geistlichen Gütern entschädigen, und dadurch die Beistimmung und den Beistand derselben zu der neuen Volksfreiheit gewinnen. Schon zu Neckarsulm, ehe sie nach Weinsberg zogen, hatte er den Vorschlag gemacht, sie sollen den Adel in ihren Bund eintreten lassen; denn der Adel habe eben so Ursache gegen die Fürsten, als die Bauern, und es solle einer den andern, Bauer und Edelmann, sich von den Fürsten befreien helfen. Urgicht des Dionysius Schmid. Wendel Hipler übte besonders auf Jörg Mezler Einfluß.

Tief im Grunde seiner Seele wälzte Jäcklein Rohrbach Gedanken, verschieden von denen Wendel Hiplers, verschieden von dem, wie weit Florian gehen wollte, schwarze blutige Gedanken. Jäcklein war der Mittelpunkt der Schreckensmänner im Bauernheer, die hier die Mehrheit hatten. Rache! war ihre Losung; »dem Adel ein sonderbar Entsetzen und eine Furcht einzujagen,« ihr nächstes Trachten. Haarer, aus späteren Geständnissen. Jäcklein hielt mit den Seinen eine besondere Berathung in der Mühle, wo er sich einquartirt hatte. Sie hielten Kriegsgericht für sich über die Gefangenen, und sie wurden eins, keinen Herrn, keinen vom Adel, keinen Reisigen leben zu lassen, sondern jetzt und künftig alle zu erstechen; welcher einen gefangen annehmen wollte, den solle man niederstechen. In dieser Mühle gerade war es, wo Dietrichs von Weiler junger Knecht von den Weibern versteckt worden war; er hörte Alles an, hörte es mit Grauen. Stuttgarter Staatsarchiv.

Jäcklein und seine Gesellen behielten diesen ihren Beschluß für sich. Um jeder Einsprache der Andern zuvorzukommen, gingen sie sogleich an die Ausführung. Jäcklein hatte die Gefangenen ja in seiner Hand, und seitab von der Stadt. Endres Remy war mit ihm; und Oehringer und Heilbronner.

Während der größte Theil des Heeres auf der Burg war, beim Wein des Schloßkellers, oder in den Wirthshäusern »zum Stärle, zum Rößle und anderen Herbergen und bei den Bürgern umher zu Morgen 510aß,« führte Jäcklein die Gefangenen heraus auf eine Wiese beim Unterthor, wo jetzt Gartenland ist. Es waren Graf Ludwig von Helfenstein; Hans Conrad Schenk von Winterstetten, der Vogt zu Vaihingen und Maulbronn; Burkhard von Ehingen, des tapfern Rudolphs von Ehingen Sohn; Friedrich von Neuhausen; Jörg Wolf von Neuhausen; Hans Dietrich von Westerstetten, der Burgvogt auf Neuffen; Philipp von Bernhausen, Jakobs von Bernhausen, des Vogts zu Göppingen, Sohn; Hans Spät von Höpfigheim; Bleikard von Riexingen; Rudolph von Hirnheim; Wolf Rauch von Helfenberg; Jörg von Kaltenthal; Felix Eigen von Eigenhöfen und Weitbrecht von Riexingen. »Selb Vierzehnt vom Adel durch die Spieß gejagt.« Schreiben der Stadt Heilbronn an den schwäbischen Bund. »Da sie den Grafen und dreizehn Edle mit ihm durch die Spieß gejagt hätten.« Bericht des Augenzeugen. Auch mehrere Knechte wurden mit ihnen heraus geführt, junge Reiterknaben. Man führte sie in einen Ring, um ihr Urtheil zu hören.

