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Die Bundes-Ordnung der Allgäuer.
Der Bürger zu Geislingen hatte eine Hauptschwierigkeit, womit die Bauern in ihren Lagern zu kämpfen hatten, den Mangel an hinreichendem Proviant, richtig getroffen. Sie sahen sich, da es unmöglich war, die großen Massen längere Zeit im Lager zu unterhalten, frühe genöthigt, darauf zu denken, diesem Uebelstand abzuhelfen.
Zu Memmingen, wo Hauptleute und Ausschuß der Allgäuer auf dem zweiten Bundestag zusammensaßen, entwarfen sie eine Ordnung, wie es zunächst bei der christlichen Verbrüderung gehalten werden solle. Es waren zwölf Artikel. Darin erbot sich die »ehrsame Landschaft der christlichen Vereinigung«, was man geistlicher und weltlicher Obrigkeit von göttlichem Recht zu thun schuldig sei, Gehorsam einzuhalten, und derselben in keinem Weg widerwärtig zu sein. Sie erklärten als ihren Willen und ihre Meinung, daß ein gemeiner Landfriede gehalten werde, und Niemand dem Andern wider Recht thue. Ob es sich aber begeben würde, daß Jemand mit dem Andern zu Krieg und zu Aufruhr bewegt würde, so sollte sich Niemand rotten noch partheien, und es sollte die nächste Person, weß Standes sie sei, Macht haben, Friede zu gebieten, und der Frieden sollte von Stund an auf den ersten Friedruf, das erste Abbieten gehalten werden: wer solchem Friedbieten nicht nachkäme, sollte nach seinem Verschulden bestraft werden. Anerkannte Schulden oder solche, worüber Briefe, Sigel oder glaubwürdige Zeugnisse vorlägen, und die verfallen wären, sollten bezahlt werden; würde Jemand Einrede dagegen zu haben vermeinen, dem sollte das Recht vorbehalten bleiben. Wo Schlösser in der Landschaft wären, die 306nicht im Verbündniß der christlichen Vereinigung ständen, so sollten die Inhaber derselben freundlicher Meinung ersucht werden, diese Schlösser nicht weiter als zum nöthigen Bedarf mit Proviant zu versehen, und sie weder mit Geschütz noch mit Personen, welche nicht in die christliche Vereinigung getreten wären, zu besetzen; wollten sie aber ihre Schlösser stärker als bisher besetzen, so sollten sie, wie auch die Klöster, ihre Häuser auf ihre Kosten nur mit Leuten besetzen, welche der christlichen Vereinigung im Allgäu verbunden oder zugehörig wären. Wo Dienstleute sich fänden, welche Fürsten und Herren dieneten, die sollten ihren Eid aufgeben; die, welche das thäten, sollten in die Vereinigung aufgenommen werden; die es aber nicht thäten, sollten Weib und Kind zu sich nehmen und die Landschaft unbetrübt lassen. Wo aber ein Herr einen Amtmann oder einen andern, der in der christlichen Verbindung wäre, vertriebe, sollte derselbe zwei oder drei zu sich nehmen, und zu Verhör bringen, was mit ihm gehandelt worden. Alle Pfarrer und Vicare sollten freundlich ersucht werden, das heilige Evangelium zu predigen, und welche das thun wollten, denen sollte die Pfarrei geziemenden Unterhalt geben; welche aber solches nicht thun wollten, die sollten beurlaubt und die Pfarreien mit andern dazu Bereitwilligen versehen werden. Wollte sich Jemand mit seiner Obrigkeit in Vertrag einlassen, so sollte dieser ohne Wissen und Willen gemeiner Landschaft der christlichen Vereinigung nichts beschließen; und würde auch mit Verwilligung der Landschaft ein solcher besonderer Vertrag geschlossen, so sollte der Vertragene nichts desto minder in ewiger Verbündniß bei der christlichen Vereinigung bleiben. Von jedem Haufen sollte ein Oberster und vier Räthe geordnet werden, welche Gewalt haben sollten, mit andern Obersten und Räthen zu handeln, was sich gebühre, damit die Gemeinden nicht allweg zusammen sein müßten. Kein geraubtes Gut, das diesen Mitverwandten entwendet wäre, sollte passiren dürfen. Wollten Handwerksleute ihrer Arbeit nach aus dem Lande ziehen, so sollten sie dem Hauptmann ihrer Pfarrei angeloben, sich wider die christliche Vereinigung nicht bestellen zu lassen, sondern wo einer hörete und vernähme, daß der Landschaft Widerwärtigkeit zustoßen wollte, sollte er solches der christlichen Vereinigung zu wissen thun, und wenn es von Nöthen 307würde, von Stund an seinem Vaterland zuziehen und ihm mit Rath und That helfen; ebenso alle, die in Kriegsdiensten auswärts wären. Gericht und Recht sollten, wie es zuvor geschehen, ihren Fortgang haben, und unziemliche Spiele, Gotteslästerung und Zutrinken verboten sein, und die Uebertreter nach Verschulden gestraft werden. Endlich sollte sich Niemand empören, noch aus irgend einer Ursache gegen seine Herrschaft und Obrigkeit etwas vornehmen, sie mit Gewalt angreifen und ihnen das Ihre nehmen weder an Holz, noch Wasser, noch sonst an was, bis weiterer Bescheid käme, bei Strafe an Leib und Gut.
