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Bauernunruhen im Thurgau.
Es hatte seinen guten Grund, daß die schweizerischen Eidgenossen die schwäbischen Bauern nicht nahe kommen lassen, noch jetzt, da diese dasselbe thaten, was sie, die Schweizer, früher gethan hatten, sie in ihren Freiheitsbestrebungen unterstützen wollten. Unter den Kantonen selbst war Zwiespalt: Zürich, Schaffhausen und Appenzell huldigten der neuen Lehre; Basel, Solothurn, Bern und Glarus neigten sich dazu hin, hielten es aber noch öffentlich mit den Altglaubigen; Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Freiburg hingen fest am Alten und zeigten sich offen feindlich gegen das Neue und die, welche diesem huldigten. Sie sahen, wie die Herren in den deutschen Landen umher, in der neuen Lehre den Quell alles Ungehorsams und der Empörung. Denn auch ihre Bauern regten sich und waren widersetzlich seit dem Frühlinge dieses Jahres.
»Die religiösen Neuerungen, sagte der Sprecher der zehen nicht reformirten Kantone, machen das Volk so unruhig, daß dieses sich weigere, Zinse, Zehenten und andere Leistungen zu entrichten, dabei im Glauben stehe, es sollte Alles gemein sein, und die Obrigkeit dermaßen verachte, daß der Untergang der Schweiz daraus entstehen könnte.« Urkundlich bei Zellweger.
249Besonders im Thurgau gährte es in der Bauerschaft. Thurgauer Bauern schwuren, sich den Bart nicht abnehmen lassen zu wollen, bis sie freie Thurgauer wären. In Toggenburg weigerten sie den Zehenten, ebenso im Sarganserlande und im Rheinthal. Die Klöster St. Gallen, Rorschach, Münsterlingen, Kreuzlingen, Feldbach, Däniken zitterten vor den Drohungen ihrer Bauern. In der Mitte Juli's hatten die Thurgauer die Karthause Ittingen ausgeplündert und verbrannt. Besonders dieser Vorfall war von großem Einfluß auf das Benehmen der Eidgenossen gegen die Bauern in Schwaben.
Joseph am Berg, des Kantons Schwyz Landvogt im Thurgau, hatte auf einem der letzten Tage zu Zug die Zustände des Thurgaus, die Aufregung der Bauern und die Predigt der Prädikanten auf's Grellste geschildert, und die Eidgenossen hatten auf seinen Vortrag hin ihren Landvögten in den Landgrafschaften Baden und Thurgau Befehl und Vollmacht gegeben, jeden, wer er wäre, Jung oder Alt, Weib oder Mann, Geistlich oder Weltlich, so der neuen Lehre anhinge, vor Allem die rechten Hauptsächer einzuziehen und gefänglich zu verwahren, bis sie gestraft werden könnten.
Vier Gemeinden des Thurgaus, Ober- und Unterstammheim, Nußbaumen und Waltalingen standen unter des Thurgaus hohen und deren von Zürich niedern Gerichten: diese hatten, wie Zürich selbst, Meßopfer und Heiligenbilder abgethan, und mit denen von Stein am Rhein sich dahin verbündet, daß sie, wenn woher, besonders des Evangeliums halb, ihren Prädikanten oder Landleuten Gewalt geschähe, sich nöthigenfalls mit Sturm zulaufen und einander schirmen wollen vor Gewalt zu Recht.
Der Landvogt Am Berg hatte es besonders auf Johannes Wirth, einen eifrigen Reformirten, abgesehen, der als Untervogt Zürichs, in dessen Namen er die Gerichtsbarkeit und die Gefälle besorgte, zu Stammheim saß, und den er persönlich haßte. Mit seiner Vollmacht brach er Sonntags zu Nacht den 17. Juli mit einer Rotte Kriegsknechte in den Pfarrhof zu Burg bei Stein, wo Hans Oechsle aus Einsiedeln Kirchherr und der neuen Lehre Prediger war, und führte ihn gefangen nach seinem Sitz Frauenfeld.
Herr Hans schrie um Hülfe, als sie mit ihm davon ritten; sein 250Hülferuf erweckte die Nachbarn; die Sturmglocke erscholl zu Stein, Nothschüsse vom Schloß Hohenklingen brachten die nahen Dörfer in die Waffen; sie eilten dem Weggeschleppten nach; er war aber in die Thore Frauenfelds gebracht, ehe sie diese erreichten.