Es war eine alte Strafe, durch die Spieße zu jagen: eine Strafe jedoch, die nur wider die angewandt wurde, welche wider Ehre gehandelt hatten, und welche auch dann nur bei Knechten ein Brauch war. Diese Todesart wurde den Gefangenen angekündigt: »dem Adel zu Schand und Spott, als ob sie wider Ehre gehandelt hätten.« Niklas Thoman, Handschrift. Da kam die Gräfin von Helfenstein, welche die Gefangenschaft ihres Gemahls getheilt hatte. Sie trug ihr zweijähriges Söhnlein Maximilian auf den Armen, ihr Frauenzimmer folgte ihr. Sie warf sich vor Jäcklein und den Andern auf die Kniee, hielt ihnen ihr Kind entgegen und bat flehentlich, dem Kleinen den Vater, ihr den Gatten zu lassen. Aber alle Macht ihrer Thränen, ihrer Schönheit, ihres Unglücks, rührte die Harten nicht. Da standen sie, und Mancher mochte darunter stehen, der in diesem Augenblicke, da die Kaisertochter zu ihren Füßen lag, nur daran dachte, wie lang und wie oft ihre Herren sie vor sich her gehetzt mit Hunden, wie Hunde, und auf ihren durch Hunger und Frohnen abgemagerten Rücken die Peitsche erbarmungslos geschwungen; wie man sie umsonst hatte winseln lassen, wenn die Edelleute ihren Vater, ihren Bruder, ihren Sohn wegen geringer Vergehen in die Verließe der tiefsten Thürme hinab donnerten, wo sie ohne Speise und Trank verschmachteten, und ihr 511Flehen und Heulen und Erbieten kein Gehör und kein Erbarmen fanden, und wie sie ängstlich Nächte lang um die Thurmmauern hatten schleichen müssen, um noch etwas von ihren Verwandten, die dahinter lagen, zu hören, bis es still und stiller ward, und der letzte Hauch, ein Fluch gegen ihre Quäler, ihre Qualen endete. Am neuesten war das Andenken an die Blutgerichte in Oberschwaben, an das Morden, das der Helfensteiner und die Seinen während den Unterhandlungen an den Thalbauern verschuldet hatten. Gedanken daran mochten in der Seele manches Bauern jetzt auftauchen, als die Gräfin von Helfenstein flehend und jammernd zu ihren Füßen lag.

Jahrelange unmenschliche Behandlung hatte viele zu Unmenschen gemacht. Sie stießen sie zurück, und einer berührte mit seinem Spieß »das kleine Herrlein« auf ihrem Arme leicht auf die Brust. Helfenstein selbst bot für sein Leben allein eine Lösungssumme von 30,000 Gulden. »Und gäbst du uns zwei Tonnen Goldes, so müßtest du doch sterben,« antworteten sie. Die Rache lechzte nach Blut. Auf Jäckleins Befehl bildete sich von Bauern eine Gasse. Die Gasse commandirte Hans Winter aus dem Odenwald. Hans Weldner von Neckargartach schlug die Trommel, wie es bei Hinrichtungen der Art alter Brauch war. »Jäckleins Trabanten« waren vorn daran.

