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Fünfzehntes Kapitel.

Stimmung im Volke im Jahre 1517.

Die Umwandlung, welche das Kriegswesen erlitten hatte, wurde für die Unterthanen zunächst nur drückend; denn der Krieg kostete jetzt mehr. Die Reichsstände, die Bundesglieder legten die Kosten des reisigen Zeugs, der Landsknechte, des Kriegsgeräths einzig auf die Unterthanen um; das schwere Geschütz erforderte mehr Frohnfuhren und schwere Dienstleistungen; und plagten den armen Mann auf dem Lande die Herren aus den Burgen, so hatte er von dem Landsknecht, dieser neu aufgekommenen Hauptwaffe, im Frieden, wie im Krieg, ohne Grenzen zu leiden. Die Lands- oder Lanzknechte waren für die kriegführenden Theile höchst wichtig, aber für das Volk eine wahre Landplage.

Früher, da die Reichsstände und die einzelnen Bezirke noch nicht in so enger Verbindung mit einander standen, konnte wenigstens der arme Mann dem übermäßigen Druck dadurch sich entziehen, daß er wegzog und sich unter eine andere Herrschaft begab; jetzt war auch dies nicht mehr möglich, wie wir bei den Kemptner Bauern gesehen; das Pfahlbürgerrecht, das früher den Gedrückten unter den Mauern der Städte Rettung aus unleidlichem Zustande finden ließ, 131war ohnedies schon längst ganz aufgehoben. Sie hatten Hände und Arme gerade jetzt eng verflochten und verkettet, die Herren in den Schlössern, Burgen, Bisthümern und Städten, um den armen Mann, den Bauern fest zu halten und nieder zu halten in dem Joch, das sie wie durch stilles, gemeinsames Uebereinkommen ihm aufzwangen, und immer fester und fester zogen sie die Bande an, und immer blutiger fleischend schwangen sie die Geißel.

Aber auch im Volke wurden einzelne Köpfe immer heller und kühner. Flugschriften fingen an im Volke umzulaufen, wie Blitze, erschreckend und erleuchtend.

»Fürwahr, so ließ sich unter andern eine derselben heraus, sie strecken den Gehorsam zu weit hinaus, machen ein gemaltes Männlein daraus, haben die Welt bisher gar damit geäffet, es höflich heraus gemustert und geputzt. So man aber diesen Stichling im Grund ersucht, so ist er nichts, denn ein verlarvter Strohputz. Sie poltern und pochen viel auf ihre Herrlichkeit und Gewalt aus vermöge der Schrift – aber wo bleiben hie die Wehrwölf, der Behemot Hauf mit ihrer Finanz, die eine neue Beschwerde über die andere auf arme Leut richten, heuer einen selbst-gutwilligen Frohndienst, zu Jahr daraus einen vergewaltigenden Muß, wie denn mehrtheils ihre alte herkommene Gerechtigkeit erwachsen ist? In welchem Codex hat Gott ihr Herr ihnen solche Gewalt gegeben, daß wir Armen ihnen zu Frohndienst ihre Güter bauen müssen, und zwar nur bei schönem Wetter, aber bei Regenwetter unsrer Armuth den erarbeiteten blutigen Schweiß im Feld verderben lassen sollten? Gott mag in seiner Gerechtigkeit dies gräuliche babylonische Gefängniß nicht gedulden, daß wir Armen also sollen vertrieben sein, ihre Wiesen abzumähen und zu heuen, die Aecker zu bauen, den Flachs darein zu säen, wieder heraus zu raufen, zu riffeln, zu röseln, zu waschen, zu brechen und zu spinnen, Erbsen zu klauben, Mohren und Spargeln zu brechen. Hilf Gott, wo ist doch des Jammers je erhört worden? Sie schätzen und reißen den Armen das Mark aus den Beinen, und das müssen wir verzinsen. Wo bleiben hie die Stecher und Renner, die Spieler und Bankettirer, die da völler sind, denn die kotzenden Hunde? Dazu müssen wir Armen ihnen steuern, zinsen und Gült geben, und soll der Arme nichts minder weder Brod, Salz noch Schmalz daheim 132haben, mit sammt ihren Weibern und kleinen unerzogenen Kindern. Wo bleiben hie die mit ihrem Handlehen und Hauptrecht? Ja verflucht sei ihr Schandlehen und Raubrecht. Wo bleiben hie die Tyrannen und Wüthriche, die ihnen selbst zueignen Steuer, Zoll und Umgeld, und das so schändlich und lästerlich vertuhen und unwerden, das doch Alles in gemeinen Sekel kommen und zu Nutz dem Lande dienen soll; und daß sich ja Keiner dawider rümpfe, oder gar flugs geht's mit ihm, als mit einem verrätherischen Buben, ans Pflöcken, Köpfen, Viertheilen: da ist minder Erbarmung denn mit einem wüthenden Hund. Hat ihnen Gott solche Gewalt gegeben, in welchem Kappenzipfel steht doch das geschrieben? Ja ihre Gewalt ist von Gott, aber doch so fern, daß sie des Teufels Söldner sind und Satanas ihr Hauptmann. Nur mit diesen Moabs und Behemots weit hintan und weit hinweg, ist Gottes höchstes Gefallen.«