Am Morgen waren an die 4000 Bauern auf und beisammen. Hans Wirth, der Untervogt zu Stammheim, gab ein Fähnlein aus der St. Annenkapelle her, und stellte sich selbst an die Spitze, um gegen solche gewaltthätige Verfolgung des Evangeliums sich zu setzen. Auch Conrad Stephan, der Vogt zu Stein, und Meister Erasmus Schmid, ein eifriger Prädikant und Chorherr zu Zürich, thaten sich dabei hervor. Bei der nahen Karthause Ittingen sollte allgemeine Versammlung und Berathung sein. Denn die Führer waren entschlossen, den Pfarrherrn vom Landvogt herauszufordern oder mit Gewalt zu holen. Sie schickten nach Dissenhofen und Schaffhausen um Hülfe und Büchsen; diese schlugen beides ab, und sandten Abmahnungen.
Indessen waren Bauernschaaren »zur Morgensuppe« in die Karthause selbst eingebrochen. Unordentlich durch die Aufregung der Nacht und des genossenen Getränkes, Anshelm: »als der Baur zur Sau worden war.« sprengten sie die Thore, verjagten die Mönche, theilten die Kirchenkleinodien und Kleider unter sich, plünderten die Vorräthe, schütteten das Sakrament aus, sotten und brieten mit den Meß- und Gesangbüchern sich Fische, und zuletzt ging das ganze Kloster in Flammen auf. Der es in Brand steckte, soll ein unglücklicher Vater gewesen sein, dessen Knaben wiederholter Vorstellungen ungeachtet der Prior beim Kloster gehalten und den kurz zuvor ein wildes Schwein zerrissen hatte.
Den Führern, als sie dazu kamen, waren diese Ausschweifungen leid, und sie wehrten, so viel sie noch konnten. Wie der Landvogt in den Ortschaften stürmen hörte, ließ er zu Frauenfeld und anderwärts auch stürmen, es lief ihm eine ziemliche Zahl zu, nicht sowohl von Bauern, denn die thaten gemach; wohl aber von Edeln, diese erboten sich ihm mit Leib und Gut. Ehe jedoch die Bauern und der Landvogt handgemein werden konnten, traf die Rathsbotschaft und das Stadtbanner von Zürich ein, und gebot Frieden und Abzug. Zugleich traten die von Schaffhausen dazwischen. Auf die Mahnung dieser Herren gingen die Bauern auseinander und heim. Die 251Züricher führten etliche der Ihren gefänglich in ihre Stadt, namentlich den Untervogt von Nußbaumen, Burkhard Rüttman, und den Untervogt von Stammheim, Hans Wirth, mit seinen beiden Söhnen, wovon der eine, Herr Hans, Kirchherr zu Stammheim war, der andere, Meister Adrian, eine Nonne geehlicht hatte: beide waren eifrige Prädikanten.
Zürich wurde aufgefordert, diese Gefangenen zu gemeiner Eidgenossen Handen nach Baden auszuliefern, die Stadt begehrte, daß in ihren Mauern über sie zu Recht erkannt werde. Als aber Herr Sebastian von Stein, der Bote der zu Baden versammelten Eidgenossen, zusagte, daß sie allein der Aufruhr und nicht des Glaubens halb zu Recht erfordert und untersucht werden sollen, ließ sich Zürich bereden, sie herauszugeben.
In dem Gerichte, vor welches sie gestellt wurden, saß unter andern wüthenden Altgläubigen auch Joseph Am Berg, der Landvogt. Sie wurden mit der größten Härte peinlich befragt, nicht bloß der Aufruhr halb, sondern namentlich auch wegen des lutherischen und zwinglischen Handels. Der religiöse und politische Haß der Herren forderte ihr Blut. Ungeachtet sie an der Plünderung und dem Brande der Karthause völlig unschuldig erfunden wurden, wurden doch die beiden Untervögte und der Kirchherr Hans zum Tode verurtheilt, und am 24. September zu Baden mit dem Schwert gerichtet. Sie hatten freimüthig bekannt, daß sie der evangelischen Lehre und Freiheit zugethan, und gegen die Gewalt, die sie der evangelischen Sache angethan sahen, aufgestanden seien, und als freie Männer gingen sie mit christlicher Geduld und Standhaftigkeit in den Tod, daß sie Bewunderung erregten und großes Bedauern über sich, als über rechte Märtyrer, und unter Alt- und Neuglaubigen lauten Unwillen über das gesetzwidrige und grausame Verfahren ihrer Richter. Das mag sie bewogen haben, den Pfarrer Herrn Hans Oechsle und Meister Adrian zu begnadigen und frei zu lassen, wiewohl gegen harte Urfehde. Conrad Stephan von Stein hatte sich nach Constanz geflüchtet, das ihn nicht herausgab. Zürich aber forderte Genugthuung von den neun Orten, durch welche die Ihrigen verurtheilt worden waren, verbot dem Landvogt des Thurgaus Stadt und Land, und ließ seinen Landwaibel von Frauenfeld, der übermüthiger Gewalt und 252freventlicher Schmachreden gegen die Evangelischen überwiesen war, enthaupten. Anshelm VI, 233—237. Luzerner Abschiedesammlung.