Die Bauern in der Gasse streckten ihre Spieße vor, und der Erste, der unter Trommelschall in die Gasse gejagt wurde, in die Spieße der Bauern, war Hans, ein Knecht des Conrad Schenk von Winterstetten. Er wurde sogleich niedergestochen. Der Zweite, an den die Reihe kam, war sein Herr. Der Dritte, der zum Eintritt in die Gasse commandirt wurde, war Graf Ludwig von Helfenstein. Jakob Leutz, ein zu Rom geweihter Priester, bei dem Ausbruch des Aufstandes Pfarrverweser zu Winzerhofen, und jetzt Feldschreiber der Bauern, hörte ihn beichten, und empfing von ihm seinen Rosenkranz, den er fortan selbst am Arme trug. Urban Metzger von Waldbach und Claus Schmid's Sohn von Rappach führten den Grafen in ihrer Mitte heraus an die Gasse. Es sollte ihm doppelt bitter werden. Der Graf hatte früher in glücklichen Tagen seine Tafelmusik. Melchior Nonnenmacher, ein Pfeifer von Ilsfeld, der die Zinke blies, Seidler, Handschrift. war namentlich früher in seiner Gunst 512gestanden, und mehrtheils bei ihm zu Tisch gesessen. Diesen aus seinem Dienst entlassenen Nonnenmacher sah der Graf jetzt vor sich auf seinem letzten Gang. Der trat vor ihn, wie sie ihn daher führten, nahm ihm Hut und Feder vom Kopf mit den Worten: »Das hast du nun lange genug gehabt, ich will auch einmal ein Graf sein!« und setzte ihn sich selbst auf. Und weiter sagte er: »Habe ich dir einst lange genug zu Tanz und Tafel gepfiffen, so will ich dir jetzt erst den rechten Tanz pfeifen.« Damit schritt er vor ihm her, und blies lustig die Zinke bis vor die Gasse. Urban Metzger von Waldbach stieß ihn an gegen die Spieße. Beim dritten Schritt schon stürzte der Graf unter vielen auf ihn hinein stechenden Spießen zu Boden. Ihm folgte sein Knappe Bleiberger, und sein Hausnarr. Hofmann, Handschrift. Dann nacheinander kamen die Ritter daran; und wie einer in die Gasse trat, hörte er Zurufe der Vergeltung. Zumal an Jagdfrevlern hatten Adelige sich versündigt. Noch heute lebt die Erinnerung daran im Zabergau: im Verließ der Ochsenburg fand man ein Menschengerippe zwischen einem Hirschgeweih und den Zähnen eines wilden Schweins. – Drei Reiterknaben wurden mit Spießen in die Höhe gehoben und so ermordet. Der Reisige Kunz wurde von den Obersten frei geloost.

Noch der Leichnam des gefallenen Grafen wurde verhöhnt und mißhandelt. Melchior Nonnenmacher nahm das Schmalz von ihm und schmierte seinen Spieß damit. Seidler, Handschrift Die schwarze Hofmännin stach mit ihrem Messer ihm in den Bauch, und schmierte sich mit dem herauslaufenden Fette die Schuhe, wandte ihn mit eigener Hand um, und trat mit Füßen auf ihn, »den Schelm,« wie sie sagte. Man sah Einen, der Haut und Haar eines Ermordeten auf einem Spieße herumtrug. Andreas Remy von Zimmern steckte die Helmfedern des Grafen auf seinen Hut. Jäcklein Rohrbach legte den Koller und die damastene Schauppe des Grafen sich selbst an, trat damit vor die unglückliche Gräfin und sprach: »Frau, wie gefall ich euch jetzt, in der damastenen Schauppe?« Die Gräfin verging vor Schrecken und Betrübniß, als sie den Mörder ihres trauten Herrn in dessen Edelkleidung vor sich sah. Hans Lutz, Handschrift. Den Panzer 513legte Jäcklein wieder ab und schenkte ihn an Hans Seckler von Neuenstein.

Rohe, raubgierige Hände nahmen der Gräfin ihr Geschmeide und ihre Kleider, und zerfetzten ihr noch den Rock, den sie am Leibe hatte. Thoman, Handschrift. Man setzte sie auf einen Mistwagen, mit ihrem Kind und ihrem Frauenzimmer, und schickte sie nach Heilbronn. Spottend riefen sie zu ihr hinauf: »In einem goldenen Wagen bist du nach Weinsberg eingefahren; in einem Mistwagen fährst du hinaus.« Sie aber gedachte der eben verflossenen Leidenswoche des Herrn und sprach: »Ich habe viele Sünden; Christus mein Herr ist auch am Palmtag unter dem Jubel des Volkes eingezogen, und bald darauf hat er Spott und Kreuz leiden müssen, nicht um seiner, sondern um Anderer Sünden willen; der tröste mich.« So fuhr die edle Dulderin von dannen, ihr verwundetes Kind in den Armen, das noch in spätern Jahren die Narbe behielt, und sie that ein Gelübde, wenn Gott diesem ihrem Sohn aufhelfe, so wolle sie ihn Gott opfern, und er müsse geistlich werden. Gabelkofer, Handschrift. Kerler 134. In jungen Jahren Wittwe von zwei geliebten Männern, begab sie sich zu ihrem Bruder Georg von Oesterreich, nach Lüttich, wo derselbe Fürst Bischof war, und starb nach zwölf Jahren; ihr Sohn trat, wie sie gelobt hatte, in den geistlichen Stand.