Diese Stimme aus dem Volke könnte übertrieben scheinen in ihren Anklagen. Aeneas Sylvius, der nachmalige Papst Pius II., erzählt in seiner Geschichte Kaiser Friedrichs III., dessen Geheimschreiber er damals war, was die im Herzogthum Oesterreich in der zweiten Hälfte des fünfzehenten Jahrhunderts an den Kämmerer Ungenad schrieben. »Dein Hochmuth, sagten sie, ist beschwerlich; aber weit unerträglicher deine Raubsucht, womit du Alle bedrückst und Alle zinspflichtig gemacht hast, Geistliche und Laien. – Alles ist bei dir feil gewesen. – Zu deinen glänzenden Gastereien und leckeren Mahlen haben die Armen ihr Blut hergeben müssen. Wir übergehen die Frauen, die bei Nachtzeit in dein Haus geführt wurden, und die geschändeten Jungfrauen.« Der nachmalige Pabst, der die Verhältnisse Oesterreichs und ganz Deutschlands so genau kannte, sagt mit keinem Worte, daß nur Etwas davon unwahr oder übertrieben sei.

Und solches Thun nahm im sechzehnten Jahrhunderte zu, nicht ab, nach einstimmigem Zeugniß aller Gleichzeitigen.

Rosenblüth klagt: »Der Edelmann treibt seine Forderungen immer höher; schilt dann der Bauer, so wirft ihm der Edelmann sein Vieh nieder.« Auf dem Reichstage zu Gelnhausen wurde zwar wohl von der Nothwendigkeit gesprochen, den gemeinen Mann zu erleichtern. »Er sei, hieß es, mit Frohnen, Diensten, Azung, Steuern, 133geistlichen Gerichten und andern Lasten, also merklich beschwert, daß es auf die Dauer nicht zu leiden sein werde.« Aber geschehen dafür ist nichts. Im Jahre 1517 verlangten die kaiserlichen Bevollmächtigten auf dem Reichstage zu Mainz eine stattliche Hülfe von den Reichsständen, nicht mehr den vierhundertsten, sondern den fünfzigsten Mann, als Vorbeugung gegen den Geist der Empörung im Volke. Die Stände lehnten das ab. Der gemeine Mann in Stadt und Land, sagten sie, sei durch Theurung und Hunger ohnehin geplagt; er könnte durch dieses Aufgebot in seinem wüthenden Gemüthe noch mehr gereizt werden, und es möchte hervor kommen, was ihm schon lang im Herzen stecke. Nähme man das an, wäre ein allgemeiner Aufstand zu besorgen. – Daß man die Kriegsknechte, wenn sie gegen Kaiser und Reich gestritten, wieder nach Hause gehen lasse, wurde als eine besondere Ursache der Unruhe hervorgehoben, die allenthalben hervordrohe; diese bringen die Meuterei in den gemeinen Mann. Man besprach wohl, was sich im Gemüth der Bauern rege, aber es kam nicht einmal zum Vorschlag, wie den Uebeln der Bauern abzuhelfen wäre. Der Reichstag ging ohne Beschluß auseinander, eben da der Gährung und Spannung, die der leibliche und juridische Druck schon hoch genug getrieben, der religiöse Hebel sich ansetzte.