Am Dienstag nach Invocavit, dem 7 März, nahmen alle Rotten des Oberallgäuer Haufens diese Ordnung an, und ebenso wurde sie angenommen von dem See- und Baltringer Haufen, sowie von dem Unterallgäuer Haufen. Materialien zur Geschichte des Bauernkriegs S. 54—60. Alle diese Haufen verpflichteten sich, treu zu einander zu halten, und bekräftigten das Schutz- und Trutzbündniß mit ihren Eiden. Noch war keine Gewalt geschehen. Ueberall waren die Bauern aus den Hauptlagern, worin die Versammlungen gewesen waren, der neuen Ordnung gemäß wieder in ihre Gemeinden auseinander gegangen. Nur in den Hauptquartieren blieben die Obersten und die ihnen zugegebenen Räthe. Für die zum Baltringer Haufen Gehörigen blieb als Hauptsammelplatz das Ried bei Biberach, für die Oberallgäuer Luibas, für die Unterallgäuer Raithenau, für den Seehaufen Bermatingen. Jede Pfarrei, die ganz zur Vereinigung geschworen, hatte ihren Hauptmann und ihre Räthe, und bei dem Ort einen Sammelplatz, wohin der Hauptmann die Gemeinde zusammenberief. Solche Plätze waren dann auch die Punkte, auf welche sich die aus solchen Gemeinden zu stellen hatten, in denen nur ein Theil in die Brüderschaft getreten war. Neben den Hauptleuten und Räthen waren auch Richter gewählt zur Schlichtung von Streitigkeiten auf den einzelnen Plätzen. Von Zeit zu Zeit boten die Hauptleute zur Versammlung; und wenn es nöthig war, rief der oberste Hauptmann alle Plätze in's Hauptquartier zusammen. In allen Kirchen und Kapellen wurde es abgestellt, die große Glocke, wie es sonst gewöhnlich war, zu kirchlichem Zwecke zu läuten; als ihre einzige Bestimmung für jetzt wurde das Sturmläuten bezeichnet; 308läutete die große Glocke, so hatte ein Jeder bei seinem Eide auf seinem Platz mit gewehrter Hand zu erscheinen, und je nachdem ihm hier weiterer Bescheid wurde, hier das Gehörige zu vernehmen, oder dem Hauptquartier zuzuziehen. Bericht, aus dem Salmansweiler Archiv. Handschrift der Weissenhorner Chronik.
So dachten die verbündeten Bauerschaften dieser Lande auf Verfolgung ihrer Beschwerden und auf Vertheidigung. Wenn man Alles, was bisher getreu aus den Urkunden erzählt wurde, unbefangen und mit Rücksicht auf die alten verbrieften Freiheiten dieser Bauerschaften, auf ihr altes Recht, Waffen zu tragen, sich frei zu versammeln und zu tagen, und auf ihre würdige Haltung, überblickt: sollte man nicht einstimmen in den Ausruf eines edeln Mannes, der es nicht verbarg, daß er ein Herz für das Volk hatte? »Jene von den Hauptleuten und Räthen zu Memmingen verfaßte Ordnung, sagt dieser, setzt es allein schon so ziemlich in's Reine, daß der Bauernkrieg im Grunde nichts war, als ein heftiger Naturschrei der von Herren und Prassern gedrückten Menschheit, die sich nach langwierigem Dulden und nach vielfachen demüthigen Vorstellungen nicht anders als durch eine schreckliche Explosion zu helfen wußte. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang rief ihnen Eine Stimme zu: Gib! Gib! – und da sie nicht mehr geben wollten, weil sie nicht mehr konnten, und doch geben mußten: so brachte tyrannischer Druck der Obern die Landleute zur Verzweiflung, und das nannten dann hernach ihre geistlichen und weltlichen Tyrannen Rebellion und Aufruhr.« Urtheil des anonymen Sammlers der Materialien S. 55.
An demselben Tage, an welchem die Bundesordnung beschworen wurde, erließen der Ausschuß und die Gesandten der Landschaft von den drei Haufen an die zu Ulm versammelten Räthe des schwäbischen Bundes ein Schreiben, worin sie baten, da sie nichts als das reine Evangelium und das göttliche Recht begehren, möchte ihnen ihre Vereinigung nicht sträflich ausgelegt werden. Urkunde im Stuttg. Staatsarchiv.