Die Sonne nahte sich der Mittagshöhe, als sie das blutige Schauspiel beleuchtete. Geschah es auch nach kriegsgerichtlichem Urtheil der Mehrheit im Bauernrathe, so war doch Jäcklein es allein mit den Seinen, der es vollzog; nur eine kleinere Zahl hatte Theil an der Ausführung. Neun Zehntheile des Bauernheeres Urgicht des Peter Danheim von Burgau. »Als man den Dietrich von Weiler vom Kirchthurm herabgeworfen, sei er dabei gewesen; beim Spießjagen sei er nicht gewesen; kaum der zehnte Mann habe darum gewußt.« Ulmer Akten, in Schmids Sammlung. Urgicht Hans Weldners; Bundesakten. erfuhren erst, als Alles längst vorüber war, etwas von der Blutrache, die Jäcklein und Andere mit ihm an den Rittern genommen hatten. Hauptquellen für das, was sich zu Weinsberg zugetragen, ist das Zeugenverhör, das aus Auftrag der österreichischen Regierung Eberhard von Karpfen und Johann Kingspach mit den wenigen dem Tod entronnenen Knechten und einigen andern als unbefangen erklärten Zeugen, zusammen mit einundzwanzig Personen, über den ganzen Vorgang, nach abgelegten Zeugeneiden vornahmen; im Stuttgarter Staatsarchiv befinden sich diese Untersuchungsakten, dabei ein zwar nicht kritisch, aber fleißig, aus denselben gearbeiteter Aufsatz von Regierungsrath Günzler, der ihn handschriftlich im Archiv niederlegte. Neben andern bereits citirten Quellen ist noch besonders wichtig ein Aufsatz von Justinus Kerner: Die Zerstörung Weinsbergs, aus handschriftlichen Ueberlieferungen.

514

Die Hauptleute und Räthe hielten eine Sitzung. Was darin verhandelt, wie Jäckleins und anderer Hauptleute That von Allen aufgenommen wurde, darüber ist nichts überliefert. Nur Eines ist Thatsache: von diesem Augenblicke an wird Florian Geyer's Name nicht mehr im Bauernrathe genannt, und er trennt sich mit seiner schwarzen Schaar von dem hellen Haufen.

Florian Geyer hatte bisher, er hatte zuletzt bei der Erstürmung des Weinsberger Schlosses seine Tüchtigkeit bewährt, er war die eigentliche militärische Intelligenz im Haufen; in seiner schwarzen Schaar verlor der helle Haufen seine besten Kriegsleute, in Florian selbst nicht bloß das einzige kriegsverständige Haupt, sondern den tüchtigsten, treuesten und redlichsten Führer, wie sie nie mehr einen bekommen konnten. Mit seinem Abgang war der Riß eröffnet, der sich von nun an zwischen den Unternehmungen des hellen Haufens und des großen fränkischen Heeres zum unberechenbaren Nachtheil der Volkssache zeigt.