Nach der Unterdrückung des armen Konrad woben die Männer des Volkes nur im tiefen Dunkel weiter, doch ohne großen Erfolg. Herzog Ulrich fürchtete wenigstens sich noch im Jahre 1516 vor neuen Unruhen, welche die Ausgetretenen und Verwiesenen des armen Koontz im Württembergischen anfangen könnten, und argwöhnte in jeder Büchse oder Armbrust eines gemeinen Mannes eine Kugel oder einen Pfeil, die nach seinem Herzen zielen könnten. Da und dort hielten die Flüchtlinge Versammlungen. Viele stahlen sich glücklich wieder in die Heimathgegend, wie im Württembergischen, so im Breisgau und in der Ortenau.

Joß Friz, der ewig Geschäftige, ließ sich bald hier, bald dort wieder blicken, im Schwarzwald, am Oberrhein; seine Frau trieb sich von Ort zu Ort, und vermittelte die Verbindung zwischen ihm und seinen alten Bekannten. Im Sommer 1517 hatten die Flüchtlinge und andere Mißvergnügte namentlich eine Versammlung auf dem Kniebis im Schwarzwald ausgemacht. Allenthalben waren die 134Obrigkeiten auf der Hut und forschten und spürten. Mehrere Gesellen von Joß wurden gefangen und zu Röteln gerichtet. »Den Bundschuher mit dem Lotterholz« fing der Landvogt zu Hochberg. Der gestand, daß seiner Gesellen einer, der sich Bastian Reben-König nenne, sich zu Suckenthal oder zu Glotter in einem der Bäder enthalte, und daß sein Hauptmann (Stoffel von Freiburg?) zu St. Blasien sei, Joß und noch Einer (Hieronymus, der Tyroler?) zu Zurzach. Aber weder diese noch jener Gesell wurden gefangen.

Der Obervogt am Schwarzwald, Hans von Wytingen, schrieb unterm 19. September 1517 an die Freiburger, wie er glaubliche Kunde habe, daß Joß Friz wieder ins Land gekommen sei, und »seine Büberei wieder angefangen habe;« Joß mit Andern ziehe durch die Aemter des Schwarzwalds hin und her, und unterstehe sich, seine Handlung und bös Fürnehmen zuzurichten und zu mehren.

Auf dieses kamen alle Städte des Oberrheins in Bewegung. Der Rath zu Straßburg schrieb unterm 26. September 1517 an die Freiburger: Auf das Schreiben derselben, der Bundschuher halb, so zu Kniebis sich versammeln wollen, habe er zur Stunde nachgeforscht. Es sei auch nicht ohne; sie haben jedoch etlicher Anzeigen ungeachtet bis jetzt nichts Gründliches über den Handel in Erfahrung bringen mögen.

Man streifte auf Joß und seine Anhänger einige Zeit, und vermuthete, daß namentlich »innen im Breisgau ihre Gesellen oder Ihresgleichen wären;« aber Joß, und die mit ihm waren, entgingen jeder Spähe, und jene Vermuthung führte zu keiner Gewißheit.

Von da an verschwindet der Name des Joß aus der Geschichte; der Same, den er ausgesät, keimte fort. Es war im Frühling 1518, als die Bergleute von Tottenau mit einem Rechtsstreit vor den Kaiser kamen. Sie fanden sich von dem königlichen Waldvogt gedrückt. Bergknappen und Bauern saßen in der Trinkstube zusammen, und sprachen von der Sache. Da ließ ein Tottenauerbauer, Konrad Ogkers, sich merken, sie sollen sich nicht drucken lassen, er wolle die Schweizer über das Gebirg bringen, wann sie wollten. Diese Rede wollte ihm ein Erzknappe verweisen: »er solle solche Wort nicht brauchen; denn wenn er das zu Freiburg thäte, kostete es ihn den Kopf.« Den schlug der Bauer von Stund an mit der Hand in's Angesicht, und 135die andern Bauern von Tottenau »überrauften noch wohl« den unbäuerlichen Bergknappen. Man hielt den Vorfall für wichtig genug, ihn an den Kaiser zu bringen, und der Kaiser empfahl in seiner Antwort die Sache nöthigenfalls zum Bericht an die Regierung zu Innspruck.

So lief es unter dem Boden fort, von den Regierungen mehr gespürt als gewußt, mehr gefürchtet als erkannt. Da trat ein Ereigniß hinzu, wodurch das religiöse Element, das von Anfang die politischen Strebungen durchzog, zum überwiegenden wurde. Das politische Element bedarf Jahre, bis es Wenige durchdringt und zur Hingabe erwärmt; religiöse Begeisterung reißt schnell Hunderttausende fort zu jedem Opfer, zu Wagniß und That.


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