Am Ostermontag noch rathschlagten die Hauptleute und Räthe zu Weinsberg, ob sie Göz von Berlichingen zu einem obersten Hauptmann annehmen wollen. Urgicht des Dionysius Schmid. Dachten sie an Göz jetzt wieder, weil Herr Florian sich mit ihnen über Jäckleins blutige Uebermacht entzweite und abzog? oder zog Herr Florian ab, weil die Hauptleute Herrn Göz an die Spitze stellen wollten? Merkwürdig, bedeutsam bleibt der Grund, aus welchem sie Göz zum Hauptmann wählen wollten, nämlich, weil er mit ihnen zu Schönthal geredet habe: »er vermöge die Edelleute zu ihnen zu bringen.« Urgicht des Dionysius Schmid. Was entweder darauf deutet, daß Florian mit seiner Ansicht gegen Wendel im Rath unterlag, oder daß die Mißbilligung gegen Jäckleins Blutrache, als eine unpolitische Maßregel, jetzt die Oberhand erhielt, 515und sie eilen wollten, zwischen ihrer Sache und der des Adels einen Anknüpfungspunkt zu suchen.

Auch Jäcklein Rohrbach trennt sich gleich darauf von dem evangelischen Heere, und wendet sich nach einer entgegengesetzten Seite, aber erst, nachdem er mit ihm noch Heilbronn besetzt hat.

Von Weinsberg aus erging eine zweite Ladung an die Grafen von Löwenstein, unter schwerer Drohung. Die beiden jungen Grafen, nothgedrungen, erschienen im Bauernlager. Als sie durch Weinsberg geführt wurden, Einer von ihnen einen Weinsberger ansprach, und dieser sich ehrerbietig gegen den Grafen neigte, da stellte sich ein altes Bäuerlein mit einer großen rostigen Helebarde drohend gegen den sich Neigenden: »Was neigst Du Dich? ich bin so gut als Er.« Auch mußten die Grafen den Bauern zum Spaß mehrere Male die Hüte vor ihnen abnehmen.

Auch die Grafen von Hohenlohe beeilten sich jetzt, dem hellen Haufen zwei Nothschlangen, einen halben Centner Pulver und ein sehr höfliches Schreiben zu schicken. Sie betheuerten, daß das Gerücht, als haben ihre Reisige gegen einzelne Bauern etwas vorgenommen, grundlos sei; sie haben Alle aufs Neue angeloben lassen, bei Strafe Leibs und Guts gegen die Bauern nichts Arges vorzunehmen. Es sei ihnen keineswegs gelegen, Jemand bei sich zu dulden, der wider ihre Briefe, Siegel und Vertrag handelte. Georg Mezler ließ auf das durch den Befehlshaber der Besatzung zu Oehringen – die Bauern ließen auf allen wichtigen Punkten Besatzungen zurück – den Reisigen der Herrschaft Hohenlohe Handgelübde abnehmen.

Der churpfälzische Marschall Wilhelm von Habern, auf dessen Hülfe Graf Ludwig von Helfenstein unter Andern auch gerechnet, und der ihm zugesagt hatte, ritt mit zwanzig Reisigen daher: auf dem Schemelberg sah er, daß er zu spät kam. Auf dem Rückweg nach Moosbach, wo er hergekommen war, stieß er auf einen Trupp von sechzig Bauern, die mit einem Kriegswagen die Straße zogen. Er verrannte ihnen den Weg, fiel in sie mit seinen Reisigen und erstach die meisten; er verlor nur etliche Pferde. Der helle Haufen aber drohte, als er's hörte, auf den Namen des Marschalls anspielend: »Wir wollen den Haber ausdreschen und sollte darüber das Heidelberger Schloß zu Grunde gehen.«

516

Von Weinsberg aus ging der Zug des hellen Haufens auf Heilbronn. Auch die Grafen Ludwig und Friedrich von Löwenstein mußten dem Haufen nachziehen, in einem Bauernhabit, und mit weißen Stecken in den Händen. So sah man sie im Thiergarten vor Heilbronn mitten unter den Bauern sitzen, »also erschrocken, als ob sie todt wären.